Horst Seide vom Fachverband Biogas. Quelle: E&M / Heidi Roider
Der Aufbau der Reserveinfrastruktur könnte den Strompreise drastisch erhöhen. Um dem entgegenzuwirken, würden sich flexible Biogasanlagen anbieten, so eine Studie.
Biogasanlagen können Reservekapazitäten bereitstellen und so nicht nur die Versorgungssicherheit erhöhen, sondern auch helfen, den künftigen Strompreis möglichst niedrig zu halten. Flexible Biogasanlagen sind dabei „kurzfristig die einzige relevante Alternative zum Wasserstoff zur Absicherung von Dunkelflauten“, sagte Professor Jürgen Karl, Leiter des FAU-Lehrstuhls für Energieverfahrenstechnik, im Rahmen einer gemeinsamen Pressekonferenz der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg FAU mit dem Fachverband Biogas am 10.
September.
Auf der Pressekonferenz wurde die
Studie „Biogas im künftigen Energiesystem“ vorgestellt. Präsident des Fachverbandes Biogas, Horst Seide, nahm die Vorstellung der Studie nochmals zum Anlass, die Probleme seitens der Biogasbranche anzusprechen: Unter anderem würden die zu niedrigen Ausschreibungsvolumina für Biogas dazu führen, dass immer mehr Anlagen aus dem Markt gehen. Daher forderte er, dass die Branche schnellstmöglich eine klare Aussage zu mehr Biogas erhalte. Seide bezog sich dabei auf die Aussagen von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne).
Habeck hatte im August ein „umfassendes Biomassepaket“ angekündigt. „Biogas kann im zukünftigen Energiesystem weiter eine wichtige Rolle spielen“, sagte er der
Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Zum einen sind Anlagen Teile von Wärme- oder Gebäudenetzen. Zum anderen kann Biogas flexibel eingesetzt werden.“ Mit der Reform sollten auch die Förderkosten sinken.
Die nun vorgestellte Studie zeigt auf, wie Biogasanlagen insbesondere als flexible Anlagen die dringend benötigte Reservekapazität bereitstellen könnten. Die Studienautoren gingen dabei von folgendem Sachverhalt aus: Die aktuellen Planungen der Bundesregierung zur Kraftwerksstrategie setzen voraus, dass bei künftigen Versorgungsengpässen stets ausreichend Strom importiert werden kann. Stehen keine ausreichenden Importmengen zur Verfügung oder kann der Bedarf nicht entsprechend über Demand-Side-Management (DSM) angepasst werden, müssen zusätzliche wasserstoff- und biogasbasierte Kraftwerke bereitstehen, um die Versorgung sicherzustellen. Experten gehen von einem potenziellen Defizit von 49.000 MW Leistung bis 2030 aus.
„Die Kombination von wasserstoff- und biogasbasierten Reservekraftwerken könnte das maximale Stromdefizit einer Dunkelflaute halbieren und die dabei anfallenden Kosten erheblich reduzieren“, sagte Karl, Leiter des FAU-Lehrstuhls für Energieverfahrenstechnik, bei der Vorstellung der Studie.
Biogas kann Stromgestehungskosten reduzierenKonkret kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass über eine Nachrüstung von Biogasanlagen mit Biogasspeichern in Kombination mit der Überbauung bestehender Blockheizkraftwerke bis 2030 rund 12.000
MW gesicherte Leistung zur Verfügung gestellt werden könnten. In Kombination mit Wasserstoffkraftwerken stünden damit insgesamt 25.900
MW Reserveleistung zur Verfügung.
Die dafür notwendigen Investitionen in die Biogasbranche sind um den Faktor 1,9 bis 3,7 niedriger als bei reinen wasserstoffbasierten Reservekraftwerken. Dies wirke sich auch auf die Stromgestehungskosten aus, erläuterte Professor Karl. „Bei mit Wasserstoff betriebenen Kraftwerken ergeben sich laut unseren Berechnungen für das Jahr 2030 Stromgestehungskosten von rund 49 bis 133
Cent/kWh elektrisch, bei biogasbasierten Kraftwerken sind es 25 bis 44
Cent/kWh elektrisch.“ Auch die Biogasaufbereitung mit anschließender Einspeisung von Biomethan ins Gasnetz oder die Methanisierung des CO2-Anteils von Biogas mit grünem Wasserstoff aus der Elektrolyse bieten große Potenziale, so Karl.
Fachverbandspräsident Seide ergänzte: „Biogasanlagen sind jetzt da, sie stehen sofort zur Verfügung, sie sind praxiserprobt und laufen einwandfrei. Eine Verdoppelung der bestehenden Biogas-Leistung von heute sechs auf 12
GW bis zum Jahr 2030 wäre problemlos möglich – ohne den Einsatz zusätzlicher Substrate.“
Dafür sei jedoch eine Erhöhung des Ausschreibungsvolumens auf 1.800
MW pro Jahr sowie eine Anhebung des Flexibilitätszuschlags auf 120
Euro dringend notwendig, forderte der Verbandspräsident. Und er betonte die Dringlichkeit der Entscheidung. Aktuell gibt es in Deutschland noch knapp 10.000 Biogasanlagen, die flexibel Strom erzeugen können. Für viele dieser Anlagen endet in Kürze die EEG-Vergütung; sie brauchen jetzt eine Perspektive für den Weiterbetrieb. „Um diesen großen und wichtigen Kraftwerkspark zu erhalten, brauchen die Betreiber dringend zeitnahe Änderungen im EEG – in wenigen Jahren könnte es zu spät sein“, mahnte Seide. Denn wenn eine Biogasanlage den Betrieb erstmal eingestellt habe, sei sie nur schwer zu reaktivieren.
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Die Studie „Biogas im künftigen Energiesystem“, erstellt vom FAU im Auftrag des Fachverbands Biogas. (zum Vergrößern bitte auf das PDF klicken) Quelle: FAU |
Dienstag, 10.09.2024, 16:13 Uhr
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