E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Recht - 15 Versorger sollen Werbung für „klimaneutrales“ Gas einstellen
Quelle: Fotolia / vege
Recht

15 Versorger sollen Werbung für „klimaneutrales“ Gas einstellen

Die Vorwürfe reichen bis zu „dreistem Greenwashing“: 15 Gasversorger sollen irreführende Werbung für Gastarife unterlassen, weil ihre CO2-Ausgleichsprojekte keine Wirkung erzielten.
Erdgas lässt sich besser verkaufen, wenn Klimaschutzprojekte dessen umweltschädigende Wirkung mildern. Schlecht ist es, wenn die Projekte den gewünschten Ausgleichseffekt nicht erbringen und die eingekauften Zertifikate somit ins Leere laufen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nimmt dies zum Anlass, 15 Gasversorgern Unterlassungserklärungen ins Haus zu schicken.

Konkret geht es der DUH darum, Verbraucher nicht durch Werbung für „angeblich klimaneutrales Erdgas“ in die Irre zu führen. Wie Agnes Sauter, Leiterin ökologische Marktüberwachung bei der DUH, auf Anfragevon E&M mitteilt, stünden aktuell vor allem für den CO2-Ausgleich ins Feld geführte Waldprojekte im Fokus. Wälder speicherten CO2 erheblich kürzer, als das durch Gasverbrennung enstandende Kohlendioxid in der Atmosphäre verbleibe. „Wir begrüßen Investitionen in den Klimaschutz, aber bestimmte Produkte und Tarife dürfen nicht als klimaneutral bezeichnet werden“, so Agnes Sauter.

Versorger aus Dormagen beugt sich der DUH-Forderung

Die Forderungen der DUH folgen einer Untersuchung des Recherchenetzwerks Correctiv zu „Ökogas“. Danach hätten 116 von 150 untersuchten Gasversorgern sich seit 2011 mit Gutschriften aus Projekten eingedeckt, die CO2 nicht oder nicht im bezifferten Umfang reduziert oder gespeichert hatten. 60 Prozent der Gutschriften entfielen zudem auf Projekte mit Qualitätsmängeln. Die Folge: In Wahrheit fehlten zehn Millionen Tonnen eingesparten Treibhausgases.

Die DUH verlangt nun von diesen Gasversorgern Unterlassungserklärungen, ihre Werbung für „klimaneutrale“ Gastarife aufzugeben:
  • Stadtwerke Landshut,
  • Aschaffenburger Versorgungs-GmbH,
  • evd Energieversorgung Dormagen,
  • Teutoburger Energie Netzwerk eG,
  • Stadtwerke Neu-Isenburg,
  • LogoEnergie,
  • Stadtwerke Fürstenfeldbruck,
  • Stadtwerke Greifswald,
  • Stadtwerke Bochum,
  • EVM Energieversorgung Marienberg,
  • Gas und Strom Mittelrhein,
  • Stadtwerke Oberursel (Taunus),
  • Vereinigte Stadtwerke,
  • Eon und
  • lekker Energie.
Auf Anfrage unserer Redaktion kündigte eine Sprecherin für die Energieversorgung Dormagen (EVD) in Nordrhein-Westfalen an, die Bewerbung von Tarifen mit „CO2-Neutralität“ aufzugeben. Weil viele CO2-Neutralisationsprojekte „intensiv in die Kritik geraten“ seien, werde Dormagen „vermutlich nicht mehr darin investieren“.

Die Sprecherin erklärte weiter, EVD prüfe, eine Unterlassungserklärung im Sinne der DUH-Forderung abzugeben. Die CO2-Zertifikate hätte der Versorger gleichwohl „nach bestem Wissen und Gewissen eingekauft“, er würde sein Handeln „daher nicht als dreistes oder absichtliches Greenwashing bezeichnen“. Die unterstützten Waldprojekte habe Dormagen bereits 2023 aus dem Portfolio genommen. Eine Absicherung von Ausgleichsprojekten „über mehrere Jahrhunderte könnten wir nicht einmal vor Ort leisten, geschweige denn in fernen Ländern“.

Eine Sprecherin der Stadtwerke Landshut erklärte auf Anfrage, der Versorger „hatte bisher keinen Grund, den Begriff [klimaneutral, Anm. d. Red.] in Zweifel zu ziehen“. Das Unternehmen ändere gleichwohl die Wortwahl in „Klimaschutz-Beitrag“. An der Correctiv-Recherche hatte Landshut freiwillig mitgewirkt, die Konfrontation mit rechtlichen Schritten trifft einige Versorger wohl unvorbereitet.

Stadtwerke Neumarkt reagiert schon auf Correctiv-Recherche

Agnes Sauter von der DUH erklärte auf Nachfrage, nur der „gehobene Zeigefinger“ habe sich in der Vergangenheit als untaugliches Instrument im Umgang mit Unternehmen erwiesen. Dadurch sei das Umstellen auf „rechtmäßige Werbung nur schleppend“ in Gang gekommen. Es benötige also rechtliche Schritte, „um tatsächlich Veränderungen herbeizuführen“.

Dagegen spricht das Verhalten der Stadtwerke Neumarkt in der Oberpfalz. Die Bayern hatten bereits im Zuge der Correctiv-Recherche im Februar begonnen, den Begriff „CO2-neutrales Erdgas“ zu tilgen. Heute finden sich auf der Website Bezeichnungen wie „Erdgas mit Klimabeitrag“ oder „Ökogas“. Neumarkt hatte auch Geld für ein Wasserkraftwerk in Indien gegeben. Hier lautet die Kritik der DUH, dass damit die Bedingung des zusätzlichen Klimanutzens nicht erfüllt sei. Das Kraftwerk habe es bereits seit Jahren gegeben.

Die Aschaffenburger Versorgungs-GmbH teilte mit, die Vorwürfe aktuell zu prüfen. Von den Stadtwerken aus Bochum und Greifswald sowie von Lekker Energie gab es keine inhaltliche Stellungnahme, weil das Schreiben der DUH noch nicht vorliege. So auch beim Essener Energiekonzern Eon. Eine Sprecherin von Eon verwies indes auf einen seit 2022 geltenden Mindestqualitätsstandard, den Kompensationszertifikate erfüllen müssten. Zudem erfasse ein Monitoring-System inzwischen Daten über alle Zertifikate. „Alle von uns unterstützten Klimaschutzprojekte sind registriert und extern zertifiziert, zum Beispiel nach dem ,Gold Standard’. Wir orientieren uns damit an weltweit üblichen Standards.“

Dienstag, 16.04.2024, 16:50 Uhr
Volker Stephan
Energie & Management > Recht - 15 Versorger sollen Werbung für „klimaneutrales“ Gas einstellen
Quelle: Fotolia / vege
Recht
15 Versorger sollen Werbung für „klimaneutrales“ Gas einstellen
Die Vorwürfe reichen bis zu „dreistem Greenwashing“: 15 Gasversorger sollen irreführende Werbung für Gastarife unterlassen, weil ihre CO2-Ausgleichsprojekte keine Wirkung erzielten.
Erdgas lässt sich besser verkaufen, wenn Klimaschutzprojekte dessen umweltschädigende Wirkung mildern. Schlecht ist es, wenn die Projekte den gewünschten Ausgleichseffekt nicht erbringen und die eingekauften Zertifikate somit ins Leere laufen. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) nimmt dies zum Anlass, 15 Gasversorgern Unterlassungserklärungen ins Haus zu schicken.

Konkret geht es der DUH darum, Verbraucher nicht durch Werbung für „angeblich klimaneutrales Erdgas“ in die Irre zu führen. Wie Agnes Sauter, Leiterin ökologische Marktüberwachung bei der DUH, auf Anfragevon E&M mitteilt, stünden aktuell vor allem für den CO2-Ausgleich ins Feld geführte Waldprojekte im Fokus. Wälder speicherten CO2 erheblich kürzer, als das durch Gasverbrennung enstandende Kohlendioxid in der Atmosphäre verbleibe. „Wir begrüßen Investitionen in den Klimaschutz, aber bestimmte Produkte und Tarife dürfen nicht als klimaneutral bezeichnet werden“, so Agnes Sauter.

Versorger aus Dormagen beugt sich der DUH-Forderung

Die Forderungen der DUH folgen einer Untersuchung des Recherchenetzwerks Correctiv zu „Ökogas“. Danach hätten 116 von 150 untersuchten Gasversorgern sich seit 2011 mit Gutschriften aus Projekten eingedeckt, die CO2 nicht oder nicht im bezifferten Umfang reduziert oder gespeichert hatten. 60 Prozent der Gutschriften entfielen zudem auf Projekte mit Qualitätsmängeln. Die Folge: In Wahrheit fehlten zehn Millionen Tonnen eingesparten Treibhausgases.

Die DUH verlangt nun von diesen Gasversorgern Unterlassungserklärungen, ihre Werbung für „klimaneutrale“ Gastarife aufzugeben:
  • Stadtwerke Landshut,
  • Aschaffenburger Versorgungs-GmbH,
  • evd Energieversorgung Dormagen,
  • Teutoburger Energie Netzwerk eG,
  • Stadtwerke Neu-Isenburg,
  • LogoEnergie,
  • Stadtwerke Fürstenfeldbruck,
  • Stadtwerke Greifswald,
  • Stadtwerke Bochum,
  • EVM Energieversorgung Marienberg,
  • Gas und Strom Mittelrhein,
  • Stadtwerke Oberursel (Taunus),
  • Vereinigte Stadtwerke,
  • Eon und
  • lekker Energie.
Auf Anfrage unserer Redaktion kündigte eine Sprecherin für die Energieversorgung Dormagen (EVD) in Nordrhein-Westfalen an, die Bewerbung von Tarifen mit „CO2-Neutralität“ aufzugeben. Weil viele CO2-Neutralisationsprojekte „intensiv in die Kritik geraten“ seien, werde Dormagen „vermutlich nicht mehr darin investieren“.

Die Sprecherin erklärte weiter, EVD prüfe, eine Unterlassungserklärung im Sinne der DUH-Forderung abzugeben. Die CO2-Zertifikate hätte der Versorger gleichwohl „nach bestem Wissen und Gewissen eingekauft“, er würde sein Handeln „daher nicht als dreistes oder absichtliches Greenwashing bezeichnen“. Die unterstützten Waldprojekte habe Dormagen bereits 2023 aus dem Portfolio genommen. Eine Absicherung von Ausgleichsprojekten „über mehrere Jahrhunderte könnten wir nicht einmal vor Ort leisten, geschweige denn in fernen Ländern“.

Eine Sprecherin der Stadtwerke Landshut erklärte auf Anfrage, der Versorger „hatte bisher keinen Grund, den Begriff [klimaneutral, Anm. d. Red.] in Zweifel zu ziehen“. Das Unternehmen ändere gleichwohl die Wortwahl in „Klimaschutz-Beitrag“. An der Correctiv-Recherche hatte Landshut freiwillig mitgewirkt, die Konfrontation mit rechtlichen Schritten trifft einige Versorger wohl unvorbereitet.

Stadtwerke Neumarkt reagiert schon auf Correctiv-Recherche

Agnes Sauter von der DUH erklärte auf Nachfrage, nur der „gehobene Zeigefinger“ habe sich in der Vergangenheit als untaugliches Instrument im Umgang mit Unternehmen erwiesen. Dadurch sei das Umstellen auf „rechtmäßige Werbung nur schleppend“ in Gang gekommen. Es benötige also rechtliche Schritte, „um tatsächlich Veränderungen herbeizuführen“.

Dagegen spricht das Verhalten der Stadtwerke Neumarkt in der Oberpfalz. Die Bayern hatten bereits im Zuge der Correctiv-Recherche im Februar begonnen, den Begriff „CO2-neutrales Erdgas“ zu tilgen. Heute finden sich auf der Website Bezeichnungen wie „Erdgas mit Klimabeitrag“ oder „Ökogas“. Neumarkt hatte auch Geld für ein Wasserkraftwerk in Indien gegeben. Hier lautet die Kritik der DUH, dass damit die Bedingung des zusätzlichen Klimanutzens nicht erfüllt sei. Das Kraftwerk habe es bereits seit Jahren gegeben.

Die Aschaffenburger Versorgungs-GmbH teilte mit, die Vorwürfe aktuell zu prüfen. Von den Stadtwerken aus Bochum und Greifswald sowie von Lekker Energie gab es keine inhaltliche Stellungnahme, weil das Schreiben der DUH noch nicht vorliege. So auch beim Essener Energiekonzern Eon. Eine Sprecherin von Eon verwies indes auf einen seit 2022 geltenden Mindestqualitätsstandard, den Kompensationszertifikate erfüllen müssten. Zudem erfasse ein Monitoring-System inzwischen Daten über alle Zertifikate. „Alle von uns unterstützten Klimaschutzprojekte sind registriert und extern zertifiziert, zum Beispiel nach dem ,Gold Standard’. Wir orientieren uns damit an weltweit üblichen Standards.“

Dienstag, 16.04.2024, 16:50 Uhr
Volker Stephan

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.