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Energie & Management > Stromnetz - Stromeigenproduktion soll erleichtert werden
Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
Stromnetz

Stromeigenproduktion soll erleichtert werden

Der Industrieausschuss des Europäischen Parlamentes will die private Stromerzeugung vereinfachen und den erneuerbaren Energien neue Möglichkeiten eröffnen.
Die EU-Kommission hatte ihre Vorschläge für eine Anpassung der Elektrizitätsmarkt-Regulierung an die Erfahrungen des vergangenen Jahres im März vorgelegt. Danach soll vor allem die Förderung der emissionsfreien Stromerzeugung neu geregelt werden. Die Abgeordneten verabschiedeten am Mittag in Brüssel mit breiter Mehrheit (55:15:2) die Position, mit der das Parlament in die Verhandlungen mit dem Ministerrat geht. Die Energieminister waren sich Ende Juni allerdings noch nicht einig geworden. Die Verhandlungen mit dem Rat beginnen nach der Sommerpause.

Die Abgeordneten verständigten sich vor allem darauf, die Verbraucher besser vor Preisschwankungen zu schützen. Sie sollen zwischen Festpreis-Verträgen und "dynamischen Preisen" wählen können und Anspruch auf mehr Information haben. Die Versorger dürfen Haushalten, die ihre Rechnung nicht bezahlen, den Strom nicht abstellen und auch keine Vorauszahlungen verlangen. Die Mitgliedsstaaten müssen Sorge dafür tragen, dass jeder private Haushalt auch dann mit Strom versorgt wird, wenn sein Anbieter insolvent wird. Jeder Haushalt erhält das Recht, vollkommen formlos bis zu 800 W Leistung zu installieren. Anlagen bis zu dieser Kapazität brauchen nur noch registriert werden, es fallen keine Steuern oder Gebühren an. Außerdem soll es ein Recht auf Weitergabe (energy sharing) geben: Jeder Kleinerzeuger kann seinen Strom formlos per App an jeden Verbraucher in der gleichen Preiszone weitergeben. Dieses Verfahren deckt auch Verträge zwischen Unternehmen ab, die ihren selbst erzeugten Strom (etwa vom Dach eines Supermarktes) an andere verkaufen wollen.

Die Energieminister konnten sich bislang nicht darüber verständigen, ob Kohlekraftwerke im Rahmen von Kapazitätsmechanismen (CM) befristet mehr als 550 Gramm CO2/kWh ausstoßen dürfen. Diese Forderung Polens wird vom Parlament zurückgewiesen. Differenzverträge (CfD) könnten nach dem Willen des Ausschusses für neue Anlagen und für Investitionen geschlossen werden, mit denen die Leistung bestehender Anlagen erhöht wird. Ãœber CfD könnten damit auch Atomkraftwerke gefördert werden, die Ausschreibung müsste jedoch in Konkurrenz zu den erneuerbaren Energien erfolgen. Bestehende Anlagen oder Laufzeitverlängerungen könnten nicht über CfD gefördert werden.

Zulassen will der Ausschuss auch "vergleichbare Förderinstrumente", über die "Vergleichbarkeit" würde die Kommission entscheiden. Außerdem sollen 2,5 Prozent der geförderten, erneuerbaren Energie auf europäischer Ebene ausgeschrieben werden. Diese Mengen werden nicht auf die nationalen Ziele angerechnet. Damit soll das Ziel des Parlamentes, den Anteil der Erneuerbaren bis 2030 auf 45 Prozent anzuheben, durch die Hintertüre doch noch erreicht werden. Eine Finanzierung dafür gibt es jedoch noch nicht.

Zudem will das Parlament den Zugang auch kleinerer Unternehmen zu langfristigen Lieferverträgen, sogenannten PPA, verbessern. Die Kommission soll dafür bis Ende nächsten Jahres eine Platform einrichten, auf der man sich über den Markt informieren und PPA abschließen kann. Diese könnten eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Strompreise spielen, sagte der Berichterstatter des Parlamentes, Nicolas Gonzales Casares nach der Abstimmung in Brüssel.

Keine Verständigung gab es darüber, ob und unter welchen Umständen die Einnahmen der Erzeuger gedeckelt werden können. Man habe die Kommission beauftragt, diese Frage und mögliche Folgen zu untersuchen, sagte Gonzales.

Reaktionen auf das Abstimmungsergebnis

Die konservative Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) zeigte sich ebenso zufrieden mit dem Ergebnis der Abstimmung wie die Grünen. Für Investitionen in die erneuerbaren Energie würden durch die CfD bessere Rahmenbedingungen geschaffen, sagte der energiepolitische Sprecher der EVP, Christian Ehler (CDU). Für die energieintensive Industrie seien sie ein wichtiges Instrument zur Stabilisierung ihrer Kosten.

Der EVP sei es gelungen, die Forderung nach Obergrenzen für die Einnahmen "inframarginaler" Anbieter abzuwehren. Der grüne Abgeordnete Michael Bloss bezeichnete die Position des Parlamentes als "großen, grünen Erfolg für das Klima". Mit dem neuen "Recht auf Energy Sharing" könnten die Bürger der EU die Energiewende selbst in die Hand nehmen und ihre Stromrechnung senken. Das sei in Zukunft nicht schwerer als die Anschaffung eines Toasters.

BDEW-Chefin Kerstin Andreae begrüßte, dass der Ausschuss "von tieferen Eingriffen in die Marktmechanismen wie Erlösobergrenzen" abgesehen habe. Wichtig sei auch, dass "nicht nachträglich in die Förderbedingungen von Anlagen auf Basis Erneuerbarer Energien eingegriffen" werde. Der Abschluss von CfD bleibe freiwillig und den Mitgliedsstaaten blieben Freiräume bei der Ausgestaltung ihrer Förderinstrumente. Auch die Präsidentin des BEE, Simone Peter, lobte den Ausschuss dafür, dass er die Förderung nicht auf CfD beschränke: "Eine verpflichtende Einführung von CfD auf EU-Ebene hätte in manchen Mitgliedstaaten positive Effekte für den Ausbau gehabt. Für Deutschland wäre eine solche Lösung allerdings ein klarer Nachteil." Damit bleibe die Möglichkeit, in Deutschland ein mengenbasiertes Fördersystem einzuführen.

Der Dachverband Windenergie Wind-Europe gratulierte dem Ausschuss zu einer ausgewogenen Position, die dazu beitrage, das Geschäftsmodell der erneuerbaren Energien wieder herzustellen. Der Ausschuss halte an der Meritorder im Elektrizitätsmarkt fest und spreche sich gegen Preisobergrenzen aus. Der Ausbau der Windenergie vor der Küste könne durch Investitionen in sogenannte "hybride Windparks" erheblich beschleunigt werden.

Mittwoch, 19.07.2023, 17:03 Uhr
Tom Weingärtner
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Quelle: E&M / Jonas Rosenberger
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Stromeigenproduktion soll erleichtert werden
Der Industrieausschuss des Europäischen Parlamentes will die private Stromerzeugung vereinfachen und den erneuerbaren Energien neue Möglichkeiten eröffnen.
Die EU-Kommission hatte ihre Vorschläge für eine Anpassung der Elektrizitätsmarkt-Regulierung an die Erfahrungen des vergangenen Jahres im März vorgelegt. Danach soll vor allem die Förderung der emissionsfreien Stromerzeugung neu geregelt werden. Die Abgeordneten verabschiedeten am Mittag in Brüssel mit breiter Mehrheit (55:15:2) die Position, mit der das Parlament in die Verhandlungen mit dem Ministerrat geht. Die Energieminister waren sich Ende Juni allerdings noch nicht einig geworden. Die Verhandlungen mit dem Rat beginnen nach der Sommerpause.

Die Abgeordneten verständigten sich vor allem darauf, die Verbraucher besser vor Preisschwankungen zu schützen. Sie sollen zwischen Festpreis-Verträgen und "dynamischen Preisen" wählen können und Anspruch auf mehr Information haben. Die Versorger dürfen Haushalten, die ihre Rechnung nicht bezahlen, den Strom nicht abstellen und auch keine Vorauszahlungen verlangen. Die Mitgliedsstaaten müssen Sorge dafür tragen, dass jeder private Haushalt auch dann mit Strom versorgt wird, wenn sein Anbieter insolvent wird. Jeder Haushalt erhält das Recht, vollkommen formlos bis zu 800 W Leistung zu installieren. Anlagen bis zu dieser Kapazität brauchen nur noch registriert werden, es fallen keine Steuern oder Gebühren an. Außerdem soll es ein Recht auf Weitergabe (energy sharing) geben: Jeder Kleinerzeuger kann seinen Strom formlos per App an jeden Verbraucher in der gleichen Preiszone weitergeben. Dieses Verfahren deckt auch Verträge zwischen Unternehmen ab, die ihren selbst erzeugten Strom (etwa vom Dach eines Supermarktes) an andere verkaufen wollen.

Die Energieminister konnten sich bislang nicht darüber verständigen, ob Kohlekraftwerke im Rahmen von Kapazitätsmechanismen (CM) befristet mehr als 550 Gramm CO2/kWh ausstoßen dürfen. Diese Forderung Polens wird vom Parlament zurückgewiesen. Differenzverträge (CfD) könnten nach dem Willen des Ausschusses für neue Anlagen und für Investitionen geschlossen werden, mit denen die Leistung bestehender Anlagen erhöht wird. Ãœber CfD könnten damit auch Atomkraftwerke gefördert werden, die Ausschreibung müsste jedoch in Konkurrenz zu den erneuerbaren Energien erfolgen. Bestehende Anlagen oder Laufzeitverlängerungen könnten nicht über CfD gefördert werden.

Zulassen will der Ausschuss auch "vergleichbare Förderinstrumente", über die "Vergleichbarkeit" würde die Kommission entscheiden. Außerdem sollen 2,5 Prozent der geförderten, erneuerbaren Energie auf europäischer Ebene ausgeschrieben werden. Diese Mengen werden nicht auf die nationalen Ziele angerechnet. Damit soll das Ziel des Parlamentes, den Anteil der Erneuerbaren bis 2030 auf 45 Prozent anzuheben, durch die Hintertüre doch noch erreicht werden. Eine Finanzierung dafür gibt es jedoch noch nicht.

Zudem will das Parlament den Zugang auch kleinerer Unternehmen zu langfristigen Lieferverträgen, sogenannten PPA, verbessern. Die Kommission soll dafür bis Ende nächsten Jahres eine Platform einrichten, auf der man sich über den Markt informieren und PPA abschließen kann. Diese könnten eine wichtige Rolle bei der Stabilisierung der Strompreise spielen, sagte der Berichterstatter des Parlamentes, Nicolas Gonzales Casares nach der Abstimmung in Brüssel.

Keine Verständigung gab es darüber, ob und unter welchen Umständen die Einnahmen der Erzeuger gedeckelt werden können. Man habe die Kommission beauftragt, diese Frage und mögliche Folgen zu untersuchen, sagte Gonzales.

Reaktionen auf das Abstimmungsergebnis

Die konservative Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) zeigte sich ebenso zufrieden mit dem Ergebnis der Abstimmung wie die Grünen. Für Investitionen in die erneuerbaren Energie würden durch die CfD bessere Rahmenbedingungen geschaffen, sagte der energiepolitische Sprecher der EVP, Christian Ehler (CDU). Für die energieintensive Industrie seien sie ein wichtiges Instrument zur Stabilisierung ihrer Kosten.

Der EVP sei es gelungen, die Forderung nach Obergrenzen für die Einnahmen "inframarginaler" Anbieter abzuwehren. Der grüne Abgeordnete Michael Bloss bezeichnete die Position des Parlamentes als "großen, grünen Erfolg für das Klima". Mit dem neuen "Recht auf Energy Sharing" könnten die Bürger der EU die Energiewende selbst in die Hand nehmen und ihre Stromrechnung senken. Das sei in Zukunft nicht schwerer als die Anschaffung eines Toasters.

BDEW-Chefin Kerstin Andreae begrüßte, dass der Ausschuss "von tieferen Eingriffen in die Marktmechanismen wie Erlösobergrenzen" abgesehen habe. Wichtig sei auch, dass "nicht nachträglich in die Förderbedingungen von Anlagen auf Basis Erneuerbarer Energien eingegriffen" werde. Der Abschluss von CfD bleibe freiwillig und den Mitgliedsstaaten blieben Freiräume bei der Ausgestaltung ihrer Förderinstrumente. Auch die Präsidentin des BEE, Simone Peter, lobte den Ausschuss dafür, dass er die Förderung nicht auf CfD beschränke: "Eine verpflichtende Einführung von CfD auf EU-Ebene hätte in manchen Mitgliedstaaten positive Effekte für den Ausbau gehabt. Für Deutschland wäre eine solche Lösung allerdings ein klarer Nachteil." Damit bleibe die Möglichkeit, in Deutschland ein mengenbasiertes Fördersystem einzuführen.

Der Dachverband Windenergie Wind-Europe gratulierte dem Ausschuss zu einer ausgewogenen Position, die dazu beitrage, das Geschäftsmodell der erneuerbaren Energien wieder herzustellen. Der Ausschuss halte an der Meritorder im Elektrizitätsmarkt fest und spreche sich gegen Preisobergrenzen aus. Der Ausbau der Windenergie vor der Küste könne durch Investitionen in sogenannte "hybride Windparks" erheblich beschleunigt werden.

Mittwoch, 19.07.2023, 17:03 Uhr
Tom Weingärtner

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