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Der Ruf nach Zusatzflächen für die Windenergie in NRW wird lauter. Verbände und Branche fordern, mit einem Puffer die Zielvorgabe von 1,8 Prozent der Landesfläche zu überschreiten.
Besonders beim Windkraft-Ausbau will Nordrhein-Westfalen schnell Fakten schaffen. Schon jetzt werden zwischen Rhein und Weser die Grundlagen geschaffen, um 2025 – und damit sieben Jahre früher – die Vorgabe der Bundesregierung zu erfüllen, 1,8 Prozent der Landesfläche für Windturbinen zur Verfügung zu stellen. Fachleute sehen aber Verbesserungsbedarf.
Bei einer Anhörung im zuständigen Ausschuss für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landtags am 31. Januar in Düsseldorf äußerten Verbände und Branche Zweifel, ob in der Praxis ausreichend Areale verfügbar sein werden. Für die münsterländische BBWind Projektberatungsgesellschaft mbH etwa sagte Christoph Austermann, die in den sechs Planungsregionen des Landes vorgesehenen Flächen seien teils ungeeignet.
In den Entwürfen der Regionalpläne sei aktuell nur ein kleiner Überhang von insgesamt etwa 211 Hektar vorgesehen. Das reiche laut Christoph Austermann lediglich für etwa ein Dutzend Windkraftanlagen. Die 1,8 Prozent der Landesfläche machen 61.316 Hektar aus. BBWind hält aber einen Puffer von 10 Prozent und damit insgesamt 67.774 Hektar auszuweisende Fläche für erforderlich.
LEE NRW: 70 Prozent der Flächen im Münsterland ungeeignet
Im Regierungsbezirk Köln ist das Flächenziel offenbar vollständig auf Kante genäht. Raphael Jonas, Sprecher Energie und Klimaschutz der IHK NRW, sagte, der vom Regionalrat aufgestellte Flächenplan weise für Köln mit 16.000 Hektar exakt die Menge auf, die nötig sei. „Es muss also jede Fläche bebaut werden.“ Dies treibe wegen mangelnder Alternativen erwartbar die Preise und stelle die Wirtschaftlichkeit infrage.
Christoph Austermann, stellvertretender kaufmännischer Leiter von BBWind, einem auf bäuerliche Windkraft-Projekte spezialisierten Unternehmen, begründet den gewünschten größeren Spielraum auch mit Problemen, die über das Planungsrecht hinausgehen. Das Ausweisen der Flächen stehe schließlich am Anfang, dann könnten nicht wenige Projekte am Genehmigungsrecht, am Immissions- oder Artenschutz scheitern. Schließlich seien Fragen zu klären, ob der Netzanschluss jeweils wirtschaftlich darstellbar sei und der Standort über gute Windverhältnisse verfüge.
Diese Sichtweise teilte der Geschäftsführer des Landesverbands Erneuerbare Energien (LEE NRW), Christian Mildenberger. Er begrüßte wie die meisten Fachleute grundsätzlich die von der schwarz-grünen Landesregierung vorgesehene Änderung des Landesentwicklungsplan (LEP), die parallel auf Landes- und Regionalebene den Ausbau der Wind- und Solarenergie beschleunigen soll. Im Regionalplanentwurf für das Münsterland allerdings tauchten zu 71,6 Prozent für Windkraft gar nicht nutzbare Flächen auf. Auch im Regierungsbezirk Arnsberg seien einige Gebiete untauglich.
Daher fordert der LEE NRW die von Hendrik Wüst (CDU) geführte Koalition dazu auf, das vorgesehene Monitoring in kürzeren Abständen durchzuführen. Geplant ist ein Überprüfen der tatsächlichen Verfügbarkeit von Flächen alle fünf Jahre, der Branchenverband möchte dies bereits nach drei Jahren.
Das sehen übrigens die kommunalen Spitzenverbände anders. Rudolf Graaff, Beigeordneter des Städte- und Gemeindebunds NRW, warnte vor kürzeren Abständen, dies führe zu „permanenter Bewegung und Unsicherheit“ bei den Behörden. Bei den Landkreisen, den unteren Immissionsschutzbehörden, gebe es aktuell schon zu wenig Personal, ergänzte Andrea Garrelmann vom Landkreistag NRW. Schon seit Mitte 2023 und der ersten Änderung des LEP hätten einige Genehmigungsbehörden „deutlich gestiegene“ Anträge auf Windkraftanlagen zu bearbeiten. Um den „Andrang zu bewältigen“, müsste das Land Personal von den Bezirksregierungen zu den Landkreisen und Kommunen abordnen.
VKU: Potenzial bei Kläranlagen als Windkraft-Standorte
Für den Verband kommunaler Unternehmen (VKU) begrüßte Landesvorstand Andreas Hollstein, dass NRW das Erreichen der Flächenziele vorziehe. „Wir sind mit Niedersachsen, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen in einer ambitionierten Gruppe.“ Um weitere Flächen zu erschließen, sollten auch die Betriebsgelände von Kläranlagen eine Rolle spielen. Sie eigneten sich besonders für Windkraft, weil sie sich meist in ausreichendem Abstand zu Wohngebieten befänden.
Vom Fernleitungsnetzbetreiber Open Grid Europe (OGE) kamen Bedenken, dass Zonen für Windkraft in Konkurrenz zu Leitungstrassen geraten könnten. Andre Brauner, bei OGE Leiter Liegenschafts- und Planungsrecht, hofft auf eine transparente und abgestimmte Planung, um „vernünftige Trassen“ auch mit Blick auf das entstehende Wasserstoff-Kernnetz zu erhalten. Dass Leitungen Windparks zerschneiden, dies sollte sich auf Einzelfälle beschränken.
Mittwoch, 31.01.2024, 16:34 Uhr
Volker Stephan
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