Quelle: E&M / Georg Eble
Die Anbindungssysteme an 6.000 MW künftige deutsche Windparks auf See verzögern sich zum Teil deutlich. Der Offshore-Bundesverband fordert daher industriepolitische Gegenmaßnahmen.
Die Netzanbindung von vier Nordsee-Windparks mit einer Gesamtleistung von 6.000
MW verzögert sich um bis zu zwei Jahre und ein Quartal auf 2030/31. Bei der Innerpark-Verkabelung sind es bis zu zweieinhalb Jahre, warnte das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) die Bundesnetzagentur am 26.
Januar.
Verantwortlich für zwei der
drei Anbindungssysteme ist der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) Tennet, für das dritte Amprion. Tennet begründete die Verzögerungen auf Anfrage mit den nach oben geschraubten europäischen Ausbauzielen. Diese hätten einen „vielfachen Anstieg der Nachfrage an Kapazitäten für bauausführende Unternehmen im Bereich der Hochspannungs-Gleichstrom-Technik, Plattformen und Kabelsysteme“ hervorgerufen sowie Engpässe bei den Herstellern.
„Damit wird klar, dass die Ausbauziele für die Offshore-Windenergie in Gefahr sind“, so reagierte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Windenergie Offshore (BWO), Stefan Thimm, auf das BSH-Schreiben. Schließe Amprion die betroffene Fläche N-9.2 tatsächlich erst Ende 2031 statt 2029 über das System Balwin
1 (NOR-9.1) an, fehlten bis 2030 2.000
MW. Das nationale Offshore-Ziel von 30.000
MW wäre damit unterschritten.
Ein Projektsprecher für Offshore-Netzanbindungs-Systeme bei Amprion
kündigte die voraussichtliche Inbetriebnahme von Balwin
1 fürs dritte Quartal 2030 an. Das sei immer noch ein Jahr früher, als ursprünglich geplant. Amprion schaffe wohl nur die 2022 von 2031 auf 2029 vorgezogene Fertigstellung nicht, weil die Feinabstimmung unter den Gewerken mehr Zeit brauche. Ein konkretes Datum werde man erst nach Vergabe der zentralen Gewerke nennen.
Vier industriepolitische ZielgruppenAls ebenfalls „kritisch“ sieht Thimm die Verzögerung um ein Jahr bei der 2.000-MW-Fläche N-9.1, während es bei den beiden übrigen Flächen nur um ein einziges, „vernachlässigbares“ Quartal gehe. Die Ausschreibungssieger müssten die Vorhaben länger und mit einem höheren Risikoaufschlag vorfinanzieren.
Der BWO fordert angesichts dessen „industriepolitische Maßnahmen“ bei den „bekannten zentralen Engpässen“ Herstellerkapazität, Häfen, Schiffe und Fachkräfte im Rahmen einer „Windenergie-auf-See-Strategie“. Das Geld hierfür solle im Klima- und Transformationsfonds (KTF) von der Landwirtschaft („Agrarsubventionen“) abgezogen werden. Zudem sollten laut BWO die Beschleunigung anderer Netzanbindungs-Projekte sowie globale Beschaffungsmöglichkeiten geprüft werden.
BNetzA reagiert kommentarlosDrei der vier Windpark-Flächen, die ihren Strom verspätet ableiten können, werden in diesem Jahr ausgeschrieben, die vierte 2026. Alle befinden sich nördlich bestehender Windparks der Borkum- und Norderney-Cluster in der Nähe der nordost-südwestlichen Schifffahrtsroute SN
10. Die Ausschreibung für eine davon am 1.
Juni - N-11.2 mit 1.500
MW 120
Kilometer nordwestlich von Helgoland − gab die Netzagentur am 29.
Januar bekannt. Sie übernahm dabei kommentarlos die erst drei Tage zuvor an sie gemeldete Verzögerung beim Netzanschluss.
Die andere Fläche für den 1. Juni, N-12.3 mit 1.000
MW, bekommt nach wie vor 2031 Netzanschluss, bloß ein Quartal später. Beide Flächen sind nicht vom BSH voruntersucht, das heißt, die Ausschreibungsgewinner müssen dies selbst und auf eigene Kosten veranlassen.
Es wird am 1. Juni wie ein Jahr zuvor wieder eine echte dynamische elektronische Auktion stattfinden, wenn es mehr als zwei Bieter gibt, die auf Subventionen von bis zu 6,2
Ct/kWh verzichten. Die Auktionsregeln hat die Netzagentur leicht geändert: So dauern die Gebotsrunden nur noch 20
statt 30 Minuten, und die Bieter auf eine Fläche bekommen neuerdings Informationen über den Zwischenstand bei den anderen Flächen.
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Der Strombeitrag aus deutscher Nordsee (links) und Ostsee - Zur Vollansicht auf die Grafik klicken - Quelle: Tennet |
Nordsee-Windparks häufiger abgeregelt Während Tennet die Verzögerungen bei den Anbindungsprojekten auf See Balwin
3 (NOR-9-2), Lanwin
4
und Lanwin 5 (beides NOR-11-2) nicht an die große Glocke hängte, beklagte COO Tim Meyerjürgens am 29.
Januar die „immer noch zahlreichen Engpässe im Stromnetz an Land“, deretwegen im Jahr 2023 „immer öfter die großen Windparks in der Nordsee abgeregelt werden“. Weiterer Grund sei der Mangel an konventionellen Großkraftwerken im Norden, die sich statt ihrer abregeln ließen.
Aus diesen Gründen sei 2023 die erzeugte Windstrom-Menge aus der deutschen Nordsee um 9
Prozent auf 19,2
Milliarden kWh zurückgegangen. Dies, obwohl sich die Offshore-Anbindungskapazität dort im September durch Dolwin
6 um 900
MW auf jetzt gut 8.000
MW erhöhte und die installierte Leistung ebenfalls nach oben ging, um 80
MW auf 7.100
MW.
Umgekehrt in der Ostsee: Die dortigen Windparks brachten 2023 gut 15
Prozent mehr Ökostrom ins Netzgebiet von 50
Hertz. Von der gesamten deutschen Offshore-Strommenge von 23,4
Milliarden kWh wurden 5,6
Prozent förderfrei erzeugt. Erste ganz förderfreie Windparks sind erst in Planung und in Bau.
Die Netzagentur stellt die neuen
Bekanntmachungen von Ausschreibungen im Internet bereit, ebenso das BSH sein
Schreiben zur Netzplanung.
Montag, 29.01.2024, 17:08 Uhr
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