Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
Die Bundesregierung misst Supraleitern bei der Energiewende zumindest derzeit keine besondere Bedeutung bei, wie aus einer Antwort an die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hervorgeht.
München, Essen, Chicago, Seoul – Beispiele für Städte, in denen demonstriert wird, was supraleitende Kabel zur Behebung von Engpässen in Ballungsräumen leisten können. In der nordrhein-westfälischen Großstadt sind sie schon seit 2014 im Einsatz und übertragen Strom fast widerstandsfrei. Welche Rolle sie künftig bei der Energiewende spielen können und werden, war Gegenstand einer Nachfrage der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zu einer früheren Anfrage.
Aus den Vorbemerkungen der Abgeordneten geht hervor, dass sie die von der Bundesregierung vorgebrachten Vorbehalte gegen eine schnelle Einführung und breite Nutzung der Technologie nicht teilen. Der Einwand des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK), für den Einsatz von Supraleitern wären zu große Investitionen nötig und die Betriebskosten wären zu hoch, rühre daher, dass unter anderem zu sehr auf die vergleichsweise langen Genehmigungszeiten geschaut und die aktuell geringe Verfügbarkeit von Supraleitern zu sehr in den Vordergrund gerückt werde.
„Bei korrekter Berechnung und entsprechenden Volumina zeigt sich, dass hochtemperatursupraleitende Kabel langfristig in vielen Fällen ökonomischer sind als herkömmliche Kabel“, so die Mitglieder der Unionsfraktion. Die Kostenvorteile für die Energiewende könnten realisiert werden, wenn schnell und gezielt Innovationsanreize für Hardware-Netzbetriebsmittel von der Bundesnetzagentur gesetzt würden. Die Nutzung von Supraleitern würde sich langfristig positiv auf Redispatch, Verlustreduzierung, Flächenverbrauch, das Landschaftsbild sowie die Bodenqualität auswirken.
„Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung reichen nach Ansicht der Fragesteller nicht aus, um die notwendigen Anreize für den Netzausbau zu setzen, weil sie sich nur auf beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren konzentrieren“, kritisieren die Abgeordneten. Der derzeit geltende regulatorische Rahmen sei unzureichend für die Erprobung und Demonstration innovativer Netztechnologien. Obwohl dem Netzentwicklungsplan die Funktion eines „Innovationsmotors“ zugedacht sei, setze er nicht die notwendigen Anreize, um Pilot- und Demonstrationsprojekte zu fördern.
Reallabore-Gesetz soll noch in dieser Legislaturperiode kommen
Bevor die Abgeordneten der CDU/CSU-Fraktion zu ihren eigentlichen Fragen kommen, fordern sie deshalb im künftigen Reallabore-Gesetz, das nach Aussage des BMWK noch in der laufenden Legislaturperiode verabschiedet werden soll, Regelungen zur parallelen Verlegung innovativer Kabeltechnologien zu bestehenden Stromleitungen. So könnten wertvolle Erkenntnisse aus der Erprobung und dem Betrieb der Leitungen gewonnen werden. Darüber hinaus verweisen die Parlamentarier auf den „Net Zero Industry Act“ der EU, der auch für Stromnetztechnologien gelte. Folglich müssten auch supraleitende Kabeltechnologien als innovative Netto-Null-Technologie gelten.
Auf die Frage der Abgeordneten, ob die Bundesregierung effektive Innovationsanreize für Hardware-Betriebsmittel plane, antwortet das BMWK, nach § 21a EnWG habe die Bundesnetzagentur die Möglichkeit, „ergänzend zu einer Entgeltbildung, Anreize für eine effiziente Leistungserbringung zu setzen.“ Vor dem Hintergrund der seit dem 29. Juni 2024 geltenden Netto-Null-Industrie-Verordnung der EU weist die Bundesregierung darauf hin, dass „in enger Abstimmung mit den Ländern“ die Umsetzungsmaßnahmen derzeit erarbeitet werden.
Im Netzentwicklungsplan hätten die Übertragungsnetzbetreiber die Einsatzmöglichkeiten von Supraleitern über große Distanzen sehr skeptisch gesehen. „Zu unsicher“, so deren Einschätzung, sodass die Technologie im Plan nicht berücksichtigt worden sei. Dies decke sich auch mit der Einschätzung der Bundesnetzagentur, heißt es von Seiten der Bundesregierung. Ohnehin gelte das Prinzip „Netzoptimierung vor Netzverstärkung vor Netzausbau“. Letztlich falle die Erprobung von Supraleitern im Übertragungsnetz zusammen mit anderen Technologien unter das 8. Energieforschungsprogramm des BMWK, das als technologieoffener Wettbewerb konzipiert sei.
Dass Supraleiter gewisse Vorteile gegenüber herkömmlichen Kupferkabeln haben, stellt die Bundesregierung zwar nicht in Abrede. Gleichzeitig sei jedoch mit dem Einsatz eine Reihe von Herausforderungen verbunden, etwa die Kühlung der Leitungen.
Letztlich sei ungewiss, wie sich die Produktionskapazitäten für Supraleiter in der nächsten Zeit entwickeln wird. Genauso unklar sei, ob der Einsatz von Supraleitern die Energiewende beschleunigen oder gar verlangsamen würde. Eine fundierte Bewertung sei sowieso in der Regel erst im Zuge der tatsächlichen Planung und Umsetzung eines Projekts möglich. Es werden jedoch zunächst einmal Erfahrungen mit den neuen 525-kV-HGÜ-Kabeln gesammelt.
Mittwoch, 30.10.2024, 15:19 Uhr
Fritz Wilhelm
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