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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Gefangen im deutschen Regelwerk
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E&M Vor 20 Jahren

Gefangen im deutschen Regelwerk

Vor 20 Jahren war der Stromhandel noch in den Kinderschuhen und der Gashandel kam nur zögerlich ins Laufen. Vor allem die Handelsplätze waren damals im Fokus.
Der Gashandelsplatz Bunde galt als kontinentaleuropäische Drehscheibe der Zukunft. Doch spätestens 2003 waren die Jubelgesänge der Marktteilnehmer verstummt, denn die Rahmenbedingungen für den Hub erwiesen sich alles andere als günstig. E&M-Redakteur Fritz Wilhelm berichtete damals über den Commodity-Handel in Deutschland und Europa.

Auf den ersten Blick ist die Entscheidung, in Bunde einen Gashandelsplatz einzurichten, sehr nahe liegend. Das Netz der Gas Transport Services (GTS), der Transportgesellschaft der holländischen Gasunie, trifft hier, auf Ferngasleitungen wie zum Beispiel die von Statoil, Norsk Hydro, Ruhrgas und BEB kontrollierte Norddeutsche Erdgas Traversale (Netra). In der Nachbarschaft, in Emden, landen die Nordsee-Pipelines aus den norwegischen Gasfeldern an. Und reichlich Speicherkapazität gibt es auch: auf deutscher Seite etwa 9 Milliarden Kubikmeter, auf holländischer Seite etwa 4,5 Milliarden Kubikmeter, über die Hälfte davon für L-Gas. Warum also nicht einen virtuellen Handelsplatz über Emden und Bunde stülpen?

Es gibt ihn mittlerweile. Er firmiert unter dem Namen North West European (NWE) Hub mit HubCo als Betreibergesellschaft. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten der ursprünglichen Interessenten an einem Handelsplatz in der Region Emden hat sich auf holländischer Seite, in Oude Statenzijl, sogar ein zweiter, der Eurohub, entwickelt. Wobei jedoch beide die Bezeichnung „Handelsplattform“ zurzeit Mangels Liquidität beziehungsweise aktiver Marktteilnehmer nicht verdienen.

So richtig attraktiv finden die Händler im Nordwesten im Moment nur den TTF (Title Transfer Facility) in Holland, der von GTS alternativ zum Eurohub entwickelt wurde. Vor allem, weil dort ein Entry-Paid-System vorherrscht. Das heißt: Wer einmal seine Mengen in die Niederlande gebracht hat, kann ohne zusätzliche Entry-Exit-Kapazitäten über den TTF handeln. „Am NWE-Hub sind diese Kapazitäten nicht von vornherein gegeben. Für denjenigen, der in Emden an einem Flansch einkaufen und in Bunde an einem anderen verkaufen möchte, muss HubCo die benötigten Transportkapazitäten im Voraus abschätzen und buchen“, gibt Andree Stracke, Gashändler bei RWE Trading zu bedenken. Ob man sie dann auch zur Verfügung gestellt bekomme, entscheide sich immer erst am Tag zuvor – eine Risikoposition, die kaum abschätzbar sei und für RWE ein gewichtiger Grund, vorerst nicht den HubCo-Vertrag zu unterschreiben. „Der NWE-Hub ist im deutschen Netzzugangsregime gefangen“, nimmt Stracke allerdings die Betreiber in Schutz. Es sei eben ein großer Unterschied, ob man wie in Holland einen „Gas-See“ habe, oder immer noch am Punkt-zu-Punkt-Modell klebe.

Eine Lex-Bunde wird es nicht geben
 
Eine Lex-Bunde, die dem Hub einen Sonderstatus im deutschen Netz einräumt, wird es nicht geben. Würden sich die großen Anteilseigner des NWE-Hubs im Hinblick auf die Verbändevereinbarung einen Ruck in Richtung transaktionsunabhängigen Netzzugang geben und damit dem künftigen Regulierer eine verwertbare Steilvorlage liefern, könnte das Baby vermutlich aber schon wesentlich früher richtig laufen lernen. Also heißt es: Weiter auf die Einsicht der Verbändeunterhändler oder gleich auf den Regulierer hoffen.

Ob überhaupt, trotz widrigem Transportregime, genügend freie Mengen am Markt sind, mit denen in Bunde gehandelt werden könnte, hängt nach Ansicht von Stracke von drei Faktoren ab: Von den Ein- und Verkaufsmöglichkeiten niederländischer Großkunden im holländischen Netz, vom Direktverkauf norwegischer Produzenten an Kunden in Deutschland und Holland und vom Abnahmeverhalten in Deutschland, das heißt, welche Mengen die traditionellen Kanäle entlang- oder über die neuen Marktteilnehmer den Kunden zufließen.

In diesem Jahr sei jedoch der Preisunterschied zwischen langfristig gebundenem Gas mit Ölpreisbindung und Gas zu Spotmarktpreisen so groß gewesen, dass es äußerst attraktiv gewesen sei, sich am Markt einzudecken. Die etablierten Gasgesellschaften hätten die sich bietenden Arbitragemöglichkeiten ausgiebig genutzt, so dass kaum noch genügend Mengen für die Newcomer vorhanden gewesen seien. Und der Hub in Bunde hat jedenfalls auch nichts abbekommen.

Auf das Gas-Release-Programm aus der Ministererlaubnis zur Ruhrgas-Übernahme durch Eon braucht man in Bunde derweil nicht zu hoffen, denn das Gas wird 2003 in Emden am NPT (Norpipe-Terminal) und 2004 in Waidhaus jeweils an den Ruhrgas-Flanschen bereitgestellt. Verständlicherweise – möchte man sagen. Der Aufschrei wäre sicherlich groß gewesen, wäre das Gas direkt im Hub angeboten worden. Denn wer hätte schon die Jahresgebühr für den Hub bezahlt, nur um an der Versteigerung teilnehmen zu können? Sofern überhaupt jemand das Gas kaufen möchte.
 
RWE-Händler Stracke ist sich da nicht so ganz sicher, denn der Mindestpreis in Höhe von 95 Prozen des durchschnittlichen deutschen Grenzübergangspreises könne sich für manch einen gewissenhaften Rechner angesichts möglicherweise geringerer Flexibilitäten als zu teuer erweisen. Zumal von Ruhrgas zwar das Gas zur Verfügung gestellt, dessen Abtransport, beispielsweise auch in Richtung Holland, aber nicht zugesichert werde. Außerdem wäre die unklare Vertragssituation für das Norpipe-Terminal einzukalkulieren und die damit verbundenen relativ hohe Ausfallwahrscheinlichkeit. Es bestünden nämlich spezifische Verträge für NPT-Gas Gas aus den jeweiligen Feldern. Falle ein Feld aus, stehe man unter Umständen sogar ohne Gas da. Anders als am Europipe-Terminal, bei dem für beide Leitungen bzw. alle Felder ein umfassendes Vertragswerk gilt.

Grundsätzlich dürfte die Sinnhaftigkeit eines Hubs über die Emden-Terminals und Bunde-Flansche außer Frage stehen, selbst wenn die großen Gashändler von Ruhrgas bis RWE auch ohne besondere Dienstleistungen zurechtkommen. Für Andree Stracke steht allerdings fest: „Nur wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern und wenn die von der Industrie, vor allem durch Efet vorgebrachten Einwände und Anregungen berücksichtigt werden, werden Händler einen Anreiz haben, am NWE Hub aktiv zu werden.“

Freitag, 26.05.2023, 16:56 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - Gefangen im deutschen Regelwerk
Quelle: Shutterstock
E&M Vor 20 Jahren
Gefangen im deutschen Regelwerk
Vor 20 Jahren war der Stromhandel noch in den Kinderschuhen und der Gashandel kam nur zögerlich ins Laufen. Vor allem die Handelsplätze waren damals im Fokus.
Der Gashandelsplatz Bunde galt als kontinentaleuropäische Drehscheibe der Zukunft. Doch spätestens 2003 waren die Jubelgesänge der Marktteilnehmer verstummt, denn die Rahmenbedingungen für den Hub erwiesen sich alles andere als günstig. E&M-Redakteur Fritz Wilhelm berichtete damals über den Commodity-Handel in Deutschland und Europa.

Auf den ersten Blick ist die Entscheidung, in Bunde einen Gashandelsplatz einzurichten, sehr nahe liegend. Das Netz der Gas Transport Services (GTS), der Transportgesellschaft der holländischen Gasunie, trifft hier, auf Ferngasleitungen wie zum Beispiel die von Statoil, Norsk Hydro, Ruhrgas und BEB kontrollierte Norddeutsche Erdgas Traversale (Netra). In der Nachbarschaft, in Emden, landen die Nordsee-Pipelines aus den norwegischen Gasfeldern an. Und reichlich Speicherkapazität gibt es auch: auf deutscher Seite etwa 9 Milliarden Kubikmeter, auf holländischer Seite etwa 4,5 Milliarden Kubikmeter, über die Hälfte davon für L-Gas. Warum also nicht einen virtuellen Handelsplatz über Emden und Bunde stülpen?

Es gibt ihn mittlerweile. Er firmiert unter dem Namen North West European (NWE) Hub mit HubCo als Betreibergesellschaft. Aufgrund von Meinungsverschiedenheiten der ursprünglichen Interessenten an einem Handelsplatz in der Region Emden hat sich auf holländischer Seite, in Oude Statenzijl, sogar ein zweiter, der Eurohub, entwickelt. Wobei jedoch beide die Bezeichnung „Handelsplattform“ zurzeit Mangels Liquidität beziehungsweise aktiver Marktteilnehmer nicht verdienen.

So richtig attraktiv finden die Händler im Nordwesten im Moment nur den TTF (Title Transfer Facility) in Holland, der von GTS alternativ zum Eurohub entwickelt wurde. Vor allem, weil dort ein Entry-Paid-System vorherrscht. Das heißt: Wer einmal seine Mengen in die Niederlande gebracht hat, kann ohne zusätzliche Entry-Exit-Kapazitäten über den TTF handeln. „Am NWE-Hub sind diese Kapazitäten nicht von vornherein gegeben. Für denjenigen, der in Emden an einem Flansch einkaufen und in Bunde an einem anderen verkaufen möchte, muss HubCo die benötigten Transportkapazitäten im Voraus abschätzen und buchen“, gibt Andree Stracke, Gashändler bei RWE Trading zu bedenken. Ob man sie dann auch zur Verfügung gestellt bekomme, entscheide sich immer erst am Tag zuvor – eine Risikoposition, die kaum abschätzbar sei und für RWE ein gewichtiger Grund, vorerst nicht den HubCo-Vertrag zu unterschreiben. „Der NWE-Hub ist im deutschen Netzzugangsregime gefangen“, nimmt Stracke allerdings die Betreiber in Schutz. Es sei eben ein großer Unterschied, ob man wie in Holland einen „Gas-See“ habe, oder immer noch am Punkt-zu-Punkt-Modell klebe.

Eine Lex-Bunde wird es nicht geben
 
Eine Lex-Bunde, die dem Hub einen Sonderstatus im deutschen Netz einräumt, wird es nicht geben. Würden sich die großen Anteilseigner des NWE-Hubs im Hinblick auf die Verbändevereinbarung einen Ruck in Richtung transaktionsunabhängigen Netzzugang geben und damit dem künftigen Regulierer eine verwertbare Steilvorlage liefern, könnte das Baby vermutlich aber schon wesentlich früher richtig laufen lernen. Also heißt es: Weiter auf die Einsicht der Verbändeunterhändler oder gleich auf den Regulierer hoffen.

Ob überhaupt, trotz widrigem Transportregime, genügend freie Mengen am Markt sind, mit denen in Bunde gehandelt werden könnte, hängt nach Ansicht von Stracke von drei Faktoren ab: Von den Ein- und Verkaufsmöglichkeiten niederländischer Großkunden im holländischen Netz, vom Direktverkauf norwegischer Produzenten an Kunden in Deutschland und Holland und vom Abnahmeverhalten in Deutschland, das heißt, welche Mengen die traditionellen Kanäle entlang- oder über die neuen Marktteilnehmer den Kunden zufließen.

In diesem Jahr sei jedoch der Preisunterschied zwischen langfristig gebundenem Gas mit Ölpreisbindung und Gas zu Spotmarktpreisen so groß gewesen, dass es äußerst attraktiv gewesen sei, sich am Markt einzudecken. Die etablierten Gasgesellschaften hätten die sich bietenden Arbitragemöglichkeiten ausgiebig genutzt, so dass kaum noch genügend Mengen für die Newcomer vorhanden gewesen seien. Und der Hub in Bunde hat jedenfalls auch nichts abbekommen.

Auf das Gas-Release-Programm aus der Ministererlaubnis zur Ruhrgas-Übernahme durch Eon braucht man in Bunde derweil nicht zu hoffen, denn das Gas wird 2003 in Emden am NPT (Norpipe-Terminal) und 2004 in Waidhaus jeweils an den Ruhrgas-Flanschen bereitgestellt. Verständlicherweise – möchte man sagen. Der Aufschrei wäre sicherlich groß gewesen, wäre das Gas direkt im Hub angeboten worden. Denn wer hätte schon die Jahresgebühr für den Hub bezahlt, nur um an der Versteigerung teilnehmen zu können? Sofern überhaupt jemand das Gas kaufen möchte.
 
RWE-Händler Stracke ist sich da nicht so ganz sicher, denn der Mindestpreis in Höhe von 95 Prozen des durchschnittlichen deutschen Grenzübergangspreises könne sich für manch einen gewissenhaften Rechner angesichts möglicherweise geringerer Flexibilitäten als zu teuer erweisen. Zumal von Ruhrgas zwar das Gas zur Verfügung gestellt, dessen Abtransport, beispielsweise auch in Richtung Holland, aber nicht zugesichert werde. Außerdem wäre die unklare Vertragssituation für das Norpipe-Terminal einzukalkulieren und die damit verbundenen relativ hohe Ausfallwahrscheinlichkeit. Es bestünden nämlich spezifische Verträge für NPT-Gas Gas aus den jeweiligen Feldern. Falle ein Feld aus, stehe man unter Umständen sogar ohne Gas da. Anders als am Europipe-Terminal, bei dem für beide Leitungen bzw. alle Felder ein umfassendes Vertragswerk gilt.

Grundsätzlich dürfte die Sinnhaftigkeit eines Hubs über die Emden-Terminals und Bunde-Flansche außer Frage stehen, selbst wenn die großen Gashändler von Ruhrgas bis RWE auch ohne besondere Dienstleistungen zurechtkommen. Für Andree Stracke steht allerdings fest: „Nur wenn sich die Rahmenbedingungen verbessern und wenn die von der Industrie, vor allem durch Efet vorgebrachten Einwände und Anregungen berücksichtigt werden, werden Händler einen Anreiz haben, am NWE Hub aktiv zu werden.“

Freitag, 26.05.2023, 16:56 Uhr
Fritz Wilhelm

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