Anfang des Jahres hat die HEA − Fachgemeinschaft für effiziente Energieanwendungen, das Akronym entstand übrigens 1950 mit dem Namen „Hauptberatungsstelle für Elektrizitätsanwendungen bei der Arbeitsgemeinschaft der Landesverbände der Elektrizitätswerke“ − einen Leitfaden für die Planung und den Einsatz von Energiemanagementsystemen (EMS) veröffentlicht. Dass diese rasch an Bedeutung gewinnen werden, war vor sechs Monaten bereits abzusehen. Denn die Überlegungen der Bundesnetzagentur zur Ausgestaltung des § 14a Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) haben die Energiemanagementsysteme nun auch in den Fokus der Regulierungsdiskussion gerückt.
Dem geplanten Regelungswerk der Behörde zufolge kann eine steuerbare Verbrauchseinrichtung direkt angesprochen werden, um den netzwirksamen Leistungsbezug zu begrenzen. Sofern sich hinter dem Netzanschlusspunkt mehrere steuerbare Verbrauchseinrichtungen befinden, kann aber auch ein Energiemanagementsystem den Leistungsbezug der verschiedenen Geräte und Anlagen optimieren. Es muss nur sicherstellen, dass die vorgegebene Maximallast am Netzanschlusspunkt nicht überschritten wird.
Bisher werden Energiemanagementsysteme vor allem eingesetzt, um Energieflüsse im Haushalt zu überwachen und zu visualisieren. Gleichzeitig können die Besitzer von Photovoltaikanlagen, Batteriespeichern, Wärmepumpen und Wallboxen das Zusammenspiel der Geräte optimieren. In erster Linie geht es um die Optimierung des Eigenverbrauchs durch die Verschiebung von Lasten und die bedarfsgerechte Ein- oder Ausspeicherung von Strom. Doch mit der Ausgestaltung des § 14a EnWG und dem dafür vorgesehenen regulatorischen Rahmen werden Energiemanagementsysteme mehr und mehr zum Erfolgsfaktor einer externen Steuerungslogik, wenn beispielsweise eine Leistungsbegrenzung vorgegeben oder der Verbrauch entsprechend einem flexiblen Stromtarif angereizt wird. Zukünftig werden die Systeme nach Überzeugung der HEA auch eine Rolle im Stromhandel und bei der Bereitstellung von Regelleistung spielen. Dabei dürfe man aber nicht vergessen, dass sich Heimenergiemanagementsysteme (HEMS) in der Regel auf elektrische Flüsse beschränken und keine thermischen Energieströme erfassen.
Es kommt insbesondere auf die Schnittstellen an Im Gespräch mit E&M
hebt Frank Schlichting, der CEO von Kiwigrid, hervor, wie wichtig die Herstellerunabhängigkeit für einen HEMS-Anbieter ist. Dass diese aber eine enorme Herausforderung ist, legt die Lektüre des Leitfadens nahe. Mit dem Markt der Komponenten wie Wärmepumpen, Ladestationen oder Wechselrichter wachse die Zahl der Gerätehersteller. „Diese bieten meist ein eigenes proprietäres System an, das gegebenenfalls nur begrenzt mit anderen Produkten kombinierbar ist“, beklagen die Autoren.
Einige Energiemanagementsysteme seien allerdings doch anzutreffen, die Geräte unterschiedlicher Hersteller vernetzen könnten, heißt es weiter.
Den Anspruch, eine vollständige Marktübersicht zu präsentieren, erheben die Autoren des Leitfadens nicht. Die Informationen über elf eigenständige HEMS-Zentralen, die im Leitfaden den Stand vom Sommer 2022 widerspiegeln, machen jedoch deutlich, worauf es beim Heimenergiemanagementsystem besonders ankommt: auf die Schnittstellen. Ethernet, um Wallboxen, PV-Wechselrichter, Batterien oder Zähler anzuschließen, haben alle Systeme, eine RS-485 fast alle. Bei Digital In/Out beispielsweise müssen einige Systeme passen.
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HEMS-Aufbau mit Protokollen Quelle: HEA (Leitfaden „Energiemanagementsysteme“) |
Nach Angaben des Statistischen Bundesamts wurde in mehr als der Hälfte aller 2022 gebauten Wohnhäuser eine Wärmepumpe installiert. Betrachtet man die im vergangenen Jahr errichteten Ein- und Zweifamilienhäuser, liegt der Anteil der Wärmepumpe sogar bei 60,6
Prozent. Entsprechend wächst die Bedeutung dieser Geräteklasse für das Heimenergiemanagement. Genauso wächst die Datenbank des Bundesverbands Wärmepumpen für Geräte, die also über eine definierte Schnittstelle für das netzdienliche Lastmanagement angesprochen werden können. Mittlerweile umfasst diese „SG-ready-Datenbank“ − SG steht für Smart Grid − mehr als 2.800 Einträge.
Die Frage, ob künftig die Mehrzahl der Ladevorgänge an privaten Ladepunkten stattfinden wird, lässt sich nicht eindeutig klären. Eine ganze Reihe von Studien geht jedoch davon aus, dass der Strom für die Elektrofahrzeuge vor allem aus den heimischen Wallboxen kommen wird. Zur aktuellen Zahl der Haus- und Hofladepunkte gibt es nur wenige Angaben. Die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur spricht von knapp 690.000 seit 2020 geförderten Wallboxen, die in Betrieb sind. Etwa 286.000 seien noch in Planung. Der überwiegende Teil der Geräte könnte sich in einem HEMS wiederfinden, das den Eigenverbrauch für die E-Mobilität optimiert und gleichzeitig das Fahrzeug auch als Speicher integrieren kann. Dies entspricht dem sogenannten Vehicle-to-Home-Ansatz (V2H).
„Langfristig glauben wir an den Erfolg von Anbietern von Energielösungen, die die Konvergenz von Sektoren in allen Domänen vorantreiben“, ist in einer Broschüre des HEMS-Anbieters Kiwigrid zu lesen. Bereits für 2025 sei eine starke Zunahme sektorengekoppelter Systeme zu erwarten, beispielsweise durch die Vernetzung von E-Fahrzeugen, Speichern und PV-Anlagen. Heimenergiemanagementsysteme würden dadurch sogar unverzichtbar. Die Sektorenkopplung im Eigenheim sei aufgrund der zahlreichen Hersteller in den einzelnen Geräteklassen allerdings nicht weniger als eine „Herkulesaufgabe“.
Die Kombination von V2H mit zeitvariablen Tarifen kann die Nutzung des Batteriestroms im Haus in Zeiten hoher Strompreise attraktiv machen, während zu Schwachlastzeiten das Fahrzeug wieder geladen wird − aus dem Netz oder durch den Solarstrom vom eigenen Dach. Bei Batteriekapazitäten von 60, 70 oder noch mehr Kilowattstunden ist eine Reihe von Anwendungen denkbar, auch der Einsatz von Fahrzeugen für Systemdienstleistungen wie Regelenergie oder Redispatch.
Für das optimale Zusammenspiel von PV-Anlage und Wallbox müssen beide miteinander kommunizieren. In vielen Fällen werden sie dabei externe Hilfe benötigen. Die Anbieter von Heimenergiemanagementsystemen haben sich dafür schon positioniert. Denn während es für die Kommunikation vom Fahrzeug zur Wallbox die ISO
15118 gibt, ist der bidirektionale Kontakt zwischen Solaranlage und Wallbox noch nicht standardisiert. Der Weg über das HEMS verspricht hier Abhilfe.
Transparenz und einfache Handhabung wichtig Im vergangenen Jahr hat Kiwigrid im Rahmen eines Feldtests gezeigt, wie netzdienliches Laden über die eigene Softwareplattform gesteuert werden kann. Bei dem gemeinsam mit Mitnetz Strom umgesetzten Projekt geht es um eine Reservierungslogik als Alternative zu einem harten Schalteingriff durch den Netzbetreiber. Über eine App können E-Autonutzer einen netzdienlichen Lademodus anwählen und zeitvariable Netznutzungsentgelte als Bestandteil dynamischer Tarife über den Tagesverlauf einsehen.
Nach dem Einstellen der gewünschten Abfahrtszeit wird der Ladebedarf automatisch errechnet und der Ladevorgang vorprogrammiert. Transparenz und einfache Handhabung seien entscheidend für die Akzeptanz im Alltag, heißt es aus Kreisen der Projektpartner. Deshalb lag ein besonderes Augenmerk auf diesen Kriterien. Der Modus für das optimierte Laden mit Solarstrom aus der eigenen Anlage, also die Eigenverbrauchsoptimierung, bleibt als weitere Alternative zur Netzdienlichkeit bestehen.
Kiwigrid-Chef Frank Schlichting und seine Kollegen sind davon überzeugt, dass neben den Netzbetreibern auch andere Energiemarktteilnehmer, beispielsweise die Stadtwerke, den Nutzen von Heimenergiemanagementsystemen schätzen werden, wenn sie erkennen, welchen Mehrwert sie für das eigene Geschäft damit generieren können − etwa durch das Anbieten variabler Tarife oder die gezielte Erweiterung des Geräteportfolios beim Endkunden.
Donnerstag, 20.07.2023, 09:00 Uhr
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