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Eine im Auftrag des Verkehrsministeriums durchgeführte Studie sieht die Europaziele für den Ladeinfrastrukturaufbau als zu niedrig gesetzt. Der BDEW widerspricht.
Jedes dritte Auto, das im Jahr 2030 in Deutschland zugelassen ist, wird ein E-Auto sein, so die Prognose der Studie „Ladeinfrastruktur nach 2025/2030: Szenarien für den Markthochlauf“. Bis zum Jahr 2035 könnten circa 28
Millionen E-Pkw in Deutschland zugelassen sein, was in etwa 58
Prozent des gesamten Pkw-Bestands entspreche. Das zeige, so die Autoren aus dem Reiner Lemoine Institut, dass in den kommenden Jahren nötige Planung und Realisierung der Ladeinfrastruktur eine große Herausforderung sein wird.
Dementsprechend steht der Ladebedarf im öffentlichen Raum im Fokus der jetzt von der Nationalen Leitstelle Ladeinfrastruktur unter dem Dach der Now GmbH veröffentlichten Studie. Sie wurde vom Reiner Lemoine Institut (RLI) im Auftrag des Bundesverkehrsministeriums (BMDV) angefertigt. Es ist die überarbeitete Neufassung der bereits im Jahr 2020 erschienenen Untersuchung.
In vier verschiedenen Szenarien und einem Referenzszenario untersucht die Studie verschiedene Aspekte des Ladeinfrastruktur-Bedarfs in Deutschland, darunter neben der Anzahl der benötigten Ladepunkte auch die installierte Ladeleistung und die verladene Energiemenge.
Die Ergebnisse unterscheiden sich je nach Szenario deutlich. Insgesamt wurde ein Bedarf an 380.000 bis 680.000 öffentlich zugänglichen Ladepunkten im Jahr 2030 ermittelt. Die benötigte installierte Ladeleistung dieser Ladepunkte liegt im Jahr 2030 - abhängig vom Szenario - zwischen 23.300
MW und 32.400
MW.
Die in die E-Pkw verladene Menge an elektrischer Energie beziffert sich insgesamt auf 37,8
Milliarden kWh, wobei öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur je nach Szenario einen Anteil zwischen 36 und 50
Prozent dieser Energie zur Verfügung stellen wird.
Nicht-öffentliche Ladeinfrastruktur als SchlüsselfaktorEine bedeutende Rolle für den tatsächlichen Bedarf an öffentlich verfügbaren Ladepunkten spielt den Autoren zufolge die Verfügbarkeit nicht öffentlicher Ladeinfrastruktur, sowohl am Wohnort als auch in den Unternehmen. So zeige sich für das Jahr 2030 ein Unterschied von etwa 33
Prozent im ermittelten Bedarf an öffentlich installierter Ladeleistung zwischen einem Szenario mit hoher und einem mit geringer Verfügbarkeit nicht öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur.
Auch die Anzahl verfügbarer HPC-Ladepunkte (Gleichstrom und mehr als 100
kW) spiele eine signifikante Rolle in Bezug auf die Anzahl insgesamt benötigter Ladepunkte. Ein stärkerer Ausbau entsprechender Ladestandorte, heißt es in der Studie, reduziere den Gesamtbedarf an öffentlich zugänglichen Ladepunkten um etwa 26
Prozent gegenüber dem Referenzszenario. Die benötigte installierte Ladeleistung bleibe jedoch gleich.
Gleichzeitig stelle das Normalladen weiterhin einen wichtigen Baustein im Gesamtsystem der Ladeinfrastruktur dar, insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Anteil der E-Autonutzer ohne Zugang zu eigener Ladeinfrastruktur in Zukunft größer werde. Der Anteil derer, die auf das Parken und nächtliche Laden mit vergleichsweise geringen Ladeleistungen im öffentlichen Straßenraum angewiesen sind, werde somit steigen.
Ebenfalls nicht zu vernachlässigen seien die Charakteristika der E-Pkw selbst: Eine Verringerung des durchschnittlichen Energieverbrauchs der E-Pkw um 20
Prozent reduziere die benötigte Anzahl von öffentlich zugänglichen Ladepunkten um etwa 15
Prozent.
Eines allerdings, betonen die Autoren, sei allen betrachteten Szenarien gemein: Die ermittelten Bedarfe lägen über den Vorgaben der EU-Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFIR), welche die Mindestziele für den Aufbau öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur auf europäischer Ebene vorgibt.
Kritik vom BDEWEine Einschätzung, der der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in einer Stellungnahme deutlich widerspricht. Die EU-Vorgaben seien lange verhandelt und ausgiebig geprüft, heißt es vom BDEW. Ein Ausbau deutlich über diese Ziele hinaus sei überdimensioniert und werde nur mit staatlichen Subventionen oder unwirtschaftlichen Versorgungsauflagen gelingen, da es nicht wirtschaftlich sei, Ladesäulen aufzustellen, die am Ende kaum genutzt werden.
Kundenbefragungen zeigten immer wieder, dass die größte Hürde beim Umstieg auf Elektromobilität vor allem der relativ hohe Anschaffungspreis für Elektrofahrzeuge sei, vor allem im Kleinwagen-Segment. „Wir brauchen dringend mehr bezahlbare E-Pkw-Modelle, um das 15-Millionen-E-Pkw-Ziel zu erreichen. Daher wird es Zeit, dass die Bundesregierung eine Strategie zur Erreichung ihres Ziels entwickelt“, so Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae.
Donnerstag, 6.06.2024, 09:41 Uhr
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