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Der Netzbetreiber 50 Hertz und die Infra Leuna planen eine Power-to-Heat-Anlage am Chemiestandort Leuna. Sie soll überschüssigen Ökostrom als Wärme nutzbar machen.
In einer Power-to-Heat-Anlage am Chemiestandort Leuna (Sachsen-Anhalt) soll nach dem Prinzip „Nutzen statt Abregeln“ Ökostrom aus Windenergie- und Photovoltaikanlagen in Prozessdampf umgewandelt werden. Dies entlastet zugleich die Stromnetze. Den Vertrag über die Errichtung der Anlage unterzeichneten der Übertragungsnetzbetreiber 50 Hertz und die Infra Leuna GmbH im Beisein des Energieministers des Landes, Armin Willingmann (SPD) am 17. Februar.
Infra Leuna plant, baut und betreibt demnach die Anlage. 50 Hertz übernimmt die Investitionskosten in Höhe von 13,6 Millionen Euro und bezieht sie in das Management von Stromnetzengpässen ein. Statt Wind- oder Solaranlagen abzuregeln, kann künftig überschüssiger Ökostrom in die PtH-Anlage fließen und dort in Prozessdampf umgewandelt werden.
Die innovative PtH-Anlage besteht aus einem Elektrodenkessel mit einer elektrischen und thermischen Leistung von jeweils rund 35 MW, in dem Wasser durch Strom erhitzt wird. Pro Stunde werden 45 Tonnen überhitzter Prozessdampf erzeugt und in das Dampfnetz des Chemiestandortes eingespeist. Das dabei erreichte Druckniveau von 47 barü (Bar über atmosphärischen Druck) werde mit dieser Technologie europaweit zum ersten Mal erreicht, so die Partner.
Energiewendebaustein für die Chemieindustrie
Prof. Willingmann sagte: „Die Errichtung der Power-to-Heat-Anlage hier am Chemiestandort Leuna ist ein wichtiger Baustein für eine klimafreundliche Industrie in Sachsen-Anhalt.“ Gerade in Zeiten hoher Energiepreise und aufgrund der Notwendigkeit, unabhängiger von fossilen Brennstoffen zu werden, zeigten Projekte wie dieses, „wie wir wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit und Klimaschutz erfolgreich miteinander verbinden können“, so der Energieminister.
„Insbesondere am Chemiestandort Leuna, in dem Wärmeenergie in großen Mengen benötigt wird, ermöglicht die Technologie eine erhebliche Reduktion von CO2-Emissionen und stärkt zugleich die Resilienz der Unternehmen gegenüber volatilen Energiemärkten“, erwartet Willingmann. Der Chemiestandort Leuna gehöre zu den Vorreitern beim Thema Nachhaltigkeit. „Hier wird seit langem und mit Hochdruck an der Transformation der Chemieindustrie gearbeitet – hin zu erneuerbaren Energien und nachwachsenden Rohstoffen. Die Power-to-Heat-Anlage passt sehr gut in dieses Profil“, kommentierte er.
Fertigstellung bis 2026
Nach mehr als zwei Jahren Konzeptarbeit geht es nun in die Umsetzung. „Der Elektrodenkessel mit den bisher unerreichten Parametern 47 barü und 320 Grad Celsius ist maßgeschneidert für unser Hochdruck-Dampfsystem“, erläuterte Christof Günther, Geschäftsführer der Infra Leuna. In Kombination mit den hochflexiblen Gas- und Dampfturbinenkraftwerken schaffe sein Unternehmen in Leuna ein einzigartig reaktionsfähiges Energiesystem, erklärte er.
Die Kraftwerke der Infra Leuna können immer dann zurückgefahren werden, wenn die PtH-Anlage Ökostrom aufnimmt und in Wärmeenergie umwandelt. So kann bei steigendem Anteil regenerativ erzeugten Stroms der Einsatz von Erdgas weiter reduziert und ein großer Schritt in Richtung CO2-Neutralität des Standortes gemacht werden. Der Baubeginn ist für Mitte dieses Jahres geplant, die Inbetriebnahme wird im ersten Quartal 2026 erwartet.
„Gerade in der aktuell sehr angespannten Situation der chemischen Industrie hilft uns dieser Kessel“, sagte Günther. Mit überschüssigem Strom werde wertvolles Erdgas eingespart und zugleich die verlässliche Prozessdampfversorgung der Kunden am Chemiestandort Leuna gesichert. Der mitteldeutsche Raum biete für dieses Konzept gute Voraussetzungen, weil es hier sowohl zentrale Wärmeversorgungssysteme als auch ein hohes Aufkommen an Windstrom und inzwischen auch große Freiflächensolaranlagen gibt.
Übertragungsnetzbetreiber übernimmt die Steuerung
Für 50 Hertz erläuterte COO Dirk Biermann: „Unsere 50-Hertz-Systemführung bei Berlin kann die PtH-Anlage für das sogenannte Engpassmanagement einsetzen.“ Das entlaste das Stromnetz doppelt – durch zusätzlichen Stromverbrauch in der Power-to-Heat-Anlage und gleichzeitig geringere Strom- und Wärmeproduktion im Kraftwerk. „Anstatt Entschädigungen für nicht produzierten Strom zu bezahlen, erhalten wir zur Aufrechterhaltung der Systemstabilität mit dieser Anlage ein wirksames Instrument an die Hand“, sagte er.
Um in Zukunft Netzengpässe zu entschärfen, sei der Ausbau der Stromübertragungsnetze als wichtigste Maßnahme erforderlich, so Biermann weiter. Ergänzend müssten unterschiedliche Speichersysteme hinzukommen. „Dazu können auch PtH-Anlagen in der Industrie und in Kommunen mit Fernwärmenetzen und Wärmespeichern beitragen“, so der 50-Hertz-Vertreter.
Montag, 17.02.2025, 16:13 Uhr
Susanne Harmsen
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