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Energie & Management > Wasserstoff - Insolventer H2-Bushersteller versetzt in Aufregung
Quelle: Shutterstock / DesignRage
Wasserstoff

Insolventer H2-Bushersteller versetzt in Aufregung

Millionen Euro sind umzuparken: Ein Hersteller von Wasserstoff-Bussen verschwindet vom Markt und bereitet Stadtwerken und Verkehrsbetrieben Kopfzerbrechen bei der Antriebswende.
Der öffentliche Nahverkehr im Kreis Rhein-Erft muss auf die Antriebswende noch ein wenig warten. Die zehn eigentlich seit Januar auf den Straßen im Westen von Köln fahrenden Wasserstoff-Busse gibt es schlicht nicht. Grund ist die Insolvenz des Herstellers Van Hool.

Die zwischen Bedburg, Kerpen und Erftstadt für den Busverkehr zuständige Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft mbH (REVG) hatte bei den Niederländern die erste Tranche an Wasserstoff-Bussen in Auftrag gegeben. Von ihnen gab es über den Jahreswechsel lediglich gut gefüllte Gerippe, aber kein fahrtaugliches Fahrzeug.

Als „Glück im Unglück“ bezeichnete eine Sprecherin der REVG es gegenüber der Redaktion, dass die im Auftrag der Kommunen fahrende Gesellschaft aus dem Kaufvertrag aussteigen konnte. Zudem hatten die Rheinländer mit Van Hool eine Option auf 16 weitere Wasserstoff-Busse vereinbart, hier den Rückzug anzutreten sei wesentlich unkomplizierter gewesen, so die Sprecherin.

Ein Produzent weniger − damit fehlen auch Ersatzteile

Verkehrsgesellschaften und Stadtwerke, die auf Van-Hool-Fabrikate setzen oder gesetzt haben, befinden sich in einem Dilemma. Denn es gibt zwar eine Zukunft für das angeschlagene Unternehmen, nicht aber für dessen Stadtbus-Sparte. Denn beim Omnibus-Segment hat sich der ebenfalls aus den Niederlanden stammende Konkurrent VDL bedient. Weil die VDL-Gruppe aber selbst Wasserstoff-Busse herstellt, ist ein weiteres Fabrikat im selben Hause wirtschaftlich unsinnig. Es stirbt somit ein Hersteller.

Daher schrumpft der Anbieter-Markt nicht nur um eine Adresse. Wer bereits Van-Hool-Fabrikate in seinem Fuhrpark besitzt, steht zudem perspektivisch vor dem Ersatzteil-Problem. Denn dass auf mittlere Sicht genügend Teile für den Austausch verschlissenen oder beschädigten Materials vorhanden sind, ist mehr als unsicher. Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) findet die Insolvenz von Van Hool „bedauerlich“, so ein Sprecher auf Anfrage. In Deutschland erwarte der VDV unterdessen „keine großen Markteffekte“, andere Unternehmen stünden bereit.

Zumindest bei der REVG erfolgt die Antriebswende nun nicht in größeren Schwüngen, sondern tröpfchenweise. Im Juli erwartet die Verkehrsgesellschaft den ersten ihrer Wasserstoff-Busse. Sie stammen aus der Produktion des polnischen Herstellers Solaris. Mit Eintreffen des Premieren-Busses nehme auch die H2-Tankstelle auf dem Betriebshof ihren Dienst auf, so die Sprecherin.

Bei Solaris konnte die REVG in einem ersten Schritt die 16 noch nicht vertraglich mit Van Hool fixierten Busse bestellen. Die erneut ausgeschriebenen zehn „ersten“ Fahrzeuge der REVG sicherte sich Solaris dann ebenfalls. Für die Polen ist das Van-Hool-Aus offenbar ein Segen: Zu den regelmäßigen Aufträgen auch deutscher Stadtwerke (wir berichteten mehrfach) kommt jetzt noch einmal ein ganze Reihe hinzu, die Produktionskapazitäten dürften damit an ihre Grenzen stoßen.

Zeitdruck bei der Antriebswende nimmt zu

Im Rhein-Erft-Kreis jedenfalls steht der erste nicht-fossil betriebene Neuzugang also noch aus. Bislang, so die Sprecherin der REVG, bestehe der Fuhrpark aus 109 Diesel-Bussen. Hinzu kommen 160 Fahrzeuge, die Fremdunternehmen im Auftrag der REVG zur Verfügung stellen. Auch sie fahren in der Regel, da von kleineren Firmen betrieben, weder batterieelektrisch noch mit Wasserstoff-Antrieb.

Die Sprecherin der Verkehrsgesellschaft hält es übrigens nicht für in Stein gemeißelt, dass der Kreis als REVG-Träger ausschließlich auf Wasserstoff-Busse setzen wird. Die verbesserte Reichweite bei E-Bussen und die Erfahrungen mit dem plötzlich verknappten Angebot an Herstellern von Wasserstoff-Fahrzeugen könne bei der Politik auch zum Umdenken führen.

Ganz gleich, ob E oder H2: Stadtwerke und Verkehrsbetriebe stehen vor einer großen finanziellen Belastung, nachdem die Bundesregierung nach juristischen Problemen einen Großteil ihrer Klimaschutz-Fördermittel zum Jahreswechsel ersatzlos gestrichen hatte (wir berichteten).

Der ÖPNV profitierte bis dahin insofern, als der Bund die Differenzkosten zwischen Diesel- und Öko-Antrieben weitgehend übernahm. Der Zeitdruck für die Antriebswende wird derweil nicht geringer: Die EU will ab 2030 nur noch emissionsfreie Stadtbusse auf den Straßen neu zulassen. Die Verkehrsbetriebe müssen den Anteil ihrer Öko-Antriebe im Fuhrpark parallel dazu sukzessive auf 56 Prozent (und mehr) steigern.

Die REVG hat auch im Förderwirrwarr keinen Schaden genommen. Die früh beantragte und genehmigte Förderung für die zehn bereits bei Van Hool in Auftrag gegebenen Busse konnte das Unternehmen auf die Solaris-Bestellung übertragen, so die Sprecherin. Bis Juli 2025 reicht der alte Förderzeitraum, bis dahin müssen die bestellten Busse eingetroffen sein. Andernfalls könnten Teilsummen der Förderung an den Bund zurückgehen. Auch hier hofft die REVG noch einmal auf: Glück im Unglück.

Donnerstag, 23.05.2024, 17:43 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Wasserstoff - Insolventer H2-Bushersteller versetzt in Aufregung
Quelle: Shutterstock / DesignRage
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Insolventer H2-Bushersteller versetzt in Aufregung
Millionen Euro sind umzuparken: Ein Hersteller von Wasserstoff-Bussen verschwindet vom Markt und bereitet Stadtwerken und Verkehrsbetrieben Kopfzerbrechen bei der Antriebswende.
Der öffentliche Nahverkehr im Kreis Rhein-Erft muss auf die Antriebswende noch ein wenig warten. Die zehn eigentlich seit Januar auf den Straßen im Westen von Köln fahrenden Wasserstoff-Busse gibt es schlicht nicht. Grund ist die Insolvenz des Herstellers Van Hool.

Die zwischen Bedburg, Kerpen und Erftstadt für den Busverkehr zuständige Rhein-Erft-Verkehrsgesellschaft mbH (REVG) hatte bei den Niederländern die erste Tranche an Wasserstoff-Bussen in Auftrag gegeben. Von ihnen gab es über den Jahreswechsel lediglich gut gefüllte Gerippe, aber kein fahrtaugliches Fahrzeug.

Als „Glück im Unglück“ bezeichnete eine Sprecherin der REVG es gegenüber der Redaktion, dass die im Auftrag der Kommunen fahrende Gesellschaft aus dem Kaufvertrag aussteigen konnte. Zudem hatten die Rheinländer mit Van Hool eine Option auf 16 weitere Wasserstoff-Busse vereinbart, hier den Rückzug anzutreten sei wesentlich unkomplizierter gewesen, so die Sprecherin.

Ein Produzent weniger − damit fehlen auch Ersatzteile

Verkehrsgesellschaften und Stadtwerke, die auf Van-Hool-Fabrikate setzen oder gesetzt haben, befinden sich in einem Dilemma. Denn es gibt zwar eine Zukunft für das angeschlagene Unternehmen, nicht aber für dessen Stadtbus-Sparte. Denn beim Omnibus-Segment hat sich der ebenfalls aus den Niederlanden stammende Konkurrent VDL bedient. Weil die VDL-Gruppe aber selbst Wasserstoff-Busse herstellt, ist ein weiteres Fabrikat im selben Hause wirtschaftlich unsinnig. Es stirbt somit ein Hersteller.

Daher schrumpft der Anbieter-Markt nicht nur um eine Adresse. Wer bereits Van-Hool-Fabrikate in seinem Fuhrpark besitzt, steht zudem perspektivisch vor dem Ersatzteil-Problem. Denn dass auf mittlere Sicht genügend Teile für den Austausch verschlissenen oder beschädigten Materials vorhanden sind, ist mehr als unsicher. Auch der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) findet die Insolvenz von Van Hool „bedauerlich“, so ein Sprecher auf Anfrage. In Deutschland erwarte der VDV unterdessen „keine großen Markteffekte“, andere Unternehmen stünden bereit.

Zumindest bei der REVG erfolgt die Antriebswende nun nicht in größeren Schwüngen, sondern tröpfchenweise. Im Juli erwartet die Verkehrsgesellschaft den ersten ihrer Wasserstoff-Busse. Sie stammen aus der Produktion des polnischen Herstellers Solaris. Mit Eintreffen des Premieren-Busses nehme auch die H2-Tankstelle auf dem Betriebshof ihren Dienst auf, so die Sprecherin.

Bei Solaris konnte die REVG in einem ersten Schritt die 16 noch nicht vertraglich mit Van Hool fixierten Busse bestellen. Die erneut ausgeschriebenen zehn „ersten“ Fahrzeuge der REVG sicherte sich Solaris dann ebenfalls. Für die Polen ist das Van-Hool-Aus offenbar ein Segen: Zu den regelmäßigen Aufträgen auch deutscher Stadtwerke (wir berichteten mehrfach) kommt jetzt noch einmal ein ganze Reihe hinzu, die Produktionskapazitäten dürften damit an ihre Grenzen stoßen.

Zeitdruck bei der Antriebswende nimmt zu

Im Rhein-Erft-Kreis jedenfalls steht der erste nicht-fossil betriebene Neuzugang also noch aus. Bislang, so die Sprecherin der REVG, bestehe der Fuhrpark aus 109 Diesel-Bussen. Hinzu kommen 160 Fahrzeuge, die Fremdunternehmen im Auftrag der REVG zur Verfügung stellen. Auch sie fahren in der Regel, da von kleineren Firmen betrieben, weder batterieelektrisch noch mit Wasserstoff-Antrieb.

Die Sprecherin der Verkehrsgesellschaft hält es übrigens nicht für in Stein gemeißelt, dass der Kreis als REVG-Träger ausschließlich auf Wasserstoff-Busse setzen wird. Die verbesserte Reichweite bei E-Bussen und die Erfahrungen mit dem plötzlich verknappten Angebot an Herstellern von Wasserstoff-Fahrzeugen könne bei der Politik auch zum Umdenken führen.

Ganz gleich, ob E oder H2: Stadtwerke und Verkehrsbetriebe stehen vor einer großen finanziellen Belastung, nachdem die Bundesregierung nach juristischen Problemen einen Großteil ihrer Klimaschutz-Fördermittel zum Jahreswechsel ersatzlos gestrichen hatte (wir berichteten).

Der ÖPNV profitierte bis dahin insofern, als der Bund die Differenzkosten zwischen Diesel- und Öko-Antrieben weitgehend übernahm. Der Zeitdruck für die Antriebswende wird derweil nicht geringer: Die EU will ab 2030 nur noch emissionsfreie Stadtbusse auf den Straßen neu zulassen. Die Verkehrsbetriebe müssen den Anteil ihrer Öko-Antriebe im Fuhrpark parallel dazu sukzessive auf 56 Prozent (und mehr) steigern.

Die REVG hat auch im Förderwirrwarr keinen Schaden genommen. Die früh beantragte und genehmigte Förderung für die zehn bereits bei Van Hool in Auftrag gegebenen Busse konnte das Unternehmen auf die Solaris-Bestellung übertragen, so die Sprecherin. Bis Juli 2025 reicht der alte Förderzeitraum, bis dahin müssen die bestellten Busse eingetroffen sein. Andernfalls könnten Teilsummen der Förderung an den Bund zurückgehen. Auch hier hofft die REVG noch einmal auf: Glück im Unglück.

Donnerstag, 23.05.2024, 17:43 Uhr
Volker Stephan

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