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Energie & Management > Strom - Extrempreise schrecken von dynamischen Stromtarifen ab
Quelle: Fotolia / galaxy67
Strom

Extrempreise schrecken von dynamischen Stromtarifen ab

Bis zu 2,33 Euro/kWh statt bisher im Monatsschnitt 9 Cent − durch einen technischen Fehler bei der Day-ahead-Auktion wurden Kunden mit börsengekoppelten Strompreisen belastet.
Anbieter von dynamischen Stromtarifen reagieren unterschiedlich auf die Panne bei der Day-ahead-Auktion vom 25. Juni, die für den 26. Juni zu einem rekordnahen Tagespreis von fast 500 Euro/MWh und zu Stundenpreisen bis mehr als 2.300 Euro/MWh geführt hatte. Das ergibt eine exemplarische Umfrage dieser Redaktion.

Börsenpreisgekoppelte Stromtarife verbinden zwei Versprechen miteinander:
  • Der Prosumer mit eigener Ökostrom-Erzeugung und -Speicherung kann den Bezug von Netzstrom auf die günstigen Stunden und die Einspeisung auf die lukrativen Stunden konzentrieren.
  • einen Beitrag zur Marktintegration der Erneuerbaren, indem genau dann mehr verbraucht wird, wenn viel Ökostrom die Großhandels-Preise drückt und das Netz dringend Abnehmer braucht.
Im Prinzip war das auch am 26. Juni so. Das Neue daran − und das könnte auch noch ein Thema für die Bezahlbarkeit der Energiewende werden: Die Mondpreise an mehreren Morgen- und Abendstunden beruhen auf einem „technischen Fehler“ in ihrer eigenen Handels-IT, so die Börse Epex Spot. Er führte zur Abkopplung der deutsch-luxemburgischen Auktion von allen Nachbarländern.

Damit ist ein Argument pro dynamische Tarife geschwächt, dass sie die „eigentlichen“, „fairen“ und „transparenten“ Preise einer neutralen Börse ohne Aufschlag widerspiegeln. Doch gerade die Epex Spot äußert sich intransparent zu dem „technischen Fehler“. Merlin Lauenburg, Deutschlandchef des Anbieters Tibber, erklärte: „Ausschläge wie heute kann es am Day-Ahead-Markt der Strompreis-Börse unter normalen Umständen und ohne technische Probleme eigentlich nicht geben.“

Zudem haben jene Kunden Mehrkosten, die keine Warnung vor den Preisausschlägen bekommen hatten oder diese Warnung ignoriert haben, etwa weil sie ihr E-Auto unbedingt auch zur Hoch-Zeit von 4 bis 8 Uhr laden mussten. Anbieter wiesen darauf hin, dass sie gering seien und die Tarife insgesamt immer noch ein Schnäppchen gegenüber kWh-Fixtarifen. Im Winter, wenn Wärmepumpen laufen, sähe das allerdings nochmal anders aus.

​Tibber: weniger als 5 Euro im Juni

Tibber, Tado und Rabot Charge haben ihre Endkunden am Abend des 25. Juni gewarnt und wollen sie daher auch 1:1 mit den offiziellen Epex-Spot-Preisen abrechnen. Tibber etwa postete am 26. Juni: „Diesen Morgen haben einige Tibber-Kunden vermutlich fast ihren Morgenkaffee verschüttet.“ Später verteidigte Deutschlandchef Merlin Lauenburg die Durchreichung der Preise damit, dass stündlich abgerechnete Kunden zeitlich ausweichen konnten und dass dies bei Kunden mit der Tibber-Mobil-App automatisch geschieht.

Für die monatlich ablesenden und abgerechneten Kunden ohne Smart Meter, deren Verbrauch qua Standardlastprofil (SLP) auf die Stunden eines Monats verteilt wird, bedeutete „die kurze Preisspitze, auf den Monat gerechnet, lediglich eine Erhöhung von weniger als 2 Ct/kWh. Für einen durchschnittlichen 3-Personen-Haushalt sind das weniger als 5 Euro auf der Monatsrechnung.“

Der Smart-Home-Hersteller und Stromvertrieb Tado verwies darauf, dass der durchschnittliche Day-ahead-Preis im Rumpfmonat Juni bisher trotz dieser Spikes nur 9 Ct/kWh (netto) beträgt. „Eine Aufladung eines E-Autos mit voller Leistung (11 kW) hätte in der ungünstigsten Stunde ‚nur‘ circa 30 Euro gekostet“, erklärte ein Tado-Sprecher. Ohnehin hätten Altkunden einen Preisdeckel von 80 Ct/kWh.

Für Rabot Charge wiederum sind gerade die Preisschwankungen ein Argument pro dynamische Tarife, weil nur sie Verlagerungen ermöglichten. Eine Sprecherin erklärte: „Das führte dazu, dass unsere Kunden im letzten Quartal einen durchschnittlichen Preis von 24 Ct/kWh bezahlten, während der Preis bei Grundversorgern bei 41,1 ct/kWh (jeweils brutto) lag.“

Der Wettbewerber Sonnen erklärte, sein kürzlich vorgestellter dynamischer Tarif verlagere in Kombination von PV und Speicher automatisch den Strombezug in günstige Stunden.

Green Planet schneidet Preisspitzen ab

Die Genossen von Green Planet Energy wiederum räumen ein, dass sie nicht gewarnt haben. Die Konsequenz für die vormalige Greenpeace Energy laut Sprecherin Svea Balzer: „In diesem Einzelfall deckeln wir (...) die Preise nachträglich auf ein tageszeitübliches Niveau.“ Green Planet werde aus diesem Anlass ein Warnsystem einrichten.

Dann wird die Sprecherin politisch: Funktionierende europäische Marktmechanismen seien im Interesse der Energiewende. „Andernfalls droht (...) ein Schaden für den Ruf von dynamischen Tarifen. Wir erwarten daher von der Epex, dass sie (...) genau prüft, wie es zu diesen Marktverwerfungen kommen konnte.“

Ein Sprecher von Lichtblick wiederum erklärte im Nachgang, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Es seien nur wenige Gewerbekunden mit geringen Beiträgen betroffen. Für diese werde es eine reguläre Abrechnung geben, da eine Korrektur „extrem aufwendig“ wäre.

Transparenzhinweis: Der Autor ist Tibber-Kunde, allerdings nicht mit einem stundengenauen Tarif.

Mittwoch, 26.06.2024, 17:14 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Strom - Extrempreise schrecken von dynamischen Stromtarifen ab
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Extrempreise schrecken von dynamischen Stromtarifen ab
Bis zu 2,33 Euro/kWh statt bisher im Monatsschnitt 9 Cent − durch einen technischen Fehler bei der Day-ahead-Auktion wurden Kunden mit börsengekoppelten Strompreisen belastet.
Anbieter von dynamischen Stromtarifen reagieren unterschiedlich auf die Panne bei der Day-ahead-Auktion vom 25. Juni, die für den 26. Juni zu einem rekordnahen Tagespreis von fast 500 Euro/MWh und zu Stundenpreisen bis mehr als 2.300 Euro/MWh geführt hatte. Das ergibt eine exemplarische Umfrage dieser Redaktion.

Börsenpreisgekoppelte Stromtarife verbinden zwei Versprechen miteinander:
  • Der Prosumer mit eigener Ökostrom-Erzeugung und -Speicherung kann den Bezug von Netzstrom auf die günstigen Stunden und die Einspeisung auf die lukrativen Stunden konzentrieren.
  • einen Beitrag zur Marktintegration der Erneuerbaren, indem genau dann mehr verbraucht wird, wenn viel Ökostrom die Großhandels-Preise drückt und das Netz dringend Abnehmer braucht.
Im Prinzip war das auch am 26. Juni so. Das Neue daran − und das könnte auch noch ein Thema für die Bezahlbarkeit der Energiewende werden: Die Mondpreise an mehreren Morgen- und Abendstunden beruhen auf einem „technischen Fehler“ in ihrer eigenen Handels-IT, so die Börse Epex Spot. Er führte zur Abkopplung der deutsch-luxemburgischen Auktion von allen Nachbarländern.

Damit ist ein Argument pro dynamische Tarife geschwächt, dass sie die „eigentlichen“, „fairen“ und „transparenten“ Preise einer neutralen Börse ohne Aufschlag widerspiegeln. Doch gerade die Epex Spot äußert sich intransparent zu dem „technischen Fehler“. Merlin Lauenburg, Deutschlandchef des Anbieters Tibber, erklärte: „Ausschläge wie heute kann es am Day-Ahead-Markt der Strompreis-Börse unter normalen Umständen und ohne technische Probleme eigentlich nicht geben.“

Zudem haben jene Kunden Mehrkosten, die keine Warnung vor den Preisausschlägen bekommen hatten oder diese Warnung ignoriert haben, etwa weil sie ihr E-Auto unbedingt auch zur Hoch-Zeit von 4 bis 8 Uhr laden mussten. Anbieter wiesen darauf hin, dass sie gering seien und die Tarife insgesamt immer noch ein Schnäppchen gegenüber kWh-Fixtarifen. Im Winter, wenn Wärmepumpen laufen, sähe das allerdings nochmal anders aus.

​Tibber: weniger als 5 Euro im Juni

Tibber, Tado und Rabot Charge haben ihre Endkunden am Abend des 25. Juni gewarnt und wollen sie daher auch 1:1 mit den offiziellen Epex-Spot-Preisen abrechnen. Tibber etwa postete am 26. Juni: „Diesen Morgen haben einige Tibber-Kunden vermutlich fast ihren Morgenkaffee verschüttet.“ Später verteidigte Deutschlandchef Merlin Lauenburg die Durchreichung der Preise damit, dass stündlich abgerechnete Kunden zeitlich ausweichen konnten und dass dies bei Kunden mit der Tibber-Mobil-App automatisch geschieht.

Für die monatlich ablesenden und abgerechneten Kunden ohne Smart Meter, deren Verbrauch qua Standardlastprofil (SLP) auf die Stunden eines Monats verteilt wird, bedeutete „die kurze Preisspitze, auf den Monat gerechnet, lediglich eine Erhöhung von weniger als 2 Ct/kWh. Für einen durchschnittlichen 3-Personen-Haushalt sind das weniger als 5 Euro auf der Monatsrechnung.“

Der Smart-Home-Hersteller und Stromvertrieb Tado verwies darauf, dass der durchschnittliche Day-ahead-Preis im Rumpfmonat Juni bisher trotz dieser Spikes nur 9 Ct/kWh (netto) beträgt. „Eine Aufladung eines E-Autos mit voller Leistung (11 kW) hätte in der ungünstigsten Stunde ‚nur‘ circa 30 Euro gekostet“, erklärte ein Tado-Sprecher. Ohnehin hätten Altkunden einen Preisdeckel von 80 Ct/kWh.

Für Rabot Charge wiederum sind gerade die Preisschwankungen ein Argument pro dynamische Tarife, weil nur sie Verlagerungen ermöglichten. Eine Sprecherin erklärte: „Das führte dazu, dass unsere Kunden im letzten Quartal einen durchschnittlichen Preis von 24 Ct/kWh bezahlten, während der Preis bei Grundversorgern bei 41,1 ct/kWh (jeweils brutto) lag.“

Der Wettbewerber Sonnen erklärte, sein kürzlich vorgestellter dynamischer Tarif verlagere in Kombination von PV und Speicher automatisch den Strombezug in günstige Stunden.

Green Planet schneidet Preisspitzen ab

Die Genossen von Green Planet Energy wiederum räumen ein, dass sie nicht gewarnt haben. Die Konsequenz für die vormalige Greenpeace Energy laut Sprecherin Svea Balzer: „In diesem Einzelfall deckeln wir (...) die Preise nachträglich auf ein tageszeitübliches Niveau.“ Green Planet werde aus diesem Anlass ein Warnsystem einrichten.

Dann wird die Sprecherin politisch: Funktionierende europäische Marktmechanismen seien im Interesse der Energiewende. „Andernfalls droht (...) ein Schaden für den Ruf von dynamischen Tarifen. Wir erwarten daher von der Epex, dass sie (...) genau prüft, wie es zu diesen Marktverwerfungen kommen konnte.“

Ein Sprecher von Lichtblick wiederum erklärte im Nachgang, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Es seien nur wenige Gewerbekunden mit geringen Beiträgen betroffen. Für diese werde es eine reguläre Abrechnung geben, da eine Korrektur „extrem aufwendig“ wäre.

Transparenzhinweis: Der Autor ist Tibber-Kunde, allerdings nicht mit einem stundengenauen Tarif.

Mittwoch, 26.06.2024, 17:14 Uhr
Georg Eble

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