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In einem Webinar forderte Jurist Thorsten Kirch von der Kanzlei Görg eine Gesetzesreform bei Offshore-Wind. Die aktuellen EnWG-Regelungen verlagerten Risiken auf die Investoren.
Die Offshore-Windkraft gilt als ein zentrales Standbein der Energiewende. Um die ehrgeizigen Ausbauziele von 30 GW bis 2030 und 70 GW bis 2045 zu erreichen, hat die Bundesregierung jüngst den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der EU-Erneuerbaren-Richtlinie für Offshore-Wind und Stromnetze vorgelegt. Es soll Verfahren vereinfachen, entbürokratisieren und beschleunigen. Doch aus Sicht der Branche bleibt eine entscheidende Schwachstelle bestehen: die Entschädigungsregelung im Energiewirtschaftsgesetz nach Paragraf 17e EnWG.
Beim Webinar der Bundesverband Offshore-Windenergie (BWO) am 30. Oktober erläuterte Thorsten Kirch von der Kanzlei Görg, warum die Vorschrift dringend überarbeitet werden müsse. Der Jurist sprach von einer „einseitigen Risikoverlagerung“ auf Betreiber von Offshore-Windparks, die sich negativ auf Investitionsentscheidungen auswirke.
„Ohne Planungs- und Rechtssicherheit wird es keine Investitionen geben. Die Projekte sind langjährig entwickelt und laufen über Jahrzehnte“, sagte Kirch. Eine einfachere Regelung ohne Selbstbehalte, die entgangene Erlöse vollständig berücksichtigt, könne nach seiner Einschätzung Rechtssicherheit schaffen und zugleich die Finanzierbarkeit von Projekten sichern.
Zeitliche und finanzielle Selbstbehalte als StreitpunktDer aktuelle Paragraf 17e EnWG regelt die verschuldensunabhängige Entschädigung, wenn Offshore-Windparks wegen Verzögerungen oder Störungen an der Netzanbindung nicht einspeisen können. Seit 2020 gilt ein zeitlicher Selbstbehalt von 90 Tagen: Erst nach drei Monaten Stillstand besteht Anspruch auf Entschädigung. Außerdem werden nur 90 Prozent der entgangenen Erlöse ersetzt.
Diese Regelung sei nicht mehr sachgerecht, betonte Kirch. Sie sei eingeführt worden, um die Übertragungsnetzbetreiber zu entlasten, habe aber zu einer deutlichen Risikoabwälzung auf die Projektierer geführt. Zudem beteiligten sich Offshore-Betreiber inzwischen über die sogenannte Stromkostensenkungskomponente (§ 23 WindSeeG) selbst an den Netzanbindungskosten.
Auch BWO-Geschäftsführer Stefan Thimm bekräftigte im Webinar die Forderung nach einer zügigen Anpassung. Er sprach sich für eine Offshore-Ausschreibung 2026 nach EEG (Erneuerbare Energiegesetz) und die Einführung von Contracts for Difference (CfD) ab 2028 aus. Das aktuelle EnWG behindere Investitionen, statt sie abzusichern, kritisierte er.
Rückblick: Reform mit NebenwirkungenDie Entschädigungsregelung des Paragraf 17e EnWG war 2012 eingeführt worden, um die damalige Haftungsunsicherheit bei der Netzanbindung zu beseitigen. Sie galt zunächst als ausgewogenes System zwischen Übertragungsnetzbetreibern, Offshore-Windparkbetreibern und Letztverbrauchern. Ziel war es, den Ausbau zu beschleunigen und stabile Rahmenbedingungen zu schaffen.
In der Praxis führten spätere Änderungen jedoch zu einer Verschiebung der Lasten. Die Verlängerung des Selbstbehalts von 10 auf 90 Tage habe laut Kirch keine sachliche Rechtfertigung. „Das Gesetz wollte ursprünglich Rechts- und Planungssicherheit erhöhen. Heute steht es eher im Weg“, sagte er.
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Auswirkungen der Entschädigungsfristen auf Offshorewindbetreiber - Für Vollbild bitte auf das Bild klicken Quelle: RA-Kanzlei Görg |
Unklare ÜbergangsregelungenZusätzliche Rechtsunsicherheit ergibt sich laut Kirch aus der Streichung des Paragraf 118 Abs. 12 EnWG im Jahr 2023. Diese Übergangsregelung hatte älteren Offshore-Projekten Vertrauensschutz in bestehende Rechtslagen gewährt. Durch einen redaktionellen Fehler sei nun unklar, welche Fassung des Paragraf 17e für Bestandsanlagen gilt. Das könne insbesondere Projekte betreffen, die vor 2012 eine verbindliche Netzanbindungszusage erhalten hatten.
„Hier besteht dringender Korrekturbedarf, um Klagen und Verzögerungen zu vermeiden“, sagte Kirch. Er forderte eine Klarstellung durch den Gesetzgeber, damit Investoren auf bestehende Zusagen vertrauen könnten.
Forderung nach Systemwechsel mit BestandsschutzMit Blick auf die geplante Einführung des CfD-Systems ab 2028 betonte Kirch, dass neue Vergütungsmechanismen zwar Investitionsanreize setzen könnten, aber nur dann erfolgreich seien, wenn sie Bestandsprojekte rechtlich absichern. „Ein Systemwechsel darf nicht auf Kosten derjenigen gehen, die unter den bisherigen Bedingungen geplant und finanziert haben“, so der Jurist.
Der BWO will die Diskussion in den kommenden Wochen fortsetzen. Laut Thimm sollen die Ergebnisse des Webinars in die Verbandsstellungnahme zum geplanten Gesetzesentwurf einfließen. Der Verband erwarte vom Gesetzgeber, dass er bei der nächsten Überarbeitung des EnWG die Balance zwischen Investoren und Netzbetreibern wiederherstellt.
Donnerstag, 30.10.2025, 15:06 Uhr
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