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Energie & Management > Wasserstoff - Wasserstoff nicht für die komplette Industrie einsetzbar
Quelle: Shutterstock / petrmalinak
Wasserstoff

Wasserstoff nicht für die komplette Industrie einsetzbar

Eine Studie des Norddeutschen Reallabor zeigt die benötigten Mengen für die Dekarbonisierung der energieintensiven Industrie.
Auf 211 TWh pro Jahr schätzt eine Studie des Norddeutschen Reallabors den Bedarf an grünem Wasserstoff, um zentrale Bereiche der energieintensiven Wirtschaft in Deutschland zu dekarbonisieren. Mit dieser Menge könnten fünf von sieben Industriebereichen in Deutschland mehr oder weniger klimaneutral wirtschaften. Für die Zement- und Aluminiumproduktion sei Wasserstoff allein aber keine Option zur Emissionssenkung, so die Studienautoren.

Hinter der Studie steht ein Team um Prof. Jens-Eric von Düsterlho, Dekan der Fakultät Wirtschaft und Soziales an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe des Norddeutschen Reallabors (NRL), die die Studie erstellt hat. Das NRL ist eine länderübergreifende Allianz mit 50 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Sie soll „neue Wege zur Klimaneutralität aufzeigen“, wie es in einer Mitteilung zur Studie heißt.

Fünf Bereiche können laut Untersuchung gut mit grünem Wasserstoff dekarbonisiert werden. Für die Herstellung von Kupfer und Roheisen „ist Wasserstoff als Reduktionsmittel gut geeignet“, ebenso für die Herstellung von Syntheseprodukten wie Ammoniak, Methanol sowie E-Fuels und weiteren Chemikalien. Dagegen spielt Wasserstoff in der Aluminiumproduktion keine tragende Rolle. „Für die Zementproduktion gibt es zurzeit ebenfalls keine bekannte Strategie, mit grünem Wasserstoff die Emissionen zu verhindern.“

Die benötigte Menge an grünem Wasserstoff für die derzeitige Produktion in Deutschland würde rund 210 TWh betragen, schätzen die Studienautoren. Der Bedarf an grünem Ammoniak – also Ammoniak aus grünem Wasserstoff – liege bei 13,8 TWh und für grünes Methanol bei 9,6 TWh. Die benötigte Menge für die Primärstahlerzeugung dürfte bei einem Bedarf von 68 TWh an grünem Wasserstoff liegen. „Die Kupferreduktion und der daraus resultierende Wasserstoffbedarf von 30 GWh stellt mengenmäßig keine große Herausforderung dar“, heißt es weiter.

Verkehrsbereich nur bedingt für Wasserstoff geeignet

Beschränkt man den Wasserstoff in der Mobilität auf die Herstellung von synthetischem Kerosin für den Flugverkehr und auf synthetische Kohlenwasserstoffe als Ersatz für Chemikalien aus Öl und Gas, so kommt man auf eine Menge von weiteren 120 TWh. Die Autoren sind davon ausgegangen, dass der übliche Autoverkehr künftige nicht mit Wasserstoff betrieben wird. Der Bedarf an grünem Wasserstoff für die Herstellung von Alternativen zu klassischen Raffinerieprodukten – vor allem für E-Fuels – „wäre mit 828 TWh enorm“.

Die Studie untersuchte auch die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von grünem Wasserstoff in Konkurrenz zu fossilen Energieträgern. Bis zur Erreichung einer Kostenparität ist es laut Studie noch ein langer Weg. Legt man die geschätzten aktuellen Herstellungskosten für grünen Wasserstoff in Deutschland von 5,99 Euro/Kilogramm ohne Transport und Kapitalkosten beziehungsweise 7,99 Euro/Kilogramm inklusive Transport zugrunde, so „wird deutlich, dass es bislang noch keine wettbewerbsfähigen Produktionskosten bei mit erneuerbarem Strom hergestelltem Wasserstoff gibt.“
 
 
Das preisliche Gefälle, das in der Studie zwischen lokal erzeugtem Wasserstoff und fossilen Energieträgern aufgezeigt wird, verdeutlicht den dringenden Handlungsbedarf. Unternehmen, die auf dem Weg zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft voranschreiten, stehen vor der Frage, welches Land die besten Voraussetzungen für die Produktion erneuerbarer Energien bietet.

„Längst gibt es Überlegungen, ob sich nicht grünes Ammoniak und grünes Methanol in anderen Ländern günstiger produzieren und als Wasserstoff-Derivat nach Deutschland importieren lassen.“ Eine Strategie, die ausschließlich auf den Schiffimport von grünem Ammoniak und grünem Methanol aus Drittländern setzt, würde jedoch insbesondere die chemische Industrie in Deutschland in einen Wettbewerbsdruck bringen, da sie diese Produkte bisher in großem Umfang herstellt.

„Auch wenn sich Deutschland auf lange Sicht nicht komplett selbst versorgen können wird, ist es wichtig, den Aufbau von lokalen Elektrolysekapazitäten und Wasserstoffinfrastruktur konsequent umzusetzen“, so Mike Blicker, Projektkoordinator des Norddeutschen Reallabors. Norddeutschland biete mit viel Windstrom hervorragende Bedingungen, um sich mit wasserstoffbasierten Verfahren als Vorreiter der Sektorenkopplung zu etablieren. Insbesondere industriepolitisch sei es geboten, Know-how und Technikkompetenz in Deutschland zu halten. „Nur eine lokale und kostengünstige Wasserstoffproduktion wird eine derartige Entwicklung nachhaltig sichern können.“

Die Studie „Potentiale, Grenzen und Prioritäten. Grüner Wasserstoff für die Energiewende. Teil 4: Der Industriesektor“ kann auf der Internetseite des Norddeutschen Reallabors heruntergeladen werden. Dort finden sich auch die anderen Wasserstoff-Studien zum Verkehr, Gebäuden und zur Marktentwicklung.
 

Freitag, 20.10.2023, 16:06 Uhr
Stefan Sagmeister
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Wasserstoff nicht für die komplette Industrie einsetzbar
Eine Studie des Norddeutschen Reallabor zeigt die benötigten Mengen für die Dekarbonisierung der energieintensiven Industrie.
Auf 211 TWh pro Jahr schätzt eine Studie des Norddeutschen Reallabors den Bedarf an grünem Wasserstoff, um zentrale Bereiche der energieintensiven Wirtschaft in Deutschland zu dekarbonisieren. Mit dieser Menge könnten fünf von sieben Industriebereichen in Deutschland mehr oder weniger klimaneutral wirtschaften. Für die Zement- und Aluminiumproduktion sei Wasserstoff allein aber keine Option zur Emissionssenkung, so die Studienautoren.

Hinter der Studie steht ein Team um Prof. Jens-Eric von Düsterlho, Dekan der Fakultät Wirtschaft und Soziales an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg. Er ist Leiter der Arbeitsgruppe des Norddeutschen Reallabors (NRL), die die Studie erstellt hat. Das NRL ist eine länderübergreifende Allianz mit 50 Partnern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Sie soll „neue Wege zur Klimaneutralität aufzeigen“, wie es in einer Mitteilung zur Studie heißt.

Fünf Bereiche können laut Untersuchung gut mit grünem Wasserstoff dekarbonisiert werden. Für die Herstellung von Kupfer und Roheisen „ist Wasserstoff als Reduktionsmittel gut geeignet“, ebenso für die Herstellung von Syntheseprodukten wie Ammoniak, Methanol sowie E-Fuels und weiteren Chemikalien. Dagegen spielt Wasserstoff in der Aluminiumproduktion keine tragende Rolle. „Für die Zementproduktion gibt es zurzeit ebenfalls keine bekannte Strategie, mit grünem Wasserstoff die Emissionen zu verhindern.“

Die benötigte Menge an grünem Wasserstoff für die derzeitige Produktion in Deutschland würde rund 210 TWh betragen, schätzen die Studienautoren. Der Bedarf an grünem Ammoniak – also Ammoniak aus grünem Wasserstoff – liege bei 13,8 TWh und für grünes Methanol bei 9,6 TWh. Die benötigte Menge für die Primärstahlerzeugung dürfte bei einem Bedarf von 68 TWh an grünem Wasserstoff liegen. „Die Kupferreduktion und der daraus resultierende Wasserstoffbedarf von 30 GWh stellt mengenmäßig keine große Herausforderung dar“, heißt es weiter.

Verkehrsbereich nur bedingt für Wasserstoff geeignet

Beschränkt man den Wasserstoff in der Mobilität auf die Herstellung von synthetischem Kerosin für den Flugverkehr und auf synthetische Kohlenwasserstoffe als Ersatz für Chemikalien aus Öl und Gas, so kommt man auf eine Menge von weiteren 120 TWh. Die Autoren sind davon ausgegangen, dass der übliche Autoverkehr künftige nicht mit Wasserstoff betrieben wird. Der Bedarf an grünem Wasserstoff für die Herstellung von Alternativen zu klassischen Raffinerieprodukten – vor allem für E-Fuels – „wäre mit 828 TWh enorm“.

Die Studie untersuchte auch die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes von grünem Wasserstoff in Konkurrenz zu fossilen Energieträgern. Bis zur Erreichung einer Kostenparität ist es laut Studie noch ein langer Weg. Legt man die geschätzten aktuellen Herstellungskosten für grünen Wasserstoff in Deutschland von 5,99 Euro/Kilogramm ohne Transport und Kapitalkosten beziehungsweise 7,99 Euro/Kilogramm inklusive Transport zugrunde, so „wird deutlich, dass es bislang noch keine wettbewerbsfähigen Produktionskosten bei mit erneuerbarem Strom hergestelltem Wasserstoff gibt.“
 
 
Das preisliche Gefälle, das in der Studie zwischen lokal erzeugtem Wasserstoff und fossilen Energieträgern aufgezeigt wird, verdeutlicht den dringenden Handlungsbedarf. Unternehmen, die auf dem Weg zu einer kohlenstoffneutralen Wirtschaft voranschreiten, stehen vor der Frage, welches Land die besten Voraussetzungen für die Produktion erneuerbarer Energien bietet.

„Längst gibt es Überlegungen, ob sich nicht grünes Ammoniak und grünes Methanol in anderen Ländern günstiger produzieren und als Wasserstoff-Derivat nach Deutschland importieren lassen.“ Eine Strategie, die ausschließlich auf den Schiffimport von grünem Ammoniak und grünem Methanol aus Drittländern setzt, würde jedoch insbesondere die chemische Industrie in Deutschland in einen Wettbewerbsdruck bringen, da sie diese Produkte bisher in großem Umfang herstellt.

„Auch wenn sich Deutschland auf lange Sicht nicht komplett selbst versorgen können wird, ist es wichtig, den Aufbau von lokalen Elektrolysekapazitäten und Wasserstoffinfrastruktur konsequent umzusetzen“, so Mike Blicker, Projektkoordinator des Norddeutschen Reallabors. Norddeutschland biete mit viel Windstrom hervorragende Bedingungen, um sich mit wasserstoffbasierten Verfahren als Vorreiter der Sektorenkopplung zu etablieren. Insbesondere industriepolitisch sei es geboten, Know-how und Technikkompetenz in Deutschland zu halten. „Nur eine lokale und kostengünstige Wasserstoffproduktion wird eine derartige Entwicklung nachhaltig sichern können.“

Die Studie „Potentiale, Grenzen und Prioritäten. Grüner Wasserstoff für die Energiewende. Teil 4: Der Industriesektor“ kann auf der Internetseite des Norddeutschen Reallabors heruntergeladen werden. Dort finden sich auch die anderen Wasserstoff-Studien zum Verkehr, Gebäuden und zur Marktentwicklung.
 

Freitag, 20.10.2023, 16:06 Uhr
Stefan Sagmeister

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