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Energie & Management > Ungarn - Suche nach Ersatz für Transitgas aus Russland
Quelle: Fotolia / daboost
Ungarn

Suche nach Ersatz für Transitgas aus Russland

Läuft der Transitvertrag zwischen Gazprom und Naftogaz Ende 2024 aus, fallen die Transitlieferungen aus Russland über die Ukraine weg. Ungarn muss für Ersatz sorgen.
„Ungarn hat rechtzeitig Maßnahmen ergriffen, damit die Diversifizierungsbemühungen nicht nur die Quellen, sondern auch die Routen betreffen“, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto (Partei Fidesz - Ungarischer Bürgerbund, nationalkonservativ) russischen Medien zufolge auf einer Pressekonferenz am 18. August. Beides − Lieferquellen und Transportrouten − seien nötig. „Es ist sehr wichtig, dass es die Gaspipeline Turkish Stream gibt, da ihre Durchleitungskapazität nach Ungarn 8,5 Milliarden Kubikmeter beträgt und sie im Rahmen eines langfristigen Vertrags die gesamte Gasmenge, die von Russland nach Ungarn kommt, vollständig aufnehmen kann“, so der Außenminister.

Vor dem Krieg in der Ukraine bezog Ungarn aus Russland über den Transitweg der Ukraine 8 bis 9 Milliarden Kubikmeter. Nach Angaben des jüngsten „Statistical Review of World Energy“ vom Londoner Energy Institute, einer Berufsorganisation für Ingenieure und andere Fachleute in energiebezogenen Bereichen, sank der Gasverbrauch in Ungarn im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2021 um 15,1 Prozent auf 9,2 Milliarden Kubikmeter, womit das Mitgliedsland den Einsparvorgaben der EU nachkam.

Neue Lieferrouten an Land und auf See

Bereits im September 2021 hatte Ungarn mit Gazprom neue Verträge mit einer Laufzeit von 15 Jahren geschlossen, um künftig mehr russisches Gas aus der südlichen Richtung importieren zu können. Demnach bezieht Ungarn von insgesamt 4,5 Milliarden Kubikmeter über Turkish Stream und Serbien Gas 3,5 Milliarden Kubikmeter und über Österreich 1 Milliarde Kubikmeter.

Im Juli vergangenen Jahres verkündete Szijjarto Medien zufolge, dass von 32 bis 33 Millionen Kubikmetern am Tag bereits die Hälfte von Süden über Bulgarien und Serbien ins Land kämen und der Rest über Österreich. Er setzte sich weiter vehement in Moskau dafür ein, dass Gazprom noch mehr Gas über Turkish Stream liefert, um den Transport über die Ukraine zu umgehen. In Sachen Diversifizierung von Lieferquellen transportiert der Fernleitungsnetzbetreiber FGSZ seit Anfang 2021 Erdgas, das vom LNG-Terminal Krk im Nachbarland Kroatien stammt. Krk bietet Händlern die Möglichkeit, globale LNG-Ladungen nach Ungarn zu transportieren. Über diesen Weg gelangt LNG vorzugsweise aus Algerien ins Land.

Neue Gaslieferländer sind gefragt

Verfügt MWM über einen Siebenjahresvertrag, um über das LNG-Terminal Krk 1 Milliarde Kubikmeter Gas importieren zu können, sicherte sich die ungarische Energiegruppe jüngst im August, Gaslieferungen aus Aserbaidschan und der Türkei. So schloss MVM mit dem türkischen Betreiber von Gastransportnetzen und LNG-Terminals Botas ein Gaslieferabkommen, worüber die ungarische Regierung und Botas informierten. Das Abkommen sieht den Beginn von Erdgaslieferungen aus der Türkei nach Ungarn im Jahr 2024 vor und schließt die Entwicklung einer Zusammenarbeit bei der Nutzung der türkischen LNG-Infrastruktur und der Erdgasspeicheranlagen beider Länder ein. Die Türkei liefere damit erstmalig Gas an ein europäisches Land, mit dem es keine Landesgrenze habe, hieß bei Botas. Es gehe zunächst um 275 Millionen Kubikmeter Gas, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto russischen Medien zufolge. Mit Aserbaidschans Nationaler Öl- und Gasgesellschaft Socar vereinbarte MVM die Lieferung von 100 Millionen Kubikmeter Gas aus Aserbaidschan im vierten Quartal dieses Jahres.

Mit LNG-Lieferungen aus Katar soll es 2027 losgehen. Auch Österreich braucht Alternativen. Aktuell bezieht die Alpenrepublik das Gros von dem Gas, das Gazprom täglich zum Weitertransport über die Ukraine einspeist. Das sind hochgerechnet auf ein Jahr rund 15 Milliarden Kubikmeter Gas. Auch wenn der Importanteil von russischem Gas nach österreichischem Klimaschutzministerium von 79 Prozent im Februar 2022 auf durchschnittlich 59 Prozent im vergangenen Halbjahr gesunken ist, ist der Anteil noch hoch. Das sei mit einem Langfristvertrag zwischen Gazprom und dem österreichischen Mineralölkonzern OMV 2018 verbunden, der sich bis ins Jahr 2040 erstreckt, berichteten Medien im August.

Im vergangenen Jahr habe Österreich aus Russland 6,8 Milliarden Kubikmeter Gas importiert. Befürchtet OMV noch Vertragsstrafen, ist das Transitende zum Jahresende 2024 nicht mehr fern.

Montag, 28.08.2023, 15:33 Uhr
Josephine Bollinger-Kanne
Energie & Management > Ungarn - Suche nach Ersatz für Transitgas aus Russland
Quelle: Fotolia / daboost
Ungarn
Suche nach Ersatz für Transitgas aus Russland
Läuft der Transitvertrag zwischen Gazprom und Naftogaz Ende 2024 aus, fallen die Transitlieferungen aus Russland über die Ukraine weg. Ungarn muss für Ersatz sorgen.
„Ungarn hat rechtzeitig Maßnahmen ergriffen, damit die Diversifizierungsbemühungen nicht nur die Quellen, sondern auch die Routen betreffen“, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto (Partei Fidesz - Ungarischer Bürgerbund, nationalkonservativ) russischen Medien zufolge auf einer Pressekonferenz am 18. August. Beides − Lieferquellen und Transportrouten − seien nötig. „Es ist sehr wichtig, dass es die Gaspipeline Turkish Stream gibt, da ihre Durchleitungskapazität nach Ungarn 8,5 Milliarden Kubikmeter beträgt und sie im Rahmen eines langfristigen Vertrags die gesamte Gasmenge, die von Russland nach Ungarn kommt, vollständig aufnehmen kann“, so der Außenminister.

Vor dem Krieg in der Ukraine bezog Ungarn aus Russland über den Transitweg der Ukraine 8 bis 9 Milliarden Kubikmeter. Nach Angaben des jüngsten „Statistical Review of World Energy“ vom Londoner Energy Institute, einer Berufsorganisation für Ingenieure und andere Fachleute in energiebezogenen Bereichen, sank der Gasverbrauch in Ungarn im vergangenen Jahr im Vergleich zu 2021 um 15,1 Prozent auf 9,2 Milliarden Kubikmeter, womit das Mitgliedsland den Einsparvorgaben der EU nachkam.

Neue Lieferrouten an Land und auf See

Bereits im September 2021 hatte Ungarn mit Gazprom neue Verträge mit einer Laufzeit von 15 Jahren geschlossen, um künftig mehr russisches Gas aus der südlichen Richtung importieren zu können. Demnach bezieht Ungarn von insgesamt 4,5 Milliarden Kubikmeter über Turkish Stream und Serbien Gas 3,5 Milliarden Kubikmeter und über Österreich 1 Milliarde Kubikmeter.

Im Juli vergangenen Jahres verkündete Szijjarto Medien zufolge, dass von 32 bis 33 Millionen Kubikmetern am Tag bereits die Hälfte von Süden über Bulgarien und Serbien ins Land kämen und der Rest über Österreich. Er setzte sich weiter vehement in Moskau dafür ein, dass Gazprom noch mehr Gas über Turkish Stream liefert, um den Transport über die Ukraine zu umgehen. In Sachen Diversifizierung von Lieferquellen transportiert der Fernleitungsnetzbetreiber FGSZ seit Anfang 2021 Erdgas, das vom LNG-Terminal Krk im Nachbarland Kroatien stammt. Krk bietet Händlern die Möglichkeit, globale LNG-Ladungen nach Ungarn zu transportieren. Über diesen Weg gelangt LNG vorzugsweise aus Algerien ins Land.

Neue Gaslieferländer sind gefragt

Verfügt MWM über einen Siebenjahresvertrag, um über das LNG-Terminal Krk 1 Milliarde Kubikmeter Gas importieren zu können, sicherte sich die ungarische Energiegruppe jüngst im August, Gaslieferungen aus Aserbaidschan und der Türkei. So schloss MVM mit dem türkischen Betreiber von Gastransportnetzen und LNG-Terminals Botas ein Gaslieferabkommen, worüber die ungarische Regierung und Botas informierten. Das Abkommen sieht den Beginn von Erdgaslieferungen aus der Türkei nach Ungarn im Jahr 2024 vor und schließt die Entwicklung einer Zusammenarbeit bei der Nutzung der türkischen LNG-Infrastruktur und der Erdgasspeicheranlagen beider Länder ein. Die Türkei liefere damit erstmalig Gas an ein europäisches Land, mit dem es keine Landesgrenze habe, hieß bei Botas. Es gehe zunächst um 275 Millionen Kubikmeter Gas, sagte der ungarische Außenminister Peter Szijjarto russischen Medien zufolge. Mit Aserbaidschans Nationaler Öl- und Gasgesellschaft Socar vereinbarte MVM die Lieferung von 100 Millionen Kubikmeter Gas aus Aserbaidschan im vierten Quartal dieses Jahres.

Mit LNG-Lieferungen aus Katar soll es 2027 losgehen. Auch Österreich braucht Alternativen. Aktuell bezieht die Alpenrepublik das Gros von dem Gas, das Gazprom täglich zum Weitertransport über die Ukraine einspeist. Das sind hochgerechnet auf ein Jahr rund 15 Milliarden Kubikmeter Gas. Auch wenn der Importanteil von russischem Gas nach österreichischem Klimaschutzministerium von 79 Prozent im Februar 2022 auf durchschnittlich 59 Prozent im vergangenen Halbjahr gesunken ist, ist der Anteil noch hoch. Das sei mit einem Langfristvertrag zwischen Gazprom und dem österreichischen Mineralölkonzern OMV 2018 verbunden, der sich bis ins Jahr 2040 erstreckt, berichteten Medien im August.

Im vergangenen Jahr habe Österreich aus Russland 6,8 Milliarden Kubikmeter Gas importiert. Befürchtet OMV noch Vertragsstrafen, ist das Transitende zum Jahresende 2024 nicht mehr fern.

Montag, 28.08.2023, 15:33 Uhr
Josephine Bollinger-Kanne

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