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Energie & Management > Politik - Wenn späte Einsichten für schlechte Stimmung sorgen
Trommeln mit den Erdkabeln für Südostlink im Regensburger Hafen. Quelle: E&M / Günter Drewnitzky
Politik

Wenn späte Einsichten für schlechte Stimmung sorgen

Die Netzplanung mit dem Ziel, Bayern und seine Industrie mit ausreichend Strom – möglichst aus erneuerbaren Energien – zu versorgen, führt zu immer groteskeren Auseinandersetzungen.
Erst Anfang Februar hatte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) den Kommunalpolitikern vor Ort die Pläne der Bundesnetzagentur vorgestellt, zwei neue Stromtrassen nach Unterfranken zu verlegen. Einmal die Gleichstromtrasse „Südwestlink“, die, neben den in Planung und teils im Bau befindlichen Projekten „Südlink“ und „Südostlink“, große Mengen Windkraftstrom aus dem Norden in den energiehungrigen Süden der Republik bringen soll.

Diese Südwestlink, die ursprünglich nur für Baden-Württemberg gedacht war, erhält nach den neuesten Plänen ein Abzweig mit einer Kapazität von 2.000 MW in den bayerischen Landkreis Main-Spessart. Eine Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums listet unter der Rubrik „Vorteile für Bayern“ auf: „Gesicherte Ãœbertragung von 2 GW nach Unterfranken (entspricht 2 Kernkraftwerken) – Transport günstigen Windstroms aus Norddeutschland nach Bayern, zukünftig Reduzierung der Redispatchkosten und damit Netzentgelten, Ausgleich regionaler Dunkelflauten“.

Erdkabel sorgen für hohe Kosten und Verzögerungen

Das hört sich so an, als hätte sich im bayerischen Wirtschaftsministerium so etwas wie Einsicht in die Faktenlage Bahn gebrochen. Der bayerische Wirtschaftsminister Aiwanger war vor Jahren noch gegen die beiden Gleichstromtrassen Südlink und Südostlink ins Feld gezogen und wollte stattdessen in Bayern viele neue Gaskraftwerke bauen.

Zuvor hatte der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schon dafür gesorgt, dass die sogenannten „Monstertrassen“ unter die Erde verlegt werden, was die Kosten vervielfachte und den Bau um viele Jahre verzögerte. Die Kalkulation, sich damit Klagen und Proteste gegen die Projekte vom Hals zu halten, ging nicht auf: Bürgerinitiativen und Kommunalpolitiker liefen und laufen trotzdem Sturm.

Noch 2020 opponierte Aiwanger sogar gegen die Erdkabel. Er wolle nicht, dass solche Trassen durch Bayern verlegt werden, erklärte er. Was ihn vor einem Jahr zu einem atemberaubenden Meinungsumschwung zu den Vorhaben bewegt hat, ist nicht ganz klar. Und als er im November 2023 mit der Forderung nach einer dritten Stromtrasse ums Eck kam, war die Überraschung bei vielen groß. Es muss vermutet werden, dass der Druck aus der Wirtschaft, die die Versorgungssicherheit infrage gestellt sah, zu stark geworden war. Die Energiekrise nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine und die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke dürften ein Übriges zur späten Einsicht beigetragen haben.

Neben der Gleichstromtrasse Südwestlink, die aus Schleswig-Holstein kommt, stellte Aiwanger betroffenen Kommunalpolitikern jüngst auch noch die „P540“ vor, eine 380-kV-Freileitung, die von Thüringen ins bayerische Grafenrheinfeld bei Schweinfurt führt, wo bis 2015 das gleichnamige Atomkraftwerk als Energielieferant diente. Da die Gegend jetzt schon ausreichend mit Stromnetzinfrastruktur gesegnet und auch noch als Endpunkt für den Südlink vorgesehen ist, stießen die neuerlichen Pläne auf wenig Freude.

Helle Aufregung in Thüringen

Als wäre das alles nicht schon genug, kam am 12. Februar auch noch ein erboster Ministerpräsident aus Thüringen dazu: Bodo Ramelow (Linke) sprach von einer „Dreistigkeit sondergleichen“, dass die bayerische Regierung zulasten von Thüringen eine weitere Stromleitung plane und dabei über einen Korridor „auf unserem Territorium verfügt“.

Die Hintergründe für diese überaus harsche Reaktion sind nachvollziehbar: P540 firmierte früher als P44 und wurde vom damaligen Stromtrassengegner Aiwanger ebenfalls bekämpft. Mit Freude verkündete er vor gut vier Jahren, dass das Ganze „wegverhandelt“ werden konnte, was ein großer Erfolg und eine Entlastung der Bürger in Nordbayern sei. Dass die Leitung jetzt in abgewandelter Form wiederkommt, bringt Ramelow auf die Palme: Die neuen Pläne beanspruchen mehr thüringisches und weniger bayerisches Territorium. Das Vorhaben mache fassungslos, „weil es für genehmigte, auch landschaftsverträgliche und kostengünstigere Systeme jahrelang von Bayern Widerstände gab“.

Erinnert werden muss in dem Zusammenhang auch an den jüngsten Dämpfer, den die bayerische Wirtschaft mit dem Nein zum Windpark im Landkreis Altötting erlitten hat. Er sollte für Grünstrom im bayerischen Chemiedreieck sorgen, wo ungefähr 8 Prozent des gesamten bayerischen Stroms verbraucht werden. Nun steht das Vorhaben zumindest teilweise auf der Kippe. Hier musste sich Aiwanger den Vorwurf gefallen lassen, sich im Vorfeld zu wenig um das Projekt gekümmert zu haben.

Dienstag, 13.02.2024, 15:12 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Politik - Wenn späte Einsichten für schlechte Stimmung sorgen
Trommeln mit den Erdkabeln für Südostlink im Regensburger Hafen. Quelle: E&M / Günter Drewnitzky
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Wenn späte Einsichten für schlechte Stimmung sorgen
Die Netzplanung mit dem Ziel, Bayern und seine Industrie mit ausreichend Strom – möglichst aus erneuerbaren Energien – zu versorgen, führt zu immer groteskeren Auseinandersetzungen.
Erst Anfang Februar hatte Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) den Kommunalpolitikern vor Ort die Pläne der Bundesnetzagentur vorgestellt, zwei neue Stromtrassen nach Unterfranken zu verlegen. Einmal die Gleichstromtrasse „Südwestlink“, die, neben den in Planung und teils im Bau befindlichen Projekten „Südlink“ und „Südostlink“, große Mengen Windkraftstrom aus dem Norden in den energiehungrigen Süden der Republik bringen soll.

Diese Südwestlink, die ursprünglich nur für Baden-Württemberg gedacht war, erhält nach den neuesten Plänen ein Abzweig mit einer Kapazität von 2.000 MW in den bayerischen Landkreis Main-Spessart. Eine Stellungnahme des Wirtschaftsministeriums listet unter der Rubrik „Vorteile für Bayern“ auf: „Gesicherte Ãœbertragung von 2 GW nach Unterfranken (entspricht 2 Kernkraftwerken) – Transport günstigen Windstroms aus Norddeutschland nach Bayern, zukünftig Reduzierung der Redispatchkosten und damit Netzentgelten, Ausgleich regionaler Dunkelflauten“.

Erdkabel sorgen für hohe Kosten und Verzögerungen

Das hört sich so an, als hätte sich im bayerischen Wirtschaftsministerium so etwas wie Einsicht in die Faktenlage Bahn gebrochen. Der bayerische Wirtschaftsminister Aiwanger war vor Jahren noch gegen die beiden Gleichstromtrassen Südlink und Südostlink ins Feld gezogen und wollte stattdessen in Bayern viele neue Gaskraftwerke bauen.

Zuvor hatte der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) schon dafür gesorgt, dass die sogenannten „Monstertrassen“ unter die Erde verlegt werden, was die Kosten vervielfachte und den Bau um viele Jahre verzögerte. Die Kalkulation, sich damit Klagen und Proteste gegen die Projekte vom Hals zu halten, ging nicht auf: Bürgerinitiativen und Kommunalpolitiker liefen und laufen trotzdem Sturm.

Noch 2020 opponierte Aiwanger sogar gegen die Erdkabel. Er wolle nicht, dass solche Trassen durch Bayern verlegt werden, erklärte er. Was ihn vor einem Jahr zu einem atemberaubenden Meinungsumschwung zu den Vorhaben bewegt hat, ist nicht ganz klar. Und als er im November 2023 mit der Forderung nach einer dritten Stromtrasse ums Eck kam, war die Überraschung bei vielen groß. Es muss vermutet werden, dass der Druck aus der Wirtschaft, die die Versorgungssicherheit infrage gestellt sah, zu stark geworden war. Die Energiekrise nach dem Kriegsbeginn in der Ukraine und die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke dürften ein Übriges zur späten Einsicht beigetragen haben.

Neben der Gleichstromtrasse Südwestlink, die aus Schleswig-Holstein kommt, stellte Aiwanger betroffenen Kommunalpolitikern jüngst auch noch die „P540“ vor, eine 380-kV-Freileitung, die von Thüringen ins bayerische Grafenrheinfeld bei Schweinfurt führt, wo bis 2015 das gleichnamige Atomkraftwerk als Energielieferant diente. Da die Gegend jetzt schon ausreichend mit Stromnetzinfrastruktur gesegnet und auch noch als Endpunkt für den Südlink vorgesehen ist, stießen die neuerlichen Pläne auf wenig Freude.

Helle Aufregung in Thüringen

Als wäre das alles nicht schon genug, kam am 12. Februar auch noch ein erboster Ministerpräsident aus Thüringen dazu: Bodo Ramelow (Linke) sprach von einer „Dreistigkeit sondergleichen“, dass die bayerische Regierung zulasten von Thüringen eine weitere Stromleitung plane und dabei über einen Korridor „auf unserem Territorium verfügt“.

Die Hintergründe für diese überaus harsche Reaktion sind nachvollziehbar: P540 firmierte früher als P44 und wurde vom damaligen Stromtrassengegner Aiwanger ebenfalls bekämpft. Mit Freude verkündete er vor gut vier Jahren, dass das Ganze „wegverhandelt“ werden konnte, was ein großer Erfolg und eine Entlastung der Bürger in Nordbayern sei. Dass die Leitung jetzt in abgewandelter Form wiederkommt, bringt Ramelow auf die Palme: Die neuen Pläne beanspruchen mehr thüringisches und weniger bayerisches Territorium. Das Vorhaben mache fassungslos, „weil es für genehmigte, auch landschaftsverträgliche und kostengünstigere Systeme jahrelang von Bayern Widerstände gab“.

Erinnert werden muss in dem Zusammenhang auch an den jüngsten Dämpfer, den die bayerische Wirtschaft mit dem Nein zum Windpark im Landkreis Altötting erlitten hat. Er sollte für Grünstrom im bayerischen Chemiedreieck sorgen, wo ungefähr 8 Prozent des gesamten bayerischen Stroms verbraucht werden. Nun steht das Vorhaben zumindest teilweise auf der Kippe. Hier musste sich Aiwanger den Vorwurf gefallen lassen, sich im Vorfeld zu wenig um das Projekt gekümmert zu haben.

Dienstag, 13.02.2024, 15:12 Uhr
Günter Drewnitzky

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