E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Recht - Rheinenergie
Quelle: Fotolia / H-J Paulsen
Recht

Rheinenergie "missbraucht marktbeherrschende Stellung"

Rheinenergie hat mit den Split-Tarifen in der Grundversorgung laut Landgericht Köln gegen Kartellrecht verstoßen. Das schriftliche Urteil ist überraschend ausführlich.
Drei Verfahren, zwei unterschiedliche Entscheidungen, eine 47 Seiten lange Urteilsbegründung: Die Split-Tarife von Rheinenergie in der Grundversorgung haben vor Kölner Gerichten eine vielschichtige Prüfung durchlaufen. Nachdem die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht mit ihrem Antrag auf eine einstweilige Verfügung gescheitert war, kam der Energieanbieter Lichtblick im März mit seinem Verfügungsantrag am Landgericht bei einer anderen Kammer durch. Auch wenn das Urteil (Az.: 90 O 12/22) noch nicht rechtskräftig ist: Die Entscheidungsgründe, die jetzt schriftlich vorliegen, rücken die Praxis vieler Grundversorger in ein anderes Licht.

Dass die Richter der zehnten Kammer im Streit über dieselben Split-Tarife anders entschieden haben als ihre Kollegen, liegt am juristischen Ansatz von Lichtblick: "Die Verfügungsklägerin hat den Marktmissbrauch in den Mittelpunkt der Prüfung gestellt", erklärt eine Gerichtssprecherin. Anders als im Fall der Verbraucherzentrale, die mit den Paragrafen 36 und 38 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ansetzte, führte Lichtblick das Kartellrecht ins Feld.

"Nicht glaubhaft gemacht"

Das Landgericht zog die Paragrafen 33 und 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) heran. Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt demnach vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkte von gleichartigen Abnehmern fordert – es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist.

Rheinenergie habe als monopolistische Anbieterin auf dem vergleichbaren Markt der Grundversorgung von gleichartigen Abnehmern je nach Beginn der Stromlieferung günstigere oder ungünstigere Entgelte gefordert und "nicht glaubhaft gemacht, dass die unterschiedlichen Tarife – auch die aktuell verbliebenen – sachlich gerechtfertigt sind", heißt es in dem Urteil. Die Verfügungsbeklagte "missbraucht ihre marktbeherrschende Stellung."

Strittig waren drei Tariferhöhungen. Auch anschließende Preisnachlässe betrachtete das Gericht. Das Urteil schließt alle Split-Tarife ein.

Grundsätzlich stehe es Energieversorgungsunternehmen frei, auch verschiedene verbrauchsabhängige Tarife anzubieten, aber es dürfe sich eben nicht um eine Diskriminierung handeln. Als Diskriminierung sah das Gericht auch, dass Rheinenergie bei den Neukundentarifen nicht unterschieden habe zwischen Kunden, die etwa infolge ein Lieferstopps in die Grundversorgung rutschten und solchen, die beispielsweise umgezogen waren.

Hinweis auf Beschaffungspreise reicht nicht

Rheinenergie argumentierte mit den Beschaffungspreisen. Standpunkt des Gerichts: "Der allgemeine Hinweis auf den erheblichen Anstieg von Großhandelspreisen für Strom im Dezember und die Situation, dass die Verfügungsbeklagte durch Insolvenzen, Kündigungen und Lieferstopps seitens alternativer Stromanbieter Kunden in die Ersatzversorgung habe übernehmen müssen, genügt nicht annähernd den Anforderungen", schreiben die Richter.

Rheinenergie hätte offenbar die Hosen herunterlassen müssen: Das Unternehmen habe weder dargetan, wie sich konkret seine Beschaffungssituation im streitgegenständlichen Zeitraum gestaltete, noch habe es Vorstellung davon gegeben, in welchem Umfang sie wann den angeblich sprunghaften Zuwachs an Kunden zu verzeichnen hatte, heißt es.

Ins Kalkül zogen die Richter auch etwaige Profite infolge der Preisexplosion. Der Verkauf aus Eigenerzeugung nimmt "mit 4.718 GWh mehr als 25 % des Gesamtstromverkaufs ein", hielten sie fest. "Ob und inwieweit die Verfügungsbeklagte durch die gestiegenen Strompreise hierbei zusätzliche Einkünfte generieren konnte", wäre darzustellen gewesen.

Gericht sieht Wettbewerbsverzerrung

Die Split-Tarife untergraben nach Auffassung des Landgerichts auch den Markt. Die Verfügungsklägerin konkurriere mit der Beklagten in deren Grundversorgungsgebieten als Anbieterin von Sonderverträgen der Stromversorgung. Laut Urteil wirkt es sich nachteilig für Wettbewerber aus, dass "Bestandskunden der Verfügungsbeklagten davon abgehalten werden, in ein Vertragsverhältnis zu einem anderen Energieversorger zu wechseln, selbst wenn dieser günstigere oder dem Kunden aus ökologischen oder anderen Gründen attraktivere Konditionen bietet". Die Grundversorgungstarife, die Rheinenergie angeboten und abgerechnet habe, "führen zu einer faktischen Marktabschottung".

Unternehmen wie Rheinenergie versuchten mit ihrer illegalen Preispolitik die Abwanderung von Bestandskunden zum Wettbewerb zu verhindern, kritisiert Lichtblick. "Die jüngsten Urteile zeigten, dass die Preisspaltung ein Lehrbuchfall für Kartellrechtswidrigkeit ist", sagt er Chefjurist des Unternehmens, Markus Adam.

Rheinenergie teilt mit, dass derzeit geprüft wird, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

Mittwoch, 6.04.2022, 16:00 Uhr
Manfred Fischer
Energie & Management > Recht - Rheinenergie
Quelle: Fotolia / H-J Paulsen
Recht
Rheinenergie "missbraucht marktbeherrschende Stellung"
Rheinenergie hat mit den Split-Tarifen in der Grundversorgung laut Landgericht Köln gegen Kartellrecht verstoßen. Das schriftliche Urteil ist überraschend ausführlich.
Drei Verfahren, zwei unterschiedliche Entscheidungen, eine 47 Seiten lange Urteilsbegründung: Die Split-Tarife von Rheinenergie in der Grundversorgung haben vor Kölner Gerichten eine vielschichtige Prüfung durchlaufen. Nachdem die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen sowohl vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht mit ihrem Antrag auf eine einstweilige Verfügung gescheitert war, kam der Energieanbieter Lichtblick im März mit seinem Verfügungsantrag am Landgericht bei einer anderen Kammer durch. Auch wenn das Urteil (Az.: 90 O 12/22) noch nicht rechtskräftig ist: Die Entscheidungsgründe, die jetzt schriftlich vorliegen, rücken die Praxis vieler Grundversorger in ein anderes Licht.

Dass die Richter der zehnten Kammer im Streit über dieselben Split-Tarife anders entschieden haben als ihre Kollegen, liegt am juristischen Ansatz von Lichtblick: "Die Verfügungsklägerin hat den Marktmissbrauch in den Mittelpunkt der Prüfung gestellt", erklärt eine Gerichtssprecherin. Anders als im Fall der Verbraucherzentrale, die mit den Paragrafen 36 und 38 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ansetzte, führte Lichtblick das Kartellrecht ins Feld.

"Nicht glaubhaft gemacht"

Das Landgericht zog die Paragrafen 33 und 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) heran. Ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung liegt demnach vor, wenn ein marktbeherrschendes Unternehmen ungünstigere Entgelte oder sonstige Geschäftsbedingungen fordert, als sie das Unternehmen selbst auf vergleichbaren Märkte von gleichartigen Abnehmern fordert – es sei denn, dass der Unterschied sachlich gerechtfertigt ist.

Rheinenergie habe als monopolistische Anbieterin auf dem vergleichbaren Markt der Grundversorgung von gleichartigen Abnehmern je nach Beginn der Stromlieferung günstigere oder ungünstigere Entgelte gefordert und "nicht glaubhaft gemacht, dass die unterschiedlichen Tarife – auch die aktuell verbliebenen – sachlich gerechtfertigt sind", heißt es in dem Urteil. Die Verfügungsbeklagte "missbraucht ihre marktbeherrschende Stellung."

Strittig waren drei Tariferhöhungen. Auch anschließende Preisnachlässe betrachtete das Gericht. Das Urteil schließt alle Split-Tarife ein.

Grundsätzlich stehe es Energieversorgungsunternehmen frei, auch verschiedene verbrauchsabhängige Tarife anzubieten, aber es dürfe sich eben nicht um eine Diskriminierung handeln. Als Diskriminierung sah das Gericht auch, dass Rheinenergie bei den Neukundentarifen nicht unterschieden habe zwischen Kunden, die etwa infolge ein Lieferstopps in die Grundversorgung rutschten und solchen, die beispielsweise umgezogen waren.

Hinweis auf Beschaffungspreise reicht nicht

Rheinenergie argumentierte mit den Beschaffungspreisen. Standpunkt des Gerichts: "Der allgemeine Hinweis auf den erheblichen Anstieg von Großhandelspreisen für Strom im Dezember und die Situation, dass die Verfügungsbeklagte durch Insolvenzen, Kündigungen und Lieferstopps seitens alternativer Stromanbieter Kunden in die Ersatzversorgung habe übernehmen müssen, genügt nicht annähernd den Anforderungen", schreiben die Richter.

Rheinenergie hätte offenbar die Hosen herunterlassen müssen: Das Unternehmen habe weder dargetan, wie sich konkret seine Beschaffungssituation im streitgegenständlichen Zeitraum gestaltete, noch habe es Vorstellung davon gegeben, in welchem Umfang sie wann den angeblich sprunghaften Zuwachs an Kunden zu verzeichnen hatte, heißt es.

Ins Kalkül zogen die Richter auch etwaige Profite infolge der Preisexplosion. Der Verkauf aus Eigenerzeugung nimmt "mit 4.718 GWh mehr als 25 % des Gesamtstromverkaufs ein", hielten sie fest. "Ob und inwieweit die Verfügungsbeklagte durch die gestiegenen Strompreise hierbei zusätzliche Einkünfte generieren konnte", wäre darzustellen gewesen.

Gericht sieht Wettbewerbsverzerrung

Die Split-Tarife untergraben nach Auffassung des Landgerichts auch den Markt. Die Verfügungsklägerin konkurriere mit der Beklagten in deren Grundversorgungsgebieten als Anbieterin von Sonderverträgen der Stromversorgung. Laut Urteil wirkt es sich nachteilig für Wettbewerber aus, dass "Bestandskunden der Verfügungsbeklagten davon abgehalten werden, in ein Vertragsverhältnis zu einem anderen Energieversorger zu wechseln, selbst wenn dieser günstigere oder dem Kunden aus ökologischen oder anderen Gründen attraktivere Konditionen bietet". Die Grundversorgungstarife, die Rheinenergie angeboten und abgerechnet habe, "führen zu einer faktischen Marktabschottung".

Unternehmen wie Rheinenergie versuchten mit ihrer illegalen Preispolitik die Abwanderung von Bestandskunden zum Wettbewerb zu verhindern, kritisiert Lichtblick. "Die jüngsten Urteile zeigten, dass die Preisspaltung ein Lehrbuchfall für Kartellrechtswidrigkeit ist", sagt er Chefjurist des Unternehmens, Markus Adam.

Rheinenergie teilt mit, dass derzeit geprüft wird, Rechtsmittel gegen das Urteil einzulegen.

Mittwoch, 6.04.2022, 16:00 Uhr
Manfred Fischer

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.