Bürgermeisterin und Bürgermeister demonstrieren. Quelle: Gemeindeverwaltungsverband Vorderes Kandertal
Zehn Gemeinden in Südbaden haben neue Konzessionsverträge geschlossen. Trotz letztinstanzlicher Entscheidung der Justiz will der bisherige Netzbetreiber nicht übergeben. Der Ton ist rau
Seit mehr als fünf Jahren beschäftigt ein Konzessionsstreit in Südbaden die Gerichte. Zehn Gemeinden hatten sich nach der Ausschreibung ihrer Stromkonzessionen Ende 2017 für die Netzgesellschaft der Badenova und gegen den bisherigen Netzbetreiber, die Naturenergie Netze, entschieden.
Andreas Schneucker, Bürgermeister von Binzen, blickte in einer Pressekonferenz auf diese Zeit zurück. Die Gemeinde habe die Angebote der beiden Unternehmen mit juristischer Unterstützung ausgewertet und sich dann nach einem einstimmigen Ratsbeschluss für die Badenova entschieden. „Weil sie das bessere Angebot abgegeben hat“, so der Rathauschef der 3.000-Einwohner-Gemeinde im Kreis Lörrach. Daraufhin habe die Netzgesellschaft der Naturenergie, die zum EnBW-Konzern gehört, in die Akten gesehen und die Vergabe gerügt.
Gleichzeitig hatten auch Efringen-Kirchen, Eimeldingen, Fischingen, Inzlingen, Kandern, Neuenburg am Rhein, Rümmingen, Schallbach und Wittlingen jeweils ein Konzessionsvergabeverfahren durchgeführt und Badenova bezuschlagt.
Dann sei über fünf Jahre hinweg der Gemeinderatsbeschluss „torpediert“ worden, erklärte Schneucker, obwohl nach dem Landgericht Mannheim auch das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe die Rügen abwies. Gregor Czernek, Anwalt der Kanzlei Gersemann in Freiburg, pflichtete dem Binzener Bürgermeister bei. Beide Gerichte hätten die Rügen im Detail geprüft und festgestellt, dass die Kommune keine Rechtsverstöße begangen habe.
Schließlich hatten die zehn Gemeinden den Abschluss von Konzessionsverträgen mit der Netzgesellschaft der Badenova über eine Laufzeit von 20 Jahren am 2.
Oktober 2024 bekannt gegeben.
Obwohl das OLG die letzte Instanz gewesen sei, weigere sich die Naturenergie, die Netze an den neuen Konzessionär zu übergeben. Zwar haben die Kommunen weiterhin Anspruch auf die Konzessionsabgabe, stellte Anwalt Czernek klar.
Umfassendes Konzept als Bestandteil des KonzessionsvertragsTrotzdem könnten den Gemeinden und letztlich auch den Bürgerinnen und Bürgern aus der gegenwärtigen Situation Nachteile erwachsen. Denn nicht nur der Netzbetrieb sei Gegenstand eines Vergabeverfahrens. Die Angebote erstreckten sich vielmehr auf umfassende Konzepte. Auch diese seien dann Gegenstand des Vertrags, wodurch die jeweilige Kommune auch Anspruch auf deren Umsetzung habe. „Und diese Konzepte werden nicht umgesetzt, solange der Konzessionsvertrag nicht vollzogen wird“, betonte der Jurist. Gleichzeitig sei Naturenergie nun als faktischer Netzbetreiber, der natürlich Mindeststandards einhalten müsse, nicht an die Versprechungen aus dem ausgelaufenen Konzessionsvertrag gebunden.
Was die Badenova im Ausschreibungsverfahren angeboten hatte, erläuterte Robin Grey vor der Presse im Binzener Rathaus: Investitionen in sehr hohem Umfang, die schnelle Erdverkabelung eines erheblichen Teils der Freileitungen, niedrige Netzanschlusskosten sowie sehr schnelle Reaktionszeiten waren die Punkte, die der Geschäftsführer der „Badenova Netze“ hervorhob.
Mehrfach betonte Grey, dass die Kooperation der Versorger beziehungsweise der Verteilnetzbetreiber ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der Umsetzung der Energiewende sei. Wenn es um die Wärmeplanung gehe oder den Ausbau der Wasserstoffwirtschaft, sei die Badenova auch mit der Naturenergie im Austausch. Warum sich die EnBW-Tochter nun aber gegen die Netzübergabe sträube, sei nicht nachvollziehbar.
So wird mit Dreck geworfenAuch Vertreter der Naturenergie waren zum Pressegespräch eingeladen, ließen sich jedoch laut Bürgermeister Schneucker entschuldigen und boten stattdessen individuelle Gespräche mit den Kommunen an. Daher nahm Manuel Zimmermann, der die Unternehmenskommunikation der Badenova leitet, in Abwesenheit des bisherigen Netzbetreibers zu dessen Verhalten Stellung. Naturenergie vertrete die Ansicht, die Badenova sei bei schwierigen Wetterbedingungen nicht in der Lage, das Stromnetz sicher zu betreiben. Eine solche Aussage sei „verleumderisch“. Damit lasse die EnBW-Tochter – immerhin mit einer Muttergesellschaft, die mehrheitlich im Besitz der öffentlichen Hand ist – ein Mindestmaß an professioneller und fairer Argumentation vermissen. Dass Naturenergie darüber hinaus auch den Abschluss der Konzessionsverträge und nicht nur das Vergabeverfahren angehe, mache wohl ein ganz neues juristisches Verfahren erforderlich, so Zimmermann. Trotzdem bleibe die Hand zur Kooperation ausgestreckt.
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Robin Grey (l.) und Manuel Zimmermann (verdeckt) erklärten, die Badenova komme sehr wohl mit widrigen Wetterverhältnissen zurecht Quelle: GVV Vorderes Kandertal |
Schließlich meldete sich Naturenergie Netze doch zu Wort - in einer Pressemitteilung. Darin erklärt das Unternehmen, dass seiner Auffassung nach „die Bewertung der jeweiligen Angebote nicht entsprechend den Kriterien der Ausschreibungsunterlagen erfolgte. Bei der Bewertung der Angebote wurden Zusagen der Badenova Netze GmbH positiv berücksichtigt, obwohl diese laut den selbst festgelegten Vergabekriterien der Städte und Gemeinden weder abgefragt noch relevant für die Bewertung waren.“ Darüber hinaus monierte Boris Philippeit, die Angebote der Badenova seien „in verschiedenen Punkten unplausibel und in ihrer Umsetzbarkeit zweifelhaft.“
Der kaufmännische Geschäftsführer wiederholte die von Zimmermann zurückgewiesene Vermutung, die Badenova Netze verfüge über keine „Strom-Mannschaft vor Ort“, und es sei zweifelhaft, ob sie Störungen etwa bei Schneefall schnell beseitigen könne.
Bei den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern aus dem Kreis Lörrach trifft diese Argumentation auf Unverständnis. Schließlich sah sich Carolin Holzmüller, die Bürgermeisterin der Gemeinde Efringen-Kirchen, genötigt, die Frage in den Raum zustellen, ob das Ignorieren einer letztinstanzlichen OLG-Entscheidung durch ein Unternehmen nicht ein schlechtes politisches und moralisches Signal sei – nicht zuletzt in Zeiten, in denen die Politikverdrossenheit zunehme und Menschen an den extremen Rändern der Gesellschaft die Rechtsstaatlichkeit in Frage stellen.
Mittwoch, 4.12.2024, 17:57 Uhr
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