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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Thermoskannen für die Wärmewende
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe

Thermoskannen für die Wärmewende

Immer mehr Wärmespeicher helfen Versorgern, erneuerbare Energien effizienter in Fern- und Nahwärmenetze zu integrieren.
„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, sagten unsere Vorfahren. Leider lässt sich Energie nicht so leicht aufheben wie Lebensmittel in der Konservendose. Dennoch nutzen immer mehr Energieversorger das Prinzip Thermoskanne im Megamaßstab. Und so ragen große runde Türme wie einst die Gasometer in den Stadthimmel. Sie speichern aber kein Gas, sondern heißes Wasser und dienen als Reserve für das Wärmenetz.

„Der Haupteffekt der Wärmespeicher liegt zum einen in der Erhöhung der Versorgungssicherheit mit Fernwärme, zum anderen ermöglichen sie die zeitlich entkoppelte Stromerzeugung“, erläutert Felix Klinkenberg gegenüber E&M. Er ist Werksleiter am Standort Berlin-Adlershof der BTB. Die Blockheizkraftwerks Träger- und Betreibergesellschaft mbH betreibt dort seit 2010 fünf große Druckheißwasserspeicher mit insgesamt 2.000 Kubikmetern Volumen. Die Speicherkapazität der 20-Meter-Türme beträgt 115.000 kWh.
 
Das BTB-Heizkraftwerk in Berlin-Adlershof, links die Wärmespeicher
Quelle: BTB Berlin

Die Speicher sind in eine hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlage eingebunden, bestehend aus acht Gasmotor-Generator-Aggregaten und vier Heißwassererzeugern zur gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung. Daneben trägt eine Power-to-Heat-Anlage zur Speicherbeheizung bei. Die Speicher sind parallel geschaltet und so in das Fernwärmenetz eingebunden, dass sie aus allen anderen Erzeugungsanlagen im BTB-Netz beheizt werden können, zu denen auch eine Altholzverbrennung gehört.

Immer höhere Türme
 
Ebenfalls in Berlin steht mit einer Höhe von 45 Metern der aktuell wohl größte Fernwärmespeicher Deutschlands. Die Berliner Energie und Wärme GmbH (BEW) betreibt ihn an ihrem Standort Reuter West (vormals Vattenfall). Der Speicher hat einen Durchmesser von 43 Metern und ein Fassungsvermögen von 56.000 Kubikmetern. Das entspricht in etwa dem Volumen von 18 olympischen 50-Meter-Schwimmbecken. „Mit einer thermischen Leistung von 200 Megawatt kann unser Speicher, wenn er voll geladen ist, mindestens 13 Stunden lang Wärme liefern − auch bei sehr kaltem Wetter“, so die BEW.
 
Schematische Darstellung der Funktion des Aquiferspeichers der BTB in Berlin-Adlershof
Quelle: BTB

Auch er kann flexibel aus unterschiedlichen Quellen befüllt werden. Am Standort Reuter West befindet sich eine Power-to-Heat-Anlage mit 120 MW Wärmeleistung. Sie wandelt ähnlich einem Wasserkocher Strom in Wärme um. Das lohnt sich vor allem in Zeiten mit einem besonders großen Angebot auf dem Strommarkt, was mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz abgestimmt wird. Der Speicher kann zudem über die beiden Kraftwerksblöcke in Reuter West befüllt werden und lokale Abwärmequellen nutzen. „Schon heute nutzen wir die Abwärme aus der thermischen Verwertung von Abfällen im Müllheizkraftwerk Ruhleben der Berliner Stadtreinigung“, so ein BEW-Sprecher. Künftig soll auch Abwärme aus dem Abwasser der Wasserbetriebe einbezogen werden. 
 
Visualisierung des künftigen Energiestandorts München Süd mit dem Heizkraftwerk und dem Wärmespeicher
Quelle: SWM

Deutschlands größter Wärmespeicher mit einer Höhe von 50 Metern und einem Fassungsvermögen von rund 57.000 Kubikmetern entsteht derzeit in München. Die Stadtwerke errichten ihn am neuen Energiestandort Süd, seine Fertigstellung ist für den Sommer geplant. Er soll künftig auch Energie aus einer Geothermieanlage einbeziehen. Bereits in Betrieb sind auch große Speicher in Halle/Saale (Sachsen-Anhalt) mit 50.000 Kubikmetern und Leipzig (Sachsen) mit 43.000 Kubikmetern. Ebenso groß ist der Speicher der Stadtwerke Duisburg (Nordrhein-Westfalen).

Crowdfunding für den Wärmespeicher

Auch kleinere Städte finden Wege, einen Speicher zu finanzieren. Besonders innovativ gingen die Stadtwerke Hennigsdorf (Brandenburg) zu Werke. Die 5 Millionen Euro für ihren 5.000-Kubikmeter-Speicher sammelten sie zum Teil über Crowdfunding ein. Im ersten Anlauf kamen die Einwohnerinnen und Einwohner zum Zuge. Im zweiten war eine bundesweite Beteiligung möglich, in Kooperation mit der Deutschen Kreditbank und ihrer Crowdfunding-Plattform DKB-Crowd.

Der Speicher ist ein zentraler Baustein für die energieeffiziente Nutzung von Fernwärme in Hennigsdorf. Er nimmt Überschusswärme aus regenerativen Energiequellen auf, um diese bei Bedarf in das Fernwärmenetz einzuspeisen. Stadtwerkegeschäftsführer Christoph Schneider erläutert: „Als Wärmeversorger stehen auch wir vor der Aufgabe, unsere Fernwärme bis 2045 klimaneutral zu gestalten. Bis 2030 zu 30 Prozent, bis 2040 zu 80 Prozent.“ Das soll mit dem Multifunktionswärmespeicher erreicht werden, der Anfang des Jahres ans Netz ging.
 
Der Wärmespeicher in Hennigsdorf
Quelle: SW Hennigsdorf

Ihren im Herbst 2024 in Betrieb genommenen Pufferspeicher in Laupheim (Baden-Württemberg) feiert die Erdgas Südwest bereits als Erfolg. Er reduzierte unter anderem den Gasverbrauch um 11 Prozent, stellte das Unternehmen nach den ersten drei Betriebsmonaten fest. „Der Pufferspeicher mit einer energetisch nutzbaren Kapazität von etwa 3.000 kWh reduziert Wärmeverluste und den Einsatz fossiler Gase“, resümiert Stefan Straub, Projektleiter bei der Erdgas Südwest, die zur EnBW gehört. „Der Verlust ungenutzter Wärme, wenn die Kessel nur für die Stromerzeugung liefen, konnte um etwa ein Drittel reduziert werden.“

Saisonale Wärmespeicher mit verschiedenen Technologien

Wärmespeicher wie die Riesenthermoskannen können Energie für kurze Zeiträume wie Stunden oder Tage aufbewahren. Saisonale Speicher ermöglichen es sogar, überschüssige Wärme von den Sommermonaten für den Winter aufzuheben. Dafür wird Wärme im Untergrund oder in speziellen Materialien gespeichert. Zudem kann erneuerbarer Strom zu Wasserstoff oder Methan gewandelt (PtX), das Gas gespeichert und bei Bedarf für die Wärmeerzeugung verbrannt werden. Besonders im urbanen Raum, wo der Wärmebedarf in den kalten Monaten hoch ist und erneuerbare Wärmequellen nur begrenzt zur Verfügung stehen, sind solche Speicherlösungen von großer Bedeutung.

Verschiedene Speichertypen

Erdbecken-Wärmespeicher: Diese großvolumigen Speicher bestehen aus abgedichteten Becken, die mit heißem Wasser gefüllt werden. Die gespeicherte Wärme kann über Monate hinweg mit minimalen Energieverlusten gehalten und bei Bedarf in das Fernwärmenetz eingespeist werden. Deutschlands erster Erdbeckenspeicher nach dänischem Vorbild mit 43.000 Kubikmetern Fassungsvermögen steht als Teil eines modernen Fernwärmenetzes in Meldorf (Schleswig-Holstein).

Aquiferspeicher: Diese Technologie nutzt unterirdische wasserführende Gesteinsschichten (Aquifere) zur Speicherung von Wärme. Im Sommer wird heißes Wasser in den Aquifer geleitet und dort gespeichert, bis es im Winter zur Beheizung von Gebäuden genutzt wird. Ein solches Projekt entsteht derzeit am BTB-Standort in Berlin-Adlershof. Das Verbundprojekt „GeoSpeicherBerlin“ hat es sich zum Ziel gemacht, bis Ende 2027 ein Aquiferspeicher-Wärmepumpensystem zu errichten und in das Fernwärmesystem der BTB zu integrieren.
Nach erfolgreicher Fertigstellung wird der Speicher in rund 400 Metern Tiefe mit einer Wärmekapazität von rund 30 Millionen kWh Deutschlands größter Wärmespeicher sein. Das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) geförderte „Reallabor der Energiewende“ baut auf Erkenntnissen einer Erkundungsbohrung des Helmholtz-Zentrums für Geoforschung (GFZ) aus dem Jahr 2021 auf. Der Geospeicher ermöglicht im Winter die Bereitstellung klimaneutraler Wärme durch die Nutzung freier Wärmekapazitäten eines BTB-Holzheizkraftwerks im Sommer. Projektpartner ist neben dem GFZ die TU Dresden.

Hochtemperatur-Wärmespeicher mit Phasenwechselmaterialien (PCM): Diese Speicher nutzen Materialien, die bei bestimmten Temperaturen ihren Aggregatzustand ändern, um große Mengen an Wärme effizient zu speichern. Sie sind besonders für industrielle Anwendungen und Hochtemperatur-Fernwärmesysteme geeignet. Forschende vom Fraunhofer Umsicht-Institut bauten eine Demonstrationsanlage für Latentwärmespeicher auf Basis einer Metalllegierung bei der Bitburger Brauerei auf. Eine spezielle Metalllegierung wechselt ihren Aggregatzustand von fest nach flüssig und umgekehrt. Damit kann Strom zu Wärme gewandelt werden und mit einem Temperaturniveau zwischen 250 und 500 Grad Celsius bereitgestellt werden. Die Anlage soll auf eine Kapazität von 1.000 kWh skaliert werden, der Dampf daraus geht in die Produktion der Brauerei in Bitburg (Rheinland-Pfalz).

Wirtschaftliche und ökologische Vorteile

Saisonale Wärmespeicher bieten nicht nur technische, sondern auch wirtschaftliche und ökologische Vorteile. Durch die langfristige Speicherung erneuerbarer Wärme können Stadtwerke ihren Verbrauch fossiler Energieträger signifikant senken, was zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen und zu niedrigeren Betriebskosten führt. Zudem bieten solche Speicher eine höhere Versorgungssicherheit, indem sie unabhängig von kurzfristigen Preisschwankungen auf den Energiemärkten machen.
Ein weiteres wichtiges Argument für den Ausbau saisonaler Wärmespeicherung ist die Netzstabilität. Durch eine bessere Nutzung erneuerbarer Energien und die Entlastung von Strom- und Wärmenetzen können Versorgungsengpässe vermieden und Lastspitzen ausgeglichen werden. Gerade im Zuge der Energiewende sind solche Lösungen essenziell, um ein sicheres und nachhaltiges Energiesystem zu gewährleisten. Deshalb kooperiert der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz beispielsweise mit der Industriedampfanlage für den Chemiestandort Leuna (Sachsen-Anhalt), um Stromspitzen sinnvoll zu nutzen.

Förderangebot

Die Initiative „Urban Arena Seasonal Heat Storage“ bietet Stadtwerken Unterstützung, um Wärmespeicher effizient zu implementieren. Das Pilotvorhaben wird im Rahmen der europäischen Partnerschaft „Driving Urban Transitions“ durchgeführt. Träger des Programms ist der Projektträger Jülich in Kooperation mit der New Energy. Zwischen Frühjahr 2025 und Ende 2026 sollen gezielte Maßnahmen Stadtwerke bei der Implementierung saisonaler Wärmespeicher unterstützen.

Ein zentraler Bestandteil der Initiative sind Begleitaktivitäten wie Matchmaking zwischen Stadtwerken und Forschungseinrichtungen, Exkursionen zu bestehenden Projekten sowie ein kontinuierlicher Austausch zwischen den beteiligten Akteuren. Zudem werden technische Richtlinien und Best Practices erarbeitet, um den Stadtwerken standardisierte Lösungen für die Wärmespeicherung bereitzustellen. Neben der finanziellen Förderung sind auch Schulungen und Workshops vorgesehen, um den Wissenstransfer innerhalb der Branche zu beschleunigen. 

Montag, 14.04.2025, 08:25 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - Thermoskannen für die Wärmewende
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe
Thermoskannen für die Wärmewende
Immer mehr Wärmespeicher helfen Versorgern, erneuerbare Energien effizienter in Fern- und Nahwärmenetze zu integrieren.
„Spare in der Zeit, dann hast du in der Not“, sagten unsere Vorfahren. Leider lässt sich Energie nicht so leicht aufheben wie Lebensmittel in der Konservendose. Dennoch nutzen immer mehr Energieversorger das Prinzip Thermoskanne im Megamaßstab. Und so ragen große runde Türme wie einst die Gasometer in den Stadthimmel. Sie speichern aber kein Gas, sondern heißes Wasser und dienen als Reserve für das Wärmenetz.

„Der Haupteffekt der Wärmespeicher liegt zum einen in der Erhöhung der Versorgungssicherheit mit Fernwärme, zum anderen ermöglichen sie die zeitlich entkoppelte Stromerzeugung“, erläutert Felix Klinkenberg gegenüber E&M. Er ist Werksleiter am Standort Berlin-Adlershof der BTB. Die Blockheizkraftwerks Träger- und Betreibergesellschaft mbH betreibt dort seit 2010 fünf große Druckheißwasserspeicher mit insgesamt 2.000 Kubikmetern Volumen. Die Speicherkapazität der 20-Meter-Türme beträgt 115.000 kWh.
 
Das BTB-Heizkraftwerk in Berlin-Adlershof, links die Wärmespeicher
Quelle: BTB Berlin

Die Speicher sind in eine hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlage eingebunden, bestehend aus acht Gasmotor-Generator-Aggregaten und vier Heißwassererzeugern zur gekoppelten Strom- und Wärmeerzeugung. Daneben trägt eine Power-to-Heat-Anlage zur Speicherbeheizung bei. Die Speicher sind parallel geschaltet und so in das Fernwärmenetz eingebunden, dass sie aus allen anderen Erzeugungsanlagen im BTB-Netz beheizt werden können, zu denen auch eine Altholzverbrennung gehört.

Immer höhere Türme
 
Ebenfalls in Berlin steht mit einer Höhe von 45 Metern der aktuell wohl größte Fernwärmespeicher Deutschlands. Die Berliner Energie und Wärme GmbH (BEW) betreibt ihn an ihrem Standort Reuter West (vormals Vattenfall). Der Speicher hat einen Durchmesser von 43 Metern und ein Fassungsvermögen von 56.000 Kubikmetern. Das entspricht in etwa dem Volumen von 18 olympischen 50-Meter-Schwimmbecken. „Mit einer thermischen Leistung von 200 Megawatt kann unser Speicher, wenn er voll geladen ist, mindestens 13 Stunden lang Wärme liefern − auch bei sehr kaltem Wetter“, so die BEW.
 
Schematische Darstellung der Funktion des Aquiferspeichers der BTB in Berlin-Adlershof
Quelle: BTB

Auch er kann flexibel aus unterschiedlichen Quellen befüllt werden. Am Standort Reuter West befindet sich eine Power-to-Heat-Anlage mit 120 MW Wärmeleistung. Sie wandelt ähnlich einem Wasserkocher Strom in Wärme um. Das lohnt sich vor allem in Zeiten mit einem besonders großen Angebot auf dem Strommarkt, was mit dem Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz abgestimmt wird. Der Speicher kann zudem über die beiden Kraftwerksblöcke in Reuter West befüllt werden und lokale Abwärmequellen nutzen. „Schon heute nutzen wir die Abwärme aus der thermischen Verwertung von Abfällen im Müllheizkraftwerk Ruhleben der Berliner Stadtreinigung“, so ein BEW-Sprecher. Künftig soll auch Abwärme aus dem Abwasser der Wasserbetriebe einbezogen werden. 
 
Visualisierung des künftigen Energiestandorts München Süd mit dem Heizkraftwerk und dem Wärmespeicher
Quelle: SWM

Deutschlands größter Wärmespeicher mit einer Höhe von 50 Metern und einem Fassungsvermögen von rund 57.000 Kubikmetern entsteht derzeit in München. Die Stadtwerke errichten ihn am neuen Energiestandort Süd, seine Fertigstellung ist für den Sommer geplant. Er soll künftig auch Energie aus einer Geothermieanlage einbeziehen. Bereits in Betrieb sind auch große Speicher in Halle/Saale (Sachsen-Anhalt) mit 50.000 Kubikmetern und Leipzig (Sachsen) mit 43.000 Kubikmetern. Ebenso groß ist der Speicher der Stadtwerke Duisburg (Nordrhein-Westfalen).

Crowdfunding für den Wärmespeicher

Auch kleinere Städte finden Wege, einen Speicher zu finanzieren. Besonders innovativ gingen die Stadtwerke Hennigsdorf (Brandenburg) zu Werke. Die 5 Millionen Euro für ihren 5.000-Kubikmeter-Speicher sammelten sie zum Teil über Crowdfunding ein. Im ersten Anlauf kamen die Einwohnerinnen und Einwohner zum Zuge. Im zweiten war eine bundesweite Beteiligung möglich, in Kooperation mit der Deutschen Kreditbank und ihrer Crowdfunding-Plattform DKB-Crowd.

Der Speicher ist ein zentraler Baustein für die energieeffiziente Nutzung von Fernwärme in Hennigsdorf. Er nimmt Überschusswärme aus regenerativen Energiequellen auf, um diese bei Bedarf in das Fernwärmenetz einzuspeisen. Stadtwerkegeschäftsführer Christoph Schneider erläutert: „Als Wärmeversorger stehen auch wir vor der Aufgabe, unsere Fernwärme bis 2045 klimaneutral zu gestalten. Bis 2030 zu 30 Prozent, bis 2040 zu 80 Prozent.“ Das soll mit dem Multifunktionswärmespeicher erreicht werden, der Anfang des Jahres ans Netz ging.
 
Der Wärmespeicher in Hennigsdorf
Quelle: SW Hennigsdorf

Ihren im Herbst 2024 in Betrieb genommenen Pufferspeicher in Laupheim (Baden-Württemberg) feiert die Erdgas Südwest bereits als Erfolg. Er reduzierte unter anderem den Gasverbrauch um 11 Prozent, stellte das Unternehmen nach den ersten drei Betriebsmonaten fest. „Der Pufferspeicher mit einer energetisch nutzbaren Kapazität von etwa 3.000 kWh reduziert Wärmeverluste und den Einsatz fossiler Gase“, resümiert Stefan Straub, Projektleiter bei der Erdgas Südwest, die zur EnBW gehört. „Der Verlust ungenutzter Wärme, wenn die Kessel nur für die Stromerzeugung liefen, konnte um etwa ein Drittel reduziert werden.“

Saisonale Wärmespeicher mit verschiedenen Technologien

Wärmespeicher wie die Riesenthermoskannen können Energie für kurze Zeiträume wie Stunden oder Tage aufbewahren. Saisonale Speicher ermöglichen es sogar, überschüssige Wärme von den Sommermonaten für den Winter aufzuheben. Dafür wird Wärme im Untergrund oder in speziellen Materialien gespeichert. Zudem kann erneuerbarer Strom zu Wasserstoff oder Methan gewandelt (PtX), das Gas gespeichert und bei Bedarf für die Wärmeerzeugung verbrannt werden. Besonders im urbanen Raum, wo der Wärmebedarf in den kalten Monaten hoch ist und erneuerbare Wärmequellen nur begrenzt zur Verfügung stehen, sind solche Speicherlösungen von großer Bedeutung.

Verschiedene Speichertypen

Erdbecken-Wärmespeicher: Diese großvolumigen Speicher bestehen aus abgedichteten Becken, die mit heißem Wasser gefüllt werden. Die gespeicherte Wärme kann über Monate hinweg mit minimalen Energieverlusten gehalten und bei Bedarf in das Fernwärmenetz eingespeist werden. Deutschlands erster Erdbeckenspeicher nach dänischem Vorbild mit 43.000 Kubikmetern Fassungsvermögen steht als Teil eines modernen Fernwärmenetzes in Meldorf (Schleswig-Holstein).

Aquiferspeicher: Diese Technologie nutzt unterirdische wasserführende Gesteinsschichten (Aquifere) zur Speicherung von Wärme. Im Sommer wird heißes Wasser in den Aquifer geleitet und dort gespeichert, bis es im Winter zur Beheizung von Gebäuden genutzt wird. Ein solches Projekt entsteht derzeit am BTB-Standort in Berlin-Adlershof. Das Verbundprojekt „GeoSpeicherBerlin“ hat es sich zum Ziel gemacht, bis Ende 2027 ein Aquiferspeicher-Wärmepumpensystem zu errichten und in das Fernwärmesystem der BTB zu integrieren.
Nach erfolgreicher Fertigstellung wird der Speicher in rund 400 Metern Tiefe mit einer Wärmekapazität von rund 30 Millionen kWh Deutschlands größter Wärmespeicher sein. Das vom Bundeswirtschaftsministerium (BMWK) geförderte „Reallabor der Energiewende“ baut auf Erkenntnissen einer Erkundungsbohrung des Helmholtz-Zentrums für Geoforschung (GFZ) aus dem Jahr 2021 auf. Der Geospeicher ermöglicht im Winter die Bereitstellung klimaneutraler Wärme durch die Nutzung freier Wärmekapazitäten eines BTB-Holzheizkraftwerks im Sommer. Projektpartner ist neben dem GFZ die TU Dresden.

Hochtemperatur-Wärmespeicher mit Phasenwechselmaterialien (PCM): Diese Speicher nutzen Materialien, die bei bestimmten Temperaturen ihren Aggregatzustand ändern, um große Mengen an Wärme effizient zu speichern. Sie sind besonders für industrielle Anwendungen und Hochtemperatur-Fernwärmesysteme geeignet. Forschende vom Fraunhofer Umsicht-Institut bauten eine Demonstrationsanlage für Latentwärmespeicher auf Basis einer Metalllegierung bei der Bitburger Brauerei auf. Eine spezielle Metalllegierung wechselt ihren Aggregatzustand von fest nach flüssig und umgekehrt. Damit kann Strom zu Wärme gewandelt werden und mit einem Temperaturniveau zwischen 250 und 500 Grad Celsius bereitgestellt werden. Die Anlage soll auf eine Kapazität von 1.000 kWh skaliert werden, der Dampf daraus geht in die Produktion der Brauerei in Bitburg (Rheinland-Pfalz).

Wirtschaftliche und ökologische Vorteile

Saisonale Wärmespeicher bieten nicht nur technische, sondern auch wirtschaftliche und ökologische Vorteile. Durch die langfristige Speicherung erneuerbarer Wärme können Stadtwerke ihren Verbrauch fossiler Energieträger signifikant senken, was zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen und zu niedrigeren Betriebskosten führt. Zudem bieten solche Speicher eine höhere Versorgungssicherheit, indem sie unabhängig von kurzfristigen Preisschwankungen auf den Energiemärkten machen.
Ein weiteres wichtiges Argument für den Ausbau saisonaler Wärmespeicherung ist die Netzstabilität. Durch eine bessere Nutzung erneuerbarer Energien und die Entlastung von Strom- und Wärmenetzen können Versorgungsengpässe vermieden und Lastspitzen ausgeglichen werden. Gerade im Zuge der Energiewende sind solche Lösungen essenziell, um ein sicheres und nachhaltiges Energiesystem zu gewährleisten. Deshalb kooperiert der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz beispielsweise mit der Industriedampfanlage für den Chemiestandort Leuna (Sachsen-Anhalt), um Stromspitzen sinnvoll zu nutzen.

Förderangebot

Die Initiative „Urban Arena Seasonal Heat Storage“ bietet Stadtwerken Unterstützung, um Wärmespeicher effizient zu implementieren. Das Pilotvorhaben wird im Rahmen der europäischen Partnerschaft „Driving Urban Transitions“ durchgeführt. Träger des Programms ist der Projektträger Jülich in Kooperation mit der New Energy. Zwischen Frühjahr 2025 und Ende 2026 sollen gezielte Maßnahmen Stadtwerke bei der Implementierung saisonaler Wärmespeicher unterstützen.

Ein zentraler Bestandteil der Initiative sind Begleitaktivitäten wie Matchmaking zwischen Stadtwerken und Forschungseinrichtungen, Exkursionen zu bestehenden Projekten sowie ein kontinuierlicher Austausch zwischen den beteiligten Akteuren. Zudem werden technische Richtlinien und Best Practices erarbeitet, um den Stadtwerken standardisierte Lösungen für die Wärmespeicherung bereitzustellen. Neben der finanziellen Förderung sind auch Schulungen und Workshops vorgesehen, um den Wissenstransfer innerhalb der Branche zu beschleunigen. 

Montag, 14.04.2025, 08:25 Uhr
Susanne Harmsen

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