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Energie & Management > Kernkraft - EPR in Flamanville wird angefahren
Quelle: Shutterstock / Olga Khalizeva
Kernkraft

EPR in Flamanville wird angefahren

Frankreich wird in diesem Jahr mehr Atomstrom produzieren als erwartet. Der neue Reaktor in der Normandie soll noch im Herbst ans Netz gehen.
Wie der staatliche Energiekonzern EDF Anfang der Woche mitteilte, werden die Atomkraftwerke des Landes 2024 voraussichtlich 340 bis 360 Milliarden kWh Strom erzeugen, 6 Prozent mehr als die ursprünglich erwarteten 315 bis 345 Milliarden kWh. Die höhere Leistung sei auf ein besseres Inspektionsmanagement und bessere Witterungsbedingungen in diesem Sommer zurückzuführen. Wartungsarbeiten seien stärker standardisiert worden. Außerdem habe der Konzern mehr Geld und Personal für den Unterhalt der Reaktoranlagen bereitgestellt.

In dieser Prognose nicht enthalten ist der EPR in Flamanville, der noch vor Ende des Jahres ans Netz gehen soll. Die französische Reaktoraufsicht habe das Anfahren des Reaktors vom Typ EPR genehmigt, teilte das Unternehmen mit. Bereits im Mai hatte EDF die Kernbrennstäbe in den Reaktor eingebracht. Seitdem habe das EPR-Team in Flamanville „zahlreiche Tests“ durchgeführt und die Kernreaktion vorbereitet. Diese werde jetzt in Gang gesetzt.

In der ersten Phase erreiche die Leistung nur 0,2 Prozent der maximalen Leistung des Reaktors von 1.600 MW. Im Rahmen eines Testprogramms werde die Leistung in den nächsten Wochen auf 25 Prozent angehoben, bevor der EPR „noch im Herbst 2024“ ans Netz angeschlossen werde.

Trendwende in der Energiepolitik

Der Bau des Reaktors begann 2007 und sollte eigentlich 2012 abgeschlossen sein. Die Baukosten wurden ursprünglich mit 3,3 Milliarden Euro angegeben, erreichen inzwischen aber mehr als 13 Milliarden Euro.

Dass der EPR in Flamanville in Betrieb geht, markiert auch eine Trendwende in der französischen Energiepolitik, die in den letzten Jahren vor allem durch schlechte Nachrichten von sich reden machte. Neben den Verzögerungen auf der Baustelle in Flamanville häuften sich auch die Mißgeschicke an anderen Atomstandorten. Marode Schweißnähte und andere Schwachstellen wurden an den 56 AKW des Landes entdeckt und im Sommer 2022 mussten mehrere Reaktoren die Produktion drosseln, weil in den Flüssen nicht genug Kühlwasser zur Verfügung stand.

Damals fiel die französische Atomstromerzeugung auf 279 Milliarden kWh. Die Ausfälle wurden vor allem durch den Import von deutschem Kohlestrom ausgeglichen. Der mit 65 Milliarden Euro ohnehin hoch verschuldete Staatskonzern schloss das Jahr 2022 mit einem Verlust von 17 Milliarden Euro ab.

Diese Schwierigkeiten scheinen jetzt überwunden zu sein. Im letzten Jahr produzierten die französischen AKW wieder mehr als 300 Milliarden kWh Strom, und EDF machte einen Gewinn von 10 Milliarden Euro. Schneller als viele Beobachter erwartet haben, hat das Management die Probleme beim Unterhalt und der Nachrüstung seiner Kernkraftwerke in den Griff bekommen.

Die Ingenieure des Unternehmens haben dafür eigene Roboter und minutiöse Wartungspläne entwickelt, die inzwischen zum Einsatz kommen. Arbeiten zum Unterhalt der Reaktoren werden vor allem dann vorgenommen, wenn die Brennstäbe ausgewechselt werden und die Anlagen ohnehin vom Netz genommen werden müssen. Die höhere Stromproduktion hat die französische Handelsbilanz dramatisch verbessert und das Land zum wichtigsten Stromexporteur in Europa gemacht. 2022 musste Frankreich, netto, noch 16,5 Milliarden kWh Strom einführen, 2023 gab es bereits einen Exportüberschuss von 55,7 Milliarden kWh und in diesem Jahr(bis Juli) waren es bereits 40,7 Milliarden kWh.

Damit leiste Frankreich vor allem einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, heißt es in Paris. Jede Kilowattstunde Atomstrom setze nur 4 Gramm CO2 frei, einhundert Mal weniger als ein Gaskraftwerk. Frankreich sei deswegen auch ein guter Standort für eine „grüne“ Industrie.

Dass der EPR, den viele bereits abgeschrieben hatten, jetzt doch ans Netz geht, wird als Beleg dafür betrachtet, dass die französische Nuklearstrategie aufgeht. Die Erfahrungen, die man beim Bau des EPR in Flamanville, in Finnland und Großbritannien gesammelt hat, seien ein wichtiges Kapital für den Bau der nächsten Generation von Reaktoren, dem Typ EPR-2. Die 6 bislang geplanten Anlagen sollen deutlich billiger werden als der Reaktor in Flamanville und zusammen zwischen 51 und 67 Milliarden Euro kosten.

Mittwoch, 4.09.2024, 14:31 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Kernkraft - EPR in Flamanville wird angefahren
Quelle: Shutterstock / Olga Khalizeva
Kernkraft
EPR in Flamanville wird angefahren
Frankreich wird in diesem Jahr mehr Atomstrom produzieren als erwartet. Der neue Reaktor in der Normandie soll noch im Herbst ans Netz gehen.
Wie der staatliche Energiekonzern EDF Anfang der Woche mitteilte, werden die Atomkraftwerke des Landes 2024 voraussichtlich 340 bis 360 Milliarden kWh Strom erzeugen, 6 Prozent mehr als die ursprünglich erwarteten 315 bis 345 Milliarden kWh. Die höhere Leistung sei auf ein besseres Inspektionsmanagement und bessere Witterungsbedingungen in diesem Sommer zurückzuführen. Wartungsarbeiten seien stärker standardisiert worden. Außerdem habe der Konzern mehr Geld und Personal für den Unterhalt der Reaktoranlagen bereitgestellt.

In dieser Prognose nicht enthalten ist der EPR in Flamanville, der noch vor Ende des Jahres ans Netz gehen soll. Die französische Reaktoraufsicht habe das Anfahren des Reaktors vom Typ EPR genehmigt, teilte das Unternehmen mit. Bereits im Mai hatte EDF die Kernbrennstäbe in den Reaktor eingebracht. Seitdem habe das EPR-Team in Flamanville „zahlreiche Tests“ durchgeführt und die Kernreaktion vorbereitet. Diese werde jetzt in Gang gesetzt.

In der ersten Phase erreiche die Leistung nur 0,2 Prozent der maximalen Leistung des Reaktors von 1.600 MW. Im Rahmen eines Testprogramms werde die Leistung in den nächsten Wochen auf 25 Prozent angehoben, bevor der EPR „noch im Herbst 2024“ ans Netz angeschlossen werde.

Trendwende in der Energiepolitik

Der Bau des Reaktors begann 2007 und sollte eigentlich 2012 abgeschlossen sein. Die Baukosten wurden ursprünglich mit 3,3 Milliarden Euro angegeben, erreichen inzwischen aber mehr als 13 Milliarden Euro.

Dass der EPR in Flamanville in Betrieb geht, markiert auch eine Trendwende in der französischen Energiepolitik, die in den letzten Jahren vor allem durch schlechte Nachrichten von sich reden machte. Neben den Verzögerungen auf der Baustelle in Flamanville häuften sich auch die Mißgeschicke an anderen Atomstandorten. Marode Schweißnähte und andere Schwachstellen wurden an den 56 AKW des Landes entdeckt und im Sommer 2022 mussten mehrere Reaktoren die Produktion drosseln, weil in den Flüssen nicht genug Kühlwasser zur Verfügung stand.

Damals fiel die französische Atomstromerzeugung auf 279 Milliarden kWh. Die Ausfälle wurden vor allem durch den Import von deutschem Kohlestrom ausgeglichen. Der mit 65 Milliarden Euro ohnehin hoch verschuldete Staatskonzern schloss das Jahr 2022 mit einem Verlust von 17 Milliarden Euro ab.

Diese Schwierigkeiten scheinen jetzt überwunden zu sein. Im letzten Jahr produzierten die französischen AKW wieder mehr als 300 Milliarden kWh Strom, und EDF machte einen Gewinn von 10 Milliarden Euro. Schneller als viele Beobachter erwartet haben, hat das Management die Probleme beim Unterhalt und der Nachrüstung seiner Kernkraftwerke in den Griff bekommen.

Die Ingenieure des Unternehmens haben dafür eigene Roboter und minutiöse Wartungspläne entwickelt, die inzwischen zum Einsatz kommen. Arbeiten zum Unterhalt der Reaktoren werden vor allem dann vorgenommen, wenn die Brennstäbe ausgewechselt werden und die Anlagen ohnehin vom Netz genommen werden müssen. Die höhere Stromproduktion hat die französische Handelsbilanz dramatisch verbessert und das Land zum wichtigsten Stromexporteur in Europa gemacht. 2022 musste Frankreich, netto, noch 16,5 Milliarden kWh Strom einführen, 2023 gab es bereits einen Exportüberschuss von 55,7 Milliarden kWh und in diesem Jahr(bis Juli) waren es bereits 40,7 Milliarden kWh.

Damit leiste Frankreich vor allem einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz, heißt es in Paris. Jede Kilowattstunde Atomstrom setze nur 4 Gramm CO2 frei, einhundert Mal weniger als ein Gaskraftwerk. Frankreich sei deswegen auch ein guter Standort für eine „grüne“ Industrie.

Dass der EPR, den viele bereits abgeschrieben hatten, jetzt doch ans Netz geht, wird als Beleg dafür betrachtet, dass die französische Nuklearstrategie aufgeht. Die Erfahrungen, die man beim Bau des EPR in Flamanville, in Finnland und Großbritannien gesammelt hat, seien ein wichtiges Kapital für den Bau der nächsten Generation von Reaktoren, dem Typ EPR-2. Die 6 bislang geplanten Anlagen sollen deutlich billiger werden als der Reaktor in Flamanville und zusammen zwischen 51 und 67 Milliarden Euro kosten.

Mittwoch, 4.09.2024, 14:31 Uhr
Tom Weingärtner

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