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Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

"Wir alle sind Hidden Champions"

Ingo Schönberg, Vorstandschef des Smart-Meter-Gateway-Herstellers PPC, sieht im agilen Rollout die Chance, die eigene Innovationskraft noch besser zur Geltung zu bringen.
E&M: Herr Schönberg, verlief der Gesetzgebungsprozess zum Neustart des Smart Meter Rollouts so, wie Sie das erwartet haben, oder gab es Überraschungen?

Schönberg: Erfreut hat mich tatsächlich, dass es im Bundestag so eine breite Zustimmung zum Gesetzentwurf gab. Die Union hatte zuvor die Wirtschaftlichkeit des Rollouts zum Thema gemacht, dann aber doch den Vorschlag der Koalition mitgetragen. Das ist sehr positiv. Für 2024 ist jetzt auch die dringend notwendige Evaluierung der Preisobergrenze vorgesehen.

Wichtigste Änderung: der agile Rollout

E&M: Was ist aus Sicht von PPC die wichtigste Änderung im neuen Gesetz?

Schönberg: Die wichtigste Neuerung ist der agile Rollout. Wir können jetzt endlich unsere Innovationsstärke voll zur Geltung bringen. Wenn wir in der Vergangenheit neue Features für unser Smart Meter Gateway verfügbar hatten, mussten wir die Innovation dem BSI gegenüber offenlegen und abwarten, bis die Behörde die technische Richtlinie weiterentwickelt hatte. Dann gab es den Zertifizierungsprozess und am Ende mussten wir warten, bis zwei weitere Hersteller nachgezogen waren. Erst dann erließ das BSI seine Marktverfügbarkeitserklärung und der Rollout konnte offiziell starten. Jetzt können die Messstellenbetreiber die Geräte nutzen, die verfügbar und zertifiziert sind, egal wie viele Hersteller diesen Stand erreicht haben. Damit können wir einen echten Wettbewerbsvorsprung erzielen und beispielsweise mit unserem Ende 2022 zertifizierten Gateway der zweiten Generation neue Features sofort an den Markt bringen.

E&M: Die Rollout-Geschwindigkeit wird aber immer noch entscheidend von der Zertifizierung durch das BSI bestimmt.

Schönberg: Das ist richtig. Aber mittlerweile haben alle Beteiligten, sowohl die Hersteller als auch das BSI, die Prozesse der Zertifizierung besser im Griff. Beispielsweise hat die Zertifizierung unseres neuen Smart Meter Gateways nicht einmal ein Jahr gedauert. Im Vergleich zu den drei oder vier Jahren bei der ersten Generation ist das ein riesiger Fortschritt.

E&M: Was bedeutet ‚zweite Generation‘?

Schönberg: Vor allem Zukunftssicherheit für die Messstellenbetreiber. Man kann sich das wie bei einem Smartphone vorstellen. Je leistungsfähiger das Gerät ist, desto besser laufen die Apps und umso schneller geht die Inbetriebnahme im Montageprozess. Gerade für Tarife mit hoher Auflösung und für Steuern und Schalten in Echtzeit ist das wichtig, etwa bei der Sollwertübergabe und bei neuen Tarifen. Diese hohe Performance haben wir jetzt als erster Anbieter verfügbar. Neben besseren Prozessoren hat das Gerät auch mehr Speicherkapazität. Damit lässt sich eine größere Zahl von Zählern jeweils an ein Gateway anbinden, was ja dem 1-zu-n-Konzept entspricht und zu mehr Effizienz im intelligenten Messwesen führt − genauso wie es der Gesetzgeber beabsichtigt hat.

E&M: Welche Rolle spielt für Sie als Hersteller noch die viel zitierte Chipkrise?

Schönberg: Die Chipkrise ist noch nicht überwunden. Im Moment haben wir sie aber im Griff. Das hängt mit frühem Einkauf und mit den neuen Gateways zusammen. Wenn man die neuesten Bauteile verwendet, deren Marktverfügbarkeit noch hoch ist, ist man weniger von Engpässen in den Lieferketten betroffen. Und außerdem haben wir heute für 95 Prozent aller Komponenten Ersatzbauteile. Das verursacht zwar höhere Entwicklungskosten, erhält uns aber unsere eigene Lieferfähigkeit.

​Perspektivisch im Edge-Computing-Umfeld punkten

E&M: Wie lange sind die aktuellen Lieferzeiten für die Bauteile?

Schönberg: Wir bestellen gerade für das vierte Quartal 2024.
 
Ingo Schönberg, Vorstandsvorsitzender der PPC AG
Quelle: PPC
 
E&M: Vier Hersteller haben bislang den Zertifizierungsprozess durchlaufen, ein fünftes Unternehmen dürfte in Kürze hinzukommen. Wie viele Smart-Meter-Gateway-Hersteller haben aus Ihrer Sicht Platz im Markt?

Schönberg: Brauchen die Messstellenbetreiber hierzulande tatsächlich noch einen sechsten, siebten oder achten Anbieter? Wahrscheinlich nicht. Die meisten Messstellenbetreiber setzen auf zwei oder drei Gateway-Lieferanten. Aus meiner Sicht sind die Hürden für den Markteintritt eines Newcomers auch enorm hoch. Das Produkt ist außerordentlich komplex, genauso wie die Sicherheitsanforderungen und das Zertifizierungsverfahren. Wer sollte hier noch den Markteintritt versuchen? Selbst mit großem finanziellem Polster wird es schwierig werden, den Erfahrungsvorsprung aufzuholen. Wir alle sind im Grunde klassischer deutscher Mittelstand im besten Sinne, die viel zitierten ‚Hidden Champions‘. Und wir als PPC sind durchaus stolz darauf, für ein zentrales Thema der kritischen Infrastruktur und Energiewende hierzulande Verantwortung zu tragen.

E&M: Sie fürchten auch keine Konkurrenz aus dem Ausland?

Schönberg: Nein, ganz und gar nicht. Wir sehen uns mit unserer Innovationskraft eher in der Position, im Edge-Computing-Umfeld perspektivisch international eine Rolle zu spielen. Unsere Produkte bieten ‚Smart‘ und ‚Security at the Edge‘. Damit können wir sicherlich vor dem Hintergrund des EU Cyber Security Act in Europa punkten.

E&M: Ihre Smart Meter Gateways für die europäischen Nachbarn, die angeblich beim Smart Metering schon viel weiter sind als Deutschland?

Schönberg: Das ist dort fast immer noch Smart Metering der ersten Generation. Wir sind aber schon weiter. Das Thema Edge Computing wird in Europa zwar noch verhalten angegangen, aber dahin geht der Trend im Smart Metering. Die Intelligenz im Energiesystem wird näher zum Kunden wandern, nicht nur in die Ortsnetzstation, sondern zum Netzübergabepunkt des Kunden, und diesen zum aktiven Partner der Energiewende machen.

E&M: Rechnen Sie dann mit einem Voll-Rollout von intelligenten Messsystemen?

Schönberg: Das Bundeswirtschaftsministerium geht von 15 Millionen Einbaufällen bis 2030 aus. Bei etwa 22 Millionen Gebäuden in Deutschland kommen wir schon auf eine Rollout-Quote von knapp 70 Prozent. Wenn man dann davon ausgeht, dass die für die Messkunden stark reduzierten Kosten und die Effizienz eines 1-zu-n-Ansatzes in Mehrfamilienhäusern die Attraktivität der intelligenten Messsysteme weiter steigert, kann ich mir den Voll-Rollout gut vorstellen. Und spätestens mit der verpflichtenden Steuerbarkeit ab 2025 werden sich viele Messstellenbetreiber überlegen, ob sie nicht gleich in einen strukturierten Rollout gehen. Aus meiner Sicht hat Wirtschaftsminister Habeck vor diesem Hintergrund mit dem neuen Digitalisierungsgesetz wirklich geliefert und den Rollout nachhaltig beschleunigt.

​Eichrechtsproblem noch nicht gelöst

E&M: Haben Sie nicht doch noch irgendetwas zu kritisieren?

Schönberg: Allenfalls das noch nicht gelöste Eichrechtsproblem und zu niedrige Preisobergrenzen. Wenn wir jetzt ein neues Gerät mit einer neuen Software ausliefern, darf es in ganz Deutschland ohne weitere Tests und Genehmigungen verbaut werden. Wenn aber ein bereits verbautes Gerät ein vom BSI zertifiziertes Software-Update bekommt, was ja mit dem agilen Rollout vom Gesetz vorgesehen ist, muss jedes Mal zusätzlich eine Prüfung und Freigabe durch alle Landeseichbehörden durchlaufen werden. Ein solcher Formalismus passt nicht zu einem Gerät wie dem Smart Meter Gateway und auch nicht zum Willen des Gesetzgebers, Anreize für einen agilen Rollout zu geben.

E&M: Ist eine Lösung in Sicht?

Schönberg: Ja, das Bundeswirtschaftsministerium wurde vom Parlament ermächtigt, bis zum Ende dieses Jahres das Eichrecht zu überarbeiten. Gleichzeitig soll damit auch die achtjährige Eichfrist abgeschafft werden. Denn ein elektronisches Gerät kennt nur 0 und 1 und hat keine mechanischen Bauteile, die irgendwann einmal unrund laufen könnten.

Der Vierte im Bunde

Im Vorfeld der diesjährigen E-world hat PPC sein Smart Meter Gateway 2.0 angekündigt. Mit der Erfahrung von 400.000 ausgelieferten Geräten der ersten Generation habe das Unternehmen die nächste Generation von Smart Meter Gateways entwickelt und erfolgreich mit Pilotkunden getestet, hieß es vonseiten des Herstellers. Wenige Tage zuvor hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine Mitteilung über die erfolgreiche Re-Zertifizierung des Smart Meter Gateways von Sagemcom Dr. Neuhaus und der Zertifizierung des Geräts nach Technischer Richtlinie TR-03109-1 erhalten. Damit können aktuell insgesamt vier Hersteller für ihre Geräte die für das intelligente Messwesen notwendige Zertifizierung nachweisen. Es sind dies PPC, EMH Metering, Theben und Sagemcom Dr. Neuhaus.
 
 

Neues Gesetz, neue Regelungen

Am 12. Mai 2023 hat der Bundesrat das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende abschließend gebilligt. Zuvor hatte der Bundestag die Nachfolgeregelung zum bisherigen Digitalisierungsgesetz bereits verabschiedet.
Dem Gesetz zufolge fallen ab 2025 alle Verbraucher mit 6.000 bis 100.000 kWh/Jahr sowie Betreiber von Erzeugungsanlagen mit 7 bis 100 kW installierter Leistung unter den Pflichteinbau von intelligenten Messsystemen. Bis Ende 2025 müssen dann mindestens 20 Prozent des Pflichteinbaus abgearbeitet sein. Bis 2028 ist eine Quote von mindestens 50 Prozent und bis Ende 2030 von mindestens 95 Prozent zu erfüllen.
Zertifizierte Smart Meter Gateways können sofort verbaut werden. Es müssen nicht mehr drei Hersteller die entsprechende Zertifizierung beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik durchlaufen haben, bevor bestimmte Funktionalitäten den Marktteilnehmern zur Verfügung stehen. Damit ebnet der Gesetzgeber den Weg für einen agilen Rollout, bei dem nach dem Einbau und einer „Phase des Warmlaufens“ mit grundlegenden Anwendungen weitere Funktionalitäten per Software-Update bereitgestellt werden.
Die Kosten des Rollouts und des Messstellenbetriebs werden künftig zwischen dem Kunden und dem Netzbetreiber aufgeteilt, wobei beispielsweise Haushaltskunden lediglich 20 Euro pro Jahr tragen müssen. Außerdem müssen alle Stromversorger bis spätestens ab 2025 dynamische Tarife anbieten, die zu einer Verlagerung des Verbrauchs in Zeiten hoher Einspeisung von erneuerbaren Energien motivieren.
 

Mittwoch, 14.06.2023, 09:00 Uhr
Fritz Wilhelm
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
"Wir alle sind Hidden Champions"
Ingo Schönberg, Vorstandschef des Smart-Meter-Gateway-Herstellers PPC, sieht im agilen Rollout die Chance, die eigene Innovationskraft noch besser zur Geltung zu bringen.
E&M: Herr Schönberg, verlief der Gesetzgebungsprozess zum Neustart des Smart Meter Rollouts so, wie Sie das erwartet haben, oder gab es Überraschungen?

Schönberg: Erfreut hat mich tatsächlich, dass es im Bundestag so eine breite Zustimmung zum Gesetzentwurf gab. Die Union hatte zuvor die Wirtschaftlichkeit des Rollouts zum Thema gemacht, dann aber doch den Vorschlag der Koalition mitgetragen. Das ist sehr positiv. Für 2024 ist jetzt auch die dringend notwendige Evaluierung der Preisobergrenze vorgesehen.

Wichtigste Änderung: der agile Rollout

E&M: Was ist aus Sicht von PPC die wichtigste Änderung im neuen Gesetz?

Schönberg: Die wichtigste Neuerung ist der agile Rollout. Wir können jetzt endlich unsere Innovationsstärke voll zur Geltung bringen. Wenn wir in der Vergangenheit neue Features für unser Smart Meter Gateway verfügbar hatten, mussten wir die Innovation dem BSI gegenüber offenlegen und abwarten, bis die Behörde die technische Richtlinie weiterentwickelt hatte. Dann gab es den Zertifizierungsprozess und am Ende mussten wir warten, bis zwei weitere Hersteller nachgezogen waren. Erst dann erließ das BSI seine Marktverfügbarkeitserklärung und der Rollout konnte offiziell starten. Jetzt können die Messstellenbetreiber die Geräte nutzen, die verfügbar und zertifiziert sind, egal wie viele Hersteller diesen Stand erreicht haben. Damit können wir einen echten Wettbewerbsvorsprung erzielen und beispielsweise mit unserem Ende 2022 zertifizierten Gateway der zweiten Generation neue Features sofort an den Markt bringen.

E&M: Die Rollout-Geschwindigkeit wird aber immer noch entscheidend von der Zertifizierung durch das BSI bestimmt.

Schönberg: Das ist richtig. Aber mittlerweile haben alle Beteiligten, sowohl die Hersteller als auch das BSI, die Prozesse der Zertifizierung besser im Griff. Beispielsweise hat die Zertifizierung unseres neuen Smart Meter Gateways nicht einmal ein Jahr gedauert. Im Vergleich zu den drei oder vier Jahren bei der ersten Generation ist das ein riesiger Fortschritt.

E&M: Was bedeutet ‚zweite Generation‘?

Schönberg: Vor allem Zukunftssicherheit für die Messstellenbetreiber. Man kann sich das wie bei einem Smartphone vorstellen. Je leistungsfähiger das Gerät ist, desto besser laufen die Apps und umso schneller geht die Inbetriebnahme im Montageprozess. Gerade für Tarife mit hoher Auflösung und für Steuern und Schalten in Echtzeit ist das wichtig, etwa bei der Sollwertübergabe und bei neuen Tarifen. Diese hohe Performance haben wir jetzt als erster Anbieter verfügbar. Neben besseren Prozessoren hat das Gerät auch mehr Speicherkapazität. Damit lässt sich eine größere Zahl von Zählern jeweils an ein Gateway anbinden, was ja dem 1-zu-n-Konzept entspricht und zu mehr Effizienz im intelligenten Messwesen führt − genauso wie es der Gesetzgeber beabsichtigt hat.

E&M: Welche Rolle spielt für Sie als Hersteller noch die viel zitierte Chipkrise?

Schönberg: Die Chipkrise ist noch nicht überwunden. Im Moment haben wir sie aber im Griff. Das hängt mit frühem Einkauf und mit den neuen Gateways zusammen. Wenn man die neuesten Bauteile verwendet, deren Marktverfügbarkeit noch hoch ist, ist man weniger von Engpässen in den Lieferketten betroffen. Und außerdem haben wir heute für 95 Prozent aller Komponenten Ersatzbauteile. Das verursacht zwar höhere Entwicklungskosten, erhält uns aber unsere eigene Lieferfähigkeit.

​Perspektivisch im Edge-Computing-Umfeld punkten

E&M: Wie lange sind die aktuellen Lieferzeiten für die Bauteile?

Schönberg: Wir bestellen gerade für das vierte Quartal 2024.
 
Ingo Schönberg, Vorstandsvorsitzender der PPC AG
Quelle: PPC
 
E&M: Vier Hersteller haben bislang den Zertifizierungsprozess durchlaufen, ein fünftes Unternehmen dürfte in Kürze hinzukommen. Wie viele Smart-Meter-Gateway-Hersteller haben aus Ihrer Sicht Platz im Markt?

Schönberg: Brauchen die Messstellenbetreiber hierzulande tatsächlich noch einen sechsten, siebten oder achten Anbieter? Wahrscheinlich nicht. Die meisten Messstellenbetreiber setzen auf zwei oder drei Gateway-Lieferanten. Aus meiner Sicht sind die Hürden für den Markteintritt eines Newcomers auch enorm hoch. Das Produkt ist außerordentlich komplex, genauso wie die Sicherheitsanforderungen und das Zertifizierungsverfahren. Wer sollte hier noch den Markteintritt versuchen? Selbst mit großem finanziellem Polster wird es schwierig werden, den Erfahrungsvorsprung aufzuholen. Wir alle sind im Grunde klassischer deutscher Mittelstand im besten Sinne, die viel zitierten ‚Hidden Champions‘. Und wir als PPC sind durchaus stolz darauf, für ein zentrales Thema der kritischen Infrastruktur und Energiewende hierzulande Verantwortung zu tragen.

E&M: Sie fürchten auch keine Konkurrenz aus dem Ausland?

Schönberg: Nein, ganz und gar nicht. Wir sehen uns mit unserer Innovationskraft eher in der Position, im Edge-Computing-Umfeld perspektivisch international eine Rolle zu spielen. Unsere Produkte bieten ‚Smart‘ und ‚Security at the Edge‘. Damit können wir sicherlich vor dem Hintergrund des EU Cyber Security Act in Europa punkten.

E&M: Ihre Smart Meter Gateways für die europäischen Nachbarn, die angeblich beim Smart Metering schon viel weiter sind als Deutschland?

Schönberg: Das ist dort fast immer noch Smart Metering der ersten Generation. Wir sind aber schon weiter. Das Thema Edge Computing wird in Europa zwar noch verhalten angegangen, aber dahin geht der Trend im Smart Metering. Die Intelligenz im Energiesystem wird näher zum Kunden wandern, nicht nur in die Ortsnetzstation, sondern zum Netzübergabepunkt des Kunden, und diesen zum aktiven Partner der Energiewende machen.

E&M: Rechnen Sie dann mit einem Voll-Rollout von intelligenten Messsystemen?

Schönberg: Das Bundeswirtschaftsministerium geht von 15 Millionen Einbaufällen bis 2030 aus. Bei etwa 22 Millionen Gebäuden in Deutschland kommen wir schon auf eine Rollout-Quote von knapp 70 Prozent. Wenn man dann davon ausgeht, dass die für die Messkunden stark reduzierten Kosten und die Effizienz eines 1-zu-n-Ansatzes in Mehrfamilienhäusern die Attraktivität der intelligenten Messsysteme weiter steigert, kann ich mir den Voll-Rollout gut vorstellen. Und spätestens mit der verpflichtenden Steuerbarkeit ab 2025 werden sich viele Messstellenbetreiber überlegen, ob sie nicht gleich in einen strukturierten Rollout gehen. Aus meiner Sicht hat Wirtschaftsminister Habeck vor diesem Hintergrund mit dem neuen Digitalisierungsgesetz wirklich geliefert und den Rollout nachhaltig beschleunigt.

​Eichrechtsproblem noch nicht gelöst

E&M: Haben Sie nicht doch noch irgendetwas zu kritisieren?

Schönberg: Allenfalls das noch nicht gelöste Eichrechtsproblem und zu niedrige Preisobergrenzen. Wenn wir jetzt ein neues Gerät mit einer neuen Software ausliefern, darf es in ganz Deutschland ohne weitere Tests und Genehmigungen verbaut werden. Wenn aber ein bereits verbautes Gerät ein vom BSI zertifiziertes Software-Update bekommt, was ja mit dem agilen Rollout vom Gesetz vorgesehen ist, muss jedes Mal zusätzlich eine Prüfung und Freigabe durch alle Landeseichbehörden durchlaufen werden. Ein solcher Formalismus passt nicht zu einem Gerät wie dem Smart Meter Gateway und auch nicht zum Willen des Gesetzgebers, Anreize für einen agilen Rollout zu geben.

E&M: Ist eine Lösung in Sicht?

Schönberg: Ja, das Bundeswirtschaftsministerium wurde vom Parlament ermächtigt, bis zum Ende dieses Jahres das Eichrecht zu überarbeiten. Gleichzeitig soll damit auch die achtjährige Eichfrist abgeschafft werden. Denn ein elektronisches Gerät kennt nur 0 und 1 und hat keine mechanischen Bauteile, die irgendwann einmal unrund laufen könnten.

Der Vierte im Bunde

Im Vorfeld der diesjährigen E-world hat PPC sein Smart Meter Gateway 2.0 angekündigt. Mit der Erfahrung von 400.000 ausgelieferten Geräten der ersten Generation habe das Unternehmen die nächste Generation von Smart Meter Gateways entwickelt und erfolgreich mit Pilotkunden getestet, hieß es vonseiten des Herstellers. Wenige Tage zuvor hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) eine Mitteilung über die erfolgreiche Re-Zertifizierung des Smart Meter Gateways von Sagemcom Dr. Neuhaus und der Zertifizierung des Geräts nach Technischer Richtlinie TR-03109-1 erhalten. Damit können aktuell insgesamt vier Hersteller für ihre Geräte die für das intelligente Messwesen notwendige Zertifizierung nachweisen. Es sind dies PPC, EMH Metering, Theben und Sagemcom Dr. Neuhaus.
 
 

Neues Gesetz, neue Regelungen

Am 12. Mai 2023 hat der Bundesrat das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende abschließend gebilligt. Zuvor hatte der Bundestag die Nachfolgeregelung zum bisherigen Digitalisierungsgesetz bereits verabschiedet.
Dem Gesetz zufolge fallen ab 2025 alle Verbraucher mit 6.000 bis 100.000 kWh/Jahr sowie Betreiber von Erzeugungsanlagen mit 7 bis 100 kW installierter Leistung unter den Pflichteinbau von intelligenten Messsystemen. Bis Ende 2025 müssen dann mindestens 20 Prozent des Pflichteinbaus abgearbeitet sein. Bis 2028 ist eine Quote von mindestens 50 Prozent und bis Ende 2030 von mindestens 95 Prozent zu erfüllen.
Zertifizierte Smart Meter Gateways können sofort verbaut werden. Es müssen nicht mehr drei Hersteller die entsprechende Zertifizierung beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik durchlaufen haben, bevor bestimmte Funktionalitäten den Marktteilnehmern zur Verfügung stehen. Damit ebnet der Gesetzgeber den Weg für einen agilen Rollout, bei dem nach dem Einbau und einer „Phase des Warmlaufens“ mit grundlegenden Anwendungen weitere Funktionalitäten per Software-Update bereitgestellt werden.
Die Kosten des Rollouts und des Messstellenbetriebs werden künftig zwischen dem Kunden und dem Netzbetreiber aufgeteilt, wobei beispielsweise Haushaltskunden lediglich 20 Euro pro Jahr tragen müssen. Außerdem müssen alle Stromversorger bis spätestens ab 2025 dynamische Tarife anbieten, die zu einer Verlagerung des Verbrauchs in Zeiten hoher Einspeisung von erneuerbaren Energien motivieren.
 

Mittwoch, 14.06.2023, 09:00 Uhr
Fritz Wilhelm

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