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Energie & Management > Klimaschutz - Europäischer Stahlpakt soll Industrie in der Krise retten
Quelle: Fotolia / bluedesign
Klimaschutz

Europäischer Stahlpakt soll Industrie in der Krise retten

Die Stahlindustrie befindet sich nach Ansicht der Europäischen Volksparte (EVP) in einer existentiellen Krise. Ein Stahlpakt soll sie retten.
In den vergangenen zehn Jahren habe die Branche 20.000 Arbeitsplätze und ein Fünftel ihrer Produktionskapazität verloren, heißt es in einem Positionspapier, das die Abgeordneten Christian Ehler und Dennis Radtke in Brüssel vorgestellt haben.

Obwohl die Auslastung der Stahlwerke nur bei 65 Prozent liege, habe die EU im Jahr 2023 10 Millionen Tonnen mehr Stahl ein- als ausgeführt. 2012 gab es noch einen Ãœberschuss von 16 Millionen Tonnen.

Grüner Stahl sei jedoch das unverzichtbare Fundament der grünen Transformation, sagte Ehler. Die europäische Stahlindustrie investiere Milliarden in innovative Dekarbonisierungskonzepte, einschließlich hoher Subventionen. Die davon erhoffte Wertschöpfung werde jedoch durch CO2-intensive Stahlimporte vor allem aus Asien gefährdet.

Das Positionspapier der deutschen Abgeordneten in der EVP-Fraktion hat vier existientielle Strukturprobleme ausgemacht, die die Unternehmen nicht alleine lösen könnten. Bereits heute übersteige die globale Produktionskapazität den Bedarf um 600 Millionen Tonnen im Jahr, weitere 80 MillionenTonnen seien geplant oder im Bau. Die Ãœberschüsse würden in vielen Fällen mit Hilfe von Subventionen zu Dumpingpreisen und unter Umgehung von Handelsschutzmaßnahmen auf den Markt gebracht. Von fairen Wettbewerbsbedingungen könne schon lange keine Rede mehr sein.

„Industrial Deal“ soll „Green Deal“ ergänzen

Die steigenden CO2-Kosten in der EU beeinträchtigten die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Anbieter weiter. Während sich der CO2-Preis im ETS bei 70 Euro pro Tonne bewegt würden außerhalb der EU weniger als 20 Euro je Tonne fällig. Hinzu kämen höhere Energiepreise als in anderen Regionen der Welt. Das erschwere vor allem Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft.

Um diese Probleme zu lösen, müsse der „Green Deal“ durch einen „Industrial Deal“ ergänzt werden: „ein mutiges Umsteuern in der Industrie- und Handelspolitik“. Die EU müsse den agressiven Strategien der Wettbewerber etwas entgegensetzen. Die neue Kommission müsse noch in diesem Jahr einen „Europäischen Stahlpakt“ auf den Weg bringen, an dem sich Unternehmen, Gewerkschaften, das Europäische Parlament und die stahlproduzierenden Mitgliedsstaaten (Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Spanien, Polen, Schweden) beteiligen sollen. Das „Aktionsbündnis“ unter dem Vorsitz eines erfahrenen Politikers soll Maßnahmen vorschlagen, um folgende Ziele zu erreichen:
  • Den Schutz der europäischen Industrie vor Billigimporten aus Staaten mit Ãœberkapazitäten.
  • Sicherstellen, dass der Klimazoll (CBAM) die beabsichtigte Wirkung entfaltet. Dafür müsse der CBAM nachgebessert bzw. ergänzt werden. So seien europäische Exporte in Drittstaaten durch den CBAM nicht geschützt. Exportorientierte Unternehmen müssten bei der Transformation gezielt unterstützt werden. Um die europäische Stahlindustrie vor unfairer Konkurrenz zu schützen empfehlen die Abgeordneten auch unkonventionelle Maßnahmen wie Einfuhrquoten für bestimmte Stahlsorten oder Einfuhrverbote für Importeure, die den Klimazoll umgehen.

Außerdem müsse der Anwendungsbereich des CBAM überprüft werden, um zu verhindern, dass die Produktion stahlintensiver Waren in Drittstaaten verlagert wird.

Um die Nachfrage nach Stahl Made in Europe zu erhöhen, sollten Länder, die ihre öffentlichen Märkte nicht für europäische Anbieter öffnen (China), von öffentlichen Ausschreibungen in der EU ausgeschlossen werden. Öffentlich geförderte Projekte sollten europäische Anbieter bevorzugen. Die Kommission müsse bis März 2025 eine Verordnung vorlegen, die Mindestanforderungen für Nachhaltigkeit und Resilienz festlegt. Nur Angebote, die diesen Kriterien gerecht werden, dürften öffentliche Aufträge erhalten oder an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen.

Realistische Vorgaben für die Wasserstoffproduktion

Die EU müsse außerdem größere Anstrengungen für wettbewerbsfähige Energiepreise unternehmen. Den Mitgliedsstaaten müssten „zeitlich begrenzte Entlastungsmechanismen wie Industriestrompreise“ ermöglicht werden. EU-Vorschriften, die Energie verteuern, müssten überprüft werden. Dazu zählen die Unionsabgeordneten nicht zuletzt die Vorgaben für die Erzeugung von grünem Wasserstoff. Die Produktion und der Einsatz von Wasserstoff in Europa müssten „realistischer und praxistauglicher, unabhängig von der Farbskala“ geregelt werden.

Eine wettbewerbsfähige Energieversorgung könne nur in einem echten Binnenmarkt sichergestellt werden, heißt es in dem Papier weiter. Dafür müssten die Transportinfrastruktur für Strom, Wasserstoff und CO2 systematisch und über die nationalen Grenzen hinweg ausgebaut werden. Entlastungsmechanismen wie die Kompensation der CO2-Kosten müssten für energie- und handelsintensive Unternehmen „über 2030 hinaus erhalten bleiben“.

Die wirtschaftliche Situation der Stahlindustrie habe sich seit der Verabschiedung des „Fit-for-55-Paketes“ dramatisch verschlechtert. Unternehmen, die früh in die Dekarbonisierung investierten, sollten deswegen zusätzlich Gratiszertifikate erhalten. Das ETS sollte so weiterentwickelt werden, dass technische Senken (zum Beispiel Direct Air Capture) in den Emissionshandel integriert werden. ETS-Einnahmen aus der Stahlindustrie müssten der Dekarbonisierung der Branche zugute kommen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verhandelt gegenwärtig mit den Fraktionen des Europäischen Parlamentes über ihr Programm für die nächsten Jahre. Die Abgeordneten stimmen in der nächsten Woche darüber ab, ob sie Kommissionspräsidentin bleibt. 

Mittwoch, 10.07.2024, 14:52 Uhr
Tom Weingärtner
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Europäischer Stahlpakt soll Industrie in der Krise retten
Die Stahlindustrie befindet sich nach Ansicht der Europäischen Volksparte (EVP) in einer existentiellen Krise. Ein Stahlpakt soll sie retten.
In den vergangenen zehn Jahren habe die Branche 20.000 Arbeitsplätze und ein Fünftel ihrer Produktionskapazität verloren, heißt es in einem Positionspapier, das die Abgeordneten Christian Ehler und Dennis Radtke in Brüssel vorgestellt haben.

Obwohl die Auslastung der Stahlwerke nur bei 65 Prozent liege, habe die EU im Jahr 2023 10 Millionen Tonnen mehr Stahl ein- als ausgeführt. 2012 gab es noch einen Ãœberschuss von 16 Millionen Tonnen.

Grüner Stahl sei jedoch das unverzichtbare Fundament der grünen Transformation, sagte Ehler. Die europäische Stahlindustrie investiere Milliarden in innovative Dekarbonisierungskonzepte, einschließlich hoher Subventionen. Die davon erhoffte Wertschöpfung werde jedoch durch CO2-intensive Stahlimporte vor allem aus Asien gefährdet.

Das Positionspapier der deutschen Abgeordneten in der EVP-Fraktion hat vier existientielle Strukturprobleme ausgemacht, die die Unternehmen nicht alleine lösen könnten. Bereits heute übersteige die globale Produktionskapazität den Bedarf um 600 Millionen Tonnen im Jahr, weitere 80 MillionenTonnen seien geplant oder im Bau. Die Ãœberschüsse würden in vielen Fällen mit Hilfe von Subventionen zu Dumpingpreisen und unter Umgehung von Handelsschutzmaßnahmen auf den Markt gebracht. Von fairen Wettbewerbsbedingungen könne schon lange keine Rede mehr sein.

„Industrial Deal“ soll „Green Deal“ ergänzen

Die steigenden CO2-Kosten in der EU beeinträchtigten die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Anbieter weiter. Während sich der CO2-Preis im ETS bei 70 Euro pro Tonne bewegt würden außerhalb der EU weniger als 20 Euro je Tonne fällig. Hinzu kämen höhere Energiepreise als in anderen Regionen der Welt. Das erschwere vor allem Investitionen in die Wasserstoffwirtschaft.

Um diese Probleme zu lösen, müsse der „Green Deal“ durch einen „Industrial Deal“ ergänzt werden: „ein mutiges Umsteuern in der Industrie- und Handelspolitik“. Die EU müsse den agressiven Strategien der Wettbewerber etwas entgegensetzen. Die neue Kommission müsse noch in diesem Jahr einen „Europäischen Stahlpakt“ auf den Weg bringen, an dem sich Unternehmen, Gewerkschaften, das Europäische Parlament und die stahlproduzierenden Mitgliedsstaaten (Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Spanien, Polen, Schweden) beteiligen sollen. Das „Aktionsbündnis“ unter dem Vorsitz eines erfahrenen Politikers soll Maßnahmen vorschlagen, um folgende Ziele zu erreichen:
  • Den Schutz der europäischen Industrie vor Billigimporten aus Staaten mit Ãœberkapazitäten.
  • Sicherstellen, dass der Klimazoll (CBAM) die beabsichtigte Wirkung entfaltet. Dafür müsse der CBAM nachgebessert bzw. ergänzt werden. So seien europäische Exporte in Drittstaaten durch den CBAM nicht geschützt. Exportorientierte Unternehmen müssten bei der Transformation gezielt unterstützt werden. Um die europäische Stahlindustrie vor unfairer Konkurrenz zu schützen empfehlen die Abgeordneten auch unkonventionelle Maßnahmen wie Einfuhrquoten für bestimmte Stahlsorten oder Einfuhrverbote für Importeure, die den Klimazoll umgehen.

Außerdem müsse der Anwendungsbereich des CBAM überprüft werden, um zu verhindern, dass die Produktion stahlintensiver Waren in Drittstaaten verlagert wird.

Um die Nachfrage nach Stahl Made in Europe zu erhöhen, sollten Länder, die ihre öffentlichen Märkte nicht für europäische Anbieter öffnen (China), von öffentlichen Ausschreibungen in der EU ausgeschlossen werden. Öffentlich geförderte Projekte sollten europäische Anbieter bevorzugen. Die Kommission müsse bis März 2025 eine Verordnung vorlegen, die Mindestanforderungen für Nachhaltigkeit und Resilienz festlegt. Nur Angebote, die diesen Kriterien gerecht werden, dürften öffentliche Aufträge erhalten oder an öffentlichen Ausschreibungen teilnehmen.

Realistische Vorgaben für die Wasserstoffproduktion

Die EU müsse außerdem größere Anstrengungen für wettbewerbsfähige Energiepreise unternehmen. Den Mitgliedsstaaten müssten „zeitlich begrenzte Entlastungsmechanismen wie Industriestrompreise“ ermöglicht werden. EU-Vorschriften, die Energie verteuern, müssten überprüft werden. Dazu zählen die Unionsabgeordneten nicht zuletzt die Vorgaben für die Erzeugung von grünem Wasserstoff. Die Produktion und der Einsatz von Wasserstoff in Europa müssten „realistischer und praxistauglicher, unabhängig von der Farbskala“ geregelt werden.

Eine wettbewerbsfähige Energieversorgung könne nur in einem echten Binnenmarkt sichergestellt werden, heißt es in dem Papier weiter. Dafür müssten die Transportinfrastruktur für Strom, Wasserstoff und CO2 systematisch und über die nationalen Grenzen hinweg ausgebaut werden. Entlastungsmechanismen wie die Kompensation der CO2-Kosten müssten für energie- und handelsintensive Unternehmen „über 2030 hinaus erhalten bleiben“.

Die wirtschaftliche Situation der Stahlindustrie habe sich seit der Verabschiedung des „Fit-for-55-Paketes“ dramatisch verschlechtert. Unternehmen, die früh in die Dekarbonisierung investierten, sollten deswegen zusätzlich Gratiszertifikate erhalten. Das ETS sollte so weiterentwickelt werden, dass technische Senken (zum Beispiel Direct Air Capture) in den Emissionshandel integriert werden. ETS-Einnahmen aus der Stahlindustrie müssten der Dekarbonisierung der Branche zugute kommen.
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen verhandelt gegenwärtig mit den Fraktionen des Europäischen Parlamentes über ihr Programm für die nächsten Jahre. Die Abgeordneten stimmen in der nächsten Woche darüber ab, ob sie Kommissionspräsidentin bleibt. 

Mittwoch, 10.07.2024, 14:52 Uhr
Tom Weingärtner

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