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Energie & Management > Elektrofahrzeuge - Neue Dieselbusse am Bodensee ernten Lob und Kritik
Quelle: Fotolia / scharfsinn86
Elektrofahrzeuge

Neue Dieselbusse am Bodensee ernten Lob und Kritik

Alles neu macht der Januar am Bodensee: Das Stadtwerk am See hat eine neue Mobilitätschefin – und 31 weitere Busse. Deren Antrieb scheint aus der Zeit gefallen und erntet Kritik.
Das Stadtwerk am See (SWSee) hat die Leitung seiner Mobilitätssparte neu vergeben. Seit Jahresbeginn ist Magdalena Linnig bei den Friedrichshafenern im Amt, sie hat die Nachfolge von Horst Schauerte angetreten. Magdalena Linnig fungiert gleichzeitig als Geschäftsführerin der Nahverkehrs-Gesellschaften Bodensee-Oberschwaben-Bahn, Katamaran-Reederei Bodensee und Stadtverkehr Friedrichshafen (SVF).

Sie ist dabei nicht der einzige Neuzugang bei der ÖPNV-Tochter SVF. Die Gesellschaft hat zum 1. Januar gleich 31 Busse angeschafft, sieben weitere sollen im Laufe des Jahres folgen. Dafür gibt der Versorger nach eigenen Angaben 12 Millionen Euro aus. Es sind sozusagen die ersten eigenen Omnibusse überhaupt, weil die Stadtverkehr-GmbH ihr Geschäftsmodell an das geltende EU-Vergaberecht anpassen musste.

Bisher hatte die SVF als reine Verkehrsmanagement-Gesellschaft Material (24 Busse) und Service bei der Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH (RAB) gemietet, einer Konzerngesellschaft der Deutschen Bahn. Die EU verlangt bei der Neuausschreibung von Verkehrsleistungen inzwischen jedoch einen höheren Eigenanteil. Diesen erbringt das Stadtwerk am See über seine Tochter SVF nun, indem es die Busse selbst anschafft. Beim Betrieb bleibt alles beim Alten: Die RAB wartet die Busse technisch und stellt die Fahrerinnen und Fahrer.
 
Die neuen Dieselbusse erhalten Lob wegen ihrer modernen Abgastechnik - und Kritik für den Verbrennermotor.
Quelle: Stadtwerk am See

Wer sich die 31 neuen Busse der SVF genauer anschaut, mag sich verwundert die Augen reiben: Es sind Dieselbusse, von MAN, ausgestattet mit Getrieben des örtlichen, weltweit aktiven Herstellers ZF Friedrichshafen AG. Elektro-Busse, mit deren Anschaffung ÖPNV-Anbieter bis zuletzt gerne an die Öffentlichkeit traten, kommen laut SVF-Angaben in der zweiten Jahreshälfte hinzu, sieben an der Zahl.

„Größter Innovationsschub“ oder „völliger Irrsinn“?

Alexander-Florian Bürkle, Geschäftsführer des Stadtwerks am See und der Technischen Werke Friedrichshafen (TWF), preist die Neuanschaffungen als „größten Innovationsschub im Friedrichshafener ÖPNV seit dem Start des neuen Stadtverkehr-Systems 1990“. Auch Fabian Müller (parteilos), Erster Bürgermeister Friedrichshafens, sieht in der neuen Flotte einen „starken Stadtverkehr mit hervorragenden Abgaswerten oder ganz emissionsfrei“. Müller: Dies „passt zu uns, ökologisch wie technisch“.

Ganz anders sieht das Kurt Sigl. Der Präsident des „Bundesverbands eMobilität“ (BEM) bezeichnet die Renaissance der Dieselantriebe im öffentlichen Nahverkehr gegenüber unserer Redaktion als „völligen Irrsinn“. Er habe befürchtet, dass die Antriebswende im Verkehr durch das Ausbleiben öffentlicher Fördergelder zum Erliegen komme. Die Stadtwerke am Bodensee werden aus seiner Sicht nicht die einzigen ÖPNV-Anbieter bleiben, die in diesem Jahr den Kauf neuer Dieselbusse melden.

BEM: Förderung komplett überdenken

Der Bund ist bisher für die Mehrkosten aufgekommen, die für einen Elektro- oder Wasserstoff-Bus gegenüber konventionellen Omnibussen anfallen. Kurt Sigl sieht nach dem Berliner Haushaltsdrama nun nur noch Restbestände aus älteren Fördertöpfen; „für neue Anschaffungen bei Bussen und Lastwagen gibt es nichts mehr“.

Der BEM-Präsident fordert die Bundesregierung auf, ihre Förderstrategie komplett zu überdenken. „Vieles erhielt bisher völlig sinnfrei eine Förderung“, so Kurt Sigl. Ein Bonus-Malus-System nach französischem Vorbild müsse her, etwa eine Besteuerung nach CO2-Ausstoß und der Wegfall der Dieselkraftstoff-Subvention, der 7,5 Milliarden Euro für neue Förderideen freimachen würde.

Jetzt mangels Förderung neue Dieselbusse anzuschaffen, das sei kurzsichtig, findet Kurt Sigl. Denn die vermeintlichen Preisvorteile beim Einkauf würden sich bereits nach sechs Jahren allmählich ins Gegenteil verkehren. Dann stünden teure Wartungen und Reparaturen an. Entsprechend müssten Unternehmen die gesamte Lebenszeit der Dieselbusse und die entstehenden Kosten in den Blick nehmen.

Umstieg auf biologische Kraftstoffe ebenfalls ein Streitpunkt

Der Stadtverkehr Friedrichshafen wirbt bei den Dieselbussen auch mit der Möglichkeit, sie „perspektivisch“ mit alternativen Bio-Kraftstoffen betreiben zu können.

Für Kurt Sigl sind E-Fuels und synthetische Kraftstoffe allerdings eine teure Alternative und ein weiterer Schritt in die falsche Richtung: „Synthetische Kraftstoffe sind nur mit einem zehnmal höheren Energieaufwand herzustellen, bevor es zum Verbrennen kommt.“ Wenn sie überhaupt eine Rolle spielen könnten, dann über eine entsprechende Förderung, „die mir nicht bekannt ist“. Es wäre ein Förderprogramm, das für E- und Wasserstoff-Busse gerade ausgelaufen ist. „Das passt alles nicht zusammen“, so Kurt Sigl.

Freitag, 5.01.2024, 08:30 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Elektrofahrzeuge - Neue Dieselbusse am Bodensee ernten Lob und Kritik
Quelle: Fotolia / scharfsinn86
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Neue Dieselbusse am Bodensee ernten Lob und Kritik
Alles neu macht der Januar am Bodensee: Das Stadtwerk am See hat eine neue Mobilitätschefin – und 31 weitere Busse. Deren Antrieb scheint aus der Zeit gefallen und erntet Kritik.
Das Stadtwerk am See (SWSee) hat die Leitung seiner Mobilitätssparte neu vergeben. Seit Jahresbeginn ist Magdalena Linnig bei den Friedrichshafenern im Amt, sie hat die Nachfolge von Horst Schauerte angetreten. Magdalena Linnig fungiert gleichzeitig als Geschäftsführerin der Nahverkehrs-Gesellschaften Bodensee-Oberschwaben-Bahn, Katamaran-Reederei Bodensee und Stadtverkehr Friedrichshafen (SVF).

Sie ist dabei nicht der einzige Neuzugang bei der ÖPNV-Tochter SVF. Die Gesellschaft hat zum 1. Januar gleich 31 Busse angeschafft, sieben weitere sollen im Laufe des Jahres folgen. Dafür gibt der Versorger nach eigenen Angaben 12 Millionen Euro aus. Es sind sozusagen die ersten eigenen Omnibusse überhaupt, weil die Stadtverkehr-GmbH ihr Geschäftsmodell an das geltende EU-Vergaberecht anpassen musste.

Bisher hatte die SVF als reine Verkehrsmanagement-Gesellschaft Material (24 Busse) und Service bei der Regionalverkehr Alb-Bodensee GmbH (RAB) gemietet, einer Konzerngesellschaft der Deutschen Bahn. Die EU verlangt bei der Neuausschreibung von Verkehrsleistungen inzwischen jedoch einen höheren Eigenanteil. Diesen erbringt das Stadtwerk am See über seine Tochter SVF nun, indem es die Busse selbst anschafft. Beim Betrieb bleibt alles beim Alten: Die RAB wartet die Busse technisch und stellt die Fahrerinnen und Fahrer.
 
Die neuen Dieselbusse erhalten Lob wegen ihrer modernen Abgastechnik - und Kritik für den Verbrennermotor.
Quelle: Stadtwerk am See

Wer sich die 31 neuen Busse der SVF genauer anschaut, mag sich verwundert die Augen reiben: Es sind Dieselbusse, von MAN, ausgestattet mit Getrieben des örtlichen, weltweit aktiven Herstellers ZF Friedrichshafen AG. Elektro-Busse, mit deren Anschaffung ÖPNV-Anbieter bis zuletzt gerne an die Öffentlichkeit traten, kommen laut SVF-Angaben in der zweiten Jahreshälfte hinzu, sieben an der Zahl.

„Größter Innovationsschub“ oder „völliger Irrsinn“?

Alexander-Florian Bürkle, Geschäftsführer des Stadtwerks am See und der Technischen Werke Friedrichshafen (TWF), preist die Neuanschaffungen als „größten Innovationsschub im Friedrichshafener ÖPNV seit dem Start des neuen Stadtverkehr-Systems 1990“. Auch Fabian Müller (parteilos), Erster Bürgermeister Friedrichshafens, sieht in der neuen Flotte einen „starken Stadtverkehr mit hervorragenden Abgaswerten oder ganz emissionsfrei“. Müller: Dies „passt zu uns, ökologisch wie technisch“.

Ganz anders sieht das Kurt Sigl. Der Präsident des „Bundesverbands eMobilität“ (BEM) bezeichnet die Renaissance der Dieselantriebe im öffentlichen Nahverkehr gegenüber unserer Redaktion als „völligen Irrsinn“. Er habe befürchtet, dass die Antriebswende im Verkehr durch das Ausbleiben öffentlicher Fördergelder zum Erliegen komme. Die Stadtwerke am Bodensee werden aus seiner Sicht nicht die einzigen ÖPNV-Anbieter bleiben, die in diesem Jahr den Kauf neuer Dieselbusse melden.

BEM: Förderung komplett überdenken

Der Bund ist bisher für die Mehrkosten aufgekommen, die für einen Elektro- oder Wasserstoff-Bus gegenüber konventionellen Omnibussen anfallen. Kurt Sigl sieht nach dem Berliner Haushaltsdrama nun nur noch Restbestände aus älteren Fördertöpfen; „für neue Anschaffungen bei Bussen und Lastwagen gibt es nichts mehr“.

Der BEM-Präsident fordert die Bundesregierung auf, ihre Förderstrategie komplett zu überdenken. „Vieles erhielt bisher völlig sinnfrei eine Förderung“, so Kurt Sigl. Ein Bonus-Malus-System nach französischem Vorbild müsse her, etwa eine Besteuerung nach CO2-Ausstoß und der Wegfall der Dieselkraftstoff-Subvention, der 7,5 Milliarden Euro für neue Förderideen freimachen würde.

Jetzt mangels Förderung neue Dieselbusse anzuschaffen, das sei kurzsichtig, findet Kurt Sigl. Denn die vermeintlichen Preisvorteile beim Einkauf würden sich bereits nach sechs Jahren allmählich ins Gegenteil verkehren. Dann stünden teure Wartungen und Reparaturen an. Entsprechend müssten Unternehmen die gesamte Lebenszeit der Dieselbusse und die entstehenden Kosten in den Blick nehmen.

Umstieg auf biologische Kraftstoffe ebenfalls ein Streitpunkt

Der Stadtverkehr Friedrichshafen wirbt bei den Dieselbussen auch mit der Möglichkeit, sie „perspektivisch“ mit alternativen Bio-Kraftstoffen betreiben zu können.

Für Kurt Sigl sind E-Fuels und synthetische Kraftstoffe allerdings eine teure Alternative und ein weiterer Schritt in die falsche Richtung: „Synthetische Kraftstoffe sind nur mit einem zehnmal höheren Energieaufwand herzustellen, bevor es zum Verbrennen kommt.“ Wenn sie überhaupt eine Rolle spielen könnten, dann über eine entsprechende Förderung, „die mir nicht bekannt ist“. Es wäre ein Förderprogramm, das für E- und Wasserstoff-Busse gerade ausgelaufen ist. „Das passt alles nicht zusammen“, so Kurt Sigl.

Freitag, 5.01.2024, 08:30 Uhr
Volker Stephan

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