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Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - „Berggesetz ist Hindernis für Investoren“
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

„Berggesetz ist Hindernis für Investoren“

Ingo Sass, Leiter der Sektion „Geoenergie“ am Deutschen Geo-Forschungs-Zentrum (GFZ) in Potsdam, erklärt im E&M-Gespräch wo der Bund bei der tiefen Geothermie nachsteuern müsste.
E&M: Herr Sass, die Bundesregierung will die tiefe Geothermie fördern. Wie beurteilen Sie die politischen Rahmenbedingungen?

Sass: Grundsätzlich haben wir eine Reihe von Rechtsvorschriften im Bereich der Geothermie, die zu sehr unterschiedlichen Interpretationen und Einflussgrößen führen. Und da müsste man wirklich ran. Das Bundesberggesetz ist insgesamt nicht mehr zeitgemäß, auch wenn es in der Bundesrepublik und nach der Wende immer wieder modifiziert wurde. Hinzu kommen Umweltvorschriften und -rechte. Das Gesetz ist ein Hindernis, da es unbestimmt ist und für Investierende wenig Rechtssicherheit bietet. Bei Genehmigungsverfahren gibt es diverse Aspekte wie die Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht, die sehr kontrovers diskutiert werden kann. Wenn wir die Energiewende mit heimischen Ressourcen wie der Geothermie vorantreiben wollen, dann müssen wir diese Ressourcen auch zugänglich machen.

E&M: Da diese Risiken nun mal bestehen − was sollten der Bund oder andere staatliche Akteure in welcher Höhe übernehmen?

Sass: Ich gehe davon aus, dass die geologische Landeserkundung eine Staatsaufgabe ist. Deutschland ist in Bezug auf Geoenergie unterexploriert; da ist viel Luft nach oben. Wenn die Exploration von der Privatwirtschaft übernommen wird, sind Modelle gefragt, die das Risiko verteilen oder auf den Staat zurückführen, besonders bei Nichtfündigkeit.

E&M: Mit dem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung hätte die Tiefengeothermie, jedenfalls dort, wo sie angewandt wird, einen guten Stand. Wie schätzen Sie die Potenziale ein, wenn wie geplant 20 Prozent aller Gebäude in Deutschland an Fernwärme angeschlossen werden könnten − welchen Anteil könnte die Tiefengeothermie dann abdecken?

Sass: 25 Prozent des deutschen Wärmebedarfs sind durch Tiefengeothermie abdeckbar. Eine Tiefengeothermieanlage ist per se eine zentrale Anlage, die zumindest ein Nahwärmenetz benötigt. Aber auch der oberflächennahen Geothermie wird ein sehr großes Potenzial bescheinigt. Das ist für mich ein großer Hoffnungsträger, besonders als Insellösung für Bereiche mit Einzelanlagen oder Einzelgehöften auf dem Land, wo die Investition aufgrund fehlender Abnehmerinfrastruktur kritisch ist.

E&M: Welche Gebiete könnten noch Potenziale aufweisen, außer denjenigen, in denen die Nutzung der Tiefengeothermie bereits möglich ist?

Sass: Für das norddeutsche Becken und die beiden anderen im Oberrheingraben und im bayerischen Raum sind hydrothermale, konvektive Systeme nötig, bei denen die Wärme durch ein strömendes Fluid mitgeführt wird, und im Bereich der Mittelgebirge petrothermale, eher konduktive Systeme, bei denen die Wärme direkt übertragen wird. Beides ist heute bereits technisch gut umsetzbar.
In diesen petrothermalen Lagerstätten ist zwar die Wärme vorhanden, aber die Durchlässigkeit fehlt. Es gibt kein Grundwasser, also muss man eine Austauschfläche im Untergrund herstellen, Wasser injizieren, aufheizen und entnehmen. Der Technologiereifegrad ist nicht so weit entwickelt wie bei der aktiven hydrothermalen Geothermie. Unser Gutachten weist darauf hin, dass hier teilweise noch Forschungsbedarf besteht − die Potenziale sind aber definitiv vorhanden.

E&M: Wo liegen die größten Hemmnisse für die Nutzung?

Sass: Thermalwässer sind grundsätzlich stark beladen mit gelösten Inhaltsstoffen. Wenn man bei solchen nahe der Sättigung liegenden Lösungen Druck oder Temperatur ändert oder gar Sauerstoff zuführt, können Salze − und es sind nicht nur Chloride, sondern auch Carbonate und Sulfate − nicht mehr in Lösung bleiben, sondern ausfallen. Auf der einen Seite können puffernde Komponenten wie Carbonate ausfallen, auf der anderen Seite bleiben hoch aggressive, korrosive Elemente übrig. Jedes Thermalwasser stellt spezifische Anforderungen an die übertägige Energieanlagentechnik und Verfahrenstechnik. Es gibt Standorte, die besonders schwierig sind, wo Voruntersuchungen, Berechnungen und Modelle, vielleicht auch Vorversuche nötig sind. Andere Standorte sind weniger kritisch. Im Südraum München zum Beispiel haben Sie nicht nur einen guten Grundwasserleiter für die Entnahme von Thermalwasser, sondern auch eine vergleichsweise günstige Mineralisierung.

E&M: Ist es sinnvoll, Tiefengeothermie auch zur Stromerzeugung einzusetzen, da sie ja grundlastfähig wäre? Und wenn ja, welche Potenziale gäbe es hier?

Sass: Geothermie ist ab einer gewissen Temperatur und Tiefe für beides − Wärme- und Stromgewinnung − geeignet. Es ist technisch möglich, auch aus 80 Grad heißem Wasser Strom zu machen. Aber als Primärplanung ist das nicht wirtschaftlich. Ein normales Kraftwerk erzeugt mit einer Wärmequelle Dampf, der über eine Turbine geleitet wird. Bei 100 Grad heißem Thermalwasser ist das Erzeugen von Dampf schwierig. Sobald Sie das Wasser um zwei Grad abkühlen, kondensiert es wieder.
Momentan liegt der Fokus auf der Wärmewende und dem Beitrag zur Reduktion der CO2-Emission, wobei kältere geothermische Ressourcen eine klare Präferenz haben, weil sie einfacher zu erreichen sind als die ganz tiefen, heißen Vorkommen. Aber wir arbeiten weiter auch an der Stromerzeugung, insbesondere um höher temperierte Ressourcen zu erschließen. Ziel ist es, in nachfrageschwachen Zeiten wie im Sommer Teile der Produktion in Strom umzusetzen, um einen Teil der Stromgrundlast zu leisten. 
 
Ingo Sass
Quelle: Frank Urbansky

 

Donnerstag, 21.03.2024, 09:09 Uhr
Frank Urbansky
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitung - „Berggesetz ist Hindernis für Investoren“
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung
„Berggesetz ist Hindernis für Investoren“
Ingo Sass, Leiter der Sektion „Geoenergie“ am Deutschen Geo-Forschungs-Zentrum (GFZ) in Potsdam, erklärt im E&M-Gespräch wo der Bund bei der tiefen Geothermie nachsteuern müsste.
E&M: Herr Sass, die Bundesregierung will die tiefe Geothermie fördern. Wie beurteilen Sie die politischen Rahmenbedingungen?

Sass: Grundsätzlich haben wir eine Reihe von Rechtsvorschriften im Bereich der Geothermie, die zu sehr unterschiedlichen Interpretationen und Einflussgrößen führen. Und da müsste man wirklich ran. Das Bundesberggesetz ist insgesamt nicht mehr zeitgemäß, auch wenn es in der Bundesrepublik und nach der Wende immer wieder modifiziert wurde. Hinzu kommen Umweltvorschriften und -rechte. Das Gesetz ist ein Hindernis, da es unbestimmt ist und für Investierende wenig Rechtssicherheit bietet. Bei Genehmigungsverfahren gibt es diverse Aspekte wie die Umweltverträglichkeitsprüfungspflicht, die sehr kontrovers diskutiert werden kann. Wenn wir die Energiewende mit heimischen Ressourcen wie der Geothermie vorantreiben wollen, dann müssen wir diese Ressourcen auch zugänglich machen.

E&M: Da diese Risiken nun mal bestehen − was sollten der Bund oder andere staatliche Akteure in welcher Höhe übernehmen?

Sass: Ich gehe davon aus, dass die geologische Landeserkundung eine Staatsaufgabe ist. Deutschland ist in Bezug auf Geoenergie unterexploriert; da ist viel Luft nach oben. Wenn die Exploration von der Privatwirtschaft übernommen wird, sind Modelle gefragt, die das Risiko verteilen oder auf den Staat zurückführen, besonders bei Nichtfündigkeit.

E&M: Mit dem Gesetz zur kommunalen Wärmeplanung hätte die Tiefengeothermie, jedenfalls dort, wo sie angewandt wird, einen guten Stand. Wie schätzen Sie die Potenziale ein, wenn wie geplant 20 Prozent aller Gebäude in Deutschland an Fernwärme angeschlossen werden könnten − welchen Anteil könnte die Tiefengeothermie dann abdecken?

Sass: 25 Prozent des deutschen Wärmebedarfs sind durch Tiefengeothermie abdeckbar. Eine Tiefengeothermieanlage ist per se eine zentrale Anlage, die zumindest ein Nahwärmenetz benötigt. Aber auch der oberflächennahen Geothermie wird ein sehr großes Potenzial bescheinigt. Das ist für mich ein großer Hoffnungsträger, besonders als Insellösung für Bereiche mit Einzelanlagen oder Einzelgehöften auf dem Land, wo die Investition aufgrund fehlender Abnehmerinfrastruktur kritisch ist.

E&M: Welche Gebiete könnten noch Potenziale aufweisen, außer denjenigen, in denen die Nutzung der Tiefengeothermie bereits möglich ist?

Sass: Für das norddeutsche Becken und die beiden anderen im Oberrheingraben und im bayerischen Raum sind hydrothermale, konvektive Systeme nötig, bei denen die Wärme durch ein strömendes Fluid mitgeführt wird, und im Bereich der Mittelgebirge petrothermale, eher konduktive Systeme, bei denen die Wärme direkt übertragen wird. Beides ist heute bereits technisch gut umsetzbar.
In diesen petrothermalen Lagerstätten ist zwar die Wärme vorhanden, aber die Durchlässigkeit fehlt. Es gibt kein Grundwasser, also muss man eine Austauschfläche im Untergrund herstellen, Wasser injizieren, aufheizen und entnehmen. Der Technologiereifegrad ist nicht so weit entwickelt wie bei der aktiven hydrothermalen Geothermie. Unser Gutachten weist darauf hin, dass hier teilweise noch Forschungsbedarf besteht − die Potenziale sind aber definitiv vorhanden.

E&M: Wo liegen die größten Hemmnisse für die Nutzung?

Sass: Thermalwässer sind grundsätzlich stark beladen mit gelösten Inhaltsstoffen. Wenn man bei solchen nahe der Sättigung liegenden Lösungen Druck oder Temperatur ändert oder gar Sauerstoff zuführt, können Salze − und es sind nicht nur Chloride, sondern auch Carbonate und Sulfate − nicht mehr in Lösung bleiben, sondern ausfallen. Auf der einen Seite können puffernde Komponenten wie Carbonate ausfallen, auf der anderen Seite bleiben hoch aggressive, korrosive Elemente übrig. Jedes Thermalwasser stellt spezifische Anforderungen an die übertägige Energieanlagentechnik und Verfahrenstechnik. Es gibt Standorte, die besonders schwierig sind, wo Voruntersuchungen, Berechnungen und Modelle, vielleicht auch Vorversuche nötig sind. Andere Standorte sind weniger kritisch. Im Südraum München zum Beispiel haben Sie nicht nur einen guten Grundwasserleiter für die Entnahme von Thermalwasser, sondern auch eine vergleichsweise günstige Mineralisierung.

E&M: Ist es sinnvoll, Tiefengeothermie auch zur Stromerzeugung einzusetzen, da sie ja grundlastfähig wäre? Und wenn ja, welche Potenziale gäbe es hier?

Sass: Geothermie ist ab einer gewissen Temperatur und Tiefe für beides − Wärme- und Stromgewinnung − geeignet. Es ist technisch möglich, auch aus 80 Grad heißem Wasser Strom zu machen. Aber als Primärplanung ist das nicht wirtschaftlich. Ein normales Kraftwerk erzeugt mit einer Wärmequelle Dampf, der über eine Turbine geleitet wird. Bei 100 Grad heißem Thermalwasser ist das Erzeugen von Dampf schwierig. Sobald Sie das Wasser um zwei Grad abkühlen, kondensiert es wieder.
Momentan liegt der Fokus auf der Wärmewende und dem Beitrag zur Reduktion der CO2-Emission, wobei kältere geothermische Ressourcen eine klare Präferenz haben, weil sie einfacher zu erreichen sind als die ganz tiefen, heißen Vorkommen. Aber wir arbeiten weiter auch an der Stromerzeugung, insbesondere um höher temperierte Ressourcen zu erschließen. Ziel ist es, in nachfrageschwachen Zeiten wie im Sommer Teile der Produktion in Strom umzusetzen, um einen Teil der Stromgrundlast zu leisten. 
 
Ingo Sass
Quelle: Frank Urbansky

 

Donnerstag, 21.03.2024, 09:09 Uhr
Frank Urbansky

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