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Der Betrieb des neuen Blockheizkraftwerkes am Weinberg II in Nieder-Olm (Rheinland-Pfalz) südlich von Mainz orientiert sich daran, wieviel erneuerbarer Strom dem allgemeinen Stromnetz zur Verfügung steht. Dafür wurde die alte Anlage um das fünffache an elektrischer Leistung überbaut. „Die früher zentrale Führungsgröße Wärmebedarf ist jetzt eine Randbedingung“, sagt Christoph Zeis. Er ist Geschäftsführer der „EnergieDienstleistungsGesellschaft Rheinhessen-Nahe mbH“ (EDG).
„Über die An- und Abwahl der BHKW-Anlage entscheidet nun primär der Strommarkt, gesteuert über den Direktvermarkter der EDG, die VSE Saarbrücken.“ Das BHKW stammt von der Sokratherm GmbH Energie- und Wärmetechnik. Die Anlage wurde in den vergangenen Monaten installiert, nachdem das Projekt im vergangenen Jahr einen Zuschlag bei der KWK-Ausschreibung erhalten hatte. Außerdem hat die EDG eine Photovoltaik-Aufdachanlage und einen Batteriespeicher zur Eigenversorgung der Heizzentrale installiert.
Das versorgte Wohngebiet im Weinberg umfasst nach Angaben von EDG 450 Grundstücke mit rund 650 Wohneinheiten. Mehr als 20 Jahre stammte die Wärmegrundlast aus einer BHKW-Anlage mit 220 kW elektrischer und 460 kW thermischer Leistung, ausgelegt auf kontinuierlichen Grundlastbetrieb. Die Spitzenlasten wurden von Niedertemperatur-Gaskesseln bereitgestellt. Als die Anlage altersbedingt getauscht werden musste, entschied sich der Betreiber EDG für zwei deutlich leistungsstärkere Aggregate, um den Betrieb flexibilisieren zu können.
Installiert wurden zwei BHKW-Kompaktmodule des Typs GG 530 mit insgesamt 1.064 elektrischer und 1.304 kW thermischer Leistung, zuzüglich bis zu 230 kW thermische Leistung aus Brennwertwärmetauschern. „Die Stromleistung wurde also nahezu verfünffacht, die Wärmeleistung − bei gleichbleibender Wärmeabnahme − mehr als verdreifacht“, erklärt Wilhelm Meinhold von Sokratherm.
Der Gesamtwirkungsgrad der Anlage beläuft sich auf 90,4 Prozent, bei voller Brennwertnutzung erhöht sich dieser auf 99,2 Prozent, laut Herstellerangaben. Bereits heute kann das BHKW mit bis zu 20 Prozent, nach einer Umrüstung mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden und ist damit „H2-ready“.
Das neue Kompaktmodul von Sokratherm umfasst unter anderem die Integration der Schaltschränke sowie des SCR-Katalysators im Schalldämmgehäuse des BHKW. Diese kompakte Bauweise ermöglichte die Unterbringung der Anlage in der vorhandenen, räumlich doch sehr begrenzten Heizzentrale der EDG. Für den Harnstoff, der für die SCR-Katalysatoranlage erforderlich ist, wurde aus Platzgründen ein unterirdischer Tank mit einem Volumen von acht Kubikmetern eingebaut.
Zusätzlich wurde eine Pufferspeicherkaskade mit einem Volumen von 120 Kubikmetern und einer Speicherkapazität von 5,6 MWh installiert. Diese kann die Wärmeerzeugung und den -verbrauch über rund fünf Stunden entkoppeln. Zudem hat die EDG für die netzentgeltoptimierte Einspeisung zwei Transformatoren mit jeweils 800 kVA installiert, die an das Mittelspannungsnetz des Netzbetreibers angebunden wurden.
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Die Heizzentrale, die den Weinberg mit Energie versorgt Quelle: Sokratherm |
Aufgrund der Flexibilisierung auf der Wärmeseite durch die Leistungsüberbauung der KWK-Anlage sowie den Zubau der Speicheranlage ist es nun möglich, die Auslastung des BHKW von jährlich 8.000 auf rund 3.000 Vollbenutzungsstunden zu reduzieren, einen KWK-Anteil der Wärmeversorgung von bis zu 85 Prozent zu erzielen, somit den Erdgasverbrauch der Spitzenlastkessel deutlich zu senken und gleichzeitig den BHKW-Betrieb vom Wärmebedarf der abnehmenden Häuser zu entkoppeln.
BHKW-Strom muss laut KWKG ins Netz gespeist werdenAufgrund der Regelungen im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) wird der BHKW-Strom zu 100 Prozent in das Netz der Allgemeinen Versorgung eingespeist. Dafür erhält der Betreiber EDG für insgesamt 30.000 Vollbenutzungsstunden den per KWK-Ausschreibung gebotenen KWK-Zuschlag von 6,9 Ct/kWh und zusätzlich einen vom Vermarkter VSE erzielten, variablen Strompreis, so die EDG. Dieser verkauft den Strom an der Strombörse, an der Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen.
Ist der Strom knapp, zum Beispiel wegen nachteiliger Witterung für Wind- und Solarstromerzeugung, wird das BHKW gestartet und erzielt dann höhere Stromerlöse. Bei Stromüberangebot und niedrigen Strompreisen wird das BHKW abgeschaltet und das Wohngebiet erhält seine Nahwärmeversorgung aus dem Wärmespeicher beziehungsweise den Spitzenlastkesseln.
Wetter- und Preisprognosen dienen der Fahrplanerstellung, so dass stets eine erlösoptimierte Fahrweise erfolgt. Regelbare Kraftwerke werden meist in Zeiten hohen Wärmebedarfs gebraucht. „Daher lässt sich durch die marktbasierte Betriebsweise der BHKW-Anlage gleichzeitig eine perfekte Integration in das Marktumfeld der erneuerbaren Energien sicherstellen“, sagt Zeis. „So wird die Königsdisziplin der Energieeffizienz, Kraft-Wärme-Kopplung, mit BHKW-Technik zum idealen Partner der volatilen Wind- und Sonnenenergie über die Jahreszeiten hinweg.“
Außerdem hat die EDG auf das neue Dach der Heizzentrale eine Photovoltaikanlage mit 35 kWp installiert. In Kombination mit einem 22-kWh-Batteriespeicher deckt die Solaranlage den Strombedarf der Heizzentrale weitgehend ab.
Betreiber: EnergieDienstleistungsGesellschaft Rheinhessen-Nahe mbH (EDG)
Anlage: zwei BHKW-Kompaktmodule GG 530 mit einer Brutto-Gesamtleistung von 1.064 elektrischer und 1.304 thermischer Leistung zuzüglich Brennwertwärmeleistung bis zu 230 kW, drei Pufferspeicher je 40 Kubikmeter Volumen sowie eine PV-Anlage mit 35 kWp und einem Batteriespeicher mit 22 kWh
Besonderheit: Modernisierung mit einer deutlichen Leistungs-Überbauung, um einen flexiblen strommarktgeführten KWK-Betrieb garantieren zu können
Ansprechpartner: Wilhelm Meinhold, Sokratherm GmbH Energie- und Wärmetechnik, Tel: 05221/9621-42, Mail: w.meinhold@sokratherm.de; Christoph Zeis, EDG Energiedienstleistungsgesellschaft Rheinhessen-Nahe GmbH, Tel.: 06136/921510, Mail: christoph.zeis@edg-mbh.de
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Im Zuge der umfassenden Erneuerung der Heizzentrale für das Wohngebiet Weinberg II in Nieder-Olm wurde die Leistung der BHKW-Anlage vervielfacht. Seit September 2024 unterstützt sie das öffentliche Stromnetz durch einen flexiblen, am Strommarkt orientierten BHKW-Betrieb Quelle: Sokratherm |
Dienstag, 12.11.2024, 08:16 Uhr
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