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Energie & Management > Stromnetz - Zwei 380-kV-Trassen für Sicherheit im Chemiedreieck
Arbeiten an einer Hochspannungsleitung. Quelle: Bayernwerk
Stromnetz

Zwei 380-kV-Trassen für Sicherheit im Chemiedreieck

Schon um die erste Höchstpannungstrasse hatte es Diskussionen gegeben, jetzt soll eine zweite dazukommen, um dem bayerischen Chemiedreieck eine klimaneutrale Zukunft zu ermöglichen.
Die Netzbetreiber Tennet und Bayernwerk haben im oberbayerischen Altötting zunächst Kommunalpolitikern und anschließend Medienvertretern ihre Pläne dazu vorgestellt, wie die Unternehmen im bayerischen Chemiedreieck mit ausreichend Strom für die Dekarbonisierung ihrer Produktion versorgt werden können. Das Chemiedreieck erstreckt sich über die südostbayerischen Landkreise Altötting, Mühldorf und Traunstein. Als wichtigste Standorte gelten Burghausen (Wacker Chemie AG, OMV-Raffinerie), Trostberg (Alzchem, BASF), Waldkraiburg und Burgkirchen (Chemiepark Gendorf).

Für die Stromversorgung steht bisher nur eine 220-kV-Trasse zur Verfügung, dazu gibt es ein bisschen Wasserkraft – und ein geplanter großer Windpark ist schon in der Anfangsphase erst mal ausgebremst worden. Die Bürger von Mehring stimmten Ende Februar (wie berichtet) gegen die zehn von 40 Windkraftanlagen, die auf ihrem Gemeindegebiet errichtet werden sollten.

Kein Wunder, dass beim Führungspersonal der hier ansässigen Unternehmen die Alarmglocken schrillen, hat sich der Freistaat Bayern doch die Klimaneutralität bis 2040 auf die Fahnen geschrieben. Zudem herrscht Unsicherheit, was den Wasserstoff angeht, mit dem man das derzeit für die Produktionsprozesse bevorzugte Erdgas ersetzen könnte.

​Enormer Energiehunger

Dabei ist der Energiehunger, den die Firmen hier haben, immens: Er beläuft sich auf 5 Milliarden kWh Strom pro Jahr. Das entspricht 1 Prozent des deutschen Gesamtstromverbrauchs, wie Bernhard Langhammer, Sprecher der Unternehmens-Initiative Chem Delta Bavaria, bei der Informationsveranstaltung hervorhebt. Zweimal soviel, vielleicht dreimal soviel, schätzt er, werde es brauchen, um die Produktionsprozesse klimaneutral zu gestalten. Was er auch gleich wieder einschränkt: „Das setzt voraus, dass wir genügend Wasserstoff bekommen.“ Wenn nicht, werde der Stromverbrauch durch die dann erforderlichen Elektrolyse vor Ort noch sehr viel höher sein.
 

Ganz pessimistisch will Langhammer dann aber doch nicht rüberkommen und findet auch eine gute Botschaft zum Ziel Klimaneutralität: „Die Chemieindustrie kann das – die technischen Möglichkeiten sind da.“ Und wie? Der Dampf, der für die Prozesse vielfältig nötig ist, lässt sich ebenfalls durch Strom erzeugen, Großwärmepumpen bieten viel Potenzial zur Energiegewinnung, Recycling von Kunststoffen auch – und Wasserstoff eben.
 
Die punktierte blaue Linie ist die ganz neue 380-kV-Leitung
zwischen Simbach und Burghausen. Im grauen Korridor zwischen
Pirach und Zeilarn verläuft der bereits in der Planungsphase
befindliche Ersatzneubau für die 220-kV-Verbindung (grün)
 (Zur Vollansicht bitte auf die Landkarte klicken)
Quelle Tennet

Wie sich die gewaltigen Strommengen für die CO2-neutrale Zukunft des Chemiedreiecks heranschaffen lassen, erläuterten Thomas Ehrhardt-Unglaub, Direktor Netzausbau Bayern Südost bei Tennet, und Robert Pflügl, Geschäftsführer der Bayernwerk Netz GmbH.

In der Planungsphase befindet sich bereits eine 380-kV-Leitung zwischen Pirach und Zeilarn. Sie soll die alte 220-kV-Verbindung ersetzen und die Übertragung einer bis zu fünfmal höheren Leistung ermöglichen. Tennet hofft, mit dem Bau 2026/2027 beginnen zu können, die Inbetriebnahme wird für 2029/2030 angestrebt.

Der neueste Netzentwicklungsplan bestätigte jetzt den Bedarf für eine zweite 380-kV-Trasse, ebenfalls mit zwei Stromkreisen, die zusammen eine Ãœbertragung von bis zu 5.000 MW ermöglichen. Sie führt von Burghausen in die Nähe von Simbach am Inn und ist rund 15 Kilometer lang. Eine zusätzliche Leitung auf dem Abschnitt Pirach-Burghausen der anderen Trasse kann, wie Erhardt-Unglaub gegenüber E&M erklärte, durch den Bau einer Schaltanlage im Bereich Zeilarn vermieden werden. Darüber hinaus müssen an den Endpunkten der neuen Verbindung neue Umspannwerke entstehen. Die Inbetriebnahme wird „weit vor“ dem im Netzentwicklungsplan genannten Jahr 2035 angestrebt. Auf Nachfrage nennt Tennet Investitionskosten im höheren dreistelligen Millionenbereich.
 
Robert Pflügl erläutert die Pläne des Bayernwerks
Quelle: E&M / Drewnitzky

Auch auf Verteilnetzebene muss sich viel tun, um den Strom aus der Höchstspannungsebene sinnvoll weiterzuleiten. Dabei legt Robert Pfügl bei seinem Vortrag großen Wert darauf, dass „über 90 Prozent der Maßnahmen auf bestehenden Leitungstrassen stattfinden“. Im Einzelnen sind vorgesehen:
  • Die Erweiterung des Umspannwerks Bruck beim Chemiepark Gendorf und dessen direkte Anbindung an den Netzknoten Pirach bei Burgkirchen an der Alz
  • Ertüchtigung der Hochspannungsleitung zwischen Pirach und Bruck
  • Erneuerung der Leitungen zwischen Pirach und dem Wacker-Standort Burghausen
  • Das neue Umspannwerk Burghausen als Knotenpunkt von Ãœbertragungs- und Verteilnetz soll mit neuen Leitungen Richtung Simbach und zu den Standorten von Wacker und Burghausen angebunden werden.
  • An den Standorten von Wacker und OMV sind sollen darüber hinaus zwei neue Umspannwerke entstehen.
  • Noch in diesem Jahr will das Bayernwerk die Freileitung zwischen Simbach und Burghausen für eine höhere Ãœbertragungskapazität erweitern.
  • Darüber hinaus ist geplant, die Verbindungen Töging-Pirach und Töging-Neuötting zu modernisieren.
  • 2025 soll die Ertüchtigung der Trasse Töging-Pirach starten.
Der Aufwand, der hier in den kommenden Jahren getrieben wird, ist also immens. Für wie wichtig er die neuen Projekte hält, wird Chem-Delta-Sprecher Langhammer gefragt. „Das ist absolut unverzichtbar, dass wir schnell an die Kapazitäten kommen“, sagt er und lässt keinen Zweifel: Durch die Leitungen würden Wertschöpfung und Wohlstand in der Region gesichert.

Donnerstag, 7.03.2024, 12:48 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Stromnetz - Zwei 380-kV-Trassen für Sicherheit im Chemiedreieck
Arbeiten an einer Hochspannungsleitung. Quelle: Bayernwerk
Stromnetz
Zwei 380-kV-Trassen für Sicherheit im Chemiedreieck
Schon um die erste Höchstpannungstrasse hatte es Diskussionen gegeben, jetzt soll eine zweite dazukommen, um dem bayerischen Chemiedreieck eine klimaneutrale Zukunft zu ermöglichen.
Die Netzbetreiber Tennet und Bayernwerk haben im oberbayerischen Altötting zunächst Kommunalpolitikern und anschließend Medienvertretern ihre Pläne dazu vorgestellt, wie die Unternehmen im bayerischen Chemiedreieck mit ausreichend Strom für die Dekarbonisierung ihrer Produktion versorgt werden können. Das Chemiedreieck erstreckt sich über die südostbayerischen Landkreise Altötting, Mühldorf und Traunstein. Als wichtigste Standorte gelten Burghausen (Wacker Chemie AG, OMV-Raffinerie), Trostberg (Alzchem, BASF), Waldkraiburg und Burgkirchen (Chemiepark Gendorf).

Für die Stromversorgung steht bisher nur eine 220-kV-Trasse zur Verfügung, dazu gibt es ein bisschen Wasserkraft – und ein geplanter großer Windpark ist schon in der Anfangsphase erst mal ausgebremst worden. Die Bürger von Mehring stimmten Ende Februar (wie berichtet) gegen die zehn von 40 Windkraftanlagen, die auf ihrem Gemeindegebiet errichtet werden sollten.

Kein Wunder, dass beim Führungspersonal der hier ansässigen Unternehmen die Alarmglocken schrillen, hat sich der Freistaat Bayern doch die Klimaneutralität bis 2040 auf die Fahnen geschrieben. Zudem herrscht Unsicherheit, was den Wasserstoff angeht, mit dem man das derzeit für die Produktionsprozesse bevorzugte Erdgas ersetzen könnte.

​Enormer Energiehunger

Dabei ist der Energiehunger, den die Firmen hier haben, immens: Er beläuft sich auf 5 Milliarden kWh Strom pro Jahr. Das entspricht 1 Prozent des deutschen Gesamtstromverbrauchs, wie Bernhard Langhammer, Sprecher der Unternehmens-Initiative Chem Delta Bavaria, bei der Informationsveranstaltung hervorhebt. Zweimal soviel, vielleicht dreimal soviel, schätzt er, werde es brauchen, um die Produktionsprozesse klimaneutral zu gestalten. Was er auch gleich wieder einschränkt: „Das setzt voraus, dass wir genügend Wasserstoff bekommen.“ Wenn nicht, werde der Stromverbrauch durch die dann erforderlichen Elektrolyse vor Ort noch sehr viel höher sein.
 

Ganz pessimistisch will Langhammer dann aber doch nicht rüberkommen und findet auch eine gute Botschaft zum Ziel Klimaneutralität: „Die Chemieindustrie kann das – die technischen Möglichkeiten sind da.“ Und wie? Der Dampf, der für die Prozesse vielfältig nötig ist, lässt sich ebenfalls durch Strom erzeugen, Großwärmepumpen bieten viel Potenzial zur Energiegewinnung, Recycling von Kunststoffen auch – und Wasserstoff eben.
 
Die punktierte blaue Linie ist die ganz neue 380-kV-Leitung
zwischen Simbach und Burghausen. Im grauen Korridor zwischen
Pirach und Zeilarn verläuft der bereits in der Planungsphase
befindliche Ersatzneubau für die 220-kV-Verbindung (grün)
 (Zur Vollansicht bitte auf die Landkarte klicken)
Quelle Tennet

Wie sich die gewaltigen Strommengen für die CO2-neutrale Zukunft des Chemiedreiecks heranschaffen lassen, erläuterten Thomas Ehrhardt-Unglaub, Direktor Netzausbau Bayern Südost bei Tennet, und Robert Pflügl, Geschäftsführer der Bayernwerk Netz GmbH.

In der Planungsphase befindet sich bereits eine 380-kV-Leitung zwischen Pirach und Zeilarn. Sie soll die alte 220-kV-Verbindung ersetzen und die Übertragung einer bis zu fünfmal höheren Leistung ermöglichen. Tennet hofft, mit dem Bau 2026/2027 beginnen zu können, die Inbetriebnahme wird für 2029/2030 angestrebt.

Der neueste Netzentwicklungsplan bestätigte jetzt den Bedarf für eine zweite 380-kV-Trasse, ebenfalls mit zwei Stromkreisen, die zusammen eine Ãœbertragung von bis zu 5.000 MW ermöglichen. Sie führt von Burghausen in die Nähe von Simbach am Inn und ist rund 15 Kilometer lang. Eine zusätzliche Leitung auf dem Abschnitt Pirach-Burghausen der anderen Trasse kann, wie Erhardt-Unglaub gegenüber E&M erklärte, durch den Bau einer Schaltanlage im Bereich Zeilarn vermieden werden. Darüber hinaus müssen an den Endpunkten der neuen Verbindung neue Umspannwerke entstehen. Die Inbetriebnahme wird „weit vor“ dem im Netzentwicklungsplan genannten Jahr 2035 angestrebt. Auf Nachfrage nennt Tennet Investitionskosten im höheren dreistelligen Millionenbereich.
 
Robert Pflügl erläutert die Pläne des Bayernwerks
Quelle: E&M / Drewnitzky

Auch auf Verteilnetzebene muss sich viel tun, um den Strom aus der Höchstspannungsebene sinnvoll weiterzuleiten. Dabei legt Robert Pfügl bei seinem Vortrag großen Wert darauf, dass „über 90 Prozent der Maßnahmen auf bestehenden Leitungstrassen stattfinden“. Im Einzelnen sind vorgesehen:
  • Die Erweiterung des Umspannwerks Bruck beim Chemiepark Gendorf und dessen direkte Anbindung an den Netzknoten Pirach bei Burgkirchen an der Alz
  • Ertüchtigung der Hochspannungsleitung zwischen Pirach und Bruck
  • Erneuerung der Leitungen zwischen Pirach und dem Wacker-Standort Burghausen
  • Das neue Umspannwerk Burghausen als Knotenpunkt von Ãœbertragungs- und Verteilnetz soll mit neuen Leitungen Richtung Simbach und zu den Standorten von Wacker und Burghausen angebunden werden.
  • An den Standorten von Wacker und OMV sind sollen darüber hinaus zwei neue Umspannwerke entstehen.
  • Noch in diesem Jahr will das Bayernwerk die Freileitung zwischen Simbach und Burghausen für eine höhere Ãœbertragungskapazität erweitern.
  • Darüber hinaus ist geplant, die Verbindungen Töging-Pirach und Töging-Neuötting zu modernisieren.
  • 2025 soll die Ertüchtigung der Trasse Töging-Pirach starten.
Der Aufwand, der hier in den kommenden Jahren getrieben wird, ist also immens. Für wie wichtig er die neuen Projekte hält, wird Chem-Delta-Sprecher Langhammer gefragt. „Das ist absolut unverzichtbar, dass wir schnell an die Kapazitäten kommen“, sagt er und lässt keinen Zweifel: Durch die Leitungen würden Wertschöpfung und Wohlstand in der Region gesichert.

Donnerstag, 7.03.2024, 12:48 Uhr
Günter Drewnitzky

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