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Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitung

"Wir wollen beweisen, dass es funktioniert"

Die Niederspannungsebene ist immer noch eine Blackbox. Ein Leitsystem kann Abhilfe schaffen, wie Olaf Syben von Kisters erläutert.
E&M: Herr Syben, die Niederspannungsebene ist noch eine Blackbox für die Verteilnetzbetreiber. Wie bekommt man Ihrer Meinung nach am besten Licht in diese Kiste?

Syben: Es müssten Tausende von Trafos auf der Abgangsseite mit irgendeiner Art von Messeinrichtung ausgestattet werden. Die Netzbetreiber können jedoch die Niederspannungsdaten nicht in ihre Mittel- und Hochspannungsleitsysteme aufnehmen. Sie müssen irgendwie erkennen, wenn es Probleme im Netz gibt, haben aber noch keine Systeme, die das können.

E&M: Ein Leitsystem für die Niederspannung − wäre das die Lösung?

Syben: An sich ja. Es muss aber ein System sein, das sehr viele Messdaten aufnehmen kann. Stellen Sie sich vor: Eine Ortsnetzstation hat bis zu drei Trafos, diese haben jeweils bis zu zehn Abgänge, daraus gehen die Leitungsstränge ab zu den Häusern, in denen die PV-Anlagen und Verbraucher installiert sind. Das potenziert sich schnell. Diese Menge an Daten können die Leitsysteme in der Mittel- und Hochspannung nicht aufnehmen. Aber die Netzbetreiber müssen ja die Engpässe im Netz erkennen, um entsprechend regeln zu können.

E&M: Wie könnte man denn zu einem Leitsystem für die Niederspannung kommen?

Syben: Wir haben zwei Leitsysteme im Portfolio. Das kleinere der beiden könnte man genau zu diesem Zweck einsetzen. Wir haben dazu einen Pilotkunden, den wir jetzt noch nicht nennen können, mit dem wir diesen Ansatz testen. Wir wollen erst einmal beweisen, dass es funktioniert. Deshalb geht es noch nicht um massenweise Ortsnetzstationen, sondern erst einmal um einige wenige Einheiten. Wir halten die Systeme getrennt, wollen aber versuchen, wenn es kritische Daten gibt, diese dann auch hoch zum Mittelspannungsleitsystem zu melden. Aber herauszufinden, welche der 20 Wallboxen am Leitungsstrang im siebten Abgang des zweiten Trafos der dritten Ortsnetzstation geregelt werden können, ist unserer Meinung nach nicht Aufgabe des Leitsystems.

E&M: Welche Aufgabe hat es dann?

Syben: Vor allem die Schwellwertüberwachung und das Auslösen eines Alarms, wenn es ein Problem gibt.

E&M: Wann werden Sie das Pilotprojekt zum Niederspannungsleitsystem abgeschlossen haben?

Syben: Wir planen im Laufe des Sommers die Umsetzung der benötigten Schnittstellen. Auf der Leitsystemseite sind wir schon so weit, auf der Steuerungsseite laufen noch die Arbeiten an den zunächst proprietären Protokollen für das Pilotprojekt.

E&M: Welches System findet dann die schaltbaren Wallboxen oder Wärmepumpen und sorgt für deren Drosselung?

Syben: Hier kommt ein Baustein ins Spiel, den wir Flexmanager nennen. Der bricht das Signal herunter, weil er genau die Struktur des Netzes kennt, die ja nicht immer statisch ist. Wenn beispielsweise bestimmten Reparaturen zu erledigen sind, kann ein Abgang auch mal auf einen anderen Trafo geschaltet werden. Der Flexmanager muss erkennen, wenn das der Fall ist.

E&M: Welche Datentypen und Datenmengen sind dafür notwendig? Reicht schon ein Temperaturwert?

Syben: Ein Leitungsstrang ist ein Datenpunkt, der mir die Spannung, Cosinus Phi, Strom und die Leistung mitteilt. Über Messgeräte mit einer IEC-104-Schnittstelle funktioniert das sehr gut. Es ist aber auch möglich, Daten über andere proprietäre Protokolle zu bekommen und in ein Niederspannungsleitsystem zu integrieren. MQTT wäre beispielsweise ein solches Protokoll. Am Ende muss der Datensammler, also das Niederspannungsleitsystem, eine Schnittstelle haben, über die die Daten ins System kommen.

E&M: Das hört sich alles recht einfach an. Ist es das?

Syben: Die Netzbetreiber können das. Da müssen sie nichts Neues erfinden. Das ist erst einmal klassische Technik. Aber es ist sehr aufwendig, die Technik ins Feld zu bringen, erfordert hohe Investitionen. Und wenn man flächendeckend die Niederspannung ausstatten wollte, müsste man insgesamt circa 100 Millionen Messpunkte ausrollen. Dann wird es sicher zu einer Frage von Verfügbarkeiten und Lieferfristen.

E&M: Und was macht dann der Flexmanager?

Syben: Der setzt das Signal aus dem Leitsystem um. In Paragraf 14a EnWG steht, dass der Netzbetreiber einen Engpass erkennen beziehungsweise messen muss. Er muss an einem bestimmten Leitungsstrang eine Schwellenwertverletzung feststellen und dann ein Signal senden. Der Flexmanager findet dann heraus, welche der 100 Geräte an diesem Strang gesteuert werden können. Er entscheidet nicht, ob gesteuert wird. Das geschieht im Leitsystem. Er führt das Signal konkret aus. Es geht dabei im Grunde um das Zusammenführen von relevanten Stammdaten. Einzelne Systeme können das zum Teil, etwa Verbrauchsabrechnungssysteme oder Geoinformationssysteme. Aber keines kann bisher alles, was für die Umsetzung der Regelung nach Paragraf 14a notwendig ist.

E&M: Wie steuert man dann am besten? Über den CLS-Kanal des Smart Meter Gateways?

Syben: Wir sind der Meinung, dass dies der richtige, weil sicherste Weg ist. Die Rolle des Verteilnetzbetreibers muss den CLS-Kanal nutzen und der Messstellenbetreiber muss ihn bereitstellen und verwalten. Deshalb sprechen wir beim Messstellenbetreiber eher vom CLS-Kanalmanagement als vom CLS-Management. Zum Kanalmanagement gehört beispielsweise auch die Smart-Meter-Gateway-Administration. Rein technisch wird es am Ende über die Mako beziehungsweise schnelle Mako abgewickelt werden.

E&M: Der Messstellenbetreiber hat auch die Daten, welche Geräte wo verbaut sind.

Syben: Ja, der Messstellenbetreiber ist für die Ausstattung der Messlokation zuständig. Er und der Verteilnetzbetreiber tauschen sich dann zu den sogenannten Lokationsbündelstrukturen per Marktkommunikation aus, sodass am Ende klar ist, welche Geräte an dem Leitungsstrang, in dem es einen Engpass gibt, angeschlossen sind. Mit dieser Information kann der Verteilnetzbetreiber dann über den Universalbestellprozess das Signal für die Steuerhandlung verschicken und der Flexmanager setzt es dann um. 
 

Zur Person: Olaf Syben

Der promovierte Physiker leitet bei der Kisters AG den Bereich, der sich mit Optimierungs- und Prognoselösungen beschäftigt. Zuvor war er rund 20 Jahre lang bei Procom und dort zuletzt ebenfalls für die Produkte rund um die Themen Prognose und Optimierung verantwortlich.
 

Montag, 10.07.2023, 09:13 Uhr
Fritz Wilhelm
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"Wir wollen beweisen, dass es funktioniert"
Die Niederspannungsebene ist immer noch eine Blackbox. Ein Leitsystem kann Abhilfe schaffen, wie Olaf Syben von Kisters erläutert.
E&M: Herr Syben, die Niederspannungsebene ist noch eine Blackbox für die Verteilnetzbetreiber. Wie bekommt man Ihrer Meinung nach am besten Licht in diese Kiste?

Syben: Es müssten Tausende von Trafos auf der Abgangsseite mit irgendeiner Art von Messeinrichtung ausgestattet werden. Die Netzbetreiber können jedoch die Niederspannungsdaten nicht in ihre Mittel- und Hochspannungsleitsysteme aufnehmen. Sie müssen irgendwie erkennen, wenn es Probleme im Netz gibt, haben aber noch keine Systeme, die das können.

E&M: Ein Leitsystem für die Niederspannung − wäre das die Lösung?

Syben: An sich ja. Es muss aber ein System sein, das sehr viele Messdaten aufnehmen kann. Stellen Sie sich vor: Eine Ortsnetzstation hat bis zu drei Trafos, diese haben jeweils bis zu zehn Abgänge, daraus gehen die Leitungsstränge ab zu den Häusern, in denen die PV-Anlagen und Verbraucher installiert sind. Das potenziert sich schnell. Diese Menge an Daten können die Leitsysteme in der Mittel- und Hochspannung nicht aufnehmen. Aber die Netzbetreiber müssen ja die Engpässe im Netz erkennen, um entsprechend regeln zu können.

E&M: Wie könnte man denn zu einem Leitsystem für die Niederspannung kommen?

Syben: Wir haben zwei Leitsysteme im Portfolio. Das kleinere der beiden könnte man genau zu diesem Zweck einsetzen. Wir haben dazu einen Pilotkunden, den wir jetzt noch nicht nennen können, mit dem wir diesen Ansatz testen. Wir wollen erst einmal beweisen, dass es funktioniert. Deshalb geht es noch nicht um massenweise Ortsnetzstationen, sondern erst einmal um einige wenige Einheiten. Wir halten die Systeme getrennt, wollen aber versuchen, wenn es kritische Daten gibt, diese dann auch hoch zum Mittelspannungsleitsystem zu melden. Aber herauszufinden, welche der 20 Wallboxen am Leitungsstrang im siebten Abgang des zweiten Trafos der dritten Ortsnetzstation geregelt werden können, ist unserer Meinung nach nicht Aufgabe des Leitsystems.

E&M: Welche Aufgabe hat es dann?

Syben: Vor allem die Schwellwertüberwachung und das Auslösen eines Alarms, wenn es ein Problem gibt.

E&M: Wann werden Sie das Pilotprojekt zum Niederspannungsleitsystem abgeschlossen haben?

Syben: Wir planen im Laufe des Sommers die Umsetzung der benötigten Schnittstellen. Auf der Leitsystemseite sind wir schon so weit, auf der Steuerungsseite laufen noch die Arbeiten an den zunächst proprietären Protokollen für das Pilotprojekt.

E&M: Welches System findet dann die schaltbaren Wallboxen oder Wärmepumpen und sorgt für deren Drosselung?

Syben: Hier kommt ein Baustein ins Spiel, den wir Flexmanager nennen. Der bricht das Signal herunter, weil er genau die Struktur des Netzes kennt, die ja nicht immer statisch ist. Wenn beispielsweise bestimmten Reparaturen zu erledigen sind, kann ein Abgang auch mal auf einen anderen Trafo geschaltet werden. Der Flexmanager muss erkennen, wenn das der Fall ist.

E&M: Welche Datentypen und Datenmengen sind dafür notwendig? Reicht schon ein Temperaturwert?

Syben: Ein Leitungsstrang ist ein Datenpunkt, der mir die Spannung, Cosinus Phi, Strom und die Leistung mitteilt. Über Messgeräte mit einer IEC-104-Schnittstelle funktioniert das sehr gut. Es ist aber auch möglich, Daten über andere proprietäre Protokolle zu bekommen und in ein Niederspannungsleitsystem zu integrieren. MQTT wäre beispielsweise ein solches Protokoll. Am Ende muss der Datensammler, also das Niederspannungsleitsystem, eine Schnittstelle haben, über die die Daten ins System kommen.

E&M: Das hört sich alles recht einfach an. Ist es das?

Syben: Die Netzbetreiber können das. Da müssen sie nichts Neues erfinden. Das ist erst einmal klassische Technik. Aber es ist sehr aufwendig, die Technik ins Feld zu bringen, erfordert hohe Investitionen. Und wenn man flächendeckend die Niederspannung ausstatten wollte, müsste man insgesamt circa 100 Millionen Messpunkte ausrollen. Dann wird es sicher zu einer Frage von Verfügbarkeiten und Lieferfristen.

E&M: Und was macht dann der Flexmanager?

Syben: Der setzt das Signal aus dem Leitsystem um. In Paragraf 14a EnWG steht, dass der Netzbetreiber einen Engpass erkennen beziehungsweise messen muss. Er muss an einem bestimmten Leitungsstrang eine Schwellenwertverletzung feststellen und dann ein Signal senden. Der Flexmanager findet dann heraus, welche der 100 Geräte an diesem Strang gesteuert werden können. Er entscheidet nicht, ob gesteuert wird. Das geschieht im Leitsystem. Er führt das Signal konkret aus. Es geht dabei im Grunde um das Zusammenführen von relevanten Stammdaten. Einzelne Systeme können das zum Teil, etwa Verbrauchsabrechnungssysteme oder Geoinformationssysteme. Aber keines kann bisher alles, was für die Umsetzung der Regelung nach Paragraf 14a notwendig ist.

E&M: Wie steuert man dann am besten? Über den CLS-Kanal des Smart Meter Gateways?

Syben: Wir sind der Meinung, dass dies der richtige, weil sicherste Weg ist. Die Rolle des Verteilnetzbetreibers muss den CLS-Kanal nutzen und der Messstellenbetreiber muss ihn bereitstellen und verwalten. Deshalb sprechen wir beim Messstellenbetreiber eher vom CLS-Kanalmanagement als vom CLS-Management. Zum Kanalmanagement gehört beispielsweise auch die Smart-Meter-Gateway-Administration. Rein technisch wird es am Ende über die Mako beziehungsweise schnelle Mako abgewickelt werden.

E&M: Der Messstellenbetreiber hat auch die Daten, welche Geräte wo verbaut sind.

Syben: Ja, der Messstellenbetreiber ist für die Ausstattung der Messlokation zuständig. Er und der Verteilnetzbetreiber tauschen sich dann zu den sogenannten Lokationsbündelstrukturen per Marktkommunikation aus, sodass am Ende klar ist, welche Geräte an dem Leitungsstrang, in dem es einen Engpass gibt, angeschlossen sind. Mit dieser Information kann der Verteilnetzbetreiber dann über den Universalbestellprozess das Signal für die Steuerhandlung verschicken und der Flexmanager setzt es dann um. 
 

Zur Person: Olaf Syben

Der promovierte Physiker leitet bei der Kisters AG den Bereich, der sich mit Optimierungs- und Prognoselösungen beschäftigt. Zuvor war er rund 20 Jahre lang bei Procom und dort zuletzt ebenfalls für die Produkte rund um die Themen Prognose und Optimierung verantwortlich.
 

Montag, 10.07.2023, 09:13 Uhr
Fritz Wilhelm

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