Karsten Richter, Business Development Manager der S&P Solutions Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
Stromhandel, Differenzzeitreihen-Prognose, operativer Netzbetrieb: KI-gestützte Lösungen gibt es schon für viele Bereiche der Energiewirtschaft. Ein Blick auf den Anfang der Zukunft.
Ob als konkrete Hilfe bei der Beachtung von Regularien und Vorschriften, Berechner präziser Prognosen in Echtzeit oder Helfer bei der Ertragssteigerung durch Automatisierung: Eine Vielzahl von Unternehmen präsentiert auf der diesjährigen E-world in Essen, dass Künstliche Intelligenz schon jetzt weit mehr kann als in Form von Chatbots simple Fragen zu beantworten. Der Edna Bundesverband Energiemarkt & Kommunikation e.V. organisierte dazu einen Presserundgang.
Dabei stellte beispielsweise das Fraunhofer IOSB-AST ein Projekt vor, das KI-basierte Prognosen für Differenzzeitreihen erstellt. Wichtig ist das für Verteilnetzbetreiber, denn diese müssen nach der Stromnetzzugangsverordnung einen Differenzbilanzkreis führen und so viertelstundenscharf für alle Einspeisungen und Verbräuche bilanzieren, wie hoch die Abweichung zwischen geplanter und tatsächlicher Energiemenge war. Differenzen zwischen den vorhergesagten Werten und dem realen Verbrauch müssen durch Ausgleichsenergie kompensiert werden.
Das Fraunhofer IOSB-AST entwickelt für diese Day-Ahead-Differenzzeitreihenprognose ein Modell, das seit Anfang 2024 im Testbetrieb bei der Albwerk GmbH läuft. Und zwar durchaus erfolgreich: Im Vergleich zum bisherigen Dienstleister, heißt es aus dem Institut, habe man die Prognose um 40 Prozent (bezogen auf den mittleren absoluten Fehler) verbessern können.
Dazu habe man zunächst in einer Kurzstudie die charakteristischen Eigenschaften des Differenzialbilanzkreises bestimmt, wobei verschiedene Einflussfaktoren wie Außentemperatur und Sonnenstrahlung berücksichtigt wurden. Anschließend entwickelten die Forschenden das optimierte Prognosemodell.
Der Einsatz von KI ermöglicht dabei, dass auch nicht-lineare Charakteristika einfließen: „Wir konnten zum Beispiel tageszeitliche Muster sowie spezifische Kalendereffekte in den Zeitreihen identifizieren und die Modellparameter dementsprechend konfigurieren“, erklärt Tom Bender, Prognoseexperte am Fraunhofer IOSB-AST. Ein Erfolg, der sich für das Albwerk auszahlen könnte: „Im bisherigen Analysezeitraum führte die ‘Schatten’-Day-Ahead-Prognose das Fraunhofer-Instituts sowohl zu einer geringeren absoluten Ausgleischenergiemenge als auch zu einer Senkung der entsprechenden Ausgleichsenergiekosten“, zieht Frank Dieterle, Leiter Energiewirtschaft der Albwerk GmbH, eine erste Bilanz.
Operativer Netzbetrieb mit KI
Dass KI auch im operativen Netzbetrieb künftig eine große Rolle spielen wird, glaubt Karsten Richter, Business Development Manager der S&P Solutions am Stand der Unternehmensgruppe Kraftwerk Software. Er stellte eine Plattform vor, die beispielsweise Techniker direkt an ihrem Einsatzort unterstützen kann. Auf die Beispielfrage: „Was muss ich beim Einbau eines Smart Meter Gateways beachten“ gibt die KI hier − in nahezu jeder beliebigen Sprache − konkrete Antworten, kombiniert mit Hinweisen zu weiterführenden Dokumenten, unternehmensinternen Spezifikationen, offiziellen Richtlinien und Regularien.
Wichtig dabei: Die Lösung läuft ohne Verbindung zum Internet, so dass der Datenabfluss nach außen ausgeschlossen ist. Gleichzeitig kann sie so auch an Orten eingesetzt werden, an denen keine oder nur eine eingeschränkte Internetverbindung verfügbar ist. Auch die Einhaltung von Compliance-Vorgaben kann sie automatisch prüfen, beispielsweise indem sie das Fotografieren von Anlagen nur dann ermöglicht, wenn kein Mensch mit auf dem Foto ist. Und: Das Einlesen und Auswerten von Fotos − wie von übermittelten Bildern von Zählerständen − ist ebenfalls möglich. Die Ergebnisse können dann automatisiert in die internen System eingepflegt werden.
„Demokratisierung des Strommarkts“
Automatisierung ist auch im Stromhandel mittlerweile weit verbreitet. Bei der Strombörse Epex Spot werden mittlerweile 90 Prozent der gehandelten Gebote über API, also nicht mehr manuell, eingereicht. Das bedeute etwa 70 Prozent des gesamten Handelsvolumens, berichtet Kora Töpfer, Senior Public & Regulatory Affairs Manager der Epex Spot, im Pressegespräch.
Eine entsprechende Lösung − ebenfalls KI-gestützt − bietet beispielsweise das Softwarehaus Volue, ein Unternehmen auf Expansionskurs. Gerade erst im Dezember 2024 hat die Gruppe das Österreicher Start-up Powerbot übernommen − und will so noch genauere und umfassendere Marktprognosen anbieten. Sowohl für den Day-Ahead-Markt, für Intraday-Auktionen, den kontinuierlichen Intraday-Handel wie auch den Ausgleichsenergiemarkt sollen die Anwender auf der Basis von KI-gestützten Preisprognosen möglichst optimale Handelsentscheidungen treffen und ihre Positionen strategisch auf die verschiedenen Märkte verteilen können.
Ganz gezielt wendet sich das Unternehmen dabei auch an kleinere Anbieter, die so selbständig auf den Märkten agieren können sollen: „Wir sehen einen starken Trend von kleinen Playern, die ihr Portfolio selber an den Markt bringen wollen“, sagt Maximilian Kiessler, COO von Powerbot: „Es geht uns um die Demokratisierung des Strommarkts“.
Donnerstag, 13.02.2025, 09:05 Uhr
Katia Meyer-Tien
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