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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - „Ich ärgere mich manchmal über all die Amateure im Markt“
Ruhrgas-Direktor Dieter Pfaff (2004) im Gespräch mit E&M. Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren

„Ich ärgere mich manchmal über all die Amateure im Markt“

Vor 20 Jahren machte Ruhrgas-Direktor Dieter Pfaff seinem Ärger über die Kritik am Gas-Release-Programm Luft.
Im Zuge der Ruhrgas-Übernahme durch Eon im Jahr 2002 verfügte das Bundeswirtschaftsministerium ein Gas-Release-Programm. Demnach musste die Ruhrgas 200 Millionen MWh auf dem freien Markt versteigern. Damit sollte der Markt gestärkt und einer Konzentration der Marktmacht entgegengewirkt werden.

Die Gasmengen waren im Rahmen eines sechsteiligen Auktionsprogramm im Abstand von jeweils zwölf Monaten zum Verkauf anzubieten. Die Laufzeit der Tranchen betrug drei Jahre, so dass die Jahresmengen rund 11,1 Millionen MWh betrugen. Der Mindestpreis wurde vom Bundeswirtschaftsministerium bei 95 Prozent des durchschnittlichen Grenzübergangspreises in die Bundesrepublik festgelegt.
Nach der ersten Auktion im Sommer 2003 war im Markt viel Kritik am Auktionsverfahren laut geworden. Daher, so hieß es, seien viele potenzielle Teilnehmer der Auktion ferngeblieben.

Vor der zweiten Auktion im Juni 2004 sprach E&M-Redakteur Fritz Wilhelm mit Dieter Pfaff, dem bei der Ruhrgas für das Gas-Release-Programm verantwortlichen Manager. Hier das leicht gekürzte Interview.


 
E&M: Herr Pfaff, haben Sie eine Erklärung dafür, warum so wenige Unternehmen an der ersten Auktion Ihres Gas-Release-Programms teilgenommen haben?
 
Pfaff: Wir werden mit dem BMWA die Gründe für die relativ geringe Nachfrage besprechen, um zu sehen, ob und gegebenenfalls welche Änderungen der Auktionsmodalitäten erforderlich sind. Wir betreiben aber keine Ursachenforschung und werden auch nicht öffentlich über die Anzahl der Teilnehmer berichten. Wir erfüllen die Auflagen der Ministererlaubnis und bieten das Gas an. Wir sind nicht dafür verantwortlich, wenn nur wenige oder niemand es kaufen möchte.
 
E&M: Müssen Sie das Gas nicht loswerden?
 
Pfaff: Der Wortlaut der Ministererlaubnis ist eindeutig. Wir müssen ein Gas Release Programm durchführen und dazu das Gas anbieten, in einer Auktion, deren Rahmenbedingungen ebenfalls in der Ministererlaubnis festgelegt sind. Wir müssen nichts verschenken. Obwohl einige Teilnehmer unserer Bieterkonferenz im letzten Juni ernsthaft gefordert hatten, den Mindestpreis Schritt für Schritt zu senken, falls sich Angebot und Nachfrage nicht gleich treffen sollten. Ein solcher Vorschlag ist doch abwegig.
 
E&M: Was geschieht mit den nicht verkauften Mengen?
 
Pfaff: Das Bundeswirtschaftsministerium ist der Ansicht, dass wir das Gas in der nächsten Auktion noch einmal anbieten sollen. Wir stehen jedoch auf dem Standpunkt, dass wir das nicht müssen. Das ist zurzeit der Stand der Diskussion.
 
E&M: Von vielen Marktteilnehmern wurde kritisiert, der Mindestpreis der Auktion sei zu hoch.
 
Pfaff: Es gab tatsächlich Überlegungen des Wirtschaftsministeriums, die Grenze bei 85 Prozent der durchschnittlichen Importpreise zu ziehen. Damals haben wir nicht einmal am lautesten protestiert. Der Vorstandsvorsitzende einer anderen Importgesellschaft hat mir persönlich gesagt, er sei sofort nach Berlin gefahren und habe sich beklagt, Ruhrgas dürfe doch nicht billiger verkaufen, als seine Gesellschaft selbst importiert. Und er hat natürlich auch Recht. Ich kann doch nicht mit Subventionen einen echten Wettbewerb fördern.
 
E&M: Manche Marktteilnehmer scheinen der Ansicht zu sein, doch anderswo noch günstiger einkaufen zu können.
 
Pfaff: Na dann, viel Glück. Wollen die nach Russland fahren und in landesüblicher Sitte selbst Preise aushandeln, die dann noch günstiger sind als die, die wir bekommen? Das halte ich nicht für realistisch. Und wir werden doch auch nicht einem Wettbewerber das Gas billiger verkaufen, als wir es selbst beschaffen.
 
„Man kann die Zusammenhänge analysieren, sofern man sein Handwerkszeug beherrscht“
 
E&M: Verdienen Sie etwas bei einem Mindestpreis von 95 Prozent des Grenzübergangspreises?
 
Pfaff: Wir kommen damit zurecht, obwohl wir immer noch etwas unter unseren Einstandspreisen liegen.
 
E&M: Muss eigentlich der Grenzübergangspreis die Referenz sein, oder gibt es auch Alternativen?
 
Pfaff: Diese Frage stellt sich nicht. Es gibt alle möglichen Referenzpreise. Diese sind jedoch nicht Bestandteil der Ministererlaubnis.
 
E&M: Es gab auch Kritik, der Auktionspreis mit dem Mindestpreis als Referenzpreis sei intransparent und stehe ja auch erst ex post fest.
 
Pfaff: Jeder Interessent konnte sich vor der Auktion ausgiebig darüber informieren, wie die Grenzübergangspreise zustande kommen. Wir haben sogar selbst Material dazu herausgegeben und auch in Vorträgen die Zusammenhänge erklärt. Wer mit dem Instrumentarium der Gaswirtschaft umgehen kann, ist auch in der Lage, den Preis zu ermitteln. Ich ärgere mich manchmal über all die Amateure im Markt, die keine Ahnung haben, aber alles auf dem Silbertablett serviert haben wollen.
 
E&M: Wie volatil ist der Mindestpreis?
 
Pfaff: Er ist relativ stabil und folgt gedämpft und ohne erratische Sprünge den Preisen der Wettbewerbsenergien, insbesondere den Heizölpreisen. Der überwiegende Teil der Mengen wird über langfristige Verträge importiert und unterliegt der Heizölpreisbindung. Spotmengenimporte machen nur einen relativ kleinen Teil aus.
 
E&M: Vielen potenziellen Auktionsteilnehmern war nicht klar, ob nur die langfristigen Importverträge oder auch Bezüge von Spotmärkten in den Mindestpreis einfließen.
 
Pfaff: Das zeigt doch nur wieder, dass manche Leute hier Wettbewerb machen wollen, aber nicht einmal die nötigen Grundkenntnisse haben, um ein Geschäft aufnehmen zu können. Natürlich fließt alles, was importiert wird, in die Berechnung ein. Man darf aber nicht vergessen, dass der Basispreis eines langfristigen Importvertrages schon bei Vertragsabschluss einen Preis widerspiegeln muss, der auch dann wettbewerbsfähig ist, wenn die Lieferungen beginnen. Das kann beispielsweise erst in fünf Jahren sein. Also muss man die Entwicklung der Wettbewerbsenergien einbeziehen, die im Grunde schon seit Jahrzehnten die Basis für unsere Verträge sind und dann kann man die Zusammenhänge analysieren, sofern man sein Handwerkszeug beherrscht.
 
E&M: Ruhrgas hat sicher genügend Ressourcen für die Analyse. Aber wie sieht es beispielsweise bei Stadtwerken aus?
 
Pfaff: Viele Stadtwerke haben gute Leute, die sich im Markt auskennen und die Hintergründe der Preisbildung kennen und verstehen. An der Größe des Marktteilnehmers kann es nicht liegen.
 
E&M: An was könnte es dann liegen?
 
Pfaff: Ich glaube, einer der Hauptgründe für viele Interessenten, nicht an der Auktion teilzunehmen, war fehlende Leitungskapazitäten, um das Gas in andere Märkte außerhalb Deutschlands abtransportieren zu können.
 
E&M: Also eine Frage des Netzzugangsregimes?
 
Pfaff: Wenn die Kapazitäten durch laufende Verträge belegt sind, kann ich nicht einfach noch jemanden zusätzlich beliefern. Anders ist es, wenn wir vom Kunden aus dem Gas-Release-Programm als Lieferant ersetzt werden. Dann stellen wir selbstverständlich die Kapazität für diesen Kunden zur Verfügung, was wir auch unmissverständlich zugesagt haben. Wenn allerdings der Transport beispielsweise ins BEB- oder VNG-Netz gehen soll oder sogar in Nachbarländer, können wir dem Gas-Release-Kunden natürlich nicht die Durchleitung dorthin garantieren. Wir können allenfalls prüfen, was in unserem Netz möglich ist und den Service anbieten, bei den anderen Netzbetreibern nachzufragen.
 
E&M: Würde Ruhrgas nicht die eigenen Kapazitäten anderweitig nutzen, wenn ein Endkunde abspringt?
 
Pfaff: Wir ermöglichen schon, dass der Release-Kunden im Rahmen einer Sekundärvermarktung die frei gewordene Kapazität zur Verfügung gestellt bekommt. Insofern gibt es für ihn ein gewisses Vorrecht gegenüber Drittkunden. Dazu sind wir verpflichtet und angesichts der Bedeutung des Gas-Release-Programms ist dies auch sicher angemessen.
 
„Ich halte es für eine ausgesprochene Frechheit, zu behaupten, das Ministerium würde nach der Pfeife der Ruhrgas tanzen“
 
E&M: Manche Interessenten hätten es begrüßt, wenn Sie das Gas nicht am Norpipe- sondern am Europipe-Terminal angeboten hätten.
 
Pfaff: Das hätte für das Thema Leitungskapazität keinen Unterschied gemacht. In Bunde haben Sie überall die gleichen Anbindungen an die anderen Ferngasnetze. Außerdem können wir das Gas doch nirgends hinbeamen. Nur dort, wo wir eigenes Gas haben, können wir es auch anbieten. Das Terminal-Argument verstehe ich nicht, es kann möglicherweise von Händlern vorgebracht worden sein, die im Zweifel gar keine Gasversorgung machen wollen.
 
E&M: Was war für Sie die absurdeste Kritik, die Sie gehört haben?
 
Pfaff: Wir hätten die Auktion bewusst in die Ferienzeit gelegt. Das war wirklich lächerlich. Wir haben Anfang 2003 für das Gas-Release-Programm, zu dem es hier bisher nichts Vergleichbares gab, mit nichts als dieser Ministererlaubnis dagestanden und dann innerhalb weniger Monate das Auktionsdesign entwickelt, Informationsmaterial erstellt und per Internet zur Verfügung gestellt, als Informationsveranstaltung eine Bieterkonferenz und eine Testauktion durchgeführt und schließlich, obwohl ursprünglich, nach der ersten Ministererlaubnis sieben Monate mehr vorgesehen waren, nach insgesamt nur sechs Monaten die Auktion abgehalten.
 
E&M: Teilnehmer der Bieterkonferenz im letzten Juni haben gesagt, sie hätten eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen müssen. Warum die Geheimniskrämerei?
 
Pfaff: Wir haben die diejenigen, die sich registriert und dann für die Teilnahme an der Auktion qualifiziert haben, verpflichtet, keine Details der Auktion nach außen zu geben. Es ging dabei um die Details der Lieferverträge. Das müsste sich aber eigentlich von selbst verstehen. Schließlich gibt auch kein Teilnehmer an der EEX Vertragsdetails bekannt. An der Börse werden auch nur die Gesamtmengen und die Preise veröffentlicht.
 
E&M: Haben Sie auch positive Reaktionen erlebt?
 
Pfaff: Auf die Bieterkonferenz und unsere Informationspolitik haben wir sehr positive Reaktionen bekommen, sogar schriftlich und auch von denen, die eigentlich Gegner unseres Verfahrens sind.
 
E&M: Von Konkurrenten wurde Ihnen im Nachhinein aber auch geschickte Lobbyarbeit bescheinigt. Einige Stimmen waren sogar zu hören, die behaupteten, das Ministerium habe nur Ihre Vorgaben abgenickt.
 
Pfaff: Ich halte es für eine ausgesprochene Frechheit, zu behaupten, das Ministerium würde nach der Pfeife der Ruhrgas tanzen. Das wäre eine Beleidigung der Leute im Ministerium, die ich wirklich als höchst kompetente und gewissenhafte Ansprechpartner kennen gelernt habe, die ihr Handwerk verstehen.
 
 

Freitag, 5.04.2024, 17:01 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - „Ich ärgere mich manchmal über all die Amateure im Markt“
Ruhrgas-Direktor Dieter Pfaff (2004) im Gespräch mit E&M. Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren
„Ich ärgere mich manchmal über all die Amateure im Markt“
Vor 20 Jahren machte Ruhrgas-Direktor Dieter Pfaff seinem Ärger über die Kritik am Gas-Release-Programm Luft.
Im Zuge der Ruhrgas-Übernahme durch Eon im Jahr 2002 verfügte das Bundeswirtschaftsministerium ein Gas-Release-Programm. Demnach musste die Ruhrgas 200 Millionen MWh auf dem freien Markt versteigern. Damit sollte der Markt gestärkt und einer Konzentration der Marktmacht entgegengewirkt werden.

Die Gasmengen waren im Rahmen eines sechsteiligen Auktionsprogramm im Abstand von jeweils zwölf Monaten zum Verkauf anzubieten. Die Laufzeit der Tranchen betrug drei Jahre, so dass die Jahresmengen rund 11,1 Millionen MWh betrugen. Der Mindestpreis wurde vom Bundeswirtschaftsministerium bei 95 Prozent des durchschnittlichen Grenzübergangspreises in die Bundesrepublik festgelegt.
Nach der ersten Auktion im Sommer 2003 war im Markt viel Kritik am Auktionsverfahren laut geworden. Daher, so hieß es, seien viele potenzielle Teilnehmer der Auktion ferngeblieben.

Vor der zweiten Auktion im Juni 2004 sprach E&M-Redakteur Fritz Wilhelm mit Dieter Pfaff, dem bei der Ruhrgas für das Gas-Release-Programm verantwortlichen Manager. Hier das leicht gekürzte Interview.


 
E&M: Herr Pfaff, haben Sie eine Erklärung dafür, warum so wenige Unternehmen an der ersten Auktion Ihres Gas-Release-Programms teilgenommen haben?
 
Pfaff: Wir werden mit dem BMWA die Gründe für die relativ geringe Nachfrage besprechen, um zu sehen, ob und gegebenenfalls welche Änderungen der Auktionsmodalitäten erforderlich sind. Wir betreiben aber keine Ursachenforschung und werden auch nicht öffentlich über die Anzahl der Teilnehmer berichten. Wir erfüllen die Auflagen der Ministererlaubnis und bieten das Gas an. Wir sind nicht dafür verantwortlich, wenn nur wenige oder niemand es kaufen möchte.
 
E&M: Müssen Sie das Gas nicht loswerden?
 
Pfaff: Der Wortlaut der Ministererlaubnis ist eindeutig. Wir müssen ein Gas Release Programm durchführen und dazu das Gas anbieten, in einer Auktion, deren Rahmenbedingungen ebenfalls in der Ministererlaubnis festgelegt sind. Wir müssen nichts verschenken. Obwohl einige Teilnehmer unserer Bieterkonferenz im letzten Juni ernsthaft gefordert hatten, den Mindestpreis Schritt für Schritt zu senken, falls sich Angebot und Nachfrage nicht gleich treffen sollten. Ein solcher Vorschlag ist doch abwegig.
 
E&M: Was geschieht mit den nicht verkauften Mengen?
 
Pfaff: Das Bundeswirtschaftsministerium ist der Ansicht, dass wir das Gas in der nächsten Auktion noch einmal anbieten sollen. Wir stehen jedoch auf dem Standpunkt, dass wir das nicht müssen. Das ist zurzeit der Stand der Diskussion.
 
E&M: Von vielen Marktteilnehmern wurde kritisiert, der Mindestpreis der Auktion sei zu hoch.
 
Pfaff: Es gab tatsächlich Überlegungen des Wirtschaftsministeriums, die Grenze bei 85 Prozent der durchschnittlichen Importpreise zu ziehen. Damals haben wir nicht einmal am lautesten protestiert. Der Vorstandsvorsitzende einer anderen Importgesellschaft hat mir persönlich gesagt, er sei sofort nach Berlin gefahren und habe sich beklagt, Ruhrgas dürfe doch nicht billiger verkaufen, als seine Gesellschaft selbst importiert. Und er hat natürlich auch Recht. Ich kann doch nicht mit Subventionen einen echten Wettbewerb fördern.
 
E&M: Manche Marktteilnehmer scheinen der Ansicht zu sein, doch anderswo noch günstiger einkaufen zu können.
 
Pfaff: Na dann, viel Glück. Wollen die nach Russland fahren und in landesüblicher Sitte selbst Preise aushandeln, die dann noch günstiger sind als die, die wir bekommen? Das halte ich nicht für realistisch. Und wir werden doch auch nicht einem Wettbewerber das Gas billiger verkaufen, als wir es selbst beschaffen.
 
„Man kann die Zusammenhänge analysieren, sofern man sein Handwerkszeug beherrscht“
 
E&M: Verdienen Sie etwas bei einem Mindestpreis von 95 Prozent des Grenzübergangspreises?
 
Pfaff: Wir kommen damit zurecht, obwohl wir immer noch etwas unter unseren Einstandspreisen liegen.
 
E&M: Muss eigentlich der Grenzübergangspreis die Referenz sein, oder gibt es auch Alternativen?
 
Pfaff: Diese Frage stellt sich nicht. Es gibt alle möglichen Referenzpreise. Diese sind jedoch nicht Bestandteil der Ministererlaubnis.
 
E&M: Es gab auch Kritik, der Auktionspreis mit dem Mindestpreis als Referenzpreis sei intransparent und stehe ja auch erst ex post fest.
 
Pfaff: Jeder Interessent konnte sich vor der Auktion ausgiebig darüber informieren, wie die Grenzübergangspreise zustande kommen. Wir haben sogar selbst Material dazu herausgegeben und auch in Vorträgen die Zusammenhänge erklärt. Wer mit dem Instrumentarium der Gaswirtschaft umgehen kann, ist auch in der Lage, den Preis zu ermitteln. Ich ärgere mich manchmal über all die Amateure im Markt, die keine Ahnung haben, aber alles auf dem Silbertablett serviert haben wollen.
 
E&M: Wie volatil ist der Mindestpreis?
 
Pfaff: Er ist relativ stabil und folgt gedämpft und ohne erratische Sprünge den Preisen der Wettbewerbsenergien, insbesondere den Heizölpreisen. Der überwiegende Teil der Mengen wird über langfristige Verträge importiert und unterliegt der Heizölpreisbindung. Spotmengenimporte machen nur einen relativ kleinen Teil aus.
 
E&M: Vielen potenziellen Auktionsteilnehmern war nicht klar, ob nur die langfristigen Importverträge oder auch Bezüge von Spotmärkten in den Mindestpreis einfließen.
 
Pfaff: Das zeigt doch nur wieder, dass manche Leute hier Wettbewerb machen wollen, aber nicht einmal die nötigen Grundkenntnisse haben, um ein Geschäft aufnehmen zu können. Natürlich fließt alles, was importiert wird, in die Berechnung ein. Man darf aber nicht vergessen, dass der Basispreis eines langfristigen Importvertrages schon bei Vertragsabschluss einen Preis widerspiegeln muss, der auch dann wettbewerbsfähig ist, wenn die Lieferungen beginnen. Das kann beispielsweise erst in fünf Jahren sein. Also muss man die Entwicklung der Wettbewerbsenergien einbeziehen, die im Grunde schon seit Jahrzehnten die Basis für unsere Verträge sind und dann kann man die Zusammenhänge analysieren, sofern man sein Handwerkszeug beherrscht.
 
E&M: Ruhrgas hat sicher genügend Ressourcen für die Analyse. Aber wie sieht es beispielsweise bei Stadtwerken aus?
 
Pfaff: Viele Stadtwerke haben gute Leute, die sich im Markt auskennen und die Hintergründe der Preisbildung kennen und verstehen. An der Größe des Marktteilnehmers kann es nicht liegen.
 
E&M: An was könnte es dann liegen?
 
Pfaff: Ich glaube, einer der Hauptgründe für viele Interessenten, nicht an der Auktion teilzunehmen, war fehlende Leitungskapazitäten, um das Gas in andere Märkte außerhalb Deutschlands abtransportieren zu können.
 
E&M: Also eine Frage des Netzzugangsregimes?
 
Pfaff: Wenn die Kapazitäten durch laufende Verträge belegt sind, kann ich nicht einfach noch jemanden zusätzlich beliefern. Anders ist es, wenn wir vom Kunden aus dem Gas-Release-Programm als Lieferant ersetzt werden. Dann stellen wir selbstverständlich die Kapazität für diesen Kunden zur Verfügung, was wir auch unmissverständlich zugesagt haben. Wenn allerdings der Transport beispielsweise ins BEB- oder VNG-Netz gehen soll oder sogar in Nachbarländer, können wir dem Gas-Release-Kunden natürlich nicht die Durchleitung dorthin garantieren. Wir können allenfalls prüfen, was in unserem Netz möglich ist und den Service anbieten, bei den anderen Netzbetreibern nachzufragen.
 
E&M: Würde Ruhrgas nicht die eigenen Kapazitäten anderweitig nutzen, wenn ein Endkunde abspringt?
 
Pfaff: Wir ermöglichen schon, dass der Release-Kunden im Rahmen einer Sekundärvermarktung die frei gewordene Kapazität zur Verfügung gestellt bekommt. Insofern gibt es für ihn ein gewisses Vorrecht gegenüber Drittkunden. Dazu sind wir verpflichtet und angesichts der Bedeutung des Gas-Release-Programms ist dies auch sicher angemessen.
 
„Ich halte es für eine ausgesprochene Frechheit, zu behaupten, das Ministerium würde nach der Pfeife der Ruhrgas tanzen“
 
E&M: Manche Interessenten hätten es begrüßt, wenn Sie das Gas nicht am Norpipe- sondern am Europipe-Terminal angeboten hätten.
 
Pfaff: Das hätte für das Thema Leitungskapazität keinen Unterschied gemacht. In Bunde haben Sie überall die gleichen Anbindungen an die anderen Ferngasnetze. Außerdem können wir das Gas doch nirgends hinbeamen. Nur dort, wo wir eigenes Gas haben, können wir es auch anbieten. Das Terminal-Argument verstehe ich nicht, es kann möglicherweise von Händlern vorgebracht worden sein, die im Zweifel gar keine Gasversorgung machen wollen.
 
E&M: Was war für Sie die absurdeste Kritik, die Sie gehört haben?
 
Pfaff: Wir hätten die Auktion bewusst in die Ferienzeit gelegt. Das war wirklich lächerlich. Wir haben Anfang 2003 für das Gas-Release-Programm, zu dem es hier bisher nichts Vergleichbares gab, mit nichts als dieser Ministererlaubnis dagestanden und dann innerhalb weniger Monate das Auktionsdesign entwickelt, Informationsmaterial erstellt und per Internet zur Verfügung gestellt, als Informationsveranstaltung eine Bieterkonferenz und eine Testauktion durchgeführt und schließlich, obwohl ursprünglich, nach der ersten Ministererlaubnis sieben Monate mehr vorgesehen waren, nach insgesamt nur sechs Monaten die Auktion abgehalten.
 
E&M: Teilnehmer der Bieterkonferenz im letzten Juni haben gesagt, sie hätten eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen müssen. Warum die Geheimniskrämerei?
 
Pfaff: Wir haben die diejenigen, die sich registriert und dann für die Teilnahme an der Auktion qualifiziert haben, verpflichtet, keine Details der Auktion nach außen zu geben. Es ging dabei um die Details der Lieferverträge. Das müsste sich aber eigentlich von selbst verstehen. Schließlich gibt auch kein Teilnehmer an der EEX Vertragsdetails bekannt. An der Börse werden auch nur die Gesamtmengen und die Preise veröffentlicht.
 
E&M: Haben Sie auch positive Reaktionen erlebt?
 
Pfaff: Auf die Bieterkonferenz und unsere Informationspolitik haben wir sehr positive Reaktionen bekommen, sogar schriftlich und auch von denen, die eigentlich Gegner unseres Verfahrens sind.
 
E&M: Von Konkurrenten wurde Ihnen im Nachhinein aber auch geschickte Lobbyarbeit bescheinigt. Einige Stimmen waren sogar zu hören, die behaupteten, das Ministerium habe nur Ihre Vorgaben abgenickt.
 
Pfaff: Ich halte es für eine ausgesprochene Frechheit, zu behaupten, das Ministerium würde nach der Pfeife der Ruhrgas tanzen. Das wäre eine Beleidigung der Leute im Ministerium, die ich wirklich als höchst kompetente und gewissenhafte Ansprechpartner kennen gelernt habe, die ihr Handwerk verstehen.
 
 

Freitag, 5.04.2024, 17:01 Uhr
Fritz Wilhelm

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