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Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

"Qualitätsparameter sind wichtige Informationsgrößen"

Transparenz im Stromverteilnetz zu erreichen, ist eine der großen Herausforderungen der Energiewende. Ein Smart Grid Interface Modul soll dabei helfen, wie Karsten Schröder erläutert.
Zur Person: Karsten Schröder
Der Diplom-Ingenieur ist Geschäftsführer der EMH Energie-Messtechnik GmbH im niedersächsischen Brackel südlich von Hamburg.
 
Karsten Schröder: „In Zukunft ist auch das 450-Megahertz-Netz eine Option“
Quelle: EMH Energie-Messtechnik

E&M: Herr Schröder, wie schwierig ist es, Transparenz ins Stromnetz zu bekommen?

Schröder: Das ist gar nicht so schwierig. Man muss aber erst einmal zwischen den verschiedenen Spannungsebenen unterscheiden. Denn oberhalb der Niederspannungsebene gibt es schon relativ große Transparenz. Denken Sie nur an die Übertragungsnetz-Systemführung für die Amprion-Regelzone in Brauweiler. Im Hoch- und Mittelspannungsnetz haben die Verteilnetzbetreiber einen recht guten Überblick. Anders ist die Situation im Niederspannungsnetz.

E&M: … und hier findet ja die Energiewende statt.

Schröder: Genau. Die Verteilnetzbetreiber stehen vor einer großen Herausforderung. Sie müssen die stetig steigende installierte Leistung der erneuerbaren Energien ins Netz integrieren. Wenn beispielsweise in Süddeutschland an sonnigen Tagen alle Photovoltaikanlagen mit voller Leistung am Netz sind und einspeisen, können das die Ortsnetztrafos nicht mehr wegregeln. Die Folge ist: Die Netzspannung steigt bisweilen über 240 oder 250 Volt. Wenn künftig noch eine allgemeine oder spezifische Solardachpflicht kommt, wird die Situation noch kritischer. Andererseits muss auch die E-Mobilität in ein Netz integriert werden, das mit einer wachsenden Zahl an Ladestationen und Wallboxen mit 11 oder gar 22 Kilowatt fertig werden muss − und dabei mehr oder weniger schnell an seine Grenzen stoßen wird.
 
Verteilnetzbetreiber vor großen Herausforderungen
 
E&M: An welchen Stellen im Netz bringt man am besten intelligente Technik an, um Transparenz zu schaffen?

Schröder: Es ist sinnvoll, intelligente Technik in Ortsnetzstationen und Kabelverteilerschränken zu verbauen. Hier bekommt man den besten Überblick über die aktuelle Situation im Niederspannungsnetz. Sowohl in einer Ortsnetzstation als auch in einem Kabelverteilerschrank gibt es meist ein sogenanntes 185-Millimeter-Sammelschienensystem. Für die Installation darauf haben wir unser Smart Grid Interface Modul entwickelt, das jeweils 14 Abgänge erfassen kann.

E&M: Welche Daten bekommt der Netzbetreiber aus Ihrem Modul?

Schröder: Wir messen für jeden Kabelabgang die Spannung, den Strom sowie die Wirk-, Blind- und Scheinleistung und Netzqualitätsparameter wie Oberschwingungen oder Klirrfaktor bis hin zu Sonderwerten wie Spannungsunterbrechungen. Die darf man nicht außer Acht lassen.

E&M: Warum?

Schröder: Qualitätsparameter sind wichtige Informationsgrößen für den Netz- und Messstellenbetreiber. Vor einigen Jahren hat man in einem Versuch festgestellt, dass nicht alle Stromzähler mit hochfrequenten Störsignalen, die von Wechselrichtern − etwa in PV-Anlagen − ausgehen können, zurechtgekommen sind und falsche Messwerte geliefert haben. Deshalb werden wir in nächster Zeit noch mehr Entwicklungsarbeit im Bereich Netzqualität leisten. Hier wird es eine Erweiterung geben, die auch normierte Netzqualität, etwa nach EN 50160, misst.

E&M: Apropos Messstellenbetreiber. Der Gesetzgeber hat den Smart Meter Gateways die Rolle der zentralen Datendrehscheibe im Energiesystem zugeschrieben. Sie sollen eigentlich die ‚Black Box‘ Niederspannungsnetz aufbrechen und für Transparenz sorgen.
 
In nächster Zeit noch mehr Entwicklungsarbeit im Bereich Netzqualität
 
Schröder: Das ist richtig. Aber der Betreiber eines Niederspannungsnetzes hat die Messwerte an der Ortsnetzstation schon aggregiert zur Verfügung − und er muss nicht dafür bezahlen, weil es seine Daten sind. Sie sind anonymisiert und unmittelbar verfügbar, in Echtzeit. Warum sollte der Netzbetreiber dann darauf warten, dass ihm der Übertragungsnetzbetreiber erst mit einer Zeitverzögerung die Daten aus seinem eigenen Netz schickt? Außerdem bekommt der Netzbetreiber nicht das gesamte Bild, weil ja nur die gesetzlich vorgesehenen Pflichteinbaufälle mit einem Jahresverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet werden.

E&M: Es gibt aber auch die Diskussion um einen Vollrollout intelligenter Messsysteme.

Schröder: Davon sind wir aber noch weit entfernt. Und das ist auch eine Kostenfrage.

E&M: Aber über den CLS-Kanal des Gateways gibt es eine sichere und hochverfügbare Verbindung zur Steuerung von Anlagen, sagen die Hersteller.

Schröder: Auch das ist richtig. Die Anlagensteuerung dient ja in erster Linie der Stabilisierung des Netzes. Dafür ist der Netzbetreiber verantwortlich. Aber er muss erst einmal den Überblick haben, wo er überhaupt steuernd eingreifen muss, und vorher schon erkennen, wo das Netz an seine Belastungsgrenze kommt. Man muss also früher ansetzen und Transparenz schaffen. Es gibt aber für das Smart Grid Interface Modul auch ein I/O-Modul, über das Steuer- und Schaltbefehle beispielsweise an alle im Straßenzug installierten Wallboxen gesendet werden können.

Und was die Sicherheit betrifft: Da die Daten, die an der Ortsnetzstation ermittelt werden, anonym und aggregiert sind, sind Datenschutzvorkehrungen wie beim intelligenten Messsystem nicht notwendig. Außerdem sind die Ortsnetzstationen und Verteilerschränke abgeschlossen und nur befugten Mitarbeitern zugänglich. Der Zugang zu einem irgendwo in einem Zählerschrank im Keller verbauten Smart Meter Gateway ist jedenfalls wesentlich einfacher.

E&M: Datensicherheit ist aber immer ein Thema. Welche Technologie nutzen Sie für die Übertragung der Daten?

Schröder: Der Datenaustausch erfolgt verschlüsselt per Datenleitung oder über Mobilfunk. Eine Ortsnetzstation hat ja in der Regel einen Internetanschluss. Die Anbindung über eine Glasfaserleitung ist aber auch möglich und in Zukunft ist auch das 450-Megahertz-Netz eine Option.
 
Auch die Steuerung von Anlagen ist vorgesehen
 
E&M: Wie lange dauert es, bis man ein Verteilnetz digitalisiert hat?
 
Schröder: Das hängt natürlich von der Zahl der Ortsnetzstationen ab. Wir arbeiten beispielsweise mit der Westnetz zusammen. In deren Netzgebiet gibt es Tausende Ortsnetzstationen. Aber eine einzelne Anlage kann man mit unserer Technik sehr schnell ausstatten. Die Installation dauert etwa 15 Minuten. Dann kommt natürlich noch die Anbindung an die Leitzentrale dazu. Allerdings können auch kleine Netzbetreiber, die keine Leitzentrale haben und die Netzsteuerung einem größeren Partner übertragen haben, die Technik nutzen. Die Messwerte laufen dann über einen Server in einem Rechenzentrum in Frankfurt am Main ein und können in einem browserbasierten Portal abgerufen werden − und das fast in Echtzeit. 
 

Gebündelte Kompetenz

Keine Bastelei − kein „Jugend forscht“ −, so steht es auf der Internetseite von EMH Energie-Messtechnik. Der Hinweis spielt auf die einfache und schnelle Installation des Smart Grid Interface Moduls (SGIM) an. Erstmals wurde das Gerät 2019 von der „BeEnergy SG GmbH“ vorgestellt. Im April 2021 gab EMH bekannt, mit dem 2018 gegründeten Unternehmen aus dem hessischen Pohlheim bei Gießen die Vertriebsaktivitäten zu bündeln und die Weiterentwicklung des Moduls voranzutreiben.
 

Montag, 7.02.2022, 09:30 Uhr
Fritz Wilhelm
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Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
"Qualitätsparameter sind wichtige Informationsgrößen"
Transparenz im Stromverteilnetz zu erreichen, ist eine der großen Herausforderungen der Energiewende. Ein Smart Grid Interface Modul soll dabei helfen, wie Karsten Schröder erläutert.
Zur Person: Karsten Schröder
Der Diplom-Ingenieur ist Geschäftsführer der EMH Energie-Messtechnik GmbH im niedersächsischen Brackel südlich von Hamburg.
 
Karsten Schröder: „In Zukunft ist auch das 450-Megahertz-Netz eine Option“
Quelle: EMH Energie-Messtechnik

E&M: Herr Schröder, wie schwierig ist es, Transparenz ins Stromnetz zu bekommen?

Schröder: Das ist gar nicht so schwierig. Man muss aber erst einmal zwischen den verschiedenen Spannungsebenen unterscheiden. Denn oberhalb der Niederspannungsebene gibt es schon relativ große Transparenz. Denken Sie nur an die Übertragungsnetz-Systemführung für die Amprion-Regelzone in Brauweiler. Im Hoch- und Mittelspannungsnetz haben die Verteilnetzbetreiber einen recht guten Überblick. Anders ist die Situation im Niederspannungsnetz.

E&M: … und hier findet ja die Energiewende statt.

Schröder: Genau. Die Verteilnetzbetreiber stehen vor einer großen Herausforderung. Sie müssen die stetig steigende installierte Leistung der erneuerbaren Energien ins Netz integrieren. Wenn beispielsweise in Süddeutschland an sonnigen Tagen alle Photovoltaikanlagen mit voller Leistung am Netz sind und einspeisen, können das die Ortsnetztrafos nicht mehr wegregeln. Die Folge ist: Die Netzspannung steigt bisweilen über 240 oder 250 Volt. Wenn künftig noch eine allgemeine oder spezifische Solardachpflicht kommt, wird die Situation noch kritischer. Andererseits muss auch die E-Mobilität in ein Netz integriert werden, das mit einer wachsenden Zahl an Ladestationen und Wallboxen mit 11 oder gar 22 Kilowatt fertig werden muss − und dabei mehr oder weniger schnell an seine Grenzen stoßen wird.
 
Verteilnetzbetreiber vor großen Herausforderungen
 
E&M: An welchen Stellen im Netz bringt man am besten intelligente Technik an, um Transparenz zu schaffen?

Schröder: Es ist sinnvoll, intelligente Technik in Ortsnetzstationen und Kabelverteilerschränken zu verbauen. Hier bekommt man den besten Überblick über die aktuelle Situation im Niederspannungsnetz. Sowohl in einer Ortsnetzstation als auch in einem Kabelverteilerschrank gibt es meist ein sogenanntes 185-Millimeter-Sammelschienensystem. Für die Installation darauf haben wir unser Smart Grid Interface Modul entwickelt, das jeweils 14 Abgänge erfassen kann.

E&M: Welche Daten bekommt der Netzbetreiber aus Ihrem Modul?

Schröder: Wir messen für jeden Kabelabgang die Spannung, den Strom sowie die Wirk-, Blind- und Scheinleistung und Netzqualitätsparameter wie Oberschwingungen oder Klirrfaktor bis hin zu Sonderwerten wie Spannungsunterbrechungen. Die darf man nicht außer Acht lassen.

E&M: Warum?

Schröder: Qualitätsparameter sind wichtige Informationsgrößen für den Netz- und Messstellenbetreiber. Vor einigen Jahren hat man in einem Versuch festgestellt, dass nicht alle Stromzähler mit hochfrequenten Störsignalen, die von Wechselrichtern − etwa in PV-Anlagen − ausgehen können, zurechtgekommen sind und falsche Messwerte geliefert haben. Deshalb werden wir in nächster Zeit noch mehr Entwicklungsarbeit im Bereich Netzqualität leisten. Hier wird es eine Erweiterung geben, die auch normierte Netzqualität, etwa nach EN 50160, misst.

E&M: Apropos Messstellenbetreiber. Der Gesetzgeber hat den Smart Meter Gateways die Rolle der zentralen Datendrehscheibe im Energiesystem zugeschrieben. Sie sollen eigentlich die ‚Black Box‘ Niederspannungsnetz aufbrechen und für Transparenz sorgen.
 
In nächster Zeit noch mehr Entwicklungsarbeit im Bereich Netzqualität
 
Schröder: Das ist richtig. Aber der Betreiber eines Niederspannungsnetzes hat die Messwerte an der Ortsnetzstation schon aggregiert zur Verfügung − und er muss nicht dafür bezahlen, weil es seine Daten sind. Sie sind anonymisiert und unmittelbar verfügbar, in Echtzeit. Warum sollte der Netzbetreiber dann darauf warten, dass ihm der Übertragungsnetzbetreiber erst mit einer Zeitverzögerung die Daten aus seinem eigenen Netz schickt? Außerdem bekommt der Netzbetreiber nicht das gesamte Bild, weil ja nur die gesetzlich vorgesehenen Pflichteinbaufälle mit einem Jahresverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden mit einem intelligenten Messsystem ausgestattet werden.

E&M: Es gibt aber auch die Diskussion um einen Vollrollout intelligenter Messsysteme.

Schröder: Davon sind wir aber noch weit entfernt. Und das ist auch eine Kostenfrage.

E&M: Aber über den CLS-Kanal des Gateways gibt es eine sichere und hochverfügbare Verbindung zur Steuerung von Anlagen, sagen die Hersteller.

Schröder: Auch das ist richtig. Die Anlagensteuerung dient ja in erster Linie der Stabilisierung des Netzes. Dafür ist der Netzbetreiber verantwortlich. Aber er muss erst einmal den Überblick haben, wo er überhaupt steuernd eingreifen muss, und vorher schon erkennen, wo das Netz an seine Belastungsgrenze kommt. Man muss also früher ansetzen und Transparenz schaffen. Es gibt aber für das Smart Grid Interface Modul auch ein I/O-Modul, über das Steuer- und Schaltbefehle beispielsweise an alle im Straßenzug installierten Wallboxen gesendet werden können.

Und was die Sicherheit betrifft: Da die Daten, die an der Ortsnetzstation ermittelt werden, anonym und aggregiert sind, sind Datenschutzvorkehrungen wie beim intelligenten Messsystem nicht notwendig. Außerdem sind die Ortsnetzstationen und Verteilerschränke abgeschlossen und nur befugten Mitarbeitern zugänglich. Der Zugang zu einem irgendwo in einem Zählerschrank im Keller verbauten Smart Meter Gateway ist jedenfalls wesentlich einfacher.

E&M: Datensicherheit ist aber immer ein Thema. Welche Technologie nutzen Sie für die Übertragung der Daten?

Schröder: Der Datenaustausch erfolgt verschlüsselt per Datenleitung oder über Mobilfunk. Eine Ortsnetzstation hat ja in der Regel einen Internetanschluss. Die Anbindung über eine Glasfaserleitung ist aber auch möglich und in Zukunft ist auch das 450-Megahertz-Netz eine Option.
 
Auch die Steuerung von Anlagen ist vorgesehen
 
E&M: Wie lange dauert es, bis man ein Verteilnetz digitalisiert hat?
 
Schröder: Das hängt natürlich von der Zahl der Ortsnetzstationen ab. Wir arbeiten beispielsweise mit der Westnetz zusammen. In deren Netzgebiet gibt es Tausende Ortsnetzstationen. Aber eine einzelne Anlage kann man mit unserer Technik sehr schnell ausstatten. Die Installation dauert etwa 15 Minuten. Dann kommt natürlich noch die Anbindung an die Leitzentrale dazu. Allerdings können auch kleine Netzbetreiber, die keine Leitzentrale haben und die Netzsteuerung einem größeren Partner übertragen haben, die Technik nutzen. Die Messwerte laufen dann über einen Server in einem Rechenzentrum in Frankfurt am Main ein und können in einem browserbasierten Portal abgerufen werden − und das fast in Echtzeit. 
 

Gebündelte Kompetenz

Keine Bastelei − kein „Jugend forscht“ −, so steht es auf der Internetseite von EMH Energie-Messtechnik. Der Hinweis spielt auf die einfache und schnelle Installation des Smart Grid Interface Moduls (SGIM) an. Erstmals wurde das Gerät 2019 von der „BeEnergy SG GmbH“ vorgestellt. Im April 2021 gab EMH bekannt, mit dem 2018 gegründeten Unternehmen aus dem hessischen Pohlheim bei Gießen die Vertriebsaktivitäten zu bündeln und die Weiterentwicklung des Moduls voranzutreiben.
 

Montag, 7.02.2022, 09:30 Uhr
Fritz Wilhelm

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