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Energie & Management > Kraftwerke - Industrie bangt um Energieversorgungssicherheit
Quelle: Fotolia / Ralf Urner
Kraftwerke

Industrie bangt um Energieversorgungssicherheit

Die Nationale Kraftwerksstrategie 2026 der Bundesregierung diskutierten Vertreter von Industrie und Energieversorgern in Berlin. Sie forderten schnell den Bau von Ersatzkraftwerken.
Deutsche Wirtschaftsvertreter stehen fordern eine sichere und kontinuierliche Energieversorgung für Zeiten ohne Strom aus Windkraft und Sonne. Im Forum für Zukunftsenergien diskutierten Experten der Energiewirtschaft, Netzbetreiber, Industrievertreter und Politiker in Berlin verschiedene Ansätze und Perspektiven für die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie.

Sebastian Schleich, Referent für Sonderaufgaben nichtstandardisierter Märkte der Transnet BW, betonte in seinem Vortrag die Dringlichkeit der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung. Insbesondere der Neubau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken sei unabdingbar für die System- und Versorgungssicherheit. Er äußerte Bedenken, ob der bisher bekanntgewordene Umfang der Strategie ausreichend sei, um den bis 2030 notwendigen Zubau rechtzeitig zu fördern. Nach seiner Auffassung sei mindestens eine Kapazität von 21.000 MW bis dahin erforderlich.

Zudem müsse eine regionale Komponente in der Kraftwerksausschreibung dafür sorgen, dass die neuen Anlagen netzdienlich errichtet werden, appellierte Schleich. So sei speziell im Süden und Westen Deutschlands ausreichend gesicherte Leistung nötig, um den Kohleausstieg bis 2030 zu realisieren. Als Lösungsansatz schlug er, basierend auf einer Enervis-Studie, einen „Neubau-Vorschuss“ vor. Dieser könne als EU-rechtskonformer Baustein zur Regionalisierung der Maßnahmen in der Kraftwerksstrategie dienen.

Zeit und Geld werden knapp

Als Anlagenbauer hoffte Tilman Tütken, Vice President Strategic Projects bei MAN Energy Solutions, verstärkt Kraftwerke im Heimatmarkt errichten zu können. Dafür brauche es aber klare und realistische technische Anforderungen sowie definierte Zeiträume. Besonderer Fokus sollte nach Tütken auf der Verfügbarkeit von Wasserstoff für die Stromerzeugung liegen. Er bedauerte, dass Fachleute bisher zu wenig gehört wurden, wenn es um klare Standards zum Beispiel für die Wasserstofffähigkeit von Anlagen („H2-Readiness“) geht.

Tütken wies darauf hin, dass voraussichtlich etwa zwei Drittel der erneuerbaren Kraftstoffe für Deutschland importiert werden müssten. Dafür sollten auch erneuerbare Brennstoffe wie Ammoniak, Methan und Methanol in Betracht gezogen werden, die besser für den Transport geeignet seien als Wasserstoff. Abschließend betonte Tütken die Bedeutung der Wärme in der Kraftwerksstrategie und warnte davor, Abwärme von Kraftwerken ungenutzt zu lassen. Er mahnte eine schnelle Umsetzung der Strategie an, da jedes neue Kraftwerk mindestens 36 Monate für die Umsetzung benötige.

Den enormen Investitionsbedarf für die anstehende Transformation im Energiesektor betonte Hans Wolf von Koeller, Leiter Energiepolitik der Steag und Iqony. Er forderte stabile Rahmenbedingungen, um die benötigten 43 bis 82 Milliarden Euro einwerben zu können. Ohne geeignete Rahmenbedingungen für neue Gaskraftwerke benötigten Steinkohlekraftwerke klare Regelungen, um als Reserve länger in Betrieb bleiben zu können.
 
Großes Interesse an der Diskussion im Forum Zukunftsenergien am 18. Oktober 2023 in der Berliner DIHK-Zentrale
Quelle: E&M/S.Harmsen

Auch Christoph Reißfelder, Global Lead Energy & Climate Policies des Chemiekonzerns Covestro, unterstrich die Notwendigkeit gesicherter Leistung, insbesondere angesichts des steigenden Strombedarfs der chemischen Industrie. Er hob hervor, dass bei der Elektrifizierung von Prozesswärme Strom ständig verfügbar sein müsse, weshalb seine Branche nur wenig Flexibilität liefern könne. Reißfelder plädierte für einen Übergang von einer reinen Kraftwerksstrategie zu einer umfassenden „Kapazitätsstrategie“.

Er wies darauf hin, dass sich aus der Energiewende und der geplanten Stilllegung der Kohlekraftwerke bis 2030 ein erheblicher Bedarf an steuerbarer Leistung ergebe, der allein durch den Energy-Only-Markt nicht gedeckt werden könne. Die Kraftwerksstrategie 2026 müsse schnell kommen. Darüber hinaus äußerte er Bedenken, dass die in den Eckpunkten zur Ausschreibung vorgesehene Neubaukapazität von 6.000 MW ausreiche, um eine Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Uneinigkeit in der Politik

In der sich anschließenden Diskussion mit den Bundestagsabgeordneten Markus Hümpfer (SPD), Andreas Lenz (CDU/CSU) und Ralph Lenkert (Die Linke) stand die Versorgungssicherheit im Mittelpunkt. Lenz sagte, die aktuellen Gesetze würden Investitionen in Kraftwerksbauten hemmen. Auch Lenkert wies auf das Fehlen klarer Richtlinien für Finanzierung sowie Betriebs- und Geschäftsmodelle für Unternehmen hin.

Er unterstützte eine Aufteilung Deutschlands in Strompreiszonen, um regionale Unterschiede in den Stromkosten auszugleichen. Hümpfer bezifferte die Kosten für die Kraftwerksstrategie auf rund 60 Milliarden Euro, lies die Finanzierungsfrage jedoch offen. Er betonte zudem die Notwendigkeit, Kraftwerke netzdienlich zu planen und zu errichten, um eine Unterteilung Deutschlands in Stromgebotszonen zu verhindern. Einigkeit herrschte in Bezug auf die Bedeutung des Speicherausbaus: Lenz, Lenkert und Hümpfer sahen die Dringlichkeit einer Speicherstrategie, wobei auch hier die Finanzierungsfrage ungeklärt blieb.

Montag, 23.10.2023, 13:40 Uhr
Susanne Harmsen
Energie & Management > Kraftwerke - Industrie bangt um Energieversorgungssicherheit
Quelle: Fotolia / Ralf Urner
Kraftwerke
Industrie bangt um Energieversorgungssicherheit
Die Nationale Kraftwerksstrategie 2026 der Bundesregierung diskutierten Vertreter von Industrie und Energieversorgern in Berlin. Sie forderten schnell den Bau von Ersatzkraftwerken.
Deutsche Wirtschaftsvertreter stehen fordern eine sichere und kontinuierliche Energieversorgung für Zeiten ohne Strom aus Windkraft und Sonne. Im Forum für Zukunftsenergien diskutierten Experten der Energiewirtschaft, Netzbetreiber, Industrievertreter und Politiker in Berlin verschiedene Ansätze und Perspektiven für die erfolgreiche Umsetzung dieser Strategie.

Sebastian Schleich, Referent für Sonderaufgaben nichtstandardisierter Märkte der Transnet BW, betonte in seinem Vortrag die Dringlichkeit der Kraftwerksstrategie der Bundesregierung. Insbesondere der Neubau von wasserstofffähigen Gaskraftwerken sei unabdingbar für die System- und Versorgungssicherheit. Er äußerte Bedenken, ob der bisher bekanntgewordene Umfang der Strategie ausreichend sei, um den bis 2030 notwendigen Zubau rechtzeitig zu fördern. Nach seiner Auffassung sei mindestens eine Kapazität von 21.000 MW bis dahin erforderlich.

Zudem müsse eine regionale Komponente in der Kraftwerksausschreibung dafür sorgen, dass die neuen Anlagen netzdienlich errichtet werden, appellierte Schleich. So sei speziell im Süden und Westen Deutschlands ausreichend gesicherte Leistung nötig, um den Kohleausstieg bis 2030 zu realisieren. Als Lösungsansatz schlug er, basierend auf einer Enervis-Studie, einen „Neubau-Vorschuss“ vor. Dieser könne als EU-rechtskonformer Baustein zur Regionalisierung der Maßnahmen in der Kraftwerksstrategie dienen.

Zeit und Geld werden knapp

Als Anlagenbauer hoffte Tilman Tütken, Vice President Strategic Projects bei MAN Energy Solutions, verstärkt Kraftwerke im Heimatmarkt errichten zu können. Dafür brauche es aber klare und realistische technische Anforderungen sowie definierte Zeiträume. Besonderer Fokus sollte nach Tütken auf der Verfügbarkeit von Wasserstoff für die Stromerzeugung liegen. Er bedauerte, dass Fachleute bisher zu wenig gehört wurden, wenn es um klare Standards zum Beispiel für die Wasserstofffähigkeit von Anlagen („H2-Readiness“) geht.

Tütken wies darauf hin, dass voraussichtlich etwa zwei Drittel der erneuerbaren Kraftstoffe für Deutschland importiert werden müssten. Dafür sollten auch erneuerbare Brennstoffe wie Ammoniak, Methan und Methanol in Betracht gezogen werden, die besser für den Transport geeignet seien als Wasserstoff. Abschließend betonte Tütken die Bedeutung der Wärme in der Kraftwerksstrategie und warnte davor, Abwärme von Kraftwerken ungenutzt zu lassen. Er mahnte eine schnelle Umsetzung der Strategie an, da jedes neue Kraftwerk mindestens 36 Monate für die Umsetzung benötige.

Den enormen Investitionsbedarf für die anstehende Transformation im Energiesektor betonte Hans Wolf von Koeller, Leiter Energiepolitik der Steag und Iqony. Er forderte stabile Rahmenbedingungen, um die benötigten 43 bis 82 Milliarden Euro einwerben zu können. Ohne geeignete Rahmenbedingungen für neue Gaskraftwerke benötigten Steinkohlekraftwerke klare Regelungen, um als Reserve länger in Betrieb bleiben zu können.
 
Großes Interesse an der Diskussion im Forum Zukunftsenergien am 18. Oktober 2023 in der Berliner DIHK-Zentrale
Quelle: E&M/S.Harmsen

Auch Christoph Reißfelder, Global Lead Energy & Climate Policies des Chemiekonzerns Covestro, unterstrich die Notwendigkeit gesicherter Leistung, insbesondere angesichts des steigenden Strombedarfs der chemischen Industrie. Er hob hervor, dass bei der Elektrifizierung von Prozesswärme Strom ständig verfügbar sein müsse, weshalb seine Branche nur wenig Flexibilität liefern könne. Reißfelder plädierte für einen Übergang von einer reinen Kraftwerksstrategie zu einer umfassenden „Kapazitätsstrategie“.

Er wies darauf hin, dass sich aus der Energiewende und der geplanten Stilllegung der Kohlekraftwerke bis 2030 ein erheblicher Bedarf an steuerbarer Leistung ergebe, der allein durch den Energy-Only-Markt nicht gedeckt werden könne. Die Kraftwerksstrategie 2026 müsse schnell kommen. Darüber hinaus äußerte er Bedenken, dass die in den Eckpunkten zur Ausschreibung vorgesehene Neubaukapazität von 6.000 MW ausreiche, um eine Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Uneinigkeit in der Politik

In der sich anschließenden Diskussion mit den Bundestagsabgeordneten Markus Hümpfer (SPD), Andreas Lenz (CDU/CSU) und Ralph Lenkert (Die Linke) stand die Versorgungssicherheit im Mittelpunkt. Lenz sagte, die aktuellen Gesetze würden Investitionen in Kraftwerksbauten hemmen. Auch Lenkert wies auf das Fehlen klarer Richtlinien für Finanzierung sowie Betriebs- und Geschäftsmodelle für Unternehmen hin.

Er unterstützte eine Aufteilung Deutschlands in Strompreiszonen, um regionale Unterschiede in den Stromkosten auszugleichen. Hümpfer bezifferte die Kosten für die Kraftwerksstrategie auf rund 60 Milliarden Euro, lies die Finanzierungsfrage jedoch offen. Er betonte zudem die Notwendigkeit, Kraftwerke netzdienlich zu planen und zu errichten, um eine Unterteilung Deutschlands in Stromgebotszonen zu verhindern. Einigkeit herrschte in Bezug auf die Bedeutung des Speicherausbaus: Lenz, Lenkert und Hümpfer sahen die Dringlichkeit einer Speicherstrategie, wobei auch hier die Finanzierungsfrage ungeklärt blieb.

Montag, 23.10.2023, 13:40 Uhr
Susanne Harmsen

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