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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - „Es ist kein Closed Shop“
Stephan Kohler (hier auf einem Bild von 2009). Quelle: Dena
E&M Vor 20 Jahren

„Es ist kein Closed Shop“

Vor 20 Jahren war die Welt noch eine andere. Damals hatte die Deutsche Energie-Agentur (Dena) gerade mit russischen Partnern Energieeffizienz-Programme vereinbart.
Im deutsch-russischen Energie-Dialog ging es 2003 vor allem um die großen Themen: Kohle, Erdgas, Strom, Kernenergie. Bei den 6. Deutsch-Russischen Regierungskonsultationen in Jekaterinburg stand auch das Thema Energie auf der Agenda von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD9 und seinem Super-Minister Wolfgang Clement (SPD) im Gespräch mit Präsident Wladimir Putin, dessen Wirtschaftsminister German Gref und dem russischen Energieminister Igor Jussufow.

Erstmalig gab es bei der Energie den Unterpunkt „Energieeffizienz“, mit der Russland nach eigener Schätzung seinen Energieverbrauch nahezu halbieren hätte können. Im Tross des Kanzlers war Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler, der zwei wichtige Verträge unterschrieb: zum einen einen Kooperationsvertrag mit dem interregionalen Verband der Energieaufsichten in Russland zur Erschließung der Energieeffizienz-Potenziale in der russischen Wärmeversorgung, zum anderen ein Finanzierungsmodell zur Modernisierung von 245 Heizanlagen mit einer mittleren Leistung von je 5 MW in Samara.

Samara sei erst der Anfang, erfuhr damals E&M-Chefredakteur Helmut Sendner im Gespräch mit dem mittlerweile verstorbenen Stephan Kohler, der ab dem Jahr 2000 Mitglied der Dena-Geschäftsführung und von 2006 bis 2014 Vorsitzender der Geschäftsführung war.


 
E&M: Herr Kohler, wer, außer der Dena, ist von deutscher Seite an dem Projekt in Samara beteiligt?
 
Kohler: Die Kommunalverwaltung in Samara ist sehr interessiert an deutschen Investoren in diesem Projekt. Eine kleine Einschränkung dabei ist, dass in Samara ein Kesselproduzent vorhanden ist, der als Lieferant Vorrang hat. Aber alles, was Brenner, Steuerung und Regelung angeht, da soll deutsche Technologie eingesetzt werden.
 
E&M: Das Ganze erscheint doch ideal als ein Contracting-Modell …
 
Kohler: Genau das soll es auch werden. In Samara betreibt eine kommunale Wärmeversorgungsgesellschaft die Heizwerke. Wir suchen jetzt einen Finanz- beziehungsweise Investitionscontractor, der in die neuen Anlagen investiert, wobei die kommunale Gesellschaft weiterhin Betreiber der Anlagen bleibt. Es wird aber ein Vertrag abgeschlossen zwischen dem Finanz-Contractor und der kommunalen Verwaltung, in dem die Einnahmen zur Refinanzierung der Investition geregelt werden.
 
E&M: Das Problem in Ländern wie Russland ist, gesichert Wärmepreise zu bekommen …
 
Kohler: Das genau ist der Vorteil der Kooperation: Wir arbeiten an erster Stelle mit dem russischen Energieministerium zusammen, auf der zweiten Ebene mit den regionalen Energiebehörden und dann eben mit der Kommune, die Preise und Tarife festlegt. Damit arbeiten Investoren auf sicherem Boden, was das Samara-Projekt jetzt auch belegen wird.
 
E&M: Auf Gesamt-Russland übertragen geht es theoretisch um viele, viele tausend Megawatt Modernisierungsleistung …
 
Kohler: Wir haben noch keine Gesamtpotenzialabschätzung gemacht, aber die Situation ist in fast allen russischen Städten ähnlich wie in Samara.
 
E&M: In dem von Ihnen unterschriebenen Vertrag steht unter anderem, dass sich die Dena dazu verpflichtet, alle relevanten deutschen Projektpartner zur Identifizierung von Anforderungen an das Finanzierungskonzept einzuführen. Was heißt das konkret?
 
Kohler: Das heißt, dass wir das Finanz-Know-how mitbringen. Dazu sind wir mit unserem Gesellschafter KfW in Kontakt. Zusätzlich sind wir mit unterschiedlichen Unternehmen aus den Bereichen Steuerungs- und Regelungstechnik für die Kessel im Gespräch, um die mit ins Boot zu nehmen.
 
E&M: Es handelt sich aber nicht um eine geschlossene Veranstaltung, oder?
 
Kohler: Wir haben erste Gespräche mit möglichen Partnern geführt, aber es ist kein Closed Shop, und wie schon gesagt, Samara ist sicherlich erst ein Anfang.
 
E&M: Wie sieht das dann in der Praxis aus: Ein Unternehmen interessiert sich und ruft dann einfach bei der Dena an und signalisiert, dass es mitmachen will?
 
Kohler: Genauso.
 
E&M: Und dann weiter?
 
Kohler: Dann verschicken wir Informationsmaterial und zeigen, dass die Wirtschaftlichkeit des Projektes geprüft ist.
 
E&M: Um welches Investitionsvolumen geht es insgesamt in Samara?
 
Kohler: Ungefähr um fünf Millionen Dollar.
 
E&M: Wie sieht der Zeitplan für das Projekt aus?
 
Kohler: Wir wollen die Projektuntersuchungen innerhalb von drei Monaten abschließen und Anfang nächsten Jahres in die Umsetzung gehen.
 
„Präsident Putin hat sehr unwirsch reagiert“
 
E&M: Wenn’s denn funktioniert, dann könnte dieses Vorgehen ein guter Schritt im Rahmen des Kioto-Protokolls sein, das Russland immer noch nicht unterschrieben hat.
 
Kohler: Die Russen argumentieren wie die Amerikaner: Sie wollen sich nicht einengen lassen durch Kioto, sondern wollen eigene Technologie-Offensiven starten. Präsident Putin hat bei den Gesprächen in Jekaterinburg sehr unwirsch reagiert, als er auf die Unterschrift zum Kioto-Protokoll angesprochen wurde.
 
E&M: Was Sie bei aller Freude über das Projekt sehr stören müsste …
 
Kohler: Das stört mich auch sehr, denn Samara wäre ein hervorragendes Beispiel für Joint Implementation-Projekte, die ohne Kioto-Unterschrift mit Russland aber nicht möglich sind.
 
E&M: Um es negativ zu sehen: Das Projekt ist für die Katz?
 
Kohler: Überhaupt nicht, denn das Projekt rechnet sich und es dient der Umwelt. Als Joint Implementation-Projekt wäre es einfach noch attraktiver.
 
E&M: Dann eben die positive Betrachtung: Kann es ein Übungsfeld für die Russen sein?
 
Kohler: Das auf jeden Fall: Wir wollen den Russen zeigen, dass Energieeffizienz keine Fessel, sondern eine Win-win-Situation ist. In diesen Heizwerken wird Gas verfeuert, das bei den hocheffizienten Anlagen deutlich eingespart wird und somit viel lukrativer auf dem Weltmarkt verkauft werden kann. Und durch das Kioto-Protokoll würde sich die Win-Situation für Russland noch erhöhen, denn das Land könnte durch CO2-Zertifikate zusätzliches Geld verdienen.
 

Die Ruhrgas hilft

Im deutsch-russischen Kooperationsrat, bei dem es um alle Bereiche der Wirtschaft geht, gibt es einen Arbeitsbereich „Energie“, der sich unter dem Vorsitz des Ruhrgas-Chefs Dr. Burckhard Bergmann bisher vor allem um die übergeordneten Themen wie Gas, Kohle und Kernenergie kümmerte. Auf Anregung von Bergmann wurden nun ausdrücklich die Themen „Energieeffizienz und erneuerbare Energien“ in einem eigenen Arbeitskreis in das Kooperationsprogramm aufgenommen. Die Ruhrgas unterstützt seit Jahren Maßnahmen zur rationellen Energieverwendung in Russland, unter anderem mit Maßnahmen zur Energieeffizienz an Verdichterstationen im Erdgas-Pipelinenetz der Gazprom. Stephan Kohler ist Leiter des neuen Arbeitskreises und damit Mitglied des Kooperationsrates.
 

 
 

Sonntag, 26.11.2023, 16:24 Uhr
Helmut Sendner
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Stephan Kohler (hier auf einem Bild von 2009). Quelle: Dena
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„Es ist kein Closed Shop“
Vor 20 Jahren war die Welt noch eine andere. Damals hatte die Deutsche Energie-Agentur (Dena) gerade mit russischen Partnern Energieeffizienz-Programme vereinbart.
Im deutsch-russischen Energie-Dialog ging es 2003 vor allem um die großen Themen: Kohle, Erdgas, Strom, Kernenergie. Bei den 6. Deutsch-Russischen Regierungskonsultationen in Jekaterinburg stand auch das Thema Energie auf der Agenda von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD9 und seinem Super-Minister Wolfgang Clement (SPD) im Gespräch mit Präsident Wladimir Putin, dessen Wirtschaftsminister German Gref und dem russischen Energieminister Igor Jussufow.

Erstmalig gab es bei der Energie den Unterpunkt „Energieeffizienz“, mit der Russland nach eigener Schätzung seinen Energieverbrauch nahezu halbieren hätte können. Im Tross des Kanzlers war Dena-Geschäftsführer Stephan Kohler, der zwei wichtige Verträge unterschrieb: zum einen einen Kooperationsvertrag mit dem interregionalen Verband der Energieaufsichten in Russland zur Erschließung der Energieeffizienz-Potenziale in der russischen Wärmeversorgung, zum anderen ein Finanzierungsmodell zur Modernisierung von 245 Heizanlagen mit einer mittleren Leistung von je 5 MW in Samara.

Samara sei erst der Anfang, erfuhr damals E&M-Chefredakteur Helmut Sendner im Gespräch mit dem mittlerweile verstorbenen Stephan Kohler, der ab dem Jahr 2000 Mitglied der Dena-Geschäftsführung und von 2006 bis 2014 Vorsitzender der Geschäftsführung war.


 
E&M: Herr Kohler, wer, außer der Dena, ist von deutscher Seite an dem Projekt in Samara beteiligt?
 
Kohler: Die Kommunalverwaltung in Samara ist sehr interessiert an deutschen Investoren in diesem Projekt. Eine kleine Einschränkung dabei ist, dass in Samara ein Kesselproduzent vorhanden ist, der als Lieferant Vorrang hat. Aber alles, was Brenner, Steuerung und Regelung angeht, da soll deutsche Technologie eingesetzt werden.
 
E&M: Das Ganze erscheint doch ideal als ein Contracting-Modell …
 
Kohler: Genau das soll es auch werden. In Samara betreibt eine kommunale Wärmeversorgungsgesellschaft die Heizwerke. Wir suchen jetzt einen Finanz- beziehungsweise Investitionscontractor, der in die neuen Anlagen investiert, wobei die kommunale Gesellschaft weiterhin Betreiber der Anlagen bleibt. Es wird aber ein Vertrag abgeschlossen zwischen dem Finanz-Contractor und der kommunalen Verwaltung, in dem die Einnahmen zur Refinanzierung der Investition geregelt werden.
 
E&M: Das Problem in Ländern wie Russland ist, gesichert Wärmepreise zu bekommen …
 
Kohler: Das genau ist der Vorteil der Kooperation: Wir arbeiten an erster Stelle mit dem russischen Energieministerium zusammen, auf der zweiten Ebene mit den regionalen Energiebehörden und dann eben mit der Kommune, die Preise und Tarife festlegt. Damit arbeiten Investoren auf sicherem Boden, was das Samara-Projekt jetzt auch belegen wird.
 
E&M: Auf Gesamt-Russland übertragen geht es theoretisch um viele, viele tausend Megawatt Modernisierungsleistung …
 
Kohler: Wir haben noch keine Gesamtpotenzialabschätzung gemacht, aber die Situation ist in fast allen russischen Städten ähnlich wie in Samara.
 
E&M: In dem von Ihnen unterschriebenen Vertrag steht unter anderem, dass sich die Dena dazu verpflichtet, alle relevanten deutschen Projektpartner zur Identifizierung von Anforderungen an das Finanzierungskonzept einzuführen. Was heißt das konkret?
 
Kohler: Das heißt, dass wir das Finanz-Know-how mitbringen. Dazu sind wir mit unserem Gesellschafter KfW in Kontakt. Zusätzlich sind wir mit unterschiedlichen Unternehmen aus den Bereichen Steuerungs- und Regelungstechnik für die Kessel im Gespräch, um die mit ins Boot zu nehmen.
 
E&M: Es handelt sich aber nicht um eine geschlossene Veranstaltung, oder?
 
Kohler: Wir haben erste Gespräche mit möglichen Partnern geführt, aber es ist kein Closed Shop, und wie schon gesagt, Samara ist sicherlich erst ein Anfang.
 
E&M: Wie sieht das dann in der Praxis aus: Ein Unternehmen interessiert sich und ruft dann einfach bei der Dena an und signalisiert, dass es mitmachen will?
 
Kohler: Genauso.
 
E&M: Und dann weiter?
 
Kohler: Dann verschicken wir Informationsmaterial und zeigen, dass die Wirtschaftlichkeit des Projektes geprüft ist.
 
E&M: Um welches Investitionsvolumen geht es insgesamt in Samara?
 
Kohler: Ungefähr um fünf Millionen Dollar.
 
E&M: Wie sieht der Zeitplan für das Projekt aus?
 
Kohler: Wir wollen die Projektuntersuchungen innerhalb von drei Monaten abschließen und Anfang nächsten Jahres in die Umsetzung gehen.
 
„Präsident Putin hat sehr unwirsch reagiert“
 
E&M: Wenn’s denn funktioniert, dann könnte dieses Vorgehen ein guter Schritt im Rahmen des Kioto-Protokolls sein, das Russland immer noch nicht unterschrieben hat.
 
Kohler: Die Russen argumentieren wie die Amerikaner: Sie wollen sich nicht einengen lassen durch Kioto, sondern wollen eigene Technologie-Offensiven starten. Präsident Putin hat bei den Gesprächen in Jekaterinburg sehr unwirsch reagiert, als er auf die Unterschrift zum Kioto-Protokoll angesprochen wurde.
 
E&M: Was Sie bei aller Freude über das Projekt sehr stören müsste …
 
Kohler: Das stört mich auch sehr, denn Samara wäre ein hervorragendes Beispiel für Joint Implementation-Projekte, die ohne Kioto-Unterschrift mit Russland aber nicht möglich sind.
 
E&M: Um es negativ zu sehen: Das Projekt ist für die Katz?
 
Kohler: Überhaupt nicht, denn das Projekt rechnet sich und es dient der Umwelt. Als Joint Implementation-Projekt wäre es einfach noch attraktiver.
 
E&M: Dann eben die positive Betrachtung: Kann es ein Übungsfeld für die Russen sein?
 
Kohler: Das auf jeden Fall: Wir wollen den Russen zeigen, dass Energieeffizienz keine Fessel, sondern eine Win-win-Situation ist. In diesen Heizwerken wird Gas verfeuert, das bei den hocheffizienten Anlagen deutlich eingespart wird und somit viel lukrativer auf dem Weltmarkt verkauft werden kann. Und durch das Kioto-Protokoll würde sich die Win-Situation für Russland noch erhöhen, denn das Land könnte durch CO2-Zertifikate zusätzliches Geld verdienen.
 

Die Ruhrgas hilft

Im deutsch-russischen Kooperationsrat, bei dem es um alle Bereiche der Wirtschaft geht, gibt es einen Arbeitsbereich „Energie“, der sich unter dem Vorsitz des Ruhrgas-Chefs Dr. Burckhard Bergmann bisher vor allem um die übergeordneten Themen wie Gas, Kohle und Kernenergie kümmerte. Auf Anregung von Bergmann wurden nun ausdrücklich die Themen „Energieeffizienz und erneuerbare Energien“ in einem eigenen Arbeitskreis in das Kooperationsprogramm aufgenommen. Die Ruhrgas unterstützt seit Jahren Maßnahmen zur rationellen Energieverwendung in Russland, unter anderem mit Maßnahmen zur Energieeffizienz an Verdichterstationen im Erdgas-Pipelinenetz der Gazprom. Stephan Kohler ist Leiter des neuen Arbeitskreises und damit Mitglied des Kooperationsrates.
 

 
 

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