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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - „Weiter im Klimaschutz vorangehen“
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E&M Vor 20 Jahren

„Weiter im Klimaschutz vorangehen“

Vor 20 Jahren sprach die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, über die internationale Konferenz „renewables 2004“. 
Bereits vor 20 Jahren wollte Heidemarie Wieczorek-Zeul den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben, und zwar weltweit. Die E&M-Kollegin Cerstin Gammelin sprach im März 2004 mit der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über ihre Gründe und die internationale Konferenz „renewables 2004“, zu der Bundeskanzler Gerhard Schröder die Staaten der Welt eingeladen hatte.
 
E&M: Frau Wieczorek-Zeul, jüngst verblüffte das US-amerikanische Pentagon mit einer Warnung vor den dramatischen Folgen drohender Klimaveränderungen. Wie seriös bewerten Sie das entsprechende Gutachten?

Wieczorek-Zeul: Das Pentagon-Gutachten hält der amerikanischen Administration den Spiegel vor. Es fordert praktisch dazu auf, endlich das Kioto-Protokoll zu unterschreiben und verbindlich Klimaschutz zu betreiben. Die weiteren Empfehlungen des Gutachtens erscheinen mir weniger realitätsbezogen.

E&M: Allerdings bezieht das Kioto-Protokoll große Emittenten wie China oder Indien nicht in die Verpflichtungen zur Reduktion der Emissionen mit ein. Müsste das Protokoll an dieser Stelle nicht mindestens nachverhandelt werden?

Wieczorek-Zeul: Globale Verhandlungsprozesse dauern viele Jahre. Angesichts der Klimaveränderungen haben wir keine weitere Zeit zu verlieren. Deshalb sollten wir den Druck auf die Länder erhöhen, die nicht unterschrieben haben. Die führenden Wirtschaftsnationen G8 stehen in diesem Jahr unter der Leitung der Vereinigten Staaten von Amerika. Das könnte für die Amerikaner ein Anreiz sein, Führungsqualitäten in einem bisher nicht erwarteten Feld zu zeigen.

E&M: Dennoch bleiben die gewaltigen Emissionen der Entwicklungsländer. Allein China wird dieses Jahr achthundert Millionen Tonnen Kohlendioxid emittieren.

Wieczorek-Zeul: In Indien oder China können Instrumente wie Clean Development Mechanism sehr schnell zu Investitionen und damit zu weniger Emissionen führen. Dazu fördern wir mit unserer Entwicklungszusammenarbeit gerade den Ausbau erneuerbarer Energien in China und Maßnahmen zur Energieeffizienz. Schließlich können wir Ländern wie Indien und China nicht das Recht auf Entwicklung absprechen – wir müssen sie nur dabei unterstützen, diese nachhaltig zu gestalten.

E&M: Können Industriestaaten von außen den Klimaschutz in Entwicklungsländer bringen?

Wieczorek-Zeul: Ein Land wie China wird seine Entwicklung nach eigenem Ermessen gestalten. Wir können nur eine Zusammenarbeit anbieten, damit beispielsweise die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern oder mit effizienten Technologien gefördert werden. Die chinesische Regierung hat übrigens ein großes Interesse an dieser Zusammenarbeit.

E&M: Aber im Moment baut China eher Kohlekraftwerke als Windräder.

Wieczorek-Zeul: Deshalb müssen wir uns stärker auf Energieeffizienz und die Anwendung der neuesten Technologien orientieren.

E&M: Nun scheitert der Export deutscher Technologie gelegentlich an finanziellen Engpässen oder am Investitionsklima vor Ort.

Wieczorek-Zeul: Genau diese Probleme sollen auf der Internationalen Konferenz zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Bonn (renewables 2004, die Red.) angepackt werden. Wir wollen best practice-Methoden der einzelnen Länder diskutieren und einen Aktionsplan verabschieden, der politische Leitlinien für den Ausbau der klimafreundlichen Energieerzeugung definieren wird.

E&M: Die deutsche Wirtschaft votiert zumindest teilweise heftig gegen Deutschlands bisherige Vorreiterrolle im Klimaschutz. Nun hat Bundeskanzler Gerhard Schröder nach langem Zögern persönlich zur Konferenz nach Bonn eingeladen. Bleiben Klimaschutz und erneuerbare Energien Chefsache?

Wieczorek-Zeul: Erst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass es hier kein Zögern gab. Gerhard Schröder hat schon auf dem Weltgipfel in Johannesburg im September 2002 zu dieser Konferenz eingeladen. Natürlich wird Deutschland weiter im Klimaschutz vorangehen. Ein großer Teil der Wirtschaft zeigt deutliches Interesse an klimafreundlichen Innovationen. Speziell durch den Ausbau der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien sind 130 000 Arbeitsplätze in Deutschland entstanden. Auch künftig werden die Volkswirtschaften, die Innovationen durchsetzen, auf dem Weltmarkt an der Spitze stehen. Innovationen bedeuten nicht nur die Entwicklung von Hochtechnologie, sondern sie verknüpfen Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Ressourcenschonung. Eine zunehmende Unabhängigkeit vom teuren Erdöl entlastet auch die Haushalte der Entwicklungsländer. Nicht zuletzt sind erneuerbare Energien auch friedenspolitisch bedeutsam, weil sie vielen Menschen den Zugang zu Energie dezentral und vorbei an vermachteten Strukturen ermöglichen.

„Die Weltbank zu einer Entwicklungsbank ausbauen“

E&M: Dennoch investieren die Konzerne lieber Milliarden von Dollars in neue Pipelines, aber kaum in Sonnenkollektoren.

Wieczorek-Zeul: Die Gesamtkosten der Energieerzeugung werden unter Entwicklungsministern und innerhalb der Weltbank heiß diskutiert. Es ist klar, dass die Kosten für Umwelt- und Klimaschutz, die durch fossile oder erneuerbare Energieerzeugung entstehen, mit in die Rechnung einbezogen werden müssen. Folglich ist die jetzige Struktur der Energieerzeugung am wenigsten nachhaltig. Deshalb finanzieren wir in unserer Entwicklungszusammenarbeit bilateral, aber auch multilateral über die Weltbank, Investitionen in erneuerbare Energien. Die Weltbank muss zu einer Entwicklungsbank für nachhaltige Energieerzeugung ausgebaut werden. Außerdem wollen wir mit der renewables 2004 eine Koalition der Willigen für eine neue Energiezukunft schmieden.

E&M: Auf der Konferenz soll ein Plan zum Ausbau der erneuerbaren Energien verabschiedet werden. Welche Ziele visieren Sie an? 

Wieczorek-Zeul: Wir stecken mitten in der Diskussion. Es wäre ein Riesenschritt, wenn sich die Teilnehmer verpflichten würden, fünfhundert Millionen Menschen den Anschluss an ein Stromnetz und weiteren dreihundert Millionen Menschen Zugang zur dezentralen Stromversorgung aus erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Zweihundert Millionen Menschen könnten über Biomassekraftwerke versorgt werden. Das entspricht auch dem Vorschlag der G8-Task-Force zu erneuerbaren Energien.

E&M: Es gibt Bestrebungen, bis 2020 rund ein Fünftel des globalen Energiebedarfs mit Sonne, Wind und Biomasse zu decken.

Wieczorek-Zeul: Es ist nicht unrealistisch, dass sich die Weltgemeinschaft auf dieses Ziel insgesamt einigt. Allerdings wird sich jeder Kontinent individuelle Ziele setzen, die je nach Ressourcen und Finanzen schneller oder langsamer in eigener Verantwortung erreicht werden.

E&M: Die renewables 2004 soll auch zur Bündelung der klimafreundlichen Kräfte beitragen. Beispielsweise wollen Parlamentarier eine internationale Agentur zum Ausbau erneuerbarer Energien (IRENA, die Red.) gründen.

Wieczorek-Zeul: Die Bonner Konferenz will alle Kräfte poolen, die sich weltweit für den Ausbau der erneuerbaren Energien einsetzen. Wir müssen eine Struktur schaffen, die einen Folgeprozess nach Bonn ermöglicht, die die Spielregeln für den Ausbau der erneuerbaren Energien festlegt und die sowohl fachliche als auch finanzielle Unterstützung sichert. Wie diese Organisation heißt, muss dann entschieden werden. Wichtig ist, dass sie funktioniert.

„Nicht auf die Langsamsten warten“

E&M: Das Monitoring des Bonner Aktionsplanes soll durch die Vereinten Nationen durchgeführt werden. Wie soll die New Yorker Behörde eingebunden werden?

Wieczorek-Zeul: Die Konferenz soll kein singuläres Ereignis bleiben, sondern vielmehr der Startpunkt entschlossenen internationalen Handelns sein. Entscheidend ist die langfristige Perspektive, für die wir heute die Weichen stellen müssen. Wir brauchen eine internationale Architektur für nachhaltige Energie mit entsprechend starken Institutionen - und an dieser Architektur müssen wir Schritt für Schritt, aber entschieden, arbeiten. Wichtig ist, dass die Vereinten Nationen in den Prozess eingebunden sind. Wie wir dies am besten machen, muss auf der Konferenz diskutiert werden. Ziel muss es sein, die Stärken der Vereinten Nationen zu nutzen, ohne dass wir uns durch politische Blockaden handlungsunfähig machen lassen. Wir müssen auf den Stillstand in globalen Foren reagieren. Wenn nach dem Geleitzugprinzip immer das langsamste Schiff die Geschwindigkeit bestimmen soll, kommen wir nicht rasch genug weiter. Wir werden bei dem Folgeprozess zur renewables 2004 niemanden ausschließen, werden aber auch nicht auf die Langsamsten warten.

E&M: Auch die Deutsche Exportinitiative soll erneuerbare Energien in die Welt bringen. Konnten Sie sich bereits vor Ort vom Erfolg dieser Initiative überzeugen?

Wieczorek-Zeul: Die Exportinitiative ist sehr jung, Erfolge werden wir in den nächsten Jahren sehen können. Mit der Initiative hat die Bundesregierung einen wichtigen und richtigen Schritt getan. Mit ihr unterstützen wir weltweite Werbung, beispielsweise auf Exportmessen, für Technologien aus Deutschland, die der Nutzung erneuerbarer Energien dienen. Was dem Umweltschutz und der Bekämpfung der Armut in der Welt dient, soll gleichzeitig auch der Schaffung von Arbeitsplätzen dienen. Bei Windkraft- und Solaranlagen, aber auch bei modernster Technik zur Nutzung von Erdwärme, Biomasse und Wasserkraft, zählen deutsche Firmen zu den Weltmarktführern. Diese Chancen werden wir nutzen.

E&M: Deutsche Exporteure bemängeln gelegentlich, dass der politische Boden in den Entwicklungsländern zu wenig beackert wird.

Wieczorek-Zeul: Es macht wenig Sinn, einem Land eine Technologie anzubieten, die nicht in dessen wirtschaftliche Strukturen passt. Doch möchte ich darauf hinweisen, dass es Entwicklungsländer gibt, in denen es beachtliche Erfolge gibt – so beispielsweise die ländliche Stromerzeugung über Photovoltaik in Marokko oder die Nutzung der Erdwärme in Kenia. Wir treten mit unseren Partnern in einen regen Austausch, weisen auf die Vorteile der Erneuerbaren Energien hin und beraten sie. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit stellt für fünf Jahre insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung, um die Einführung und Nutzung erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern und eine höhere Energieeffizienz voranzutreiben.

E&M: Eine Kommission der Weltbank unter Leitung von Emil Salim hat vorgeschlagen, Kredite im Energiebereich ab 2008 statt für Öl- und Kohleprojekte nur noch für erneuerbare Energien zu vergeben. Halten Sie das für richtig?

Wieczorek-Zeul: Wir unterstützen den Salim-Bericht. Derzeit werden lediglich sechs Prozent der Weltbankkredite für Projekte mit erneuerbaren Energien vergeben. 1990 waren es nur zwei Prozent. Hier hat die Weltbank ihr Portfolio bereits ausgebaut, und nach meiner Meinung muss sie noch erheblich mehr die erneuerbaren Energien unterstützen - durch zusätzliche Mittel und Umschichtungen. Allerdings kann in der fossilen Energieerzeugung gerade in Entwicklungsländern noch ein großes Potenzial an Effizienzverbesserungen gehoben werden. Das müssen wir unterstützen, weil Schwellenländer für viele weitere Jahre fossile Kraftwerke notwendigerweise nutzen werden. Die Weltbank sollte hier aber vor allem die modernsten und umweltfreundlichsten Technologien fördern. Hier ist also eine Differenz zum Salim-Bericht.

E&M: Sie unterstützen dennoch die Baku-Tiblissi-Ceyhan-Pipeline. Weil sie modern und umweltfreundlich ist?

Wieczorek-Zeul: Wir unterstützen nicht die Firmen, die die Pipeline bauen. Die Weltbank beteiligt sich mit einem geringen Fördervolumen, weil sie dadurch ein firmenunabhängiges Monitoring sichert, das Umweltschutz und Menschenrechte sichert. Wir wollen einen Fuß in der Tür behalten, um Standards für die betroffene Bevölkerung zu bewahren.

E&M: Wird die Weltbank den Empfehlungen Salims folgen?

Wieczorek-Zeul: Es gibt viel Widerstand, gerade von den USA. Die Bundesrepublik wird versuchen, Unterstützung zu mobilisieren. Auf der Frühjahrstagung der Weltbank im April sind Abstimmungen möglich. Und ich hoffe, dass die renewables 2004 die Positionen des Berichtes zu den erneuerbaren Energien stärken kann. Ich plädiere deshalb für einen längeren Abstimmungsprozess, an dessen Ende ein positives Ergebnis steht.

Freitag, 1.03.2024, 06:50 Uhr
Cerstin Gammelin
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E&M Vor 20 Jahren
„Weiter im Klimaschutz vorangehen“
Vor 20 Jahren sprach die Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Heidemarie Wieczorek-Zeul, über die internationale Konferenz „renewables 2004“. 
Bereits vor 20 Jahren wollte Heidemarie Wieczorek-Zeul den Ausbau der erneuerbaren Energien vorantreiben, und zwar weltweit. Die E&M-Kollegin Cerstin Gammelin sprach im März 2004 mit der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über ihre Gründe und die internationale Konferenz „renewables 2004“, zu der Bundeskanzler Gerhard Schröder die Staaten der Welt eingeladen hatte.
 
E&M: Frau Wieczorek-Zeul, jüngst verblüffte das US-amerikanische Pentagon mit einer Warnung vor den dramatischen Folgen drohender Klimaveränderungen. Wie seriös bewerten Sie das entsprechende Gutachten?

Wieczorek-Zeul: Das Pentagon-Gutachten hält der amerikanischen Administration den Spiegel vor. Es fordert praktisch dazu auf, endlich das Kioto-Protokoll zu unterschreiben und verbindlich Klimaschutz zu betreiben. Die weiteren Empfehlungen des Gutachtens erscheinen mir weniger realitätsbezogen.

E&M: Allerdings bezieht das Kioto-Protokoll große Emittenten wie China oder Indien nicht in die Verpflichtungen zur Reduktion der Emissionen mit ein. Müsste das Protokoll an dieser Stelle nicht mindestens nachverhandelt werden?

Wieczorek-Zeul: Globale Verhandlungsprozesse dauern viele Jahre. Angesichts der Klimaveränderungen haben wir keine weitere Zeit zu verlieren. Deshalb sollten wir den Druck auf die Länder erhöhen, die nicht unterschrieben haben. Die führenden Wirtschaftsnationen G8 stehen in diesem Jahr unter der Leitung der Vereinigten Staaten von Amerika. Das könnte für die Amerikaner ein Anreiz sein, Führungsqualitäten in einem bisher nicht erwarteten Feld zu zeigen.

E&M: Dennoch bleiben die gewaltigen Emissionen der Entwicklungsländer. Allein China wird dieses Jahr achthundert Millionen Tonnen Kohlendioxid emittieren.

Wieczorek-Zeul: In Indien oder China können Instrumente wie Clean Development Mechanism sehr schnell zu Investitionen und damit zu weniger Emissionen führen. Dazu fördern wir mit unserer Entwicklungszusammenarbeit gerade den Ausbau erneuerbarer Energien in China und Maßnahmen zur Energieeffizienz. Schließlich können wir Ländern wie Indien und China nicht das Recht auf Entwicklung absprechen – wir müssen sie nur dabei unterstützen, diese nachhaltig zu gestalten.

E&M: Können Industriestaaten von außen den Klimaschutz in Entwicklungsländer bringen?

Wieczorek-Zeul: Ein Land wie China wird seine Entwicklung nach eigenem Ermessen gestalten. Wir können nur eine Zusammenarbeit anbieten, damit beispielsweise die Energieerzeugung aus erneuerbaren Energieträgern oder mit effizienten Technologien gefördert werden. Die chinesische Regierung hat übrigens ein großes Interesse an dieser Zusammenarbeit.

E&M: Aber im Moment baut China eher Kohlekraftwerke als Windräder.

Wieczorek-Zeul: Deshalb müssen wir uns stärker auf Energieeffizienz und die Anwendung der neuesten Technologien orientieren.

E&M: Nun scheitert der Export deutscher Technologie gelegentlich an finanziellen Engpässen oder am Investitionsklima vor Ort.

Wieczorek-Zeul: Genau diese Probleme sollen auf der Internationalen Konferenz zum Ausbau der erneuerbaren Energien in Bonn (renewables 2004, die Red.) angepackt werden. Wir wollen best practice-Methoden der einzelnen Länder diskutieren und einen Aktionsplan verabschieden, der politische Leitlinien für den Ausbau der klimafreundlichen Energieerzeugung definieren wird.

E&M: Die deutsche Wirtschaft votiert zumindest teilweise heftig gegen Deutschlands bisherige Vorreiterrolle im Klimaschutz. Nun hat Bundeskanzler Gerhard Schröder nach langem Zögern persönlich zur Konferenz nach Bonn eingeladen. Bleiben Klimaschutz und erneuerbare Energien Chefsache?

Wieczorek-Zeul: Erst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass es hier kein Zögern gab. Gerhard Schröder hat schon auf dem Weltgipfel in Johannesburg im September 2002 zu dieser Konferenz eingeladen. Natürlich wird Deutschland weiter im Klimaschutz vorangehen. Ein großer Teil der Wirtschaft zeigt deutliches Interesse an klimafreundlichen Innovationen. Speziell durch den Ausbau der Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien sind 130 000 Arbeitsplätze in Deutschland entstanden. Auch künftig werden die Volkswirtschaften, die Innovationen durchsetzen, auf dem Weltmarkt an der Spitze stehen. Innovationen bedeuten nicht nur die Entwicklung von Hochtechnologie, sondern sie verknüpfen Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Ressourcenschonung. Eine zunehmende Unabhängigkeit vom teuren Erdöl entlastet auch die Haushalte der Entwicklungsländer. Nicht zuletzt sind erneuerbare Energien auch friedenspolitisch bedeutsam, weil sie vielen Menschen den Zugang zu Energie dezentral und vorbei an vermachteten Strukturen ermöglichen.

„Die Weltbank zu einer Entwicklungsbank ausbauen“

E&M: Dennoch investieren die Konzerne lieber Milliarden von Dollars in neue Pipelines, aber kaum in Sonnenkollektoren.

Wieczorek-Zeul: Die Gesamtkosten der Energieerzeugung werden unter Entwicklungsministern und innerhalb der Weltbank heiß diskutiert. Es ist klar, dass die Kosten für Umwelt- und Klimaschutz, die durch fossile oder erneuerbare Energieerzeugung entstehen, mit in die Rechnung einbezogen werden müssen. Folglich ist die jetzige Struktur der Energieerzeugung am wenigsten nachhaltig. Deshalb finanzieren wir in unserer Entwicklungszusammenarbeit bilateral, aber auch multilateral über die Weltbank, Investitionen in erneuerbare Energien. Die Weltbank muss zu einer Entwicklungsbank für nachhaltige Energieerzeugung ausgebaut werden. Außerdem wollen wir mit der renewables 2004 eine Koalition der Willigen für eine neue Energiezukunft schmieden.

E&M: Auf der Konferenz soll ein Plan zum Ausbau der erneuerbaren Energien verabschiedet werden. Welche Ziele visieren Sie an? 

Wieczorek-Zeul: Wir stecken mitten in der Diskussion. Es wäre ein Riesenschritt, wenn sich die Teilnehmer verpflichten würden, fünfhundert Millionen Menschen den Anschluss an ein Stromnetz und weiteren dreihundert Millionen Menschen Zugang zur dezentralen Stromversorgung aus erneuerbaren Energien zu ermöglichen. Zweihundert Millionen Menschen könnten über Biomassekraftwerke versorgt werden. Das entspricht auch dem Vorschlag der G8-Task-Force zu erneuerbaren Energien.

E&M: Es gibt Bestrebungen, bis 2020 rund ein Fünftel des globalen Energiebedarfs mit Sonne, Wind und Biomasse zu decken.

Wieczorek-Zeul: Es ist nicht unrealistisch, dass sich die Weltgemeinschaft auf dieses Ziel insgesamt einigt. Allerdings wird sich jeder Kontinent individuelle Ziele setzen, die je nach Ressourcen und Finanzen schneller oder langsamer in eigener Verantwortung erreicht werden.

E&M: Die renewables 2004 soll auch zur Bündelung der klimafreundlichen Kräfte beitragen. Beispielsweise wollen Parlamentarier eine internationale Agentur zum Ausbau erneuerbarer Energien (IRENA, die Red.) gründen.

Wieczorek-Zeul: Die Bonner Konferenz will alle Kräfte poolen, die sich weltweit für den Ausbau der erneuerbaren Energien einsetzen. Wir müssen eine Struktur schaffen, die einen Folgeprozess nach Bonn ermöglicht, die die Spielregeln für den Ausbau der erneuerbaren Energien festlegt und die sowohl fachliche als auch finanzielle Unterstützung sichert. Wie diese Organisation heißt, muss dann entschieden werden. Wichtig ist, dass sie funktioniert.

„Nicht auf die Langsamsten warten“

E&M: Das Monitoring des Bonner Aktionsplanes soll durch die Vereinten Nationen durchgeführt werden. Wie soll die New Yorker Behörde eingebunden werden?

Wieczorek-Zeul: Die Konferenz soll kein singuläres Ereignis bleiben, sondern vielmehr der Startpunkt entschlossenen internationalen Handelns sein. Entscheidend ist die langfristige Perspektive, für die wir heute die Weichen stellen müssen. Wir brauchen eine internationale Architektur für nachhaltige Energie mit entsprechend starken Institutionen - und an dieser Architektur müssen wir Schritt für Schritt, aber entschieden, arbeiten. Wichtig ist, dass die Vereinten Nationen in den Prozess eingebunden sind. Wie wir dies am besten machen, muss auf der Konferenz diskutiert werden. Ziel muss es sein, die Stärken der Vereinten Nationen zu nutzen, ohne dass wir uns durch politische Blockaden handlungsunfähig machen lassen. Wir müssen auf den Stillstand in globalen Foren reagieren. Wenn nach dem Geleitzugprinzip immer das langsamste Schiff die Geschwindigkeit bestimmen soll, kommen wir nicht rasch genug weiter. Wir werden bei dem Folgeprozess zur renewables 2004 niemanden ausschließen, werden aber auch nicht auf die Langsamsten warten.

E&M: Auch die Deutsche Exportinitiative soll erneuerbare Energien in die Welt bringen. Konnten Sie sich bereits vor Ort vom Erfolg dieser Initiative überzeugen?

Wieczorek-Zeul: Die Exportinitiative ist sehr jung, Erfolge werden wir in den nächsten Jahren sehen können. Mit der Initiative hat die Bundesregierung einen wichtigen und richtigen Schritt getan. Mit ihr unterstützen wir weltweite Werbung, beispielsweise auf Exportmessen, für Technologien aus Deutschland, die der Nutzung erneuerbarer Energien dienen. Was dem Umweltschutz und der Bekämpfung der Armut in der Welt dient, soll gleichzeitig auch der Schaffung von Arbeitsplätzen dienen. Bei Windkraft- und Solaranlagen, aber auch bei modernster Technik zur Nutzung von Erdwärme, Biomasse und Wasserkraft, zählen deutsche Firmen zu den Weltmarktführern. Diese Chancen werden wir nutzen.

E&M: Deutsche Exporteure bemängeln gelegentlich, dass der politische Boden in den Entwicklungsländern zu wenig beackert wird.

Wieczorek-Zeul: Es macht wenig Sinn, einem Land eine Technologie anzubieten, die nicht in dessen wirtschaftliche Strukturen passt. Doch möchte ich darauf hinweisen, dass es Entwicklungsländer gibt, in denen es beachtliche Erfolge gibt – so beispielsweise die ländliche Stromerzeugung über Photovoltaik in Marokko oder die Nutzung der Erdwärme in Kenia. Wir treten mit unseren Partnern in einen regen Austausch, weisen auf die Vorteile der Erneuerbaren Energien hin und beraten sie. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit stellt für fünf Jahre insgesamt eine Milliarde Euro zur Verfügung, um die Einführung und Nutzung erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern und eine höhere Energieeffizienz voranzutreiben.

E&M: Eine Kommission der Weltbank unter Leitung von Emil Salim hat vorgeschlagen, Kredite im Energiebereich ab 2008 statt für Öl- und Kohleprojekte nur noch für erneuerbare Energien zu vergeben. Halten Sie das für richtig?

Wieczorek-Zeul: Wir unterstützen den Salim-Bericht. Derzeit werden lediglich sechs Prozent der Weltbankkredite für Projekte mit erneuerbaren Energien vergeben. 1990 waren es nur zwei Prozent. Hier hat die Weltbank ihr Portfolio bereits ausgebaut, und nach meiner Meinung muss sie noch erheblich mehr die erneuerbaren Energien unterstützen - durch zusätzliche Mittel und Umschichtungen. Allerdings kann in der fossilen Energieerzeugung gerade in Entwicklungsländern noch ein großes Potenzial an Effizienzverbesserungen gehoben werden. Das müssen wir unterstützen, weil Schwellenländer für viele weitere Jahre fossile Kraftwerke notwendigerweise nutzen werden. Die Weltbank sollte hier aber vor allem die modernsten und umweltfreundlichsten Technologien fördern. Hier ist also eine Differenz zum Salim-Bericht.

E&M: Sie unterstützen dennoch die Baku-Tiblissi-Ceyhan-Pipeline. Weil sie modern und umweltfreundlich ist?

Wieczorek-Zeul: Wir unterstützen nicht die Firmen, die die Pipeline bauen. Die Weltbank beteiligt sich mit einem geringen Fördervolumen, weil sie dadurch ein firmenunabhängiges Monitoring sichert, das Umweltschutz und Menschenrechte sichert. Wir wollen einen Fuß in der Tür behalten, um Standards für die betroffene Bevölkerung zu bewahren.

E&M: Wird die Weltbank den Empfehlungen Salims folgen?

Wieczorek-Zeul: Es gibt viel Widerstand, gerade von den USA. Die Bundesrepublik wird versuchen, Unterstützung zu mobilisieren. Auf der Frühjahrstagung der Weltbank im April sind Abstimmungen möglich. Und ich hoffe, dass die renewables 2004 die Positionen des Berichtes zu den erneuerbaren Energien stärken kann. Ich plädiere deshalb für einen längeren Abstimmungsprozess, an dessen Ende ein positives Ergebnis steht.

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