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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - „Wir wollen in diesem Markt eine ganz zentrale Rolle spielen“
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe

„Wir wollen in diesem Markt eine ganz zentrale Rolle spielen“

Deutschland-Chef Bastian Gierull sieht Octopus Energy langfristig als Anbieter von Komplettlösungen, aber künftig auch als wettbewerblicher Messstellenbetreiber.
E&M: Herr Gierull, Sie werben für flexible Tarife. Welche Rolle spielen dabei intelligente Messysteme?

Gierull: Sowohl für unseren Ladetarif Octopus Go als auch für den Wärmepumpentarif Octopus Heat ist ein intelligentes Messsystem Voraussetzung. Zähler und Smart Meter Gateway sind deshalb auch Bestandteil des Bestellprozesses für diese Tarife.

E&M: Richten die grundzuständigen Messstellenbetreiber dann den Rollout nach Ihren Kunden aus?

Gierull: Nachdem wir die Tarife vor etwa fünf Monaten an den Markt gebracht hatten, sind wir sehr schnell mit unseren Partnern beim Rollout vorangekommen. Allerdings stellen wir fest, dass eine ganze Reihe von grundzuständigen Messstellenbetreibern sich noch sehr zurückhält und noch nicht in großer Stückzahl die Geräte verbaut. Aus diesem Grund haben wir entschieden, wettbewerblicher Messtellenbetreiber zu werden und eigene Installationskapazitäten aufzubauen. Wir wollen selbst Smart Meter installieren, weil wir überzeugt davon sind, dass die Transformation des Energiesystems nur gelingt, wenn intelligente Messsysteme flächendeckend ausgerollt sind. Dazu wollen wir beitragen.

E&M: Wie werden diese Installationskapazitäten aussehen?

Gierull: Das werden in erster Linie eigene Mitarbeiter sein. Denn unsere Erfahrung zeigt, dass eine schnelle Skalierung und gleichzeitig die Einhaltung eines bestimmten Qualitätsniveaus nur mit eigenen Mitarbeitern möglich ist. Dabei hilft uns sehr, dass wir gerade eine Workforce für die Installation von Wärmepumpen aufbauen. Gleichzeitig mit den Wärmepumpen bringen wir die Smart Meter zu den Kunden und installieren sie.
 
„Das intelligente Messsystem ist Mittel zum Zweck“
 
E&M: Gehören die Wärmepumpen dann zu einem Bündel, das Sie als wettbewerblicher Messstellenbetreiber anbieten? Sie haben ja deutlich mehr Freiheitsgrade in der Produktgestaltung als ein grundzuständiger Messstellenbetreiber.

Gierull: Wir sehen uns in erster Linie nicht als Messstellenbetreiber, sondern langfristig als Anbieter von Komplettlösungen. Für uns sind Wärmepumpe, Wallbox, Speicher, PV-Anlage und das intelligente Messsystem eine Einheit. Dabei ist das intelligente Messsystem ein Mittel zum Zweck. Es lässt sich aus meiner Sicht mit dem Router in der Telekommunikation vergleichen. Der ist notwendig, um die Dienste der Anbieter nutzen zu können. So wird es bei uns auch sein. Der Betrieb einer Wärmepumpe oder der Betrieb einer Wallbox ist der Use Case. Dafür sind dann intelligente Messsysteme unverzichtbar, sowohl aus Sicht des Netzbetreibers als auch aus der Perspektive der Kunden. Denn nur diese Technologie ermöglicht es uns, den Kunden alle Vorteile eines flexiblen Stromsystems zu erschließen.

E&M: Sind flexible Tarife ohne intelligentes Messsystem möglich?

Gierull: Ohne intelligente Messsysteme ist nur sehr wenig wirklich sinnvoll umsetzbar. Wir bieten noch einen weiteren Ladetarif an, der grundsätzlich auch ohne intelligentes Messsystem funktioniert und die Technik im Auto und an der Wallbox für das smarte Laden nutzt. Aber damit ist das Steuern des Vorgangs aufwändiger und eine sekundenscharfe Abrechnung praktisch nicht möglich. Deshalb bevorzugen wir ganz klar das intelligente Messsystem – und installieren es auch kostenlos für die Kunden.

E&M: Wie ist das möglich?

Gierull: Für den Messstellenbetrieb fallen zwar Kosten an, die aber überschaubar sind. Die Geräte und ihr Einbau sind dagegen kostenlos. Die Monteure sind ohnehin vor Ort. Sie müssen nicht zweimal anfahren. Das spart viel Geld. Außerdem vermarkten wir die Flexibilität der Kunden. Wir sind davon überzeugt, dass dies künftig ein wesentliches Geschäftsfeld für Energieversorger wird. Aber die Kunden selbst profitieren natürlich ebenfalls davon. Vor diesem Hintergrund stellt sich erfahrungsgemäß auch nicht mehr die Frage, ob die Kunden ein intelligentes Messsystem haben wollen oder nicht. Wir müssen gar nicht mehr für dessen Akzeptanz werben. Die kommt von ganz alleine – und zu 100 Prozent.
 
„Wir vermarkten die Flexibilität der Kunden“
 
E&M: Akzeptanz ist das Eine, Verfügbarkeit das Andere. Damit die Kunden den Nutzen auch erfahren, müssen Sie die Geräte in ausreichender Stückzahl beschaffen können. Spüren Sie noch etwas von den Lieferengpässen in den vergangenen beiden Jahren?

Gierull: Wir sind mit der Skalierung noch nicht so weit fortgeschritten, dass es Probleme mit den Bestellmengen geben würde. Aber in den Gesprächen mit den Smart-Meter-Gateway-Herstellern haben wir den Eindruck gewonnen, dass sie sich gut auf die Skalierung vorbereiten und künftig auch in der Lage sein werden, große Stückzahlen zu liefern.

E&M: … die Sie auch benötigen werden?

Gierull: Wir wollen in diesem Markt eine ganz zentrale Rolle spielen, ähnlich wie in Großbritannien. Dort ist Octopus Energy einer der größten Installateure von Smart Metern. Aber wie gesagt, die Technik sehen wir lediglich als Mittel zum Zweck, um letztendlich Komplettangebote an den Markt zu bringen.

E&M: Könnten Sie sich auch vorstellen, Heimenergiemanagementsysteme anzubieten, die das Zusammenspiel der Komponenten hinter dem Netzanschluss optimieren? Damit könnte man beispielsweise vermeiden, dass Netzbetreiber bei Netzengpässen nicht einzelne Anlagen steuern müssen, sondern nur dem Netzanschluss eine Leistungsbegrenzung vorgeben.

Gierull: Vorstellbar ist das. Wir glauben sowieso nicht, dass das direkte Regeln von Anlagen durch den Netzbetreiber notwendig ist, wenn die richtigen Anreize für die Kunden geschaffen werden. Unsere Erfahrung aus anderen Ländern hat uns das gelehrt.

E&M: Marktliche Anreize können aber unter Umständen zu einer ungewollten Gleichzeitigkeit des Verbrauchs vieler Kunden führen.

Gierull: Das ist richtig. Aber da wir die Kunden an unsere Smart-Grid-Plattform „Kraken“ anbinden, haben wir jederzeit den Überblick und können je nach Netzsituation das entsprechende Verbrauchsverhalten incentivieren beziehungsweise im Rahmen bestimmter Parameter auch steuern. Wir zahlen dem Kunden, wenn er uns die Ladevorgänge überlässt, eine Vergütung von 10 oder 30 Euro pro Monat. Und gleichzeitig können wir verhindern, dass der Kunde mit seinem Tarif in eine börsliche Preisspitze hineinläuft.

E&M: Wonach richtet sich die Höhe der Vergütung?

Gierull: Nach dem Aufwand, der für die Steuerung und Abrechnung anfällt, ob er ein intelligentes Messsystem hat oder nicht.

E&M: Sie Vermarkten also die Flexibilität des Kunden und lassen ihn an den Erlösen partizipieren.

Gierull: Genau. In England haben alle Beteiligten – die Netzbetreiber, die Kunden und wir als Versorger und Flexibilitätsmanager – damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Es geht so weit, dass wir sogar mit unserem Produkt „Zero Bills Home“ dem Kunden eine kostenfreie Energieversorgung über fünf Jahre garantieren können, wenn sein Haus nach bestimmten Spezifikationen gebaut ist und die PV-Anlage, der Speicher und die Wärmepumpe eine gewisse Größe haben. Dann muss der Kunde nichts mehr machen. Wir managen über unsere Plattform seine Flexibilität, seinen Verbrauch und seine Einspeisung, sichern seine Versorgung und schreiben dafür nicht mal mehr eine Rechnung. Mit 250 Haushalten ist das Produkt in England angelaufen. Wir überlegen gerade, ob wir schon in diesem Jahr damit in Deutschland starten können.
 
Störer: „Ohne intelligente Messsysteme ist nur sehr wenig wirklich sinnvoll umsetzbar“

 
Bastian Gierull, Deutschland-Chef von Octopus Energy
Quelle: Octopus Energy Germany
 

Flexible Tarife im Fokus

Im vergangenen Jahr brachte Octopus Energy einen zeitvariablen Wärmepumpentarif, der den Tag in fünf Abschnitte unterteilt mit jeweils rabattierten Arbeitspreisen, in Deutschland auf den Markt. Ein weiterer Tarif ist auf das optimierte Laden von E-Autos über Nacht ausgelegt – konkret zwischen 0 und 5 Uhr. Voraussetzung für die Nutzung der beiden Tarife ist der Einsatz eines intelligente Messsystems.
Mit und ohne Smart Meter ist die Nutzung von „Intelligent Octopus“ (IO) – so der Name des Services – möglich. Dabei wird ein Ladeplan unter Berücksichtigung der Nutzerpräferenzen erstellt und der Ladevorgang über das intelligente Messsystem oder die Technik in Wallbox und Fahrzeug gesteuert. Die Kunden ohne Smart Meter bekommen monatlich 10 Euro und diejenigen mit Smart Meter monatlich 30 Euro als Vergütung in diesem Tarif, wenn sie ihr Auto mindestens fünf mal intelligent über IO laden.
Mit Strompreis-Rabatten für Mitglieder des „Fanclubs“ will Octopus zeigen, wie einfach es grundsätzlich ist, Anreize für eine Flexibilisierung des Verbrauchs auf lokaler Ebene zu setzen und die Akzeptanz der Windkraft vor Ort zu erhöhen. Voraussetzung ist derzeit eine lokale Nähe zu Windparks des Anbieters. Umgesetzt ist das Konzept aktuell in Brandenburg, wo ein Windpark, in den Octopus Energy Generation investiert hat, als Referenz dient. Wenn dort eine bestimmte Mindest-Windgeschwindigkeit erreicht wird, erhalten die Kunden 20 Prozent Rabatt auf ihren Strompreis. Zu besonders windstarken Zeiten sind es 50 Prozent.
Optionen zum breiteren Rollout der „Fanclubs“ in Deutschland werden dem Unternehmen zufolge zurzeit geprüft – möglicherweise nicht nur mit einer Kopplung an eigene Windkraftanlagen, sondern auch in Kooperation mit anderen Windparkbetreibern.
 
 

Lohnende Flexibilität

In Großbritannien haben sich Octopus Energy zufolge in diesem Winter rund 1,2 Millionen eigene Kunden für die sogenannten Saving Sessions angemeldet. In dem landesweiten Projekt testen die Energieversorger und National Grid, der nationale Übertragungsnetzbetreiber, inwieweit man Netzengpässe durch eine freiwillige Lastverschiebung abfedern kann. Teilnehmen können Verbraucher, bei denen ein Smart Meter installiert ist. Für die Flexibilisierung des Verbrauchs zahlt der Netzbetreiber einen Mindestbetrag von 3.000 Pfund pro verschobener Megawattstunde, also umgerechnet 3,50 Euro/kWh. Wie viel Geld letztlich bei den Kunden ankommt, ist neben dem eigenen Verbrauch auch vom Bonussystem des Versorgers abhängig.
Bislang (Stand: 15. Januar 2024) gab es acht „Sessions“ über eine Zeit von insgesamt neun Stunden, über die alle angemeldeten Kunden – mehr als 1 Million von Octopus – benachrichtigt wurden. Daraufhin wurden insgesamt 1.207 MWh aus den Peak-Zeiten heraus verschoben. Für diese neun Stunden hat Octopus nach eigenen Angaben 3,6 Millionen Pfund (4,2 Millionen Euro) an seine Kunden ausgezahlt.
Bei einer ersten Auflage der Saving Sessions im Winter 2022/23 gab es 13 Zeiträume mit jeweils etwa zwei Stunden Peak-Zeit. Damals verschoben rund 700.000 Kunden von Octopus Energy ihren Verbrauch im Umfang von 1.860 MWh und erhielten dafür vom Versorger nach dessen Angaben umgerechnet knapp 6,2 Millionen Euro.
Auch wenn die Erlöse der einzelnen Kunden überschaubar sind, sehen die Verantwortlichen bei Octopus Energy die große Zahl von Teilnehmern an den Saving Sessions als Indiz dafür, dass auch bei kleinen Anreizen die Bereitschaft der Haushalte groß ist, an der Flexibilisierung des Energiesystems mitzuwirken, und dass eine kritische Masse an Flexibilisierungspotenzial auch mit Haushalten erreicht werden kann.
Angesichts des noch nicht flächendeckenden Rollouts intelligenter Messsysteme in Deutschland sei das Projekt hierzulande allerdings noch nicht sinnvoll umsetzbar.
 


 

 

Montag, 12.02.2024, 09:20 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Ausgabe - „Wir wollen in diesem Markt eine ganz zentrale Rolle spielen“
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Ausgabe
„Wir wollen in diesem Markt eine ganz zentrale Rolle spielen“
Deutschland-Chef Bastian Gierull sieht Octopus Energy langfristig als Anbieter von Komplettlösungen, aber künftig auch als wettbewerblicher Messstellenbetreiber.
E&M: Herr Gierull, Sie werben für flexible Tarife. Welche Rolle spielen dabei intelligente Messysteme?

Gierull: Sowohl für unseren Ladetarif Octopus Go als auch für den Wärmepumpentarif Octopus Heat ist ein intelligentes Messsystem Voraussetzung. Zähler und Smart Meter Gateway sind deshalb auch Bestandteil des Bestellprozesses für diese Tarife.

E&M: Richten die grundzuständigen Messstellenbetreiber dann den Rollout nach Ihren Kunden aus?

Gierull: Nachdem wir die Tarife vor etwa fünf Monaten an den Markt gebracht hatten, sind wir sehr schnell mit unseren Partnern beim Rollout vorangekommen. Allerdings stellen wir fest, dass eine ganze Reihe von grundzuständigen Messstellenbetreibern sich noch sehr zurückhält und noch nicht in großer Stückzahl die Geräte verbaut. Aus diesem Grund haben wir entschieden, wettbewerblicher Messtellenbetreiber zu werden und eigene Installationskapazitäten aufzubauen. Wir wollen selbst Smart Meter installieren, weil wir überzeugt davon sind, dass die Transformation des Energiesystems nur gelingt, wenn intelligente Messsysteme flächendeckend ausgerollt sind. Dazu wollen wir beitragen.

E&M: Wie werden diese Installationskapazitäten aussehen?

Gierull: Das werden in erster Linie eigene Mitarbeiter sein. Denn unsere Erfahrung zeigt, dass eine schnelle Skalierung und gleichzeitig die Einhaltung eines bestimmten Qualitätsniveaus nur mit eigenen Mitarbeitern möglich ist. Dabei hilft uns sehr, dass wir gerade eine Workforce für die Installation von Wärmepumpen aufbauen. Gleichzeitig mit den Wärmepumpen bringen wir die Smart Meter zu den Kunden und installieren sie.
 
„Das intelligente Messsystem ist Mittel zum Zweck“
 
E&M: Gehören die Wärmepumpen dann zu einem Bündel, das Sie als wettbewerblicher Messstellenbetreiber anbieten? Sie haben ja deutlich mehr Freiheitsgrade in der Produktgestaltung als ein grundzuständiger Messstellenbetreiber.

Gierull: Wir sehen uns in erster Linie nicht als Messstellenbetreiber, sondern langfristig als Anbieter von Komplettlösungen. Für uns sind Wärmepumpe, Wallbox, Speicher, PV-Anlage und das intelligente Messsystem eine Einheit. Dabei ist das intelligente Messsystem ein Mittel zum Zweck. Es lässt sich aus meiner Sicht mit dem Router in der Telekommunikation vergleichen. Der ist notwendig, um die Dienste der Anbieter nutzen zu können. So wird es bei uns auch sein. Der Betrieb einer Wärmepumpe oder der Betrieb einer Wallbox ist der Use Case. Dafür sind dann intelligente Messsysteme unverzichtbar, sowohl aus Sicht des Netzbetreibers als auch aus der Perspektive der Kunden. Denn nur diese Technologie ermöglicht es uns, den Kunden alle Vorteile eines flexiblen Stromsystems zu erschließen.

E&M: Sind flexible Tarife ohne intelligentes Messsystem möglich?

Gierull: Ohne intelligente Messsysteme ist nur sehr wenig wirklich sinnvoll umsetzbar. Wir bieten noch einen weiteren Ladetarif an, der grundsätzlich auch ohne intelligentes Messsystem funktioniert und die Technik im Auto und an der Wallbox für das smarte Laden nutzt. Aber damit ist das Steuern des Vorgangs aufwändiger und eine sekundenscharfe Abrechnung praktisch nicht möglich. Deshalb bevorzugen wir ganz klar das intelligente Messsystem – und installieren es auch kostenlos für die Kunden.

E&M: Wie ist das möglich?

Gierull: Für den Messstellenbetrieb fallen zwar Kosten an, die aber überschaubar sind. Die Geräte und ihr Einbau sind dagegen kostenlos. Die Monteure sind ohnehin vor Ort. Sie müssen nicht zweimal anfahren. Das spart viel Geld. Außerdem vermarkten wir die Flexibilität der Kunden. Wir sind davon überzeugt, dass dies künftig ein wesentliches Geschäftsfeld für Energieversorger wird. Aber die Kunden selbst profitieren natürlich ebenfalls davon. Vor diesem Hintergrund stellt sich erfahrungsgemäß auch nicht mehr die Frage, ob die Kunden ein intelligentes Messsystem haben wollen oder nicht. Wir müssen gar nicht mehr für dessen Akzeptanz werben. Die kommt von ganz alleine – und zu 100 Prozent.
 
„Wir vermarkten die Flexibilität der Kunden“
 
E&M: Akzeptanz ist das Eine, Verfügbarkeit das Andere. Damit die Kunden den Nutzen auch erfahren, müssen Sie die Geräte in ausreichender Stückzahl beschaffen können. Spüren Sie noch etwas von den Lieferengpässen in den vergangenen beiden Jahren?

Gierull: Wir sind mit der Skalierung noch nicht so weit fortgeschritten, dass es Probleme mit den Bestellmengen geben würde. Aber in den Gesprächen mit den Smart-Meter-Gateway-Herstellern haben wir den Eindruck gewonnen, dass sie sich gut auf die Skalierung vorbereiten und künftig auch in der Lage sein werden, große Stückzahlen zu liefern.

E&M: … die Sie auch benötigen werden?

Gierull: Wir wollen in diesem Markt eine ganz zentrale Rolle spielen, ähnlich wie in Großbritannien. Dort ist Octopus Energy einer der größten Installateure von Smart Metern. Aber wie gesagt, die Technik sehen wir lediglich als Mittel zum Zweck, um letztendlich Komplettangebote an den Markt zu bringen.

E&M: Könnten Sie sich auch vorstellen, Heimenergiemanagementsysteme anzubieten, die das Zusammenspiel der Komponenten hinter dem Netzanschluss optimieren? Damit könnte man beispielsweise vermeiden, dass Netzbetreiber bei Netzengpässen nicht einzelne Anlagen steuern müssen, sondern nur dem Netzanschluss eine Leistungsbegrenzung vorgeben.

Gierull: Vorstellbar ist das. Wir glauben sowieso nicht, dass das direkte Regeln von Anlagen durch den Netzbetreiber notwendig ist, wenn die richtigen Anreize für die Kunden geschaffen werden. Unsere Erfahrung aus anderen Ländern hat uns das gelehrt.

E&M: Marktliche Anreize können aber unter Umständen zu einer ungewollten Gleichzeitigkeit des Verbrauchs vieler Kunden führen.

Gierull: Das ist richtig. Aber da wir die Kunden an unsere Smart-Grid-Plattform „Kraken“ anbinden, haben wir jederzeit den Überblick und können je nach Netzsituation das entsprechende Verbrauchsverhalten incentivieren beziehungsweise im Rahmen bestimmter Parameter auch steuern. Wir zahlen dem Kunden, wenn er uns die Ladevorgänge überlässt, eine Vergütung von 10 oder 30 Euro pro Monat. Und gleichzeitig können wir verhindern, dass der Kunde mit seinem Tarif in eine börsliche Preisspitze hineinläuft.

E&M: Wonach richtet sich die Höhe der Vergütung?

Gierull: Nach dem Aufwand, der für die Steuerung und Abrechnung anfällt, ob er ein intelligentes Messsystem hat oder nicht.

E&M: Sie Vermarkten also die Flexibilität des Kunden und lassen ihn an den Erlösen partizipieren.

Gierull: Genau. In England haben alle Beteiligten – die Netzbetreiber, die Kunden und wir als Versorger und Flexibilitätsmanager – damit schon sehr gute Erfahrungen gemacht. Es geht so weit, dass wir sogar mit unserem Produkt „Zero Bills Home“ dem Kunden eine kostenfreie Energieversorgung über fünf Jahre garantieren können, wenn sein Haus nach bestimmten Spezifikationen gebaut ist und die PV-Anlage, der Speicher und die Wärmepumpe eine gewisse Größe haben. Dann muss der Kunde nichts mehr machen. Wir managen über unsere Plattform seine Flexibilität, seinen Verbrauch und seine Einspeisung, sichern seine Versorgung und schreiben dafür nicht mal mehr eine Rechnung. Mit 250 Haushalten ist das Produkt in England angelaufen. Wir überlegen gerade, ob wir schon in diesem Jahr damit in Deutschland starten können.
 
Störer: „Ohne intelligente Messsysteme ist nur sehr wenig wirklich sinnvoll umsetzbar“

 
Bastian Gierull, Deutschland-Chef von Octopus Energy
Quelle: Octopus Energy Germany
 

Flexible Tarife im Fokus

Im vergangenen Jahr brachte Octopus Energy einen zeitvariablen Wärmepumpentarif, der den Tag in fünf Abschnitte unterteilt mit jeweils rabattierten Arbeitspreisen, in Deutschland auf den Markt. Ein weiterer Tarif ist auf das optimierte Laden von E-Autos über Nacht ausgelegt – konkret zwischen 0 und 5 Uhr. Voraussetzung für die Nutzung der beiden Tarife ist der Einsatz eines intelligente Messsystems.
Mit und ohne Smart Meter ist die Nutzung von „Intelligent Octopus“ (IO) – so der Name des Services – möglich. Dabei wird ein Ladeplan unter Berücksichtigung der Nutzerpräferenzen erstellt und der Ladevorgang über das intelligente Messsystem oder die Technik in Wallbox und Fahrzeug gesteuert. Die Kunden ohne Smart Meter bekommen monatlich 10 Euro und diejenigen mit Smart Meter monatlich 30 Euro als Vergütung in diesem Tarif, wenn sie ihr Auto mindestens fünf mal intelligent über IO laden.
Mit Strompreis-Rabatten für Mitglieder des „Fanclubs“ will Octopus zeigen, wie einfach es grundsätzlich ist, Anreize für eine Flexibilisierung des Verbrauchs auf lokaler Ebene zu setzen und die Akzeptanz der Windkraft vor Ort zu erhöhen. Voraussetzung ist derzeit eine lokale Nähe zu Windparks des Anbieters. Umgesetzt ist das Konzept aktuell in Brandenburg, wo ein Windpark, in den Octopus Energy Generation investiert hat, als Referenz dient. Wenn dort eine bestimmte Mindest-Windgeschwindigkeit erreicht wird, erhalten die Kunden 20 Prozent Rabatt auf ihren Strompreis. Zu besonders windstarken Zeiten sind es 50 Prozent.
Optionen zum breiteren Rollout der „Fanclubs“ in Deutschland werden dem Unternehmen zufolge zurzeit geprüft – möglicherweise nicht nur mit einer Kopplung an eigene Windkraftanlagen, sondern auch in Kooperation mit anderen Windparkbetreibern.
 
 

Lohnende Flexibilität

In Großbritannien haben sich Octopus Energy zufolge in diesem Winter rund 1,2 Millionen eigene Kunden für die sogenannten Saving Sessions angemeldet. In dem landesweiten Projekt testen die Energieversorger und National Grid, der nationale Übertragungsnetzbetreiber, inwieweit man Netzengpässe durch eine freiwillige Lastverschiebung abfedern kann. Teilnehmen können Verbraucher, bei denen ein Smart Meter installiert ist. Für die Flexibilisierung des Verbrauchs zahlt der Netzbetreiber einen Mindestbetrag von 3.000 Pfund pro verschobener Megawattstunde, also umgerechnet 3,50 Euro/kWh. Wie viel Geld letztlich bei den Kunden ankommt, ist neben dem eigenen Verbrauch auch vom Bonussystem des Versorgers abhängig.
Bislang (Stand: 15. Januar 2024) gab es acht „Sessions“ über eine Zeit von insgesamt neun Stunden, über die alle angemeldeten Kunden – mehr als 1 Million von Octopus – benachrichtigt wurden. Daraufhin wurden insgesamt 1.207 MWh aus den Peak-Zeiten heraus verschoben. Für diese neun Stunden hat Octopus nach eigenen Angaben 3,6 Millionen Pfund (4,2 Millionen Euro) an seine Kunden ausgezahlt.
Bei einer ersten Auflage der Saving Sessions im Winter 2022/23 gab es 13 Zeiträume mit jeweils etwa zwei Stunden Peak-Zeit. Damals verschoben rund 700.000 Kunden von Octopus Energy ihren Verbrauch im Umfang von 1.860 MWh und erhielten dafür vom Versorger nach dessen Angaben umgerechnet knapp 6,2 Millionen Euro.
Auch wenn die Erlöse der einzelnen Kunden überschaubar sind, sehen die Verantwortlichen bei Octopus Energy die große Zahl von Teilnehmern an den Saving Sessions als Indiz dafür, dass auch bei kleinen Anreizen die Bereitschaft der Haushalte groß ist, an der Flexibilisierung des Energiesystems mitzuwirken, und dass eine kritische Masse an Flexibilisierungspotenzial auch mit Haushalten erreicht werden kann.
Angesichts des noch nicht flächendeckenden Rollouts intelligenter Messsysteme in Deutschland sei das Projekt hierzulande allerdings noch nicht sinnvoll umsetzbar.
 


 

 

Montag, 12.02.2024, 09:20 Uhr
Fritz Wilhelm

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