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Energie & Management > Aus Dem Jahresmagazin  - Neun Milliarden Euro für die Münchner Wärmewende
Quelle: E&M
Aus Dem Jahresmagazin

Neun Milliarden Euro für die Münchner Wärmewende

Florian Bieberbach, Chef der Stadtwerke München, spricht im E&M-Interview darüber, warum die Stromwende in München günstiger ist als gedacht und warum er zornig auf die EU ist. 
E&M: Herr Bieberbach, die Stadtwerke München werden voraussichtlich ihr Ziel erreichen, im Jahr 2025 alle Münchner Haushalte und die Industrie bilanziell mit CO2-freiem Strom zu versorgen. Woher kam das ganze Geld für die geglückte Stromwende?

Bieberbach: Zu Beginn kamen die Mittel hauptsächlich aus unserem Eigenkapital und einer großen Emission von Schuldscheindarlehen. Diese wurden von vielen kleineren Banken und Sparkassen in Deutschland und Österreich sowie von Pensionskassen und Versicherungen gezeichnet. Dazu kamen auch Förderdarlehen, unter anderem von der Europäischen Investitionsbank und der KfW-Bank. Seit einigen Jahren finanzieren wir aber den weiteren Ausbau überwiegend mit den Rückflüssen aus unseren Anlagen.

E&M: Sie generieren also mittlerweile einen positiven Cashflow aus den SWM-Erneuerbaren-Investments?

Bieberbach: Richtig.

E&M: Wie viel Geld haben die Stadtwerke bislang in die Stromwende gesteckt?

Bieberbach: Es ist viel weniger, als wir am Anfang gedacht hatten. Ursprünglich waren 9 Milliarden Euro veranschlagt, da die Technologiepreise zu Beginn wesentlich höher lagen. Dank der deutlichen Kostendegression bei Wind- und Solaranlagen konnten wir die Investitionen deutlich reduzieren. Von 2009 ab gerechnet waren es bislang rund 4 Milliarden Euro.

E&M: Welche Mittel würden Sie in der Rückschau anders einsetzen?

Bieberbach: Im Grunde würde ich es noch mal genauso machen, auch wenn nicht alle Projekte gleich gut gelaufen sind. Anfangs haben wir bewusst in eine breite Palette von Technologien investiert, um herauszufinden, welche sich langfristig wirtschaftlich rechnen. Relativ schnell hat sich gezeigt, dass Wind und Solar die vielversprechendsten Technologien sind. Manche Sachen hingegen werden in Deutschland vermutlich immer unwirtschaftlich bleiben. So hat in meinen Augen die Stromerzeugung aus Geothermie keine große Perspektive.
 
Florian Bieberbach
Quelle: SWM / Stefanie Aumiller

E&M: Welche Vorteile hat es in Sachen Finanzierung, ein kommunales Unternehmen zu sein?

Bieberbach: Es hat den großen Vorteil, dass wir eine gute Bonität haben. Die lange Geschichte und Stabilität unseres Unternehmens, über 125 Jahre, verleihen uns ein gutes Ansehen und wir haben eine stabile Eigentümerstruktur. Dies ist für Banken und Investoren attraktiv. In jüngster Zeit hilft zunehmend unsere starke ökologische Ausrichtung. Für Geldgeber, die auf ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance; d. Red.) achten, sind die SWM ein gefragter Partner.

E&M: Die Taxonomie-Verordnung der EU will ebenfalls Investitionen in nachhaltige Projekte und Unternehmen fördern. Hat die Taxonomie aus Ihrer Sicht den erhofften Effekt erzielt?

Bieberbach: Das kann ich ganz klar verneinen. Die Taxonomie hat aus meiner Sicht keinen spürbaren Mehrwert gebracht und nur eine deutliche Zunahme an Bürokratie. Die Banken prüfen weiterhin bei jedem einzelnen Unternehmen die Kreditwürdigkeit sehr genau und verlassen sich dabei nicht auf die Vorschriften der EU-Taxonomie. Zertifizierungen oder Einstufungen seitens der EU spielen in der Praxis bei uns kaum eine Rolle. Ich würde daher sagen, dass der Ansatz gescheitert ist.

E&M: Deutschland will bis 2045 komplett CO2-neutral wirtschaften, Bayern und München sogar bis 2040. Ein großer Bereich ist die Wärme. Mit welchen technischen Mitteln wollen die SWM die Wärmewende bis 2040 meistern?

Bieberbach: Mit einem ähnlichen Ansatz, wie wir es beim Strom gemacht haben. Wir versuchen technologieoffen zu sein. Es sollten sich die Technologien durchsetzen, die am Ende zu den geringsten Kosten führen. Nach jetzigem Stand des Wissens ist die wirtschaftlichste Kombination der Ausbau der Wärmenetze, die überwiegend mit Geothermie betrieben werden, und Wärmepumpen. Hochverdichtete Gebiete profitieren von Fernwärme, während weniger stark verdichtete Stadtteile besser mit Einzelwärmepumpen bedient werden.

Luft-Wärmepumpen nicht allein die Lösung

E&M: Sie haben bei der E&M-Energiemanagertagung im September den starken Fokus auf die Wärmepumpen kritisiert. Warum?

Bieberbach: Das Problem liegt insbesondere bei den Luft-Wärmepumpen. Diese benötigen bei kalten Temperaturen viel Strom, für dessen Erzeugung viel Kraftwerkskapazität vorgehalten werden müsste. Zudem verschlechtert sich bei tiefen Temperaturen auch der Wirkungsgrad der Luft-Wärmepumpen, sodass mit dem Fall der Temperatur der Strombedarf überproportional ansteigt. Das bedeutet, an den wirklich wenigen kalten Wintertagen brauche ich einen großen Kraftwerkspark, der, mit Erdgas oder Wasserstoff betrieben, sonst über das Jahr kaum benötigt wird. Das macht das Gesamtsystem sehr, sehr teuer.

E&M: Was ist die Lösung?

Bieberbach: Die Stadt München und wir bevorzugen Grundwasser- oder Erdwärmepumpen, die auch bei niedrigen Temperaturen effizient bleiben. Tiefengeothermie bietet zusätzlich stabile Wärme.

E&M: Mit welchen Investitionskosten für den Umbau des Münchner Wärmesektors rechnen Sie?

Bieberbach: Wir rechnen mit rund 9 Milliarden Euro für den Umbau der Wärmeerzeugung und der Wärmenetze, allerdings ohne den Ausbau der Stromnetze.

E&M: Müssen die Fernwärmekunden bei diesen doch hohen Summen mit stark steigenden Wärmepreisen rechnen?

Bieberbach: Viele Kunden haben Sorge, dass wegen unserer Investitionen die Wärmepreise stark steigen. Das sehen wir nicht so. Wir glauben, dass sich die Fernwärmepreise − auch wegen der Förderung durch den Bund − langfristig stabil und im Rahmen der Inflation entwickeln werden. Natürlich gibt es marktbedingte Schwankungen, Stichwort Marktelement, aber wir erwarten keine außergewöhnlichen Preissteigerungen. Unterm Strich glauben wir, dass wir den Aus- und Umbau wirtschaftlich stabil schaffen.

E&M: Sie haben noch 16 Jahre, um die Wärmeversorgung in München CO2-neutral zu gestalten. Sieht Ihre Strategie eine schrittweise Umstellung im laufenden Betrieb vor?

Bieberbach: Ja, so ist es. Allerdings benötigen wir für die geothermische Wärmeerzeugung neue Standorte. Geothermieanlagen kommen auf weniger Heizleistung als fossile Großkraftwerke, daher brauchen wir mehr Flächen und Standorte. Selbst ein richtig großer Geothermiestandort liefert etwa 100 Megawatt Leistung, während ein fossiles Heizkraftwerk bis zu 400 Megawatt bereitstellen kann. Der Vorteil von Geothermieanlagen: Wenn sie mal stehen, stehen sie lange Zeit und haben nur noch relativ niedrige laufende Kosten.

E&M: Inwieweit sollte die Politik entsprechende Vorschriften einführen − Stichwort Anschlusszwang −, um eine effiziente und kostengünstige Wärmwende umzusetzen?

Bieberbach: In München ist der Anschlusszwang derzeit nicht notwendig, da die Nachfrage nach Fernwärme hoch ist. In ländlichen Regionen kann er jedoch erforderlich sein, um den Aufbau von Wärmenetzen wirtschaftlich zu gestalten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze, um die Fernwärme gegen Erdgas konkurrenzfähig zu machen. Problematisch sind jedoch Regelungen, die den Wechsel zu Fernwärme in Bestandsgebäuden bremsen, etwa bei der Kostenumlegung auf Mieter.

E&M: Die Preisgestaltung bei der Fernwärme gilt als intransparent. Wie kann dort Vertrauen geschaffen werden?

Marktelement bei der Fernwärme ein Problem

Bieberbach: Hier hilft jeder transparente Preisvergleich. Es gibt jetzt die Transparenzplattform Fernwärme, bei der glücklicherweise viele Unternehmen mitmachen, und so kommt hoffentlich ein bisschen Beruhigung in die Diskussion. Allerdings ist die Preisberechnung zugegebenermaßen oftmals kompliziert. Vereinfachungen wären wünschenswert. Ein Problem ist sicherlich das Marktelement bei der Wärmepreisberechnung, bei dem auch der Preis von anderen Energieträgern berücksichtigt werden muss. Doch die Politik hält am Marktelement fest. Allerdings haben immer weniger Kunden Verständnis, dass bei geothermiebasierten Wärmenetzen unter anderem der Gaspreis zur Berechnung des Wärmepreises herangezogen wird.

E&M: Was planen Sie mit dem Münchner Gasnetz?

Bieberbach: Wir betreiben das Gasnetz, solange jemand Gas braucht. Das haben wir versprochen. Aber klar, Erdgas wird schrittweise an Bedeutung verlieren und langfristig nicht mehr eingesetzt. Entsprechend werden Teile des Netzes zwar nicht rückgebaut, aber stillgelegt, da Kunden auf andere Heizungsalternativen umsteigen. Die genaue Größe des Restgasnetzes ist schwer abschätzbar, da dies von der Preisentwicklung klimaneutraler Gase abhängt. Für spezielle Anwendungen, etwa für unsere eigenen Heizkraftwerke, halten wir jedoch ein Gasnetz für den Transport von klimaneutralen Gasen bereit.

E&M: Wasserstoff sehen Sie dann eher für Heizkraftwerke als für Einzelheizungen?

Bieberbach: Genau, vor allem im Winter ist Wasserstoff im Heizkraftwerk ideal. Nehmen Sie einen richtig kalten Wintermorgen in München mit minus 15 Grad Celsius. Dann treten Spitzenlasten bei Strom für die Wärmepumpen und bei der Abnahme von Fernwärme auf. Das ist die goldene Zeit eines Heizkraftwerks, weil ich mit klimaneutralem Wasserstoff Strom und Wärme sehr effizient erzeugen kann.

E&M: Thema Ampel-Aus. Was bedauern Sie als Fachmann aus der Energiewirtschaft am Ende der Bundesregierung?

Bieberbach: Bedauerlich ist, dass wichtige Maßnahmen wie die Verlängerung des KWK-Gesetzes und das Geothermie-Beschleunigungsgesetz durch das Ampel-Aus verzögert werden. Auch Regelungen im Energiewirtschaftsgesetz wie eine stärkere Steuerbarkeit der kleinen Photovoltaik sind dringend erforderlich, um die Netzstabilität zu sichern. Es wäre wünschenswert, dass diese Regelungen auch unter einer neuen Regierung zeitnah verabschiedet werden.

E&M: Gibt es Punkte, bei denen Sie froh sind, dass die Ampel sie nicht mehr umsetzen kann?

Bieberbach: Nicht wirklich. Die Dinge, die mich in Sachen Regulierung am meisten ärgern, sind vor allem Vorschriften, die in den vergangenen Jahren von der EU kamen. Da war viel Unsinn dabei, viel Bürokratie für nichts und wieder nichts und viele weltfremde Regelungen. Mein Groll geht vor allem in Richtung Brüssel. E&M
 

Zur Person

Florian Bieberbach ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München GmbH (SWM). Er ist studierter Informatiker und promovierte im Bereich Wirtschaftswissenschaften. 2005/2006 absolvierte er noch berufsbegleitend ein betriebs- und energiewirtschaftliches Aufbaustudium. Nach seiner akademischen Ausbildung in München war Bieberbach ab 2000 in London im Investmentbanking tätig. 2002 kam er zur SWM. Seit 2006 ist Bieberbach Mitglied der Geschäftsführung, 2013 übernahm er den Vorsitz. Seit 2014 ist er Honorarprofessor an der Technischen Universität München und hält Vorlesungen über Energiemärkte. Im September 2024 wurde Bieberbach mit dem Preis „Energiemanager des Jahres“ ausgezeichnet, der von Energie & Management vergeben wird.
 

Donnerstag, 5.12.2024, 08:16 Uhr
Stefan Sagmeister
Energie & Management > Aus Dem Jahresmagazin  - Neun Milliarden Euro für die Münchner Wärmewende
Quelle: E&M
Aus Dem Jahresmagazin
Neun Milliarden Euro für die Münchner Wärmewende
Florian Bieberbach, Chef der Stadtwerke München, spricht im E&M-Interview darüber, warum die Stromwende in München günstiger ist als gedacht und warum er zornig auf die EU ist. 
E&M: Herr Bieberbach, die Stadtwerke München werden voraussichtlich ihr Ziel erreichen, im Jahr 2025 alle Münchner Haushalte und die Industrie bilanziell mit CO2-freiem Strom zu versorgen. Woher kam das ganze Geld für die geglückte Stromwende?

Bieberbach: Zu Beginn kamen die Mittel hauptsächlich aus unserem Eigenkapital und einer großen Emission von Schuldscheindarlehen. Diese wurden von vielen kleineren Banken und Sparkassen in Deutschland und Österreich sowie von Pensionskassen und Versicherungen gezeichnet. Dazu kamen auch Förderdarlehen, unter anderem von der Europäischen Investitionsbank und der KfW-Bank. Seit einigen Jahren finanzieren wir aber den weiteren Ausbau überwiegend mit den Rückflüssen aus unseren Anlagen.

E&M: Sie generieren also mittlerweile einen positiven Cashflow aus den SWM-Erneuerbaren-Investments?

Bieberbach: Richtig.

E&M: Wie viel Geld haben die Stadtwerke bislang in die Stromwende gesteckt?

Bieberbach: Es ist viel weniger, als wir am Anfang gedacht hatten. Ursprünglich waren 9 Milliarden Euro veranschlagt, da die Technologiepreise zu Beginn wesentlich höher lagen. Dank der deutlichen Kostendegression bei Wind- und Solaranlagen konnten wir die Investitionen deutlich reduzieren. Von 2009 ab gerechnet waren es bislang rund 4 Milliarden Euro.

E&M: Welche Mittel würden Sie in der Rückschau anders einsetzen?

Bieberbach: Im Grunde würde ich es noch mal genauso machen, auch wenn nicht alle Projekte gleich gut gelaufen sind. Anfangs haben wir bewusst in eine breite Palette von Technologien investiert, um herauszufinden, welche sich langfristig wirtschaftlich rechnen. Relativ schnell hat sich gezeigt, dass Wind und Solar die vielversprechendsten Technologien sind. Manche Sachen hingegen werden in Deutschland vermutlich immer unwirtschaftlich bleiben. So hat in meinen Augen die Stromerzeugung aus Geothermie keine große Perspektive.
 
Florian Bieberbach
Quelle: SWM / Stefanie Aumiller

E&M: Welche Vorteile hat es in Sachen Finanzierung, ein kommunales Unternehmen zu sein?

Bieberbach: Es hat den großen Vorteil, dass wir eine gute Bonität haben. Die lange Geschichte und Stabilität unseres Unternehmens, über 125 Jahre, verleihen uns ein gutes Ansehen und wir haben eine stabile Eigentümerstruktur. Dies ist für Banken und Investoren attraktiv. In jüngster Zeit hilft zunehmend unsere starke ökologische Ausrichtung. Für Geldgeber, die auf ESG-Kriterien (Environmental, Social and Governance; d. Red.) achten, sind die SWM ein gefragter Partner.

E&M: Die Taxonomie-Verordnung der EU will ebenfalls Investitionen in nachhaltige Projekte und Unternehmen fördern. Hat die Taxonomie aus Ihrer Sicht den erhofften Effekt erzielt?

Bieberbach: Das kann ich ganz klar verneinen. Die Taxonomie hat aus meiner Sicht keinen spürbaren Mehrwert gebracht und nur eine deutliche Zunahme an Bürokratie. Die Banken prüfen weiterhin bei jedem einzelnen Unternehmen die Kreditwürdigkeit sehr genau und verlassen sich dabei nicht auf die Vorschriften der EU-Taxonomie. Zertifizierungen oder Einstufungen seitens der EU spielen in der Praxis bei uns kaum eine Rolle. Ich würde daher sagen, dass der Ansatz gescheitert ist.

E&M: Deutschland will bis 2045 komplett CO2-neutral wirtschaften, Bayern und München sogar bis 2040. Ein großer Bereich ist die Wärme. Mit welchen technischen Mitteln wollen die SWM die Wärmewende bis 2040 meistern?

Bieberbach: Mit einem ähnlichen Ansatz, wie wir es beim Strom gemacht haben. Wir versuchen technologieoffen zu sein. Es sollten sich die Technologien durchsetzen, die am Ende zu den geringsten Kosten führen. Nach jetzigem Stand des Wissens ist die wirtschaftlichste Kombination der Ausbau der Wärmenetze, die überwiegend mit Geothermie betrieben werden, und Wärmepumpen. Hochverdichtete Gebiete profitieren von Fernwärme, während weniger stark verdichtete Stadtteile besser mit Einzelwärmepumpen bedient werden.

Luft-Wärmepumpen nicht allein die Lösung

E&M: Sie haben bei der E&M-Energiemanagertagung im September den starken Fokus auf die Wärmepumpen kritisiert. Warum?

Bieberbach: Das Problem liegt insbesondere bei den Luft-Wärmepumpen. Diese benötigen bei kalten Temperaturen viel Strom, für dessen Erzeugung viel Kraftwerkskapazität vorgehalten werden müsste. Zudem verschlechtert sich bei tiefen Temperaturen auch der Wirkungsgrad der Luft-Wärmepumpen, sodass mit dem Fall der Temperatur der Strombedarf überproportional ansteigt. Das bedeutet, an den wirklich wenigen kalten Wintertagen brauche ich einen großen Kraftwerkspark, der, mit Erdgas oder Wasserstoff betrieben, sonst über das Jahr kaum benötigt wird. Das macht das Gesamtsystem sehr, sehr teuer.

E&M: Was ist die Lösung?

Bieberbach: Die Stadt München und wir bevorzugen Grundwasser- oder Erdwärmepumpen, die auch bei niedrigen Temperaturen effizient bleiben. Tiefengeothermie bietet zusätzlich stabile Wärme.

E&M: Mit welchen Investitionskosten für den Umbau des Münchner Wärmesektors rechnen Sie?

Bieberbach: Wir rechnen mit rund 9 Milliarden Euro für den Umbau der Wärmeerzeugung und der Wärmenetze, allerdings ohne den Ausbau der Stromnetze.

E&M: Müssen die Fernwärmekunden bei diesen doch hohen Summen mit stark steigenden Wärmepreisen rechnen?

Bieberbach: Viele Kunden haben Sorge, dass wegen unserer Investitionen die Wärmepreise stark steigen. Das sehen wir nicht so. Wir glauben, dass sich die Fernwärmepreise − auch wegen der Förderung durch den Bund − langfristig stabil und im Rahmen der Inflation entwickeln werden. Natürlich gibt es marktbedingte Schwankungen, Stichwort Marktelement, aber wir erwarten keine außergewöhnlichen Preissteigerungen. Unterm Strich glauben wir, dass wir den Aus- und Umbau wirtschaftlich stabil schaffen.

E&M: Sie haben noch 16 Jahre, um die Wärmeversorgung in München CO2-neutral zu gestalten. Sieht Ihre Strategie eine schrittweise Umstellung im laufenden Betrieb vor?

Bieberbach: Ja, so ist es. Allerdings benötigen wir für die geothermische Wärmeerzeugung neue Standorte. Geothermieanlagen kommen auf weniger Heizleistung als fossile Großkraftwerke, daher brauchen wir mehr Flächen und Standorte. Selbst ein richtig großer Geothermiestandort liefert etwa 100 Megawatt Leistung, während ein fossiles Heizkraftwerk bis zu 400 Megawatt bereitstellen kann. Der Vorteil von Geothermieanlagen: Wenn sie mal stehen, stehen sie lange Zeit und haben nur noch relativ niedrige laufende Kosten.

E&M: Inwieweit sollte die Politik entsprechende Vorschriften einführen − Stichwort Anschlusszwang −, um eine effiziente und kostengünstige Wärmwende umzusetzen?

Bieberbach: In München ist der Anschlusszwang derzeit nicht notwendig, da die Nachfrage nach Fernwärme hoch ist. In ländlichen Regionen kann er jedoch erforderlich sein, um den Aufbau von Wärmenetzen wirtschaftlich zu gestalten. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze, um die Fernwärme gegen Erdgas konkurrenzfähig zu machen. Problematisch sind jedoch Regelungen, die den Wechsel zu Fernwärme in Bestandsgebäuden bremsen, etwa bei der Kostenumlegung auf Mieter.

E&M: Die Preisgestaltung bei der Fernwärme gilt als intransparent. Wie kann dort Vertrauen geschaffen werden?

Marktelement bei der Fernwärme ein Problem

Bieberbach: Hier hilft jeder transparente Preisvergleich. Es gibt jetzt die Transparenzplattform Fernwärme, bei der glücklicherweise viele Unternehmen mitmachen, und so kommt hoffentlich ein bisschen Beruhigung in die Diskussion. Allerdings ist die Preisberechnung zugegebenermaßen oftmals kompliziert. Vereinfachungen wären wünschenswert. Ein Problem ist sicherlich das Marktelement bei der Wärmepreisberechnung, bei dem auch der Preis von anderen Energieträgern berücksichtigt werden muss. Doch die Politik hält am Marktelement fest. Allerdings haben immer weniger Kunden Verständnis, dass bei geothermiebasierten Wärmenetzen unter anderem der Gaspreis zur Berechnung des Wärmepreises herangezogen wird.

E&M: Was planen Sie mit dem Münchner Gasnetz?

Bieberbach: Wir betreiben das Gasnetz, solange jemand Gas braucht. Das haben wir versprochen. Aber klar, Erdgas wird schrittweise an Bedeutung verlieren und langfristig nicht mehr eingesetzt. Entsprechend werden Teile des Netzes zwar nicht rückgebaut, aber stillgelegt, da Kunden auf andere Heizungsalternativen umsteigen. Die genaue Größe des Restgasnetzes ist schwer abschätzbar, da dies von der Preisentwicklung klimaneutraler Gase abhängt. Für spezielle Anwendungen, etwa für unsere eigenen Heizkraftwerke, halten wir jedoch ein Gasnetz für den Transport von klimaneutralen Gasen bereit.

E&M: Wasserstoff sehen Sie dann eher für Heizkraftwerke als für Einzelheizungen?

Bieberbach: Genau, vor allem im Winter ist Wasserstoff im Heizkraftwerk ideal. Nehmen Sie einen richtig kalten Wintermorgen in München mit minus 15 Grad Celsius. Dann treten Spitzenlasten bei Strom für die Wärmepumpen und bei der Abnahme von Fernwärme auf. Das ist die goldene Zeit eines Heizkraftwerks, weil ich mit klimaneutralem Wasserstoff Strom und Wärme sehr effizient erzeugen kann.

E&M: Thema Ampel-Aus. Was bedauern Sie als Fachmann aus der Energiewirtschaft am Ende der Bundesregierung?

Bieberbach: Bedauerlich ist, dass wichtige Maßnahmen wie die Verlängerung des KWK-Gesetzes und das Geothermie-Beschleunigungsgesetz durch das Ampel-Aus verzögert werden. Auch Regelungen im Energiewirtschaftsgesetz wie eine stärkere Steuerbarkeit der kleinen Photovoltaik sind dringend erforderlich, um die Netzstabilität zu sichern. Es wäre wünschenswert, dass diese Regelungen auch unter einer neuen Regierung zeitnah verabschiedet werden.

E&M: Gibt es Punkte, bei denen Sie froh sind, dass die Ampel sie nicht mehr umsetzen kann?

Bieberbach: Nicht wirklich. Die Dinge, die mich in Sachen Regulierung am meisten ärgern, sind vor allem Vorschriften, die in den vergangenen Jahren von der EU kamen. Da war viel Unsinn dabei, viel Bürokratie für nichts und wieder nichts und viele weltfremde Regelungen. Mein Groll geht vor allem in Richtung Brüssel. E&M
 

Zur Person

Florian Bieberbach ist Vorsitzender der Geschäftsführung der Stadtwerke München GmbH (SWM). Er ist studierter Informatiker und promovierte im Bereich Wirtschaftswissenschaften. 2005/2006 absolvierte er noch berufsbegleitend ein betriebs- und energiewirtschaftliches Aufbaustudium. Nach seiner akademischen Ausbildung in München war Bieberbach ab 2000 in London im Investmentbanking tätig. 2002 kam er zur SWM. Seit 2006 ist Bieberbach Mitglied der Geschäftsführung, 2013 übernahm er den Vorsitz. Seit 2014 ist er Honorarprofessor an der Technischen Universität München und hält Vorlesungen über Energiemärkte. Im September 2024 wurde Bieberbach mit dem Preis „Energiemanager des Jahres“ ausgezeichnet, der von Energie & Management vergeben wird.
 

Donnerstag, 5.12.2024, 08:16 Uhr
Stefan Sagmeister

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