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Energie & Management > Strom - Versorger verhindert Zuschlag an sich selbst
Quelle: Fotolia / galaxy67
Strom

Versorger verhindert Zuschlag an sich selbst

Die Stadtwerke Uelzen wollten den Zuschlag in einer Stromausschreibung nicht mehr haben. Der kommunale Auftraggeber verklagt nun das kommunale Unternehmen.
Öffentliche Gebäude könnten bald ohne Strom und Gas dastehen. Denn die Energiepreisrallye stellt das System der Jahresausschreibungen von kommunalen Liegenschaften in Frage. In Uelzen entsteht dadurch ein Millionenschaden.

Der Vorwurf: Die Stadtwerke Uelzen hätten einen Zuschlag an sich selbst in einer Stromausschreibung so lange juristisch torpediert, bis die Bindefrist abgelaufen war. Jetzt macht die betroffene öffentliche Körperschaft gegenüber dem Kommunalversorger einen Millionenschaden geltend. Die Stadtwerke weisen die Vorwürfe und Ansprüche zurück. 

Dies ist der erste bekanntgewordene Fall eines Energieversorgers, der sich 2021 am Anfang der Strompreisrallye von seinem eigenen Gebot distanziert. Laut einer Sitzungsvorlage des Uelzener Kreistages hatten die Stadtwerke Uelzen ("Mycity", Niedersachsen) im Juli 2021 die Ausschreibung des Strombedarfs für die Liegenschaften der Stadt, des Kreises samt Abfallwirtschaftsbetrieb sowie des Kreises Lüchow-Dannenberg gewonnen. Ausgeschrieben hatte die Gebäudemanagement Uelzen/Lüchow-Dannenberg, eine gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR).

"Gewonnen" heißt aus Sicht des Gebäudemanagements das "wirtschaftlichste Angebot", nämlich für netto 6,63 Ct/kWh. Doch der Preis sollte für die Jahre 2022 bis 2025 gelten. Just nach der Ausschreibung, die ein halbes Jahr vor Lieferbeginn stattgefunden hatte, begann die Rallye im Strom-Großhandel. Dort hätten die Stadtwerke den zu liefernden Strom beschaffen müssen.

Das Stadtwerk sah daher seinen Sieg zunehmend als Pyrrhussieg und wollte zunächst vom Gebot zurücktreten. Das lehnte das Gebäudemanagement aber ab, weil dies vergaberechtlich "unmöglich" sei.

Daraufhin rief das Stadtwerk die Vergabekammer gegen den eigenen Sieg an. Die Kammer leitete das übliche Nachprüfungsverfahren ein und "sperrte" währenddessen ebenso üblich die Erteilung eines Zuschlags. Die Nachprüfung ergab, dass die Kammer den Vortrag des Stadtwerks für "in der Sache unbegründet" hielt. Aber das war fast ein halbes Jahr später und elf Tage vor dem ausgeschriebenen Lieferbeginn - und nach der Bindefrist des Stadtwerks. Mycity war nicht mehr an sein Gebot gebunden.

​Die Kreise zahlen jetzt das Dreifache

Das Gebäudemanagement hatte danach Schwierigkeiten, überhaupt einen Stromanbieter für die von ihm betreuten Liegenschaften zu finden. Erst zwei Ausschreibungen später gab es diesen März einen Zuschlag an einen anderen Versorger - allerdings für 20 Ct/kWh. Das ist gut das Dreifache des Gebots der Stadtwerke Uelzen. Aus der Differenz errechnet das Gebäudemanagement einen Schaden bis Ende 2025 von 3,5 Mio. Euro. Sie "strebt die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Stadtwerke Uelzen GmbH an", heißt es in der Vorlage.

Wer traut sich noch?

Der Kreisausschuss von Uelzen empfahl am 28. Juni dem Plenum, das am 6. Juli tagt, die Ansprüche des Kreises an das Gebäudemanagement abzutreten - eine rechtliche Vorsichtsmaßnahme, damit die Stadtwerke Uelzen in einem Prozess nicht bestreiten können, dass der AöR als Klägerin überhaupt ein Schaden entsteht, schließlich werde das Defizit ohnehin satzungsgemäß von den Trägerkommunen übernommen. Das Geschäftsklima ist offenbar so vergiftet, dass man sich auf weitere rechtliche Winkelzüge einstellt.

Egal, wie die Geschichte rechtlich und imagemäßig für die Stadtwerke Uelzen ausgeht: Die volatile Energiepreisrallye wirft die Frage auf, inwieweit kalenderjährliche oder gar mehrjährige kommunale und industrielle Strom- und Gasausschreibungen ein Überbleibsel statischer Zeiten sind. Allenfalls große Versorger können die gestiegenen Risiken noch eingrenzen, das heißt, der Wettbewerb wird auch hier schwächer. Und der Energiebedarf von Liegenschaften mit weitgehend vorhersehbaren Lastkurven könnte in Zeiten der Digitalisierung strukturiert beschafft werden statt in Vollversorgungsverträgen. 

​So sieht Mycity die Geschichte

Die Stadtwerke Uelzen rechtfertigen ihr Verhalten damit, dass sie mit dem Zuschlag zunächst hingehalten worden seien: "Eine erwartete zügige Vergabe durch das ausschreibungsbetreuende Unternehmen erfolgte trotz rasant steigender Energiepreisentwicklungen am Markt nicht." Der Versorger äußert "erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung", ohne Details zu nennen. Der Gang vor die Vergabekammer sei auf Anraten ungenannter Juristen erfolgt. Zu weitergehenden Auskünften war Mycity nicht bereit, um seine Unternehmensinteressen zu wahren, so eine Sprecherin.

Freitag, 1.07.2022, 15:19 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Strom - Versorger verhindert Zuschlag an sich selbst
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Versorger verhindert Zuschlag an sich selbst
Die Stadtwerke Uelzen wollten den Zuschlag in einer Stromausschreibung nicht mehr haben. Der kommunale Auftraggeber verklagt nun das kommunale Unternehmen.
Öffentliche Gebäude könnten bald ohne Strom und Gas dastehen. Denn die Energiepreisrallye stellt das System der Jahresausschreibungen von kommunalen Liegenschaften in Frage. In Uelzen entsteht dadurch ein Millionenschaden.

Der Vorwurf: Die Stadtwerke Uelzen hätten einen Zuschlag an sich selbst in einer Stromausschreibung so lange juristisch torpediert, bis die Bindefrist abgelaufen war. Jetzt macht die betroffene öffentliche Körperschaft gegenüber dem Kommunalversorger einen Millionenschaden geltend. Die Stadtwerke weisen die Vorwürfe und Ansprüche zurück. 

Dies ist der erste bekanntgewordene Fall eines Energieversorgers, der sich 2021 am Anfang der Strompreisrallye von seinem eigenen Gebot distanziert. Laut einer Sitzungsvorlage des Uelzener Kreistages hatten die Stadtwerke Uelzen ("Mycity", Niedersachsen) im Juli 2021 die Ausschreibung des Strombedarfs für die Liegenschaften der Stadt, des Kreises samt Abfallwirtschaftsbetrieb sowie des Kreises Lüchow-Dannenberg gewonnen. Ausgeschrieben hatte die Gebäudemanagement Uelzen/Lüchow-Dannenberg, eine gemeinsame Anstalt des öffentlichen Rechts (AöR).

"Gewonnen" heißt aus Sicht des Gebäudemanagements das "wirtschaftlichste Angebot", nämlich für netto 6,63 Ct/kWh. Doch der Preis sollte für die Jahre 2022 bis 2025 gelten. Just nach der Ausschreibung, die ein halbes Jahr vor Lieferbeginn stattgefunden hatte, begann die Rallye im Strom-Großhandel. Dort hätten die Stadtwerke den zu liefernden Strom beschaffen müssen.

Das Stadtwerk sah daher seinen Sieg zunehmend als Pyrrhussieg und wollte zunächst vom Gebot zurücktreten. Das lehnte das Gebäudemanagement aber ab, weil dies vergaberechtlich "unmöglich" sei.

Daraufhin rief das Stadtwerk die Vergabekammer gegen den eigenen Sieg an. Die Kammer leitete das übliche Nachprüfungsverfahren ein und "sperrte" währenddessen ebenso üblich die Erteilung eines Zuschlags. Die Nachprüfung ergab, dass die Kammer den Vortrag des Stadtwerks für "in der Sache unbegründet" hielt. Aber das war fast ein halbes Jahr später und elf Tage vor dem ausgeschriebenen Lieferbeginn - und nach der Bindefrist des Stadtwerks. Mycity war nicht mehr an sein Gebot gebunden.

​Die Kreise zahlen jetzt das Dreifache

Das Gebäudemanagement hatte danach Schwierigkeiten, überhaupt einen Stromanbieter für die von ihm betreuten Liegenschaften zu finden. Erst zwei Ausschreibungen später gab es diesen März einen Zuschlag an einen anderen Versorger - allerdings für 20 Ct/kWh. Das ist gut das Dreifache des Gebots der Stadtwerke Uelzen. Aus der Differenz errechnet das Gebäudemanagement einen Schaden bis Ende 2025 von 3,5 Mio. Euro. Sie "strebt die gerichtliche Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegenüber der Stadtwerke Uelzen GmbH an", heißt es in der Vorlage.

Wer traut sich noch?

Der Kreisausschuss von Uelzen empfahl am 28. Juni dem Plenum, das am 6. Juli tagt, die Ansprüche des Kreises an das Gebäudemanagement abzutreten - eine rechtliche Vorsichtsmaßnahme, damit die Stadtwerke Uelzen in einem Prozess nicht bestreiten können, dass der AöR als Klägerin überhaupt ein Schaden entsteht, schließlich werde das Defizit ohnehin satzungsgemäß von den Trägerkommunen übernommen. Das Geschäftsklima ist offenbar so vergiftet, dass man sich auf weitere rechtliche Winkelzüge einstellt.

Egal, wie die Geschichte rechtlich und imagemäßig für die Stadtwerke Uelzen ausgeht: Die volatile Energiepreisrallye wirft die Frage auf, inwieweit kalenderjährliche oder gar mehrjährige kommunale und industrielle Strom- und Gasausschreibungen ein Überbleibsel statischer Zeiten sind. Allenfalls große Versorger können die gestiegenen Risiken noch eingrenzen, das heißt, der Wettbewerb wird auch hier schwächer. Und der Energiebedarf von Liegenschaften mit weitgehend vorhersehbaren Lastkurven könnte in Zeiten der Digitalisierung strukturiert beschafft werden statt in Vollversorgungsverträgen. 

​So sieht Mycity die Geschichte

Die Stadtwerke Uelzen rechtfertigen ihr Verhalten damit, dass sie mit dem Zuschlag zunächst hingehalten worden seien: "Eine erwartete zügige Vergabe durch das ausschreibungsbetreuende Unternehmen erfolgte trotz rasant steigender Energiepreisentwicklungen am Markt nicht." Der Versorger äußert "erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ausschreibung", ohne Details zu nennen. Der Gang vor die Vergabekammer sei auf Anraten ungenannter Juristen erfolgt. Zu weitergehenden Auskünften war Mycity nicht bereit, um seine Unternehmensinteressen zu wahren, so eine Sprecherin.

Freitag, 1.07.2022, 15:19 Uhr
Georg Eble

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