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"Eine Überwachung rund um die Uhr ist unerlässlich"

Die digitale Transformation ist eine Mammutaufgabe. Wie sie voranschreitet, untersucht der IT-Dienstleister Prego Services. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Andreas Tzschoppe-Kölling.
E&M: Herr Tzschoppe-Kölling, was hat Sie an den Ergebnissen Ihrer jüngsten Utility-4.0-Studie überrascht?

Tzschoppe-Kölling: Rund ein Drittel der Befragten ist der Meinung, dass ihr eigener Netzbetrieb nicht resilient aufgestellt ist. Der Wert an sich hat uns gar nicht mal so überrascht. Die Tatsache, dass die Unternehmen das so ganz konkret und offen gesagt haben, allerdings schon.
 
„Alle Anwendungen über das Internet bieten Einfallstore“
 
E&M: Gerade der sichere Betrieb einer kritischen Infrastruktur müsste ja höchste Priorität genießen. Außerdem haben die Unternehmen auch Berichtspflichten gegenüber dem BSI, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.

Tzschoppe-Kölling: Das ist absolut richtig. Alle Unternehmen haben in dieser Hinsicht dieselben Berichtspflichten und die gleichen hohen Anforderungen. Die richten sich beispielsweise nicht nach der Unternehmensgröße. Wir erleben immer wieder, dass sich vor allem kleinere Stadtwerke zunehmend schwer damit tun, das fachspezifische Know-how und vor allem die personellen Ressourcen in dem Umfang vorzuhalten, der nicht nur eine gefühlte Sicherheit, sondern auch eine tatsächliche Sicherheit gewährleistet. Sie werden es auf Dauer immer schwerer haben, mit eigenen Ressourcen den schnell wachsenden Anforderungen und erhöhten Sicherheitsstandards Schritt halten zu können, insbesondere für den Betrieb kritischer Infrastrukturen. In der Vergangenheit waren viele Unternehmen zurückhaltend, was die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern betrifft. Mittlerweile erleben wir allerdings eine wachsende Bereitschaft dazu.

E&M: Das ist gut für Ihr Geschäft.

Tzschoppe-Kölling: Das ist gut für unser Geschäft, gilt aber natürlich auch für die anderen Dienstleister, die sich um die IT-Sicherheit in der Energiewirtschaft kümmern.

E&M: Die Lücke zwischen gefühlter und tatsächlicher Sicherheit ist aber nicht pandemiespezifisch, oder?

Tzschoppe-Kölling: Sie ist sicherlich durch die Pandemie offener zutage getreten. Denn ein sicherer, von einem Hygienekonzept begleiteter Netzbetrieb stellt noch einmal höhere Anforderungen an die Mitarbeitenden und die Systeme. Aber besonders deutlich hat sich vergangenes Jahr die Lücke gezeigt, als quasi über Nacht große Teile der Belegschaft ins Homeoffice und ins mobile Arbeiten geschickt wurden. Das trifft weniger für den Netzbetrieb zu, aber für fast alle übrigen Bereiche. Da haben viele Unternehmen schnell erkannt, wo die Defizite liegen. Vor zwei Jahren glaubten noch 70 Prozent aller für die Studie befragten EVU, mit ihrer IT sicher und zukunftsfähig aufgestellt zu sein. Im vergangenen Jahr hielten dagegen fast zwei Drittel ihre IT-Struktur für nicht zukunftsfähig.

E&M: Wo liegen die Defizite?

Tzschoppe-Kölling: Wenn man Mitarbeitende ins Homeoffice schickt, brauchen sie natürlich einen Laptop − einen von der Firma mit professionellem Viren- und Malwareschutz, nicht ihren privaten. Da hat es schon mal gehakt. Dann haben viele Unternehmen gemerkt, dass die Software zur Kommunikation gar nicht bei allen Mitarbeitenden ausgerollt war. Schließlich stellten die verfügbaren Bandbreiten für spezifische Anwendungen ebenfalls ein Problem dar, ganz zu schweigen von den Sicherheitsthemen. Welche Mitarbeitenden haben eine VPN-Verbindung? Wie und über welche Tools findet die Kommunikation statt? Das sind nur einige einer ganzen Reihe von Fragen, die vielen Energieversorgern die Augen geöffnet haben.
 
Andreas Tzschoppe-Kölling: „Die meisten Stadtwerke sind sich noch gar nicht bewusst, was heutzutage alles durch digitale Vernetzung innerhalb von Lieferketten möglich ist“
Bild: Prego Services

E&M: Überrascht es Sie, dass bisher nicht mehr passiert ist? Oder gelangt nur nicht alles an die Öffentlichkeit?

Tzschoppe-Kölling: Es gibt natürlich Fälle, die bekannt werden. Ein beispielsweise spektakulärer Fall im vergangenen Jahr ereignete sich bei den Technischen Werken in Ludwigshafen, die auch im Sinne einer Prävention damit kommunikativ offen umgehen. Es ist ja hinreichend bekannt, dass die täglichen Angriffe rasant zunehmen und immer ausgefeilter werden. Aber längst wird nicht alles öffentlich. Wir wissen aus unserem SOC (Security Operation Center; d. Red.), dass es bei unseren Kunden diverse Angriffsversuche auf den verschiedensten Ebenen gibt. Daher setzen wir auf ein mehrstufiges Sicherheitskonzept, um unsere Kunden bestmöglich zu schützen. Dadurch ist es nicht mehr so einfach bei einem Unternehmen oder Stadtwerk einzudringen, wie es noch vor fünf oder zehn Jahren mal war.

E&M: Was sind die gefährlichsten Einfallstore?

Tzschoppe-Kölling: Alle Anwendungen über das Internet bieten Einfallstore, die es zu sichern gilt. Aber der Klassiker ist und bleibt die kriminelle E-Mail mit Anhang. Auf diesem Weg holen sich Firmen immer wieder Schadsoftware ins eigene Netzwerk. Wenn ein System nicht permanent gescannt wird, kann sich der Trojaner oder die Spy-Software aus dem Anhang über einen längeren Zeitraum breitmachen und große Tore in das Netzwerk einbauen. Deshalb ist eine Überwachung rund um die Uhr heutzutage unerlässlich.

E&M: Ist das nicht schon längst Standard?

Tzschoppe-Kölling: Das sollte man meinen. Ist aber nicht immer der Fall. Da vollzieht sich aber gerade ein Paradigmenwechsel in der Branche. Denn zum einen gerät die Infrastruktur immer stärker in den Fokus von Kriminellen, zum anderen entstehen durch die wachsende Vernetzung und neue digitale Produkte auch neue potenzielle Einfallstore für Angreifer.
 
„Das Thema Customer Experience hinkt noch etwas hinterher“
 
E&M: Aber da geht es ja nicht nur um Risiken, sondern auch um Chancen.

Tzschoppe-Kölling: Genau. Deshalb müssen die Stadtwerke weiter in die Digitalisierung des Vertriebs investieren.

E&M: Wie sind nach Ihrer Einschätzung im Moment die Gewichte verteilt? Steht bei der Digitalisierung eher noch die Optimierung der internen Prozesse im Vordergrund oder schon die Entwicklung von Vertriebsprodukten?

Tzschoppe-Kölling: Auf unsere Frage nach neuen Geschäftsmodellen in der Utility-4.0-Studie haben viele Teilnehmer tatsächlich eher die eigenen Prozesse genannt, die am Ende vielleicht auch den Kundennutzen steigern, etwa die Beschleunigung der Abrechnungsprozesse oder die Optimierung der Logistik für das Verlegen von Netzanschlüssen. Das ist klassisches Prozessmanagement. Das Thema Customer Experience zur Kundenbindung und -gewinnung hinkt da noch etwas hinterher, holt allerdings auf.

E&M: Können Sie Beispiele nennen, wie dem Kunden positive Erfahrungen vermittelt werden können?

Tzschoppe-Kölling: Eine Eingabemaske zur Erfassung von Zählerständen oder ein Onlineformular zur Beauftragung eines Netzanschlusses mag ganz hilfreich sein. Die Kunden erwarten heute aber viel mehr. Dafür braucht man dann ein echtes Customer-Onlineportal. Ein Stadtwerk hat darüber zum Beispiel seinen Kunden die Buchung eines Schneeräumdienstes angeboten. Über manche Stadtwerke können die Kunden verbilligte Karten für den örtlichen Fußballverein beziehen oder andere Veranstaltungen buchen. Einige Stadtwerke bieten Bauherren an, die Arbeit anderer Gewerke zu koordinieren und abzurechnen. Wer einen Stromnetzanschluss beantragt, braucht ja ebenfalls Gas, Wasser, Telekommunikation, vielleicht noch einen Fliesenleger, Installateur, Elektriker und Maler.

E&M: Das klingt ein bisschen wie ‚lokales Amazon‘.

Tzschoppe-Kölling: Ja, so könnte man sagen. Man kann ein Stadtwerkeportal so ähnlich aufbauen. Aber beim Hausanschluss geht es natürlich vor allem um eine koordinierende Dienstleistung und nicht nur um den Onlineverkauf. Hier haben die kommunalen Versorger einen großen Vorteil: Sie sind grundsätzlich danach bestrebt, Wertschöpfung vor Ort zu generieren und haben meistens enge Beziehungen zu den ansässigen Unternehmen, oft seit Jahrzehnten. Das ist eine hervorragende Grundlage, um Zusatzdienste und -produkte anzubieten.

E&M: Wenn diese alle effizient erstellt und angeboten werden sollen, müssen sich die Partner eng vernetzen. Das bedeutet aber auch wieder zusätzliche Anforderungen an die IT-Sicherheit.

Tzschoppe-Kölling: Das stimmt. Man muss zum Beispiel die Logistikkette für Non-Energie-Produkte entsprechend abbilden. Wir haben hierfür ein Tool entwickelt, mit dem man die Lagerung und Auslieferung solcher Produkte inklusive eventuell auftretender Retouren abbilden kann. Die Lieferkette geht sogar so weit, dass wir über Partner spezifische Fertigungen im Ausland und den dazugehörigen Import abwickeln können. Die meisten Stadtwerke sind sich noch gar nicht bewusst, was heutzutage durch digitale Vernetzung innerhalb von Lieferketten alles möglich ist. Aber klar ist auch: Wenn man sich in die Lieferkette eines anderen Unternehmens einklinkt und Daten mit ihm austauscht, besteht natürlich die Gefahr, dass man Einfallstore öffnet. Deshalb gehört zur Prozessoptimierung und Kundengewinnung immer auch ein IT-Sicherheitskonzept. E&M

Zur Person: Andreas Tzschoppe-Kölling

Nach verschiedenen Führungspositionen in der Konzernorganisation und den Services einer Unternehmensgruppe der Finanzbranche ist Andreas Tzschoppe-Kölling seit 2011 Geschäftsführer der Prego Services GmbH. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin und erwarb darüber hinaus Zusatzqualifikationen am Management Zentrum Witten/Herdecke und an der Business School St. Gallen.
 
 
 

Utility 4.0

Jährlich veröffentlicht der IT-Dienstleister Prego Services eine Studie mit dem Titel Utility 4.0. Dafür werden Führungskräfte in der Energiewirtschaft zum Stand der Digitalisierung in ihrem Unternehmen befragt, im vergangenen Jahr waren es insgesamt 62 Teilnehmer. In der jüngsten Ausgabe, die im Dezember 2020 veröffentlicht wurde, gaben 11,9 % an, hinsichtlich ihrer gesamten IT-Struktur sehr gut digital aufgestellt zu sein. Mit „eher gut“ antworteten 40,5 %, während die Einschätzung von 30,9 % „eher nicht so gut“ und von 16,7 % „gar nicht gut“ war. Vor allem Vertreter von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern beurteilten den Stand der Digitalisierung eher negativ.
Der These, dass die Mobilisierung der Arbeitswelt in der Energiewirtschaft dauerhaft bleiben wird, stimmen 39,2 % voll zu und 39 % eher zu. Allerdings sehen nur rund 50 % ihre IT-Infrastruktur dafür ausgelegt.
Die Prego Services GmbH, die ihren Sitz in Saarbrücken und eine Niederlassung in Ludwigshafen hat, wurde 2001 als regionales Shared-Service-Unternehmen von der Saar Ferngas und der VSE AG gegründet. Im Jahr 2003 kamen noch die Pfalzwerke als Gesellschafter hinzu. VSE und die Pfalzwerke sind auch die aktuellen Gesellschafter.

Freitag, 7.05.2021, 09:27 Uhr
Fritz Wilhelm
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"Eine Überwachung rund um die Uhr ist unerlässlich"
Die digitale Transformation ist eine Mammutaufgabe. Wie sie voranschreitet, untersucht der IT-Dienstleister Prego Services. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Andreas Tzschoppe-Kölling.
E&M: Herr Tzschoppe-Kölling, was hat Sie an den Ergebnissen Ihrer jüngsten Utility-4.0-Studie überrascht?

Tzschoppe-Kölling: Rund ein Drittel der Befragten ist der Meinung, dass ihr eigener Netzbetrieb nicht resilient aufgestellt ist. Der Wert an sich hat uns gar nicht mal so überrascht. Die Tatsache, dass die Unternehmen das so ganz konkret und offen gesagt haben, allerdings schon.
 
„Alle Anwendungen über das Internet bieten Einfallstore“
 
E&M: Gerade der sichere Betrieb einer kritischen Infrastruktur müsste ja höchste Priorität genießen. Außerdem haben die Unternehmen auch Berichtspflichten gegenüber dem BSI, dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik.

Tzschoppe-Kölling: Das ist absolut richtig. Alle Unternehmen haben in dieser Hinsicht dieselben Berichtspflichten und die gleichen hohen Anforderungen. Die richten sich beispielsweise nicht nach der Unternehmensgröße. Wir erleben immer wieder, dass sich vor allem kleinere Stadtwerke zunehmend schwer damit tun, das fachspezifische Know-how und vor allem die personellen Ressourcen in dem Umfang vorzuhalten, der nicht nur eine gefühlte Sicherheit, sondern auch eine tatsächliche Sicherheit gewährleistet. Sie werden es auf Dauer immer schwerer haben, mit eigenen Ressourcen den schnell wachsenden Anforderungen und erhöhten Sicherheitsstandards Schritt halten zu können, insbesondere für den Betrieb kritischer Infrastrukturen. In der Vergangenheit waren viele Unternehmen zurückhaltend, was die Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern betrifft. Mittlerweile erleben wir allerdings eine wachsende Bereitschaft dazu.

E&M: Das ist gut für Ihr Geschäft.

Tzschoppe-Kölling: Das ist gut für unser Geschäft, gilt aber natürlich auch für die anderen Dienstleister, die sich um die IT-Sicherheit in der Energiewirtschaft kümmern.

E&M: Die Lücke zwischen gefühlter und tatsächlicher Sicherheit ist aber nicht pandemiespezifisch, oder?

Tzschoppe-Kölling: Sie ist sicherlich durch die Pandemie offener zutage getreten. Denn ein sicherer, von einem Hygienekonzept begleiteter Netzbetrieb stellt noch einmal höhere Anforderungen an die Mitarbeitenden und die Systeme. Aber besonders deutlich hat sich vergangenes Jahr die Lücke gezeigt, als quasi über Nacht große Teile der Belegschaft ins Homeoffice und ins mobile Arbeiten geschickt wurden. Das trifft weniger für den Netzbetrieb zu, aber für fast alle übrigen Bereiche. Da haben viele Unternehmen schnell erkannt, wo die Defizite liegen. Vor zwei Jahren glaubten noch 70 Prozent aller für die Studie befragten EVU, mit ihrer IT sicher und zukunftsfähig aufgestellt zu sein. Im vergangenen Jahr hielten dagegen fast zwei Drittel ihre IT-Struktur für nicht zukunftsfähig.

E&M: Wo liegen die Defizite?

Tzschoppe-Kölling: Wenn man Mitarbeitende ins Homeoffice schickt, brauchen sie natürlich einen Laptop − einen von der Firma mit professionellem Viren- und Malwareschutz, nicht ihren privaten. Da hat es schon mal gehakt. Dann haben viele Unternehmen gemerkt, dass die Software zur Kommunikation gar nicht bei allen Mitarbeitenden ausgerollt war. Schließlich stellten die verfügbaren Bandbreiten für spezifische Anwendungen ebenfalls ein Problem dar, ganz zu schweigen von den Sicherheitsthemen. Welche Mitarbeitenden haben eine VPN-Verbindung? Wie und über welche Tools findet die Kommunikation statt? Das sind nur einige einer ganzen Reihe von Fragen, die vielen Energieversorgern die Augen geöffnet haben.
 
Andreas Tzschoppe-Kölling: „Die meisten Stadtwerke sind sich noch gar nicht bewusst, was heutzutage alles durch digitale Vernetzung innerhalb von Lieferketten möglich ist“
Bild: Prego Services

E&M: Überrascht es Sie, dass bisher nicht mehr passiert ist? Oder gelangt nur nicht alles an die Öffentlichkeit?

Tzschoppe-Kölling: Es gibt natürlich Fälle, die bekannt werden. Ein beispielsweise spektakulärer Fall im vergangenen Jahr ereignete sich bei den Technischen Werken in Ludwigshafen, die auch im Sinne einer Prävention damit kommunikativ offen umgehen. Es ist ja hinreichend bekannt, dass die täglichen Angriffe rasant zunehmen und immer ausgefeilter werden. Aber längst wird nicht alles öffentlich. Wir wissen aus unserem SOC (Security Operation Center; d. Red.), dass es bei unseren Kunden diverse Angriffsversuche auf den verschiedensten Ebenen gibt. Daher setzen wir auf ein mehrstufiges Sicherheitskonzept, um unsere Kunden bestmöglich zu schützen. Dadurch ist es nicht mehr so einfach bei einem Unternehmen oder Stadtwerk einzudringen, wie es noch vor fünf oder zehn Jahren mal war.

E&M: Was sind die gefährlichsten Einfallstore?

Tzschoppe-Kölling: Alle Anwendungen über das Internet bieten Einfallstore, die es zu sichern gilt. Aber der Klassiker ist und bleibt die kriminelle E-Mail mit Anhang. Auf diesem Weg holen sich Firmen immer wieder Schadsoftware ins eigene Netzwerk. Wenn ein System nicht permanent gescannt wird, kann sich der Trojaner oder die Spy-Software aus dem Anhang über einen längeren Zeitraum breitmachen und große Tore in das Netzwerk einbauen. Deshalb ist eine Überwachung rund um die Uhr heutzutage unerlässlich.

E&M: Ist das nicht schon längst Standard?

Tzschoppe-Kölling: Das sollte man meinen. Ist aber nicht immer der Fall. Da vollzieht sich aber gerade ein Paradigmenwechsel in der Branche. Denn zum einen gerät die Infrastruktur immer stärker in den Fokus von Kriminellen, zum anderen entstehen durch die wachsende Vernetzung und neue digitale Produkte auch neue potenzielle Einfallstore für Angreifer.
 
„Das Thema Customer Experience hinkt noch etwas hinterher“
 
E&M: Aber da geht es ja nicht nur um Risiken, sondern auch um Chancen.

Tzschoppe-Kölling: Genau. Deshalb müssen die Stadtwerke weiter in die Digitalisierung des Vertriebs investieren.

E&M: Wie sind nach Ihrer Einschätzung im Moment die Gewichte verteilt? Steht bei der Digitalisierung eher noch die Optimierung der internen Prozesse im Vordergrund oder schon die Entwicklung von Vertriebsprodukten?

Tzschoppe-Kölling: Auf unsere Frage nach neuen Geschäftsmodellen in der Utility-4.0-Studie haben viele Teilnehmer tatsächlich eher die eigenen Prozesse genannt, die am Ende vielleicht auch den Kundennutzen steigern, etwa die Beschleunigung der Abrechnungsprozesse oder die Optimierung der Logistik für das Verlegen von Netzanschlüssen. Das ist klassisches Prozessmanagement. Das Thema Customer Experience zur Kundenbindung und -gewinnung hinkt da noch etwas hinterher, holt allerdings auf.

E&M: Können Sie Beispiele nennen, wie dem Kunden positive Erfahrungen vermittelt werden können?

Tzschoppe-Kölling: Eine Eingabemaske zur Erfassung von Zählerständen oder ein Onlineformular zur Beauftragung eines Netzanschlusses mag ganz hilfreich sein. Die Kunden erwarten heute aber viel mehr. Dafür braucht man dann ein echtes Customer-Onlineportal. Ein Stadtwerk hat darüber zum Beispiel seinen Kunden die Buchung eines Schneeräumdienstes angeboten. Über manche Stadtwerke können die Kunden verbilligte Karten für den örtlichen Fußballverein beziehen oder andere Veranstaltungen buchen. Einige Stadtwerke bieten Bauherren an, die Arbeit anderer Gewerke zu koordinieren und abzurechnen. Wer einen Stromnetzanschluss beantragt, braucht ja ebenfalls Gas, Wasser, Telekommunikation, vielleicht noch einen Fliesenleger, Installateur, Elektriker und Maler.

E&M: Das klingt ein bisschen wie ‚lokales Amazon‘.

Tzschoppe-Kölling: Ja, so könnte man sagen. Man kann ein Stadtwerkeportal so ähnlich aufbauen. Aber beim Hausanschluss geht es natürlich vor allem um eine koordinierende Dienstleistung und nicht nur um den Onlineverkauf. Hier haben die kommunalen Versorger einen großen Vorteil: Sie sind grundsätzlich danach bestrebt, Wertschöpfung vor Ort zu generieren und haben meistens enge Beziehungen zu den ansässigen Unternehmen, oft seit Jahrzehnten. Das ist eine hervorragende Grundlage, um Zusatzdienste und -produkte anzubieten.

E&M: Wenn diese alle effizient erstellt und angeboten werden sollen, müssen sich die Partner eng vernetzen. Das bedeutet aber auch wieder zusätzliche Anforderungen an die IT-Sicherheit.

Tzschoppe-Kölling: Das stimmt. Man muss zum Beispiel die Logistikkette für Non-Energie-Produkte entsprechend abbilden. Wir haben hierfür ein Tool entwickelt, mit dem man die Lagerung und Auslieferung solcher Produkte inklusive eventuell auftretender Retouren abbilden kann. Die Lieferkette geht sogar so weit, dass wir über Partner spezifische Fertigungen im Ausland und den dazugehörigen Import abwickeln können. Die meisten Stadtwerke sind sich noch gar nicht bewusst, was heutzutage durch digitale Vernetzung innerhalb von Lieferketten alles möglich ist. Aber klar ist auch: Wenn man sich in die Lieferkette eines anderen Unternehmens einklinkt und Daten mit ihm austauscht, besteht natürlich die Gefahr, dass man Einfallstore öffnet. Deshalb gehört zur Prozessoptimierung und Kundengewinnung immer auch ein IT-Sicherheitskonzept. E&M

Zur Person: Andreas Tzschoppe-Kölling

Nach verschiedenen Führungspositionen in der Konzernorganisation und den Services einer Unternehmensgruppe der Finanzbranche ist Andreas Tzschoppe-Kölling seit 2011 Geschäftsführer der Prego Services GmbH. Er studierte Betriebswirtschaftslehre an der Fachhochschule für Wirtschaft in Berlin und erwarb darüber hinaus Zusatzqualifikationen am Management Zentrum Witten/Herdecke und an der Business School St. Gallen.
 
 
 

Utility 4.0

Jährlich veröffentlicht der IT-Dienstleister Prego Services eine Studie mit dem Titel Utility 4.0. Dafür werden Führungskräfte in der Energiewirtschaft zum Stand der Digitalisierung in ihrem Unternehmen befragt, im vergangenen Jahr waren es insgesamt 62 Teilnehmer. In der jüngsten Ausgabe, die im Dezember 2020 veröffentlicht wurde, gaben 11,9 % an, hinsichtlich ihrer gesamten IT-Struktur sehr gut digital aufgestellt zu sein. Mit „eher gut“ antworteten 40,5 %, während die Einschätzung von 30,9 % „eher nicht so gut“ und von 16,7 % „gar nicht gut“ war. Vor allem Vertreter von Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern beurteilten den Stand der Digitalisierung eher negativ.
Der These, dass die Mobilisierung der Arbeitswelt in der Energiewirtschaft dauerhaft bleiben wird, stimmen 39,2 % voll zu und 39 % eher zu. Allerdings sehen nur rund 50 % ihre IT-Infrastruktur dafür ausgelegt.
Die Prego Services GmbH, die ihren Sitz in Saarbrücken und eine Niederlassung in Ludwigshafen hat, wurde 2001 als regionales Shared-Service-Unternehmen von der Saar Ferngas und der VSE AG gegründet. Im Jahr 2003 kamen noch die Pfalzwerke als Gesellschafter hinzu. VSE und die Pfalzwerke sind auch die aktuellen Gesellschafter.

Freitag, 7.05.2021, 09:27 Uhr
Fritz Wilhelm

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