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Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - „Beim Marketing glaubt jeder mitreden zu können“
Erich Deppe, damaliger Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Hannover AG (hier ein Bild von 2001). Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren

„Beim Marketing glaubt jeder mitreden zu können“

Seit 2018 heißt der Versorger in Hannover offiziell „Enercity“. Schon lange zuvor zeigten sich die Stadtwerke Hannover markenbewusst.
Er kam aus der Politik in ein sehr politisches Amt in der Wirtschaft, wo er sich den Ruf eines vorausschauenden Managers und Marketingstrategen erwarb. Nach 19 Jahren an der Spitze der Stadtwerke Hannover ging Erich Deppe zum 1. April 2004 in den Ruhestand – nicht ohne im Gespräch mit E&M-Redakteur Fritz Wilhelm noch einmal zu betonen, wie gut doch eigentlich Stadt und Stadtwerk zusammenarbeiten können.

Hier das etwas gekürzte Interview aus dem Jahr 2004:
 
E&M: Herr Deppe, der ‚Fürst’ von Mannheim (der damalige MVV-Vorstandschef Roland Hartung, d. Red.) ist kürzlich in den Ruhestand gegangen. Welches Attribut wird man Ihnen zum Abschied anhängen?

Deppe (lacht): Ein solches bestimmt nicht. Ich nehme an, man wird mich nach meiner Arbeit beurteilen. Ich habe noch nie in der ersten Reihe stehen müssen. Das Ergebnis meiner Arbeit war für mich schon immer das Wichtigste.

E&M: Sie haben den Stadtwerken eine rote Hülle übergestülpt ...

Deppe: ... das war aber nicht alles und hoffentlich nicht politisch gemeint.

E&M: Die Stadtwerke Hannover werden aber doch sehr stark über ihr Erscheinungsbild wahrgenommen.
 
„Die gesamte Positionierung muss stimmig sein“
 
Deppe: Dahinter steht die Erkenntnis, dass die gesamte Positionierung eines Unternehmens stimmig sein muss. Das gilt schon immer und nicht erst seit der Liberalisierung. Selbst bei der Architektur unserer Gemeinschaftskraftwerke - ein Bereich, den unsere Mitarbeiter und die Stadt zunächst gar nicht beachtet haben - war es für mich wichtig, dass das Gesamtbild stimmig ist. Zu einem Auftritt der Marke Enercity passt meiner Meinung nun mal nicht einfach nur Länge mal Breite mal Höhe.

E&M: Man hat den Eindruck, Sie stecken viel mehr Geld in die Werbung als andere Stadtwerke. Wie lässt sich das bei einem Low-Interest-Produkt wie Energie rechtfertigen?

Deppe: Zu einem großen Teil durch die Expo. Wir haben mit unserem Engagement für die Expo natürlich auch die Stadt positioniert. Schauen Sie sich außerdem einmal unsere extrem niedrige Wechselquote an. Sowohl bei den Haushalts- als auch den Gewerbe- und Industriekunden haben wir so gut wie keine Abgänge. Das hängt jetzt nicht ausschließlich mit der - wie es neudeutsch heißt - Anmutung „Rot ist gleich Energie ist gleich Kraft ist gleich Einkaufserlebnis“ zusammen. Aber wir geben den Kunden schon die Möglichkeit, sich mit uns zu identifizieren. Und sie tun das auch.
E&M: Wären die Kunden nicht ohnehin bei Ihnen geblieben?

Deppe: Bei Marketing glaubt jeder mitreden zu können, und häufig wird entsprechenden Maßnahmen mangelnde Substanz unterstellt. Ich bin aber sicher, dass Marketing zur Kundenbindung unerlässlich ist, bei allen Kundengruppen. Das lässt sich auch mit wissenschaftlichen Methoden nachweisen.

E&M: Hatten Sie vor, gleich das ganze Stadtwerk zur Marke zu machen?

Deppe: Schmalstieg (damaliger Oberbürgermeister der Stadt Hannover; d. Red.) hat mich damals schon gefragt, was ich eigentlich vorhabe. Ich habe ihm erklärt, dass mir die Enercity AG vorschwebe. Als wir nach der Liberalisierung angefangen haben, auch in anderen Regionen Kunden anzusprechen, haben wir häufig zu hören bekommen „Stadtwerke Hannover? Stadtwerke haben wir hier selbst.“ An den negativen Elementen des Stadtwerke-Images mussten wir arbeiten, beispielsweise mit einem neuen Erscheinungsbild, neuer Organisation, neuen Unternehmensfunktionen und neuen Produkten.

E&M: Wie hat die Stadt Ihre Markenpolitik aufgenommen?

Deppe: Als mich Schmalstieg fragte „Und wann machst Du Dich selbständig?“ habe ich gemerkt, dass wir einen Kompromiss finden müssen.

„Es wäre konsequent, das Unternehmen Enercity zu nennen“
 
E&M: Wie gut können Sie mit diesem Kompromiss leben?

Deppe: Inzwischen lebe ich sehr gut damit. Schließlich haben Befragungen immer wieder gezeigt, dass Kunden die Stadtwerke auch mit den Begriffen Vertrauen und Verlässlichkeit in Verbindung bringen. Obwohl ich nach wie vor der Meinung bin, es wäre konsequent gewesen, das Unternehmen Enercity zu nennen. So sind wir Enercity – die Marke der Stadtwerke Hannover AG. Aber etwa 80 Prozent unserer Post gehen heute an die Enercity AG. Den Markennamen haben wir uns übrigens schon 1996 schützen lassen.
 
E&M: Wie weit haben Sie sich von der Kommune emanzipiert?

Deppe: Ich finde, es ist kein Wert an sich, sich von der Kommune abzunabeln. Als Fessel habe ich die enge Bindung jedenfalls nie empfunden. Man muss aber auch zwei Dinge unterscheiden: Erstens haben wir eine Gemeindeordnung. Sie ist antiquiert und gehört unbedingt abgeschafft. Ich habe schon viele Gespräche deswegen im Innenministerium geführt, die letztendlich aber nur dazu geführt haben, dass unsere bundesweiten Aktivitäten geduldet werden. „Solange Ihr nicht in China aktiv werdet …“ hieß es dann ...

E&M: ...wie die Mannheimer MVV AG ...

Deppe: Da bewundere ich Herrn Hartung (ehemaliger Vorstandschef, d. Red.) schon sehr, wie er einfach die Gemeindeordnung beiseite geschoben hat. Man muss sich zweitens natürlich auch die Zusammenarbeit mit der Kommune ansehen. Diese funktioniert bei uns sehr gut. In den neunzehn Jahren meiner Amtszeit gab es nicht einmal eine Handvoll Fälle, in denen die Stadt versucht hat, uns reinzureden.

E&M: Zusammenarbeit – das hört sich nach Gegenseitigkeit an ...

Deppe: Das ist richtig. Wir können viele kommunalpolitische Themen vorwegnehmen und so der Stadt eine Menge Arbeit ersparen, auch unangenehme Arbeit. So haben wir beispielsweise das Thema Zwangsarbeiterabgabe aufgegriffen, noch bevor das Rathaus unbequeme Fragen beantworten musste. Es gibt jedoch immer noch Politiker, die nicht begreifen, was wir alles für die Stadt leisten können.

E&M: Verschafft man sich so seine unternehmerischen Freiheiten?

Deppe: Es ist doch ganz natürlich, dass man als Vorstand seine Freiheiten bekommt, wenn man den Stakeholderinteressen besondere Aufmerksamkeit schenkt.

E&M: Warum holen sich denn dann so viele Stadtwerke private Mehrheitseigner ins Boot?

Deppe: Jedenfalls nicht, um unternehmerische Freiheiten zu erlangen. Ich bin fast sicher, dass die Töchter der großen Konzerne nicht mehr Freiheiten haben als wir.

E&M: Sichern die Privaten das Überleben der Stadtwerke?

Deppe: Es gibt dafür keine Erfolgsgarantie. Ich war mir aber von Anfang an auch sicher, dass es nicht zum großen Stadtwerkesterben kommen würde. Warum sollte es auch? Ob in Hildesheim nun Avacon oder die Stadtwerke Hildesheim den Strom liefern, dürfte für Eon doch keinen Unterschied machen. Solange es Eon-Strom ist.

E&M: Sie sind dann jedoch vom Vorlieferanten abhängig.

Deppe: Aber nicht tot. Die Unabhängigkeit kann man sich natürlich nur dann erhalten, wenn man auch ein großes Maß an Eigenerzeugung hat. Daher schöpfen wir unser Selbstvertrauen und unsere Stärke. Deshalb denke ich, dass die Stadtwerke Hannover zumindest in den nächsten fünf Jahren ganz gut zurechtkommen werden. Wie es in zehn oder zwanzig Jahren aussieht, kann man jetzt natürlich noch nicht sagen.
 
„Wir haben uns Respekt verschafft“
 
E&M: Welches Verhältnis haben Sie zu Ihren Anteilseignern?

Deppe: Wir haben uns sowohl bei Thüga beziehungsweise Eon als auch bei Ruhrgas sehr schnell den Ruf erworben, innovativ zu sein, und uns entsprechenden Respekt verschafft.

E&M: Mit insgesamt 24 Prozent werden Thüga und Ruhrgas, zumal die beiden ja nun zusammengehören, doch sicher auch eigene unternehmerische Ziele verfolgen.

Deppe: Das Gewicht ist sicherlich stärker als bei zweimal zwölf Prozent. Die Anforderungen an unser Controlling werden in Zukunft sicherlich höher sein als in der Vergangenheit. Wir werden unsere europäischen Vertriebspläne sicherlich genauer mit den Anteilseignern abstimmen müssen.

E&M: In welche Länder wollen Sie expandieren?

Deppe: Wir wollen zunächst nach Frankreich und nach Italien. Das ist ein vielversprechender Markt. Und wir haben bereits sehr gute Kontakte dorthin.

E&M: Kommen für Sie Kooperationslösungen infrage?

Deppe: Ich hatte früher einmal die Idee eines kommunalen Netzwerks, so wie es später dann Herr Attig (damaliger Vorstandschef der Stadtwerke Aachen, d. Red.) mit der Trianel verwirklicht hat. Wahrscheinlich war ich einfach zu früh dran. Stattdessen sind immer wieder Eon und Ruhrgas zum Zuge gekommen.

E&M: Woran lag’s?

Deppe: Das politische Misstrauen gegenüber der Landeshauptstadt hat uns schon oft im Weg gestanden. Da bewerben wir uns um die Wasserversorgung von Wennigsen, aber wer kriegt den Zuschlag? Purena Avacon. Wir stützen den öffentlichen Nahverkehr und die Wirtschaft der Region, aber die Region geht zu Avacon. Ich frage mich dann nur, wo der kommunale Gedanke bleibt, von dem der Städtetag so oft redet. In den Kommunen wird viel zu wenig Widerstand geleistet, viel zu wenig Kreativität entfaltet.
 

Samstag, 6.04.2024, 17:36 Uhr
Fritz Wilhelm
Energie & Management > E&M Vor 20 Jahren - „Beim Marketing glaubt jeder mitreden zu können“
Erich Deppe, damaliger Vorstandsvorsitzender der Stadtwerke Hannover AG (hier ein Bild von 2001). Quelle: E&M
E&M Vor 20 Jahren
„Beim Marketing glaubt jeder mitreden zu können“
Seit 2018 heißt der Versorger in Hannover offiziell „Enercity“. Schon lange zuvor zeigten sich die Stadtwerke Hannover markenbewusst.
Er kam aus der Politik in ein sehr politisches Amt in der Wirtschaft, wo er sich den Ruf eines vorausschauenden Managers und Marketingstrategen erwarb. Nach 19 Jahren an der Spitze der Stadtwerke Hannover ging Erich Deppe zum 1. April 2004 in den Ruhestand – nicht ohne im Gespräch mit E&M-Redakteur Fritz Wilhelm noch einmal zu betonen, wie gut doch eigentlich Stadt und Stadtwerk zusammenarbeiten können.

Hier das etwas gekürzte Interview aus dem Jahr 2004:
 
E&M: Herr Deppe, der ‚Fürst’ von Mannheim (der damalige MVV-Vorstandschef Roland Hartung, d. Red.) ist kürzlich in den Ruhestand gegangen. Welches Attribut wird man Ihnen zum Abschied anhängen?

Deppe (lacht): Ein solches bestimmt nicht. Ich nehme an, man wird mich nach meiner Arbeit beurteilen. Ich habe noch nie in der ersten Reihe stehen müssen. Das Ergebnis meiner Arbeit war für mich schon immer das Wichtigste.

E&M: Sie haben den Stadtwerken eine rote Hülle übergestülpt ...

Deppe: ... das war aber nicht alles und hoffentlich nicht politisch gemeint.

E&M: Die Stadtwerke Hannover werden aber doch sehr stark über ihr Erscheinungsbild wahrgenommen.
 
„Die gesamte Positionierung muss stimmig sein“
 
Deppe: Dahinter steht die Erkenntnis, dass die gesamte Positionierung eines Unternehmens stimmig sein muss. Das gilt schon immer und nicht erst seit der Liberalisierung. Selbst bei der Architektur unserer Gemeinschaftskraftwerke - ein Bereich, den unsere Mitarbeiter und die Stadt zunächst gar nicht beachtet haben - war es für mich wichtig, dass das Gesamtbild stimmig ist. Zu einem Auftritt der Marke Enercity passt meiner Meinung nun mal nicht einfach nur Länge mal Breite mal Höhe.

E&M: Man hat den Eindruck, Sie stecken viel mehr Geld in die Werbung als andere Stadtwerke. Wie lässt sich das bei einem Low-Interest-Produkt wie Energie rechtfertigen?

Deppe: Zu einem großen Teil durch die Expo. Wir haben mit unserem Engagement für die Expo natürlich auch die Stadt positioniert. Schauen Sie sich außerdem einmal unsere extrem niedrige Wechselquote an. Sowohl bei den Haushalts- als auch den Gewerbe- und Industriekunden haben wir so gut wie keine Abgänge. Das hängt jetzt nicht ausschließlich mit der - wie es neudeutsch heißt - Anmutung „Rot ist gleich Energie ist gleich Kraft ist gleich Einkaufserlebnis“ zusammen. Aber wir geben den Kunden schon die Möglichkeit, sich mit uns zu identifizieren. Und sie tun das auch.
E&M: Wären die Kunden nicht ohnehin bei Ihnen geblieben?

Deppe: Bei Marketing glaubt jeder mitreden zu können, und häufig wird entsprechenden Maßnahmen mangelnde Substanz unterstellt. Ich bin aber sicher, dass Marketing zur Kundenbindung unerlässlich ist, bei allen Kundengruppen. Das lässt sich auch mit wissenschaftlichen Methoden nachweisen.

E&M: Hatten Sie vor, gleich das ganze Stadtwerk zur Marke zu machen?

Deppe: Schmalstieg (damaliger Oberbürgermeister der Stadt Hannover; d. Red.) hat mich damals schon gefragt, was ich eigentlich vorhabe. Ich habe ihm erklärt, dass mir die Enercity AG vorschwebe. Als wir nach der Liberalisierung angefangen haben, auch in anderen Regionen Kunden anzusprechen, haben wir häufig zu hören bekommen „Stadtwerke Hannover? Stadtwerke haben wir hier selbst.“ An den negativen Elementen des Stadtwerke-Images mussten wir arbeiten, beispielsweise mit einem neuen Erscheinungsbild, neuer Organisation, neuen Unternehmensfunktionen und neuen Produkten.

E&M: Wie hat die Stadt Ihre Markenpolitik aufgenommen?

Deppe: Als mich Schmalstieg fragte „Und wann machst Du Dich selbständig?“ habe ich gemerkt, dass wir einen Kompromiss finden müssen.

„Es wäre konsequent, das Unternehmen Enercity zu nennen“
 
E&M: Wie gut können Sie mit diesem Kompromiss leben?

Deppe: Inzwischen lebe ich sehr gut damit. Schließlich haben Befragungen immer wieder gezeigt, dass Kunden die Stadtwerke auch mit den Begriffen Vertrauen und Verlässlichkeit in Verbindung bringen. Obwohl ich nach wie vor der Meinung bin, es wäre konsequent gewesen, das Unternehmen Enercity zu nennen. So sind wir Enercity – die Marke der Stadtwerke Hannover AG. Aber etwa 80 Prozent unserer Post gehen heute an die Enercity AG. Den Markennamen haben wir uns übrigens schon 1996 schützen lassen.
 
E&M: Wie weit haben Sie sich von der Kommune emanzipiert?

Deppe: Ich finde, es ist kein Wert an sich, sich von der Kommune abzunabeln. Als Fessel habe ich die enge Bindung jedenfalls nie empfunden. Man muss aber auch zwei Dinge unterscheiden: Erstens haben wir eine Gemeindeordnung. Sie ist antiquiert und gehört unbedingt abgeschafft. Ich habe schon viele Gespräche deswegen im Innenministerium geführt, die letztendlich aber nur dazu geführt haben, dass unsere bundesweiten Aktivitäten geduldet werden. „Solange Ihr nicht in China aktiv werdet …“ hieß es dann ...

E&M: ...wie die Mannheimer MVV AG ...

Deppe: Da bewundere ich Herrn Hartung (ehemaliger Vorstandschef, d. Red.) schon sehr, wie er einfach die Gemeindeordnung beiseite geschoben hat. Man muss sich zweitens natürlich auch die Zusammenarbeit mit der Kommune ansehen. Diese funktioniert bei uns sehr gut. In den neunzehn Jahren meiner Amtszeit gab es nicht einmal eine Handvoll Fälle, in denen die Stadt versucht hat, uns reinzureden.

E&M: Zusammenarbeit – das hört sich nach Gegenseitigkeit an ...

Deppe: Das ist richtig. Wir können viele kommunalpolitische Themen vorwegnehmen und so der Stadt eine Menge Arbeit ersparen, auch unangenehme Arbeit. So haben wir beispielsweise das Thema Zwangsarbeiterabgabe aufgegriffen, noch bevor das Rathaus unbequeme Fragen beantworten musste. Es gibt jedoch immer noch Politiker, die nicht begreifen, was wir alles für die Stadt leisten können.

E&M: Verschafft man sich so seine unternehmerischen Freiheiten?

Deppe: Es ist doch ganz natürlich, dass man als Vorstand seine Freiheiten bekommt, wenn man den Stakeholderinteressen besondere Aufmerksamkeit schenkt.

E&M: Warum holen sich denn dann so viele Stadtwerke private Mehrheitseigner ins Boot?

Deppe: Jedenfalls nicht, um unternehmerische Freiheiten zu erlangen. Ich bin fast sicher, dass die Töchter der großen Konzerne nicht mehr Freiheiten haben als wir.

E&M: Sichern die Privaten das Überleben der Stadtwerke?

Deppe: Es gibt dafür keine Erfolgsgarantie. Ich war mir aber von Anfang an auch sicher, dass es nicht zum großen Stadtwerkesterben kommen würde. Warum sollte es auch? Ob in Hildesheim nun Avacon oder die Stadtwerke Hildesheim den Strom liefern, dürfte für Eon doch keinen Unterschied machen. Solange es Eon-Strom ist.

E&M: Sie sind dann jedoch vom Vorlieferanten abhängig.

Deppe: Aber nicht tot. Die Unabhängigkeit kann man sich natürlich nur dann erhalten, wenn man auch ein großes Maß an Eigenerzeugung hat. Daher schöpfen wir unser Selbstvertrauen und unsere Stärke. Deshalb denke ich, dass die Stadtwerke Hannover zumindest in den nächsten fünf Jahren ganz gut zurechtkommen werden. Wie es in zehn oder zwanzig Jahren aussieht, kann man jetzt natürlich noch nicht sagen.
 
„Wir haben uns Respekt verschafft“
 
E&M: Welches Verhältnis haben Sie zu Ihren Anteilseignern?

Deppe: Wir haben uns sowohl bei Thüga beziehungsweise Eon als auch bei Ruhrgas sehr schnell den Ruf erworben, innovativ zu sein, und uns entsprechenden Respekt verschafft.

E&M: Mit insgesamt 24 Prozent werden Thüga und Ruhrgas, zumal die beiden ja nun zusammengehören, doch sicher auch eigene unternehmerische Ziele verfolgen.

Deppe: Das Gewicht ist sicherlich stärker als bei zweimal zwölf Prozent. Die Anforderungen an unser Controlling werden in Zukunft sicherlich höher sein als in der Vergangenheit. Wir werden unsere europäischen Vertriebspläne sicherlich genauer mit den Anteilseignern abstimmen müssen.

E&M: In welche Länder wollen Sie expandieren?

Deppe: Wir wollen zunächst nach Frankreich und nach Italien. Das ist ein vielversprechender Markt. Und wir haben bereits sehr gute Kontakte dorthin.

E&M: Kommen für Sie Kooperationslösungen infrage?

Deppe: Ich hatte früher einmal die Idee eines kommunalen Netzwerks, so wie es später dann Herr Attig (damaliger Vorstandschef der Stadtwerke Aachen, d. Red.) mit der Trianel verwirklicht hat. Wahrscheinlich war ich einfach zu früh dran. Stattdessen sind immer wieder Eon und Ruhrgas zum Zuge gekommen.

E&M: Woran lag’s?

Deppe: Das politische Misstrauen gegenüber der Landeshauptstadt hat uns schon oft im Weg gestanden. Da bewerben wir uns um die Wasserversorgung von Wennigsen, aber wer kriegt den Zuschlag? Purena Avacon. Wir stützen den öffentlichen Nahverkehr und die Wirtschaft der Region, aber die Region geht zu Avacon. Ich frage mich dann nur, wo der kommunale Gedanke bleibt, von dem der Städtetag so oft redet. In den Kommunen wird viel zu wenig Widerstand geleistet, viel zu wenig Kreativität entfaltet.
 

Samstag, 6.04.2024, 17:36 Uhr
Fritz Wilhelm

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