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Eine Tagung der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin diskutierte die gesellschaftliche Aushandlung und Trägerschaft der Energiewende. Bundeswirtschaftsminister Habeck sprach über Chancen.
Die Konferenz „Gesellschaftsprojekt Energiewende“ versammelte Vertreterinnen und Vertreter aus Wirtschaft, Forschung, Zivilgesellschaft und Politik in der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Zur Eröffnung sagte Jan Philipp Albrecht, Vorstand der grünennahen Stiftung, bis in die 2050er Jahre müsse die Welt klimaneutral werden, um das 1,5 Grad Ziel der Erderwärmung einzuhalten. Es sei noch möglich, bedürfe aber deutlicher Anstrengungen. Die Katastrophen von Bränden über Starkregen, Erdrutsche und Stürme hätten gezeigt, dass es dazu keine Alternative gebe, so Albrecht. „Unsere Konferenz will Mut machen und Wege zeigen, wie es geht“, sagte er.
Im Anschluss zog Robert Habeck (Grüne), Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, eine Zwischenbilanz der regierenden Ampelkoalition. Er nannte Klimaschutz die Hauptaufgabe dieser Generation neben allen anderen Aufgaben wie Energiesicherheit und Ressourcensicherheit und sozialer Teilhabe. Deutschland und Europa hätten die Chance, das Modell der sozialen Marktwirtschaft und der Demokratie zum Beispiel für andere Länder zu machen. Andere Länder wie die USA und China seien auch auf dem Weg.
Zwischenbilanz der erneuerbaren EnergienDie Senkung der Treibhausgasemissionen sei glücklicherweise möglich, in Verbindung mit Wirtschaftsaufschwung und sicherer Energieversorgung. „Wir sind am Anfang des zweiten Drittels des Basketballspiels“, sagte Habeck in Anspielung auf die gerade gewonnene Weltmeisterschaft. Die Erhöhung der deutschen Ausbauziele für erneuerbare Stromerzeugung sei gelungen. Der Photovoltaikausbau werde im zweistelligen Bereich liegen, für den Offshore-Wind seien Flächen ausgewiesen, aber die Produktion bestimmter notwendiger Bauteile liege zum Teil zurück.
Bei Windkraft an Land hapere es weiter an Flächen und Genehmigungen, gestand Habeck zu. 5.000
MW wären allein weiter durch Bundeswehrstandorte blockiert, was lösbar sein sollte. Damit könnten wenigstens im folgenden Jahr die angestrebten 10.000
MW pro Jahr an Projekten erreicht werden. Auf gesetzlicher Grundlage des Bundes seien jetzt die wichtigsten Bremsen gelöst, es käme nun darauf an, alles auf Länder- und Gemeindeebene umzusetzen.
Sektorenkopplung ermöglichenJetzt ginge es darum, die Sektorenkopplung zu ermöglichen. „Wir wollen Nutzen statt Abregeln ermöglichen“, versprach Habeck. Durch die Wärmewende und die Elektromobilität werde Deutschland künftig bis zu 800
Milliarden kWh Strom statt heute 500
Milliarden kWh benötigen. Damit das erneuerbar gedeckt werden kann, müsse Strom speicherbar werden: in der Umwandlung in Wärme oder erneuerbaren Wasserstoff.
Deutschland könne etwa ein Drittel des Wasserstoffbedarfs selbst herstellen, parallel dazu müsse ein Netz dafür entstehen, zuerst zu den Großabnehmern der Industrie. „Es wird Zeiten geben, in denen wir steuerbare Lasten zuschalten, die in wenigen Stunden im Jahr einspringen“, sagte Habeck. „Diese Kraftwerke wasserstofffähig auszuschreiben und zu bauen, ist gegenwärtig die Hauptaufgabe“, beschrieb der Minister seine Agenda.
Er sehe eine große Unterstützung dieser notwendigen Maßnahmen seitens der EU, die viele Beschlüsse für die Besteuerung von Treibhausgasen, den Ausstieg aus fossilen Fahrzeugen und Kraftwerken ebenfalls vorantreibe. Es gebe weltweit Versuche, die eigene Wirtschaft von Staaten abzuschotten und Steuern zu erheben, was Handelskonflikte hervorrufe. Aktuell sei die deutsche Solarindustrie davon betroffen, dass sie von billigeren chinesischen PV-Panelen unterboten wird. „Wegen der Klimakrise sind wir aber zur globalen Zusammenarbeit verdammt“, mahnte Habeck. Das solle sich in den anstehenden internationalen Konferenzen niederschlagen, hoffte er.
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Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seiner Rede auf der Tagung der Böll-Stiftung Quelle: E&M / Susane Harmsen |
Breite Masse der Bevölkerung mitnehmenUm genügend Fachleute für die Energiewende und die Wirtschaft insgesamt zu bekommen, müsse die Arbeit mit den Händen wieder höher bewertet werden, sowohl finanziell als auch in der gesellschaftlichen Anerkennung, appellierte er. „Wir brauchen nicht nur Ingenieure und Politiker“, sagte Habeck. Das bedeute eine Umkehr der politischen Laufrichtung der letzten Jahre. Die 600.000 offenen Stellen müssten besetzt werden.
Die wachsende Teilhabe an neuen Energien könne eine Möglichkeit sein, breite Bevölkerungskreise mitzunehmen, hoffte der Minister. Dies sei auch dringend nötig, um auch den Bewohnern heutiger Braunkohleregionen wie der Lausitz eine ökonomische Perspektive zu bieten, aber es sei möglich.
Der Ausbau der Verteilnetze und die Anbindung der neuen Energieerzeuger sei momentan nicht fair finanziert, gab der Minister zu. Die Verteilung der Netzentgelte sollte gerechter gemacht werden, sagte er. Eine Reduktion der Stromsteuer sei sinnvoll, allerdings finanzierten ihre Einnahmen zum Teil die Rentenkasse. Auch Wachstum sei weiter wichtig für die Gesellschaft, allerdings in den richtigen Bereichen. „Ohne Wachstum fehlen uns Investitionen in die Energiewende“, erinnerte Habeck auf eine Frage aus dem Publikum der Konferenz.
Montag, 18.09.2023, 11:20 Uhr
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