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Energie & Management > F&E - Anreize zum Gassparen fehlen
Quelle: Fotolia / alphaspirit
F&E

Anreize zum Gassparen fehlen

Deutschland kann auch ohne russisches Gas durch den Winter kommen. Mit welchen Schritten dies funktionieren kann, hat ein Forscherteam der Universitäten Bonn und Köln analysiert.
Mit den "richtigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen" könnte die deutsche Wirtschaft einen sofortigen Stopp russischer Gaslieferungen auffangen und ohne russisches Gas durch den Winter kommen. Zu dieser Erkenntnis kommen Forschende um Prof. Moritz Schularick und Prof. Moritz Kuhn der Universitäten Bonn und Köln. Schularick und Kuhn sind Mitglieder des Exzellenzclusters "ECONtribute" (siehe Infokasten unten), in dessen Rahmen die Studie erstellt wurde. 

In ihren Berechnungen gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass die deutschen Gasspeicher zu jedem Zeitpunkt zu 20 % gefüllt sein sollten, um einen Puffer für einen kalten Winter zu haben. Hierzu müsste Deutschland seinen Gasverbrauch bis zum Ende der kommenden Heizperiode um etwa 25 Prozentpunkte reduzieren – selbst, wenn die neuen Flüssiggasterminals im Winter wie geplant in Betrieb gehen und Gas aus Drittländern importiert wird. Nutzen Stromversorger statt Gas alternative Energiequellen − etwa Braun- und Steinkohle − bleibt laut der Forschenden eine Gaslücke von knapp unter 20 %, die Industrie, Gewerbe, Haushalte und der öffentliche Sektor einsparen müssen.

Gasnachfrage sinkt zu langsam

Schularick erklärt: "Die Kosten werden weiterhin in der gleichen Größenordnung liegen, wie im März prognostiziert." Mithilfe eines makroökonomischen Modells hatte sein Team bereits im Frühjahr berechnet, welche wirtschaftlichen Folgen ein Stopp russischer Energieimporte hätte und die Ergebnisse mit den Daten zum deutschen Energieverbrauch kombiniert.

Zwar seien die Speicher derzeit um gut 100 Mrd. kWh gefüllter, als sie es im Falle eines Embargos im Frühjahr gewesen wären, heißt es in der Studie. Die Gasnachfrage sei bisher aber nicht ausreichend zurückgegangen, und es bleibe weniger Zeit für die Anpassung. Die Analyse der Forschenden zeigt: Hätte Deutschland bereits im April ohne russisches Gas auskommen müssen, hätte die Nachfrage um 31 % reduziert werden müssen − also um sechs Prozentpunkte mehr. Dafür wäre mehr Zeit gewesen, um Gas in der Stromerzeugung, Gebäudeheizung und Industrie zu ersetzen. Den Gasverbrauch für die kommende Heizperiode jetzt noch um knapp ein Fünftel zu reduzieren, sei machbar, aber mit ökonomischen Kosten verbunden, so die Forscher.

"Panikmache fehl am Platz"

Produktionen würden ausfallen, primär in der chemischen Industrie. Allerdings zeigten Unternehmen wie BASF, dass es möglich ist, Gas teilweise zu ersetzen. Schularick bemüht sich um einen ruhigen Ton: "Deutschland kommt ohne russisches Gas durch den Winter, Panikmache ist fehl am Platz."

Notwendig seien wirtschaftspolitische Maßnahmen, die zum Gassparen motivieren. Die Forscher schlagen etwa eine Gassteuer vor, die sparsame Verbraucher über eine Rückerstattung belohnt. "Die Politik hat es bisher verpasst, genügend Anreize zum Gassparen zu setzen", sagt Schularick. Wichtig seien außerdem Maßnahmen zum Einsparen von Heizenergie im Gewerbe, etwa durch Homeoffice oder veränderte Ladenöffnungszeiten.

Die Ergebnisse der Studie "ECONtribute Policy Brief No. 034 - Wie es zu schaffen ist" sind auf der Internetseite des Excellenzclusters abrufbar.
 

Zum Exzellenzcluster "ECONtribute"

Es handelt sich dabei um den einzigen wirtschaftswissenschaftlichen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Exzellenzcluster. Getragen wird er von den Universitäten in Bonn und Köln. Der Cluster forscht zu Märkten im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Ziel des Clusters ist es, Märkte besser zu verstehen und eine grundlegend neue Herangehensweise für die Analyse von Marktversagen zu finden, die den sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit gerecht wird.
 

Montag, 8.08.2022, 11:28 Uhr
Davina Spohn
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Anreize zum Gassparen fehlen
Deutschland kann auch ohne russisches Gas durch den Winter kommen. Mit welchen Schritten dies funktionieren kann, hat ein Forscherteam der Universitäten Bonn und Köln analysiert.
Mit den "richtigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen" könnte die deutsche Wirtschaft einen sofortigen Stopp russischer Gaslieferungen auffangen und ohne russisches Gas durch den Winter kommen. Zu dieser Erkenntnis kommen Forschende um Prof. Moritz Schularick und Prof. Moritz Kuhn der Universitäten Bonn und Köln. Schularick und Kuhn sind Mitglieder des Exzellenzclusters "ECONtribute" (siehe Infokasten unten), in dessen Rahmen die Studie erstellt wurde. 

In ihren Berechnungen gehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass die deutschen Gasspeicher zu jedem Zeitpunkt zu 20 % gefüllt sein sollten, um einen Puffer für einen kalten Winter zu haben. Hierzu müsste Deutschland seinen Gasverbrauch bis zum Ende der kommenden Heizperiode um etwa 25 Prozentpunkte reduzieren – selbst, wenn die neuen Flüssiggasterminals im Winter wie geplant in Betrieb gehen und Gas aus Drittländern importiert wird. Nutzen Stromversorger statt Gas alternative Energiequellen − etwa Braun- und Steinkohle − bleibt laut der Forschenden eine Gaslücke von knapp unter 20 %, die Industrie, Gewerbe, Haushalte und der öffentliche Sektor einsparen müssen.

Gasnachfrage sinkt zu langsam

Schularick erklärt: "Die Kosten werden weiterhin in der gleichen Größenordnung liegen, wie im März prognostiziert." Mithilfe eines makroökonomischen Modells hatte sein Team bereits im Frühjahr berechnet, welche wirtschaftlichen Folgen ein Stopp russischer Energieimporte hätte und die Ergebnisse mit den Daten zum deutschen Energieverbrauch kombiniert.

Zwar seien die Speicher derzeit um gut 100 Mrd. kWh gefüllter, als sie es im Falle eines Embargos im Frühjahr gewesen wären, heißt es in der Studie. Die Gasnachfrage sei bisher aber nicht ausreichend zurückgegangen, und es bleibe weniger Zeit für die Anpassung. Die Analyse der Forschenden zeigt: Hätte Deutschland bereits im April ohne russisches Gas auskommen müssen, hätte die Nachfrage um 31 % reduziert werden müssen − also um sechs Prozentpunkte mehr. Dafür wäre mehr Zeit gewesen, um Gas in der Stromerzeugung, Gebäudeheizung und Industrie zu ersetzen. Den Gasverbrauch für die kommende Heizperiode jetzt noch um knapp ein Fünftel zu reduzieren, sei machbar, aber mit ökonomischen Kosten verbunden, so die Forscher.

"Panikmache fehl am Platz"

Produktionen würden ausfallen, primär in der chemischen Industrie. Allerdings zeigten Unternehmen wie BASF, dass es möglich ist, Gas teilweise zu ersetzen. Schularick bemüht sich um einen ruhigen Ton: "Deutschland kommt ohne russisches Gas durch den Winter, Panikmache ist fehl am Platz."

Notwendig seien wirtschaftspolitische Maßnahmen, die zum Gassparen motivieren. Die Forscher schlagen etwa eine Gassteuer vor, die sparsame Verbraucher über eine Rückerstattung belohnt. "Die Politik hat es bisher verpasst, genügend Anreize zum Gassparen zu setzen", sagt Schularick. Wichtig seien außerdem Maßnahmen zum Einsparen von Heizenergie im Gewerbe, etwa durch Homeoffice oder veränderte Ladenöffnungszeiten.

Die Ergebnisse der Studie "ECONtribute Policy Brief No. 034 - Wie es zu schaffen ist" sind auf der Internetseite des Excellenzclusters abrufbar.
 

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Es handelt sich dabei um den einzigen wirtschaftswissenschaftlichen, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Exzellenzcluster. Getragen wird er von den Universitäten in Bonn und Köln. Der Cluster forscht zu Märkten im Spannungsfeld zwischen Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Ziel des Clusters ist es, Märkte besser zu verstehen und eine grundlegend neue Herangehensweise für die Analyse von Marktversagen zu finden, die den sozialen, technologischen und wirtschaftlichen Herausforderungen der heutigen Zeit gerecht wird.
 

Montag, 8.08.2022, 11:28 Uhr
Davina Spohn

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