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Energie & Management > E-World 2024 - Sicherer, sauberer und billiger Strom - aber wie?
Simon Morrish (XLinks), Peter Heydecker (EnBW) und Laurent Vivier (Total Energie). Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
E-World 2024

Sicherer, sauberer und billiger Strom - aber wie?

Auf der E-world diskutieren Branchenvertreter aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland über die Zukunft des Stromsystems. Und sind sich nicht immer einig. 
„Wir müssen es schaffen, drei Probleme gleichzeitig zu lösen“, fasst Laurent Vivier, Senior Vice President Trading Power der französischen Total Energies, die Herausforderung für Europas künftiges Energiesystem zusammen: „Die Nachhaltigkeit der Energie, die Verfügbarkeit der Energie und die Bezahlbarkeit von Energie. Schaffen wir es, die ersten beiden Punkte zu erreichen, ohne den dritten zu vernachlässigen?“. Antworten auf diese Fragen suchte Vivier auf der E-world gemeinsam mit Peter Heydecker, Executive Director Trading der EnBW, und Simon Morrish, CEO der britischen Xlinks GmbH.

Das europäische Energiesystem der Zukunft, sagt Heydecker auf die Frage, wie es 2040 wohl aussehen könnte, werde zu einem großen Teil auf erneuerbaren Energien basieren. Und was nicht aus erneuerbaren Energien gewonnen werden könne, werde aus dekarbonisierten Quellen generiert, zuvorderst grünem Wasserstoff. „Das ist der Weg: Kohle zu Gas und von Gas zu Wasserstoff“, so Heydecker.

Wichtig sei daher jetzt der Aufbau des Wasserstoffkernnetzes, ebenso aber auch die Entwicklung von Kapazitäten zur Herstellung von blauem Wasserstoff. Blauer Wasserstoff wird ebenso wie herkömmlicher grauer Wasserstoff aus der Dampfreduzierung von Erdgas gewonnen, allerdings wird das dabei entstehende CO2 entweder unterirdisch gespeichert (Carbon Capture and Storage, CCS) oder industriell weiterverwertet (Carbon Capture and Utilization, CCU). Die Technologie gilt als Brückentechnologie bis zur ausreichenden Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff.

Zukunftsmodell Wasserstoff?

Xlinks-CEO Morrish hingegen ist skeptisch, was die Rolle von Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft angeht: „Ökonomisch gesehen ist Wasserstoff nicht die beste Lösung“, sagt der Brite, dessen Unternehmen derzeit unter anderem daran arbeitet, in Marokko ein 11.500-MW-Wind- und PV-Projekt kombiniert mit einem 5.000-MW-Speicher zu verwirklichen und über vier je 3.800 Kilometer lange Kabel mit Großbritannien zu verbinden.

Morrish verweist vor allem auf die aus seiner Sicht fragliche Effizienz des Wasserstoffs, der mit großen Verlusten erst durch Umwandlung gewonnen, dann transportiert und gespeichert werden müsse. In einem global vernetzten Stromsystem hingegen, so seine Vision, in dem Wind- und Sonnenstrom an den jeweils günstigsten Standorten produziert werde, könnten durch die Zeitverschiebung Dunkelflauten nahezu ausgeschlossen werden. In diesem System, dessen Infrastrukturaufbau dem des Internets ähneln könnte, könne Strom direkt und mit einer Effizienz von etwa 85 Prozent direkt zum Verbraucher transportiert werden. 

Auch Total-Energies-Vertreter Vivier zeigt sich bei der Frage der Perspektive der Wasserstoffnutzung nur verhalten optimistisch. „Momentan fehlt die Nachfrage zum derzeitigen Preis“, sagt er. Sein Unternehmen teste derzeit den Markt und versuche, die Phase der Pilotprojekte hinter sich zu lassen, aber noch gebe es viele technische Herausforderungen.
 

Diversifizierung als Gebot der Stunde

Auch bei der Frage der Kernkraftnutzung gehen die Meinungen auseinander. Für Deutschland, sagt EnBW-Mann Heydecker, bestünden kein Weg zurück. Vivier verweist auf die unterschiedliche Struktur der Märkte: In Frankreich werde 70 Prozent des Stroms aus Atomkraft gewonnen, „es wäre schwierig, die Kernkraftwerke jetzt alle abzuschalten“. Auch in Frankreich gehe der Ausbau der Erneuerbaren voran, aber insbesondere im Hinblick auf die CO2-Reduktion spiele die Kernkraft noch immer eine wichtige Rolle.

Morrish hingegen verweist auf die Schwierigkeiten Frankreichs im Hinblick auf die Verfügbarkeit seiner Kernkraftwerke, aber auch auf die Probleme Deutschlands nach dem Wegfall der russischen Erdgaslieferungen: „Wann immer man sich von nur einer Quelle abhängig macht, wird es problematisch“, sagt er. Die Zukunft liege in der Diversifizierung der Quellen.

Vernetzung, Diversifizierung und Weiterentwicklung klimafreundlicher Technologien scheinen demnach die Antwort auf die Frage nach Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit der Energien zu sein. Wie aber kann die Finanzierung des Umbaus der europäischen Energiesysteme gelingen und damit dennoch der Energiepreis für die Kunden bezahlbar bleiben?

In Großbritannien, so Morrish, habe man sehr gute Erfahrungen mit Differenzverträgen (Contracts for Difference, CfD) gemacht, die das unternehmerische Risiko dämpfen. Heydecker hingegen verweist auf den in Deutschland sehr gut funktionierenden PPA(Power Purchase Agreement)-Markt: „Es sollte kein Entweder-oder sein“. Er begrüße, dass das EU-Strommarktdesign eine Koexistenz beider Modelle vorsieht. Und was die Preisbildung angeht, verweist er auf die Märkte, die auch in der Krise immer funktioniert hätten. Sie zu beschränken, beispielsweise durch Preisdeckel, sei kontraproduktiv: „Preise sind immer nur der Bote. Den Boten zu töten, beseitigt nicht die Ursache“.

Eine Analyse, der auch Laurent Vivier nicht widerspricht: „Während der Krise waren wir auf dem Gasmarkt sehr nervös. Aber die Marktteilnehmer haben reagiert und LNG-Kapazitäten geschaffen.“

Dienstag, 20.02.2024, 18:06 Uhr
Katia Meyer-Tien
Energie & Management > E-World 2024 - Sicherer, sauberer und billiger Strom - aber wie?
Simon Morrish (XLinks), Peter Heydecker (EnBW) und Laurent Vivier (Total Energie). Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
E-World 2024
Sicherer, sauberer und billiger Strom - aber wie?
Auf der E-world diskutieren Branchenvertreter aus Frankreich, Großbritannien und Deutschland über die Zukunft des Stromsystems. Und sind sich nicht immer einig. 
„Wir müssen es schaffen, drei Probleme gleichzeitig zu lösen“, fasst Laurent Vivier, Senior Vice President Trading Power der französischen Total Energies, die Herausforderung für Europas künftiges Energiesystem zusammen: „Die Nachhaltigkeit der Energie, die Verfügbarkeit der Energie und die Bezahlbarkeit von Energie. Schaffen wir es, die ersten beiden Punkte zu erreichen, ohne den dritten zu vernachlässigen?“. Antworten auf diese Fragen suchte Vivier auf der E-world gemeinsam mit Peter Heydecker, Executive Director Trading der EnBW, und Simon Morrish, CEO der britischen Xlinks GmbH.

Das europäische Energiesystem der Zukunft, sagt Heydecker auf die Frage, wie es 2040 wohl aussehen könnte, werde zu einem großen Teil auf erneuerbaren Energien basieren. Und was nicht aus erneuerbaren Energien gewonnen werden könne, werde aus dekarbonisierten Quellen generiert, zuvorderst grünem Wasserstoff. „Das ist der Weg: Kohle zu Gas und von Gas zu Wasserstoff“, so Heydecker.

Wichtig sei daher jetzt der Aufbau des Wasserstoffkernnetzes, ebenso aber auch die Entwicklung von Kapazitäten zur Herstellung von blauem Wasserstoff. Blauer Wasserstoff wird ebenso wie herkömmlicher grauer Wasserstoff aus der Dampfreduzierung von Erdgas gewonnen, allerdings wird das dabei entstehende CO2 entweder unterirdisch gespeichert (Carbon Capture and Storage, CCS) oder industriell weiterverwertet (Carbon Capture and Utilization, CCU). Die Technologie gilt als Brückentechnologie bis zur ausreichenden Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff.

Zukunftsmodell Wasserstoff?

Xlinks-CEO Morrish hingegen ist skeptisch, was die Rolle von Wasserstoff im Energiesystem der Zukunft angeht: „Ökonomisch gesehen ist Wasserstoff nicht die beste Lösung“, sagt der Brite, dessen Unternehmen derzeit unter anderem daran arbeitet, in Marokko ein 11.500-MW-Wind- und PV-Projekt kombiniert mit einem 5.000-MW-Speicher zu verwirklichen und über vier je 3.800 Kilometer lange Kabel mit Großbritannien zu verbinden.

Morrish verweist vor allem auf die aus seiner Sicht fragliche Effizienz des Wasserstoffs, der mit großen Verlusten erst durch Umwandlung gewonnen, dann transportiert und gespeichert werden müsse. In einem global vernetzten Stromsystem hingegen, so seine Vision, in dem Wind- und Sonnenstrom an den jeweils günstigsten Standorten produziert werde, könnten durch die Zeitverschiebung Dunkelflauten nahezu ausgeschlossen werden. In diesem System, dessen Infrastrukturaufbau dem des Internets ähneln könnte, könne Strom direkt und mit einer Effizienz von etwa 85 Prozent direkt zum Verbraucher transportiert werden. 

Auch Total-Energies-Vertreter Vivier zeigt sich bei der Frage der Perspektive der Wasserstoffnutzung nur verhalten optimistisch. „Momentan fehlt die Nachfrage zum derzeitigen Preis“, sagt er. Sein Unternehmen teste derzeit den Markt und versuche, die Phase der Pilotprojekte hinter sich zu lassen, aber noch gebe es viele technische Herausforderungen.
 

Diversifizierung als Gebot der Stunde

Auch bei der Frage der Kernkraftnutzung gehen die Meinungen auseinander. Für Deutschland, sagt EnBW-Mann Heydecker, bestünden kein Weg zurück. Vivier verweist auf die unterschiedliche Struktur der Märkte: In Frankreich werde 70 Prozent des Stroms aus Atomkraft gewonnen, „es wäre schwierig, die Kernkraftwerke jetzt alle abzuschalten“. Auch in Frankreich gehe der Ausbau der Erneuerbaren voran, aber insbesondere im Hinblick auf die CO2-Reduktion spiele die Kernkraft noch immer eine wichtige Rolle.

Morrish hingegen verweist auf die Schwierigkeiten Frankreichs im Hinblick auf die Verfügbarkeit seiner Kernkraftwerke, aber auch auf die Probleme Deutschlands nach dem Wegfall der russischen Erdgaslieferungen: „Wann immer man sich von nur einer Quelle abhängig macht, wird es problematisch“, sagt er. Die Zukunft liege in der Diversifizierung der Quellen.

Vernetzung, Diversifizierung und Weiterentwicklung klimafreundlicher Technologien scheinen demnach die Antwort auf die Frage nach Nachhaltigkeit und Verfügbarkeit der Energien zu sein. Wie aber kann die Finanzierung des Umbaus der europäischen Energiesysteme gelingen und damit dennoch der Energiepreis für die Kunden bezahlbar bleiben?

In Großbritannien, so Morrish, habe man sehr gute Erfahrungen mit Differenzverträgen (Contracts for Difference, CfD) gemacht, die das unternehmerische Risiko dämpfen. Heydecker hingegen verweist auf den in Deutschland sehr gut funktionierenden PPA(Power Purchase Agreement)-Markt: „Es sollte kein Entweder-oder sein“. Er begrüße, dass das EU-Strommarktdesign eine Koexistenz beider Modelle vorsieht. Und was die Preisbildung angeht, verweist er auf die Märkte, die auch in der Krise immer funktioniert hätten. Sie zu beschränken, beispielsweise durch Preisdeckel, sei kontraproduktiv: „Preise sind immer nur der Bote. Den Boten zu töten, beseitigt nicht die Ursache“.

Eine Analyse, der auch Laurent Vivier nicht widerspricht: „Während der Krise waren wir auf dem Gasmarkt sehr nervös. Aber die Marktteilnehmer haben reagiert und LNG-Kapazitäten geschaffen.“

Dienstag, 20.02.2024, 18:06 Uhr
Katia Meyer-Tien

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