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Ein zweiter Untersuchungsausschuss zu den Fragen rund um den deutschen Atomausstieg geht am 4. Dezember weiter. Indes ist die Atomkraft wieder mal Wahlkampfthema.
Der Untersuchungsausschuss zu den Fragen rund um den deutschen Atomausstieg geht am 4. Dezember in die zweite Runde: Wie der Bundestag am 2. Dezember mitteilte, werden weitere Zeugen aus der Branche befragt. Geladen sind Tim Meyerjürgens (COO Tennet), Jörg Harren (Geschäftsführer der Urenco Deutschland), Christoph Pistner (Leiter des Bereichs „Nukleartechnik & Anlagensicherheit“ des Öko-Instituts und stellvertretender Vorsitzender der Reaktorsicherheitskommission), Martin Pache (Geschäftsführer der Westinghouse Electric Germany) sowie eine Mitarbeiterin der Bundesnetzagentur.
Deutschland war Mitte April 2023 aus der Nutzung von Kernenergie ausgestiegen. Die letzten drei Meiler wurden endgültig abgeschaltet. Davor hatte die Bundesregierung aufgrund der Energiekrise infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine entschieden, die Meiler noch für ein paar Monate länger laufen zu lassen. Ursprünglich sollte der Atomausstieg bereits zum 31. Dezember 2022 vollzogen sein. Die Dauer des Weiterbetriebs der Kraftwerke sowie die Entscheidung zum endgültigen Atomausstieg hatten sowohl regierungsintern als auch in der Opposition für heftige Debatten und Streit gesorgt. Der beschlossene Untersuchungsausschuss ist neben dem Ausschuss zum Abzug der Truppen aus Afghanistan das zweite Gremium dieser Art in dieser Wahlperiode.
Betreiber unterschiedliche Auffassung
Unter den deutschen Atomkraftbetreibern herrschten offenbar unterschiedliche Auffassungen über die Möglichkeiten des Weiterbetriebs der letzten drei deutschen Atomkraftwerke, die aufgrund der Gesetzeslage Ende 2022 abgeschaltet werden sollten, wegen der durch den Ukraine-Krieg erwarteten Energieprobleme aber dann doch bis zum 15. April 2023 in Betrieb blieben. Während Preussen Elektra laut den Parlamentsnachrichten des Deutschen Bundestags bereit war, sein Kraftwerk Isar 2 auch über den mehrmonatigen Streckbetrieb hinaus weiterzubetreiben, war der RWE-Konzern weniger dazu geneigt, sein Kraftwerk Emsland noch länger zu betreiben. Dies wurde wohl bei den Vernehmungen im zweiten Untersuchungsausschuss am 28. November deutlich.
RWE-Vorstandsvorsitzender Markus Krebber schilderte, dass sein Unternehmen erstmals am 24. Februar 2022 bei einem Termin mit Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) gefragt worden sei, ob ein Weiterbetrieb der Kernkraftwerke angesichts der durch den Beginn des Ukraine-Krieges entstandenen neuen Lage helfen könnte. Grundsätzlich gelte: Technisch sei fast alles machbar. Aber RWE sei bereits auf ein Ende des Betriebs seines Kernkraftwerks Emsland Ende 2022 eingerichtet gewesen.
Preussen Elektra-Geschäftsführer Guido Knott äußerte sich deutlich optimistischer. Isar 2 sei technisch in einem hervorragenden Zustand gewesen, und ein Weiterbetrieb − sowohl als Streckbetrieb als auch über längere Zeit − sei ohne große Hürden möglich gewesen. Die von den Ministerien geäußerten Sicherheitsbedenken habe man zurückgewiesen. Knott lehnte den Vorschlag einer „Kaltreserve“ jedoch als technisch nicht realisierbar ab. Ein Kernkraftwerk sei kein Notstromaggregat, so Knott.
Eine politische Entscheidung, keine technische
Frank Mastiaux, ehemaliger EnBW-Chef, sowie ein Mitarbeiter des Tüvs Süd betonten, dass die Anlagen sicherheitstechnisch einwandfrei gewesen seien. Die PSÜ − die periodische Sicherheitsprüfung − sei eine ergänzende Maßnahme, die keine sofortigen Sicherheitsprobleme aufdecke. Hinweise, die Anlagen seien nicht geprüft, wies der Tüv-Sachverständige als unzutreffend zurück. Er kritisierte, dass die von Wirtschaftsminister Habeck angekündigte Prüfung nicht ergebnisoffen gewirkt habe. Technisch und theoretisch sei der Weiterbetrieb möglich gewesen, wenn man bestimmte Dinge beachten würde wie die Lieferzeiten für Brennstäbe. Die Entscheidung für einen Weiterbetrieb habe politisch getroffen werden müssen, so Mastiaux.
Da in Deutschland am 23. Februar 2025 eine Neuwahl des Bundestags ansteht, dürfte das Thema sowohl im anstehenden Wahlkampf als auch bei den dann folgenden Koalitionsverhandlungen eine größere Rolle einnehmen. Die Union hatte, wie auch AfD und FDP, wiederholt erklärt, den Atomausstieg rückgängig machen zu wollen. Unter Verweis auf die Kernkraftpläne anderer Länder fordert zum Beispiel Bayern eine Änderung des deutschen Atomrechts, um auch hierzulande eine Rückkehr zur Atomkraft zu ermöglichen. Nach Angaben von Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) zeige sich global ein zunehmender Trend zur neuartigen Nutzung der Kernkraft, nur Deutschland drohe den Anschluss zu verpassen.
Montag, 2.12.2024, 14:37 Uhr
Heidi Roider / dpa
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