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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Wärmenetze richtig finanzieren
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Aus Der Aktuellen Ausgabe

Wärmenetze richtig finanzieren

Der Ausbau der Wärmenetze ist politisch gewollt und auch finanziell förderbar. Doch die Finanzierung für den notwendigen Ausbau hat es in sich.
Die Fernwärme hat es gerade nicht leicht. Die Branche ist gebeutelt von Hiobsbotschaften. Explodierende Fernwärmekosten führen zu Beschwerden, beschäftigen Gerichte und rufen das Bundeskartellamt auf den Plan. Untersuchungen zeigen, dass Wärmeanbieter ihre Kosten mit selten erzielten Spitzenpreisen berechnen, obwohl die tatsächlichen Beschaffungskosten gesunken sind.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) spricht sich zudem gegen eine Quersubventionierung des öffentlichen Nahverkehrs durch die Fernwärme aus. Seine Grünen-Kollegin, Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke, fordert mehr Transparenz bei Fernwärmepreisen. Sie schlägt eine Missbrauchsaufsicht sowie eine Schlichtungsstelle für Verbraucherbeschwerden vor.

Und Beispiele des Missbrauchs gibt es reichlich. So machten Hochpreise für Fernwärme in Pfaffenhofen (Bayern) oder Hanau (Hessen) die mediale Runde. Und tatsächlich ist Fernwärme aktuell die zweitteuerste Art zu heizen. Das liegt auch daran, dass die Preisbildung der Fernwärme häufig mit Zeitversatz zu den anderen Energiepreisen stattfindet und daher die derzeit sinkenden Preise entsprechend zeitverzögert wirken, so wie auch der Preisanstieg erst zeitverzögert wirkte. Das sind nur die variablen Kosten; für Erdgas und Strom kommen noch die Netz- und Systemkosten (Kessel, Wartung usw.) dazu.


Heizkostenvergleich in Deutschland, März 2023
Brennstoff/TechnologieKosten in Cent je kWh*
Holzpellets5,80
Flüssiggas (Propan, Butan)8,76
Erdgas (Methan)9,36
Heizöl9,62
Fernwärme14,81
Heizstrom27,61
* bezogen auf 3.000 Liter Heizöläquivalent, bundesdurchschnittlich inkl. MwSt.
Quelle: Fuels Lubes Energy, 04/2024, S. 88

VKU-Chef Ingbert Liebing hingegen weist darauf hin, dass die Preisbildung bei der Fernwärme gesetzlich geregelt und kontrollierbar sei, und warnt vor falschen Vorwürfen gegen die Fernwärme. Der VKU macht zudem Hoffnung auf sinkende Tarife, da die Beschaffungskosten rückläufig seien. Gleichzeitig warnt Liebing vor neuen Auflagen, die den Ausbau gefährden könnten.

Und die gibt es schon jetzt reichlich. Mehrere Stadtwerke, so das Stadtwerk in Teterow, suchen einen starken Partner für die Bewältigung dieser vor allem finanziellen Herausforderungen. In Teterow wurden gar die Weichen für den Verkauf von Geschäftsanteilen gestellt.

Ein Wunder ist das nicht. Die Kosten für den Umbau der Wärmenetze in Deutschland werden auf 100 Milliarden Euro geschätzt, so der Deutsche Städtetag (DST). Der Bund hat zugesagt, 3 Milliarden Euro dazu beizutragen. Das ist nicht gerade viel. Allein für Leipzig werden die Kosten für den Um- und Ausbau der Fernwärme auf etwa 1 Milliarde Euro zur Erreichung der Klimaneutralität geschätzt, erläutert Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des DST. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass alternative klimaneutrale Wärmeversorgungslösungen insbesondere in verdichteten Mehrgeschossbaugebieten oft noch deutlich höhere Kosten verursachen würden.

Technische Parameter

Geld ist das eine, Technik das andere. In Deutschland bestimmen vor allem Hochtemperaturnetze mit Vorlauftemperaturen von 100 Grad Celsius und mehr den Fernwärmemarkt. Die Alternativen für fossile Brennstoffe sind rar, beispielsweise Biomasse aus Holz. Wasserstoff kann wohl eher erst in ferner Zukunft einen Teil des Erdgases ersetzen.

Die hohen Vorlauftemperaturen müssen mit einem anderen Parameter, der Wärmedichte, korrelieren. Diese gibt die Wärmeabnahme je Quadratmeter umbauter Fläche an. Für die Versorgungsgesellschaft der Stadtwerke Leipzig sind hier etwa 75 kWh pro Quadratmeter bestimmend. Ab dieser Grenze sei eine Fernwärmeversorgung technisch sinnvoll, so der Versorger.

Für das Fernwärmenetz in Leipzig gilt die aktuelle maximale Vorlauftemperatur von 120 Grad Celsius und eine sicherheitstechnische Auslegungstemperatur von 140 Grad Celsius. Die Absenkung der Vorlauftemperaturen auf unter 100 Grad Celsius ist aber das strategische Ziel der Leipziger. Die Rücklauftemperatur liegt bei rund 60 Grad Celsius. Diese Temperaturdifferenzen werden benötigt, um alle Gebäude − auch die an den Endpunkten der Fernwärmeleitungen − im Winter dauerhaft mit Wärme versorgen zu können, so der Versorger.

Dabei ist die technische Situation in den Gebäuden ausschlaggebend für die notwendigen Temperaturen. Ein Umbau der Heizungssysteme wäre insbesondere in den kritischen Gebäuden (historische denkmalgeschützte Mehrfamilienhäuser im Innenstadtbereich) notwendig, um niedrigere Temperaturen in den Fernwärmenetzen zu realisieren. Aktuell wird in Leipzig der Einfluss der Absenkung der Vor- und Rücklauftemperaturen auf den wirtschaftlichen und flexiblen Einsatz von regenerativen Energiequellen im Fernwärmeverbundnetz untersucht.

Allerdings identifizierte der Leipziger Versorger im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung nur erste Ausbaugebiete für die Fernwärme über 100 Grad Celsius. In der weiteren Entwicklung des Wärmeplans sollen auch Varianten für dezentrale Netze mit anderen Temperaturen gefunden werden. Die Wärmeplanung ist dabei auf Straßenblöcke ausgerichtet. 

Förderung mit BEW und KWKG

Gerade die finanziellen Herausforderungen versucht der Bund abzufedern. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) ist nach Aufhebung der Haushaltssperre seit dem 22. Januar 2024 wieder möglich, bleibt jedoch abhängig von verfügbaren Haushaltsmitteln. Das Programm unterstützt sowohl die Umstellung auf erneuerbare Energien als auch Neubauprojekte mit einem systemischen Ansatz und bietet Betriebskostenförderung für Solarthermie und Wärmepumpen. Antragsberechtigt sind unter anderem Unternehmen, Kommunen, kommunale Betriebe und Genossenschaften. 

Die Förderung ist in vier Module unterteilt: 
1) Transformationspläne und Machbarkeitsstudien
2) Systemische Förderung für Neubau und Bestandsnetze
3) Einzelmaßnahmen für Bestandsnetze
4) Betriebskostenförderung für erneuerbare Energiequellen

Nicht rückzahlbare Zuschüsse und Investitionszuschüsse sind Teil der Förderung mit dem Ziel, die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Wärmeversorgung zu verbessern. Zudem kommt das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) − wenn auch nur in begrenztem Umfang − als Fördermöglichkeit für Netze infrage, soweit diese mit KWK-Anlagen betrieben werden.

Bliebe noch der Gang auf den Kapitalmarkt. Die Leipziger L-Gruppe beispielsweise schließt dies derzeit für sich aus. Der Netzausbau in bestehenden Netzen sei technisch immer mit dem Gesamtnetz verbunden. Daher sei eine Abtrennung als separates Wirtschaftsgut mit eigenem Finanzierungsplan in der Regel nicht möglich, so die Versorger. Andere kommunale Energieunternehmen brauchen jedoch auch diese Säule der Finanzierung.

Eine weitere Möglichkeit der Finanzierung ist die Beteiligung von Bürgern etwa über Energiegenossenschaften oder Landgesellschaften, die zum Teil von den Kommunen finanziert werden, zum Teil aber auch im Besitz von privaten Investoren sind. Insbesondere für Nahwärmenetze ist dies eine Option.

Generell ist für die Finanzierung eine detaillierte Planung der Investitions- und Betriebskosten sowie die Einbeziehung von Fördermöglichkeiten entscheidend. Die Cashflow-Prognose muss Zinsen, Abschreibungen und saisonale Schwankungen berücksichtigen, um die Wirtschaftlichkeit des Netzes zu gewährleisten. Förderprogramm der KfW-Bank oder des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) bieten hier allenfalls eine teilweise finanzielle Unterstützung. 
 

Finanzierung unabhängig vom Wärmeplanungsgesetz

Antworten von Frank Viereckl, Pressesprecher der Leipziger Gruppe, auf den Wärmenetzausbau.

E&M: Wie sehen Sie das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung (WPG)?

Viereckl: Geeignete Quartiere profitieren sicherlich von der Umsetzung der Vorgaben des WPG. Die Finanzierung sehen wir allerdings derzeit unabhängig davon. Die Förderprogramme der BEW sind nicht direkt an die Wärmeplanung gekoppelt.

E&M: Wie gehen die Stadtwerke Leipzig bei der Planung und letztlich der Finanzierung von Wärmenetzen vor?

Viereckl: Die kommunale Wärmeplanung wird einerseits den Ausbau des bestehenden Fernwärmenetzes festlegen. Andererseits werden aber auch dezentrale Lösungen, insbesondere um eine Wärmequelle mit regenerativen Energien herum, ausgewiesen. Hier gilt es, lokale Lösungen zu finden, die auch unter Beteiligung der Bürger und Anwohner umgesetzt werden sollen. In diesen Fällen ist eine Finanzierung über alternative Instrumente denkbar. Die Stadt Leipzig identifiziert derzeit im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung solche Nahwärme-, Quartiers- und Inselnetze. Technische Umsetzungsalternativen werden dann von den Stadtwerken Leipzig gemeinsam mit der Stadt und unter Einbindung der Bürger erarbeitet.

E&M: Ist die Förderung durch die BEW dafür ausreichend, zumal sie nach dem Stopp im letzten Jahr eher zu einer Verunsicherung im Markt geführt hat?

Viereckl: Die Förderung durch die BEW unterstützt den Bau bestimmter Wärmeerzeugungsanlagen und den Bau der zur Nutzung notwendigen Wärmenetze. Die Förderung erfolgt sowohl für die Vorplanung der technischen Machbarkeit als auch für die Errichtung der Anlagen und Netze. Der Fördersatz beträgt grundsätzlich maximal 40 Prozent. Sofern ein separates Inselnetz errichtet werden kann, ist im Einzelfall zu prüfen, welche Endkundenpreise sich dort ergeben. Derzeit haben wir noch kein derartiges Projekt vollständig geprüft.

E&M: Welche dieser Varianten wird in Zukunft bei energieeffizienteren Häusern überhaupt noch eine Zukunft und damit eine Finanzierungsmöglichkeit haben?

Viereckl: Das hängt immer von den individuellen Gegebenheiten vor Ort und in den Gebäuden ab. In Neubauquartieren sehen wir alle Arten von Versorgungstechnologien, auch in hocheffizienten Häusern. Voraussetzung für sinnvolle kalte Netze ist, dass eine regenerative Wärmequelle genutzt werden kann. Die Identifikation von solchen Quellen im Niedertemperaturbereich ist in Leipzig noch nicht abgeschlossen. Generell ist nicht für jede Gebäudestruktur ein Wärmenetz notwendig.

E&M: Wie reagieren Sie auf den aktuellen Fachkräfte- und Kapazitätsmangel bei Wärmenetzplanern?

Viereckl: Für die Umsetzung der kommunalen Wärmewende werden Fachkräfte auf allen Ebenen des Netzaufbaus benötigt. Neben Grundsatzplanern sind das auch Tiefbauer, Rohrleitungsbauer, Monteure für Hausanschlussstationen und andere kritische Ressourcen entlang des gesamten Bauprozesses. Die Stadtwerke Leipzig entwickeln hierfür Konzepte auf verschiedenen Ebenen. Zum einen werden innerhalb unserer technischen Bereiche mittelfristig Planer aus anderen Bereichen den Bau von Wärmenetzen unterstützen. Zum anderen wird gemeinsam mit den Innungen, der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer über neue Formen der Qualifizierung von Installateuren diskutiert. Auch die eigenen Ressourcen werden in den nächsten Jahren ausgebaut. Ein weiteres Ziel ist es, diese Engpässe durch Kooperationen mit anderen Anbietern zu verringern. 
 
Frank Viereckl
Quelle: LVV

 

 

Donnerstag, 6.06.2024, 09:15 Uhr
Frank Urbansky
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Wärmenetze richtig finanzieren
Quelle: Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe
Wärmenetze richtig finanzieren
Der Ausbau der Wärmenetze ist politisch gewollt und auch finanziell förderbar. Doch die Finanzierung für den notwendigen Ausbau hat es in sich.
Die Fernwärme hat es gerade nicht leicht. Die Branche ist gebeutelt von Hiobsbotschaften. Explodierende Fernwärmekosten führen zu Beschwerden, beschäftigen Gerichte und rufen das Bundeskartellamt auf den Plan. Untersuchungen zeigen, dass Wärmeanbieter ihre Kosten mit selten erzielten Spitzenpreisen berechnen, obwohl die tatsächlichen Beschaffungskosten gesunken sind.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) spricht sich zudem gegen eine Quersubventionierung des öffentlichen Nahverkehrs durch die Fernwärme aus. Seine Grünen-Kollegin, Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke, fordert mehr Transparenz bei Fernwärmepreisen. Sie schlägt eine Missbrauchsaufsicht sowie eine Schlichtungsstelle für Verbraucherbeschwerden vor.

Und Beispiele des Missbrauchs gibt es reichlich. So machten Hochpreise für Fernwärme in Pfaffenhofen (Bayern) oder Hanau (Hessen) die mediale Runde. Und tatsächlich ist Fernwärme aktuell die zweitteuerste Art zu heizen. Das liegt auch daran, dass die Preisbildung der Fernwärme häufig mit Zeitversatz zu den anderen Energiepreisen stattfindet und daher die derzeit sinkenden Preise entsprechend zeitverzögert wirken, so wie auch der Preisanstieg erst zeitverzögert wirkte. Das sind nur die variablen Kosten; für Erdgas und Strom kommen noch die Netz- und Systemkosten (Kessel, Wartung usw.) dazu.


Heizkostenvergleich in Deutschland, März 2023
Brennstoff/TechnologieKosten in Cent je kWh*
Holzpellets5,80
Flüssiggas (Propan, Butan)8,76
Erdgas (Methan)9,36
Heizöl9,62
Fernwärme14,81
Heizstrom27,61
* bezogen auf 3.000 Liter Heizöläquivalent, bundesdurchschnittlich inkl. MwSt.
Quelle: Fuels Lubes Energy, 04/2024, S. 88

VKU-Chef Ingbert Liebing hingegen weist darauf hin, dass die Preisbildung bei der Fernwärme gesetzlich geregelt und kontrollierbar sei, und warnt vor falschen Vorwürfen gegen die Fernwärme. Der VKU macht zudem Hoffnung auf sinkende Tarife, da die Beschaffungskosten rückläufig seien. Gleichzeitig warnt Liebing vor neuen Auflagen, die den Ausbau gefährden könnten.

Und die gibt es schon jetzt reichlich. Mehrere Stadtwerke, so das Stadtwerk in Teterow, suchen einen starken Partner für die Bewältigung dieser vor allem finanziellen Herausforderungen. In Teterow wurden gar die Weichen für den Verkauf von Geschäftsanteilen gestellt.

Ein Wunder ist das nicht. Die Kosten für den Umbau der Wärmenetze in Deutschland werden auf 100 Milliarden Euro geschätzt, so der Deutsche Städtetag (DST). Der Bund hat zugesagt, 3 Milliarden Euro dazu beizutragen. Das ist nicht gerade viel. Allein für Leipzig werden die Kosten für den Um- und Ausbau der Fernwärme auf etwa 1 Milliarde Euro zur Erreichung der Klimaneutralität geschätzt, erläutert Helmut Dedy, Hauptgeschäftsführer des DST. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass alternative klimaneutrale Wärmeversorgungslösungen insbesondere in verdichteten Mehrgeschossbaugebieten oft noch deutlich höhere Kosten verursachen würden.

Technische Parameter

Geld ist das eine, Technik das andere. In Deutschland bestimmen vor allem Hochtemperaturnetze mit Vorlauftemperaturen von 100 Grad Celsius und mehr den Fernwärmemarkt. Die Alternativen für fossile Brennstoffe sind rar, beispielsweise Biomasse aus Holz. Wasserstoff kann wohl eher erst in ferner Zukunft einen Teil des Erdgases ersetzen.

Die hohen Vorlauftemperaturen müssen mit einem anderen Parameter, der Wärmedichte, korrelieren. Diese gibt die Wärmeabnahme je Quadratmeter umbauter Fläche an. Für die Versorgungsgesellschaft der Stadtwerke Leipzig sind hier etwa 75 kWh pro Quadratmeter bestimmend. Ab dieser Grenze sei eine Fernwärmeversorgung technisch sinnvoll, so der Versorger.

Für das Fernwärmenetz in Leipzig gilt die aktuelle maximale Vorlauftemperatur von 120 Grad Celsius und eine sicherheitstechnische Auslegungstemperatur von 140 Grad Celsius. Die Absenkung der Vorlauftemperaturen auf unter 100 Grad Celsius ist aber das strategische Ziel der Leipziger. Die Rücklauftemperatur liegt bei rund 60 Grad Celsius. Diese Temperaturdifferenzen werden benötigt, um alle Gebäude − auch die an den Endpunkten der Fernwärmeleitungen − im Winter dauerhaft mit Wärme versorgen zu können, so der Versorger.

Dabei ist die technische Situation in den Gebäuden ausschlaggebend für die notwendigen Temperaturen. Ein Umbau der Heizungssysteme wäre insbesondere in den kritischen Gebäuden (historische denkmalgeschützte Mehrfamilienhäuser im Innenstadtbereich) notwendig, um niedrigere Temperaturen in den Fernwärmenetzen zu realisieren. Aktuell wird in Leipzig der Einfluss der Absenkung der Vor- und Rücklauftemperaturen auf den wirtschaftlichen und flexiblen Einsatz von regenerativen Energiequellen im Fernwärmeverbundnetz untersucht.

Allerdings identifizierte der Leipziger Versorger im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung nur erste Ausbaugebiete für die Fernwärme über 100 Grad Celsius. In der weiteren Entwicklung des Wärmeplans sollen auch Varianten für dezentrale Netze mit anderen Temperaturen gefunden werden. Die Wärmeplanung ist dabei auf Straßenblöcke ausgerichtet. 

Förderung mit BEW und KWKG

Gerade die finanziellen Herausforderungen versucht der Bund abzufedern. Die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) ist nach Aufhebung der Haushaltssperre seit dem 22. Januar 2024 wieder möglich, bleibt jedoch abhängig von verfügbaren Haushaltsmitteln. Das Programm unterstützt sowohl die Umstellung auf erneuerbare Energien als auch Neubauprojekte mit einem systemischen Ansatz und bietet Betriebskostenförderung für Solarthermie und Wärmepumpen. Antragsberechtigt sind unter anderem Unternehmen, Kommunen, kommunale Betriebe und Genossenschaften. 

Die Förderung ist in vier Module unterteilt: 
1) Transformationspläne und Machbarkeitsstudien
2) Systemische Förderung für Neubau und Bestandsnetze
3) Einzelmaßnahmen für Bestandsnetze
4) Betriebskostenförderung für erneuerbare Energiequellen

Nicht rückzahlbare Zuschüsse und Investitionszuschüsse sind Teil der Förderung mit dem Ziel, die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit der Wärmeversorgung zu verbessern. Zudem kommt das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) − wenn auch nur in begrenztem Umfang − als Fördermöglichkeit für Netze infrage, soweit diese mit KWK-Anlagen betrieben werden.

Bliebe noch der Gang auf den Kapitalmarkt. Die Leipziger L-Gruppe beispielsweise schließt dies derzeit für sich aus. Der Netzausbau in bestehenden Netzen sei technisch immer mit dem Gesamtnetz verbunden. Daher sei eine Abtrennung als separates Wirtschaftsgut mit eigenem Finanzierungsplan in der Regel nicht möglich, so die Versorger. Andere kommunale Energieunternehmen brauchen jedoch auch diese Säule der Finanzierung.

Eine weitere Möglichkeit der Finanzierung ist die Beteiligung von Bürgern etwa über Energiegenossenschaften oder Landgesellschaften, die zum Teil von den Kommunen finanziert werden, zum Teil aber auch im Besitz von privaten Investoren sind. Insbesondere für Nahwärmenetze ist dies eine Option.

Generell ist für die Finanzierung eine detaillierte Planung der Investitions- und Betriebskosten sowie die Einbeziehung von Fördermöglichkeiten entscheidend. Die Cashflow-Prognose muss Zinsen, Abschreibungen und saisonale Schwankungen berücksichtigen, um die Wirtschaftlichkeit des Netzes zu gewährleisten. Förderprogramm der KfW-Bank oder des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) bieten hier allenfalls eine teilweise finanzielle Unterstützung. 
 

Finanzierung unabhängig vom Wärmeplanungsgesetz

Antworten von Frank Viereckl, Pressesprecher der Leipziger Gruppe, auf den Wärmenetzausbau.

E&M: Wie sehen Sie das Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung (WPG)?

Viereckl: Geeignete Quartiere profitieren sicherlich von der Umsetzung der Vorgaben des WPG. Die Finanzierung sehen wir allerdings derzeit unabhängig davon. Die Förderprogramme der BEW sind nicht direkt an die Wärmeplanung gekoppelt.

E&M: Wie gehen die Stadtwerke Leipzig bei der Planung und letztlich der Finanzierung von Wärmenetzen vor?

Viereckl: Die kommunale Wärmeplanung wird einerseits den Ausbau des bestehenden Fernwärmenetzes festlegen. Andererseits werden aber auch dezentrale Lösungen, insbesondere um eine Wärmequelle mit regenerativen Energien herum, ausgewiesen. Hier gilt es, lokale Lösungen zu finden, die auch unter Beteiligung der Bürger und Anwohner umgesetzt werden sollen. In diesen Fällen ist eine Finanzierung über alternative Instrumente denkbar. Die Stadt Leipzig identifiziert derzeit im Rahmen der kommunalen Wärmeplanung solche Nahwärme-, Quartiers- und Inselnetze. Technische Umsetzungsalternativen werden dann von den Stadtwerken Leipzig gemeinsam mit der Stadt und unter Einbindung der Bürger erarbeitet.

E&M: Ist die Förderung durch die BEW dafür ausreichend, zumal sie nach dem Stopp im letzten Jahr eher zu einer Verunsicherung im Markt geführt hat?

Viereckl: Die Förderung durch die BEW unterstützt den Bau bestimmter Wärmeerzeugungsanlagen und den Bau der zur Nutzung notwendigen Wärmenetze. Die Förderung erfolgt sowohl für die Vorplanung der technischen Machbarkeit als auch für die Errichtung der Anlagen und Netze. Der Fördersatz beträgt grundsätzlich maximal 40 Prozent. Sofern ein separates Inselnetz errichtet werden kann, ist im Einzelfall zu prüfen, welche Endkundenpreise sich dort ergeben. Derzeit haben wir noch kein derartiges Projekt vollständig geprüft.

E&M: Welche dieser Varianten wird in Zukunft bei energieeffizienteren Häusern überhaupt noch eine Zukunft und damit eine Finanzierungsmöglichkeit haben?

Viereckl: Das hängt immer von den individuellen Gegebenheiten vor Ort und in den Gebäuden ab. In Neubauquartieren sehen wir alle Arten von Versorgungstechnologien, auch in hocheffizienten Häusern. Voraussetzung für sinnvolle kalte Netze ist, dass eine regenerative Wärmequelle genutzt werden kann. Die Identifikation von solchen Quellen im Niedertemperaturbereich ist in Leipzig noch nicht abgeschlossen. Generell ist nicht für jede Gebäudestruktur ein Wärmenetz notwendig.

E&M: Wie reagieren Sie auf den aktuellen Fachkräfte- und Kapazitätsmangel bei Wärmenetzplanern?

Viereckl: Für die Umsetzung der kommunalen Wärmewende werden Fachkräfte auf allen Ebenen des Netzaufbaus benötigt. Neben Grundsatzplanern sind das auch Tiefbauer, Rohrleitungsbauer, Monteure für Hausanschlussstationen und andere kritische Ressourcen entlang des gesamten Bauprozesses. Die Stadtwerke Leipzig entwickeln hierfür Konzepte auf verschiedenen Ebenen. Zum einen werden innerhalb unserer technischen Bereiche mittelfristig Planer aus anderen Bereichen den Bau von Wärmenetzen unterstützen. Zum anderen wird gemeinsam mit den Innungen, der Handwerkskammer und der Industrie- und Handelskammer über neue Formen der Qualifizierung von Installateuren diskutiert. Auch die eigenen Ressourcen werden in den nächsten Jahren ausgebaut. Ein weiteres Ziel ist es, diese Engpässe durch Kooperationen mit anderen Anbietern zu verringern. 
 
Frank Viereckl
Quelle: LVV

 

 

Donnerstag, 6.06.2024, 09:15 Uhr
Frank Urbansky

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