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Energie & Management > Vertrieb - So einiges im Fluss
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Vertrieb

So einiges im Fluss

Bei der 13. E&M-Umfrage zur Direktvermarktung überraschen vor allem Baywa Re Clens und Sunnic Lighthouse mit überraschend hohen Zugewinnen bei ihren Portfolios.
Die Begeisterung für Fußball wurde Ulrich Haberland quasi in die Wiege gelegt. Nach seinem gleichnamigen Großvater war lange Zeit das Stadion des Bundesligisten Bayer Leverkusen benannt. Und sogar im beruflichen Umfeld kann sich Haberland, bei Statkraft Markets für das Direktvermarktungsgeschäft in Deutschland verantwortlich, über Parallelen zum Fußball freuen. So wie der FC Bayern München seit Langem die Fußballbundesliga beherrscht, führt Statkraft seit Jahren die Rangliste der Direktvermarkter in Deutschland an.

Auch bei den Entwicklungen zum Jahresbeginn zeigten sich Parallelen: Die Bayern-Kicker schwächelten nach mehreren Niederlagen, die Dominanz aus der Vorsaison ist dahin; und bei der Deutschland-Dependance des norwegischen Energiekonzerns schmolz das Portfolio deutlich ab.

Für den 1. Januar meldeten Haberland und sein Team bei der mittlerweile 13. E&M-Branchenerhebung einen Vertragsbestand von 9.365 MW. Das bedeutet einen Rückgang von 1.311 MW gegenüber Ende Dezember 2020. Gemessen am letzten Dezembertag 2019 startete Statkraft sogar mit einem Minus von 3.302 MW in das Geschäftsjahr 2021.

Was Haberland nicht aus der Ruhe bringt: „An unserer Vorgabe hat sich nichts geändert: Wir schließen nur Verträge ab, die sich für uns rechnen.“ Dass die letzte Verhandlungsperiode für die Skandinavier nicht so wie gewünscht gelaufen ist, begründet Haberland mit einer „fehlerhaften Bepreisung einiger Mitbewerber insbesondere von häufig abgeregelten Anlagen in Verbindung mit einer deutlich höheren Zahl von Tagen mit negativen Strompreisen als geplant“.

Auch die schwarz-rote Bundesregierung ist Statkraft mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in die Parade gefahren: Die kurz vor Weihnachten beschlossene Weiterbetriebsregelung für sogenannte Ãœ20-Windturbinen hat das Statkraft-Portfolio um gleich 400 MW reduziert. Den späten Zeitpunkt für die Gesetzesänderung und die vorgesehene zeitweise Förderung der Altanlagen über die Netzbetreiber bewertet der Statkraft-Mann als „Unding“.

Dieser legislativ bedingte Aderlass tut besonders weh angesichts eines ohnehin schrumpfenden Direktvermarktungsvolumens. Die nach wie vor anhaltende Krise beim Ausbau der Windenergie an Land und der Quasi-Ausbaustopp für Offshore-Windkraft haben dazu geführt, dass das Vermarktungspotenzial bundesweit im vergangenen Jahr um lediglich 4.124 MW gewachsen ist. Dieses Plus lag nicht nur unter dem 2019er-Niveau von 4.354 MW, sondern vor allem deutlich unter früheren Spitzenwerten, die 7.000 MW und mehr erreicht hatten.

Für dieses Jahr wird ein leichter Aufwind beim Windkraftausbau erwartet. „Das reicht sicherlich nicht aus, damit wir unser Portfolio wie noch vor Jahren geplant deutlich vergrößern können“, weiß Haberland schon heute. Weiteres Ungemach droht Statkraft Markets von der Konkurrenz: Die Poleposition als größter Direktvermarkter wackelt − kräftig.

Denn kurz vor Weihnachten haben der EWE-Konzern und die Aloys-Wobben-Stiftung, alleinige Eigentümerin des Windturbinenherstellers Enercon, ihr angekündigtes Gemeinschaftsunternehmen endgültig auf den Weg gebracht. Die Direktvermarktungsaktivitäten der Enercon-Tochter Quadra Energy und der EWE Trading sollen darin gebündelt werden. Beide Unternehmen haben es bei der aktuellen E&M-Umfrage gemeinsam auf ein Portfolio von rund 10.800 MW gebracht − deutlich mehr als zuletzt Statkraft.

Hinter dem zweitgrößten Direktvermarkter Quadra Energy hat sich bei der neuen E&M-Umfrage ein Unternehmen auf Platz drei vorgeschoben, das sicherlich nur die wenigsten auf dem Schirm hatten: Baywa Re Clens. Die gemeldete Vertragsleistung von 6.600 MW bedeutet nicht nur ein Plus von 3.100 MW im Vergleich zum Vorjahresstichtag, sie illustriert auch eine Entwicklung, die mit der Textzeile „Auferstanden aus Ruinen“ überschrieben werden könnte.

Dumpingpreise als „No-Go“

Zur Erinnerung: Im Spätherbst 2017 musste die Clean Energy Sourcing GmbH (Clens), damals Teil der italienischen Innowatio-Gruppe, als eines der Pionierunternehmen bei der Direktvermarktung hierzulande Insolvenz anmelden. Kurz darauf übernahm der Baywa-Konzern Clens, was sich als Glücksfall erwiesen haben dürfte. Nach längeren internen Aufräumarbeiten und einer Neupositionierung bei IT-Equipment und Vertrieb steht Baywa Re Clens heute weitaus besser da als die „alte“ Clens.

„Wir haben in den zurückliegenden Herbstmonaten Angebote für insgesamt fast 25.000 Megawatt Leistung abgegeben“, berichtet Baywa-Re-Clens-Geschäftsführer Daniel Hölder, „und zwar alles auf Basis wettbewerbsfähiger Preise.“ Dumpingpreise, um das eigene Portfolio mit zusätzlichen MW aufzublähen, seien bei Baywa Re Clens immer tabu gewesen: „Und jetzt, da Baywa Re seit einigen Wochen einen neuen Gesellschafter aus der Bankenwelt hat, wäre eine solche Strategie ohnehin ein No-Go“, so Hölder.

Darauf, dass Baywa Re Clens Ende des Jahres ihr Portfolio weiter ausbauen kann, will Hölder nicht wetten: „Die Risiken in dem Geschäft sind nach wie vor groß.“ Das fange mit den Preisen für Ausgleichsenergie an, die Anfang Dezember vergangenen Jahres schwindelnde Höhen von etwa 16.000 Euro pro MWh erreicht hatten. Und nicht nur das: Obwohl die Bundesnetzagentur vor wenigen Wochen die Preise auf dem Regelarbeitsmarkt auf 9.999,99 Euro/MWh begrenzt hat, will Hölder nicht von Entspannung reden: „Selbst dieser Deckel bedeutet einen Wahnsinnspreis, der, wenn er aufgerufen wird, die betroffenen Unternehmen ins Minus treibt.“ Nach wie vor, so Hölders Befund, fehle es an ausreichendem Wettbewerb auf den Regelenergiemärkten: „Hier sind der Gesetzgeber und die Bundesnetzagentur gefordert.“

Neben Baywa Re Clens gibt es einen zweiten großen Gewinner bei der jüngsten E&M-Branchenerhebung: die Sunnic Lighthouse GmbH aus Hamburg. Das Tochterunternehmen des Solarprojektierers Enerparc AG konnte sein Portfolio über den Jahreswechsel nicht nur um über 1.000 MW auf 5.750 MW ausbauen, sondern liegt mit einer gemeldeten Leistung von 3.900 MW nur noch knapp hinter dem bundesweit größten Solardirektvermarkter Next Kraftwerke mit einem Vertragsbestand von 4.020 MW. Binnen eines Jahres konnten die Hanseaten rund 70 % mehr Solarleistung für die Direktvermarktung unter Vertrag nehmen.
„Zuletzt haben wir davon profitiert, dass wir einige größere White-Label-Mandate gewonnen haben“, erklärte Geschäftsführer Arved von Harpe gegenüber E&M das erstaunliche Plus. Nach dem BKW-Tochterunternehmen Wind Energy Trading (WET), dessen Geschäftsmodell rein auf White-Label-Verträge setzt, dürfte Sunnic hierzulande der zweitgrößte Anbieter in diesem Segment sein. „Es hat sich rumgesprochen, dass wir Direktvermarktung können“, sagt von Harpe salopp.

Wachstum dank steigendem Eigenbestand

Nicht nur die White-Label-Vereinbarungen erklären die stetige Aufwärtsentwicklung bei Sunnic: Die Muttergesellschaft Enerparc, hierzulande eines der führenden, wenn nicht sogar das führende Unternehmen bei der Entwicklung von größeren Solarkraftwerken, verfügt mittlerweile nach eigenen Angaben über einen Eigenbestand von 2.000 MW − der Vermarkter liegt auf der Hand. „Enerparc nimmt jedes Jahr zwischen 300 und 400 Megawatt selbst entwickelte Solarleistung in die eigenen Bücher, sodass wir bei der Solarvermarktung fast automatisch wachsen“, erklärt von Harpe die für Sunnic befruchtende Symbiose.

Für den weiteren Unternehmenserfolg dürfte das langsam anziehende Geschäft mit den Power Purchase Agreements sorgen. Gerade größere Solarparks, die zum Kerngeschäft von Enerparc zählen, sind bei Interessenten gefragt. So konnte Enerparc sich beispielsweise im vergangenen November mit der Deutschen Bahn auf ein 30-jähriges PPA für die Stromlieferung aus einem neuen 80-MW-Solarpark in Mecklenburg-Vorpommern verständigen: „Klar, haben wir bei den Vertragsverhandlungen mitgewirkt“, lässt von Harpe durchblicken. Dass künftig PPAs die klassische Direktvermarktung weitestgehend ablösen, hält er indes für unwahrscheinlich: „Für Enerparc und Sunnic gehe ich davon aus, dass unser Neubauvolumen zu vielleicht einem Drittel über PPAs gemanagt wird.“

Das dürfte bei Unternehmen wie der Schweizer Axpo demnächst anders aussehen: „Die Direktvermarktung ist längst zur Commodity geworden. Dieser Massenmarkt mit seinen geringen Risikoprämien, der gleichzeitig einen hohen personellen Aufwand fordert, ist für uns nicht besonders interessant“, betonte Johannes Pretel, Head of Origination bei Axpo Deutschland, gegenüber E&M. Was auch erklärt, dass die Eidgenossen hierzulande gerade einmal ein dreistelliges Portfolio bewirtschaften. Davon entfällt ein großer Brocken auf den 400-MW-Offshore-Windpark Global Tech 1 in der deutschen Nordsee, zu dessen Gesellschaftern neben der Axpo unter anderem Entega und die Stadtwerke München zählen.

Pretel macht keinen Hehl daraus, dass Axpo beim Geschäft mit erneuerbaren Energien verstärkt auf die Option PPA setzt: „In diesem Geschäftsfeld haben wir unser Know-how seit 2005, als wir in Skandinavien die ersten Verträge unterzeichnet haben, ständig verbessert.“ Den Origination-Chef beunruhigt deshalb auch nicht das überschaubare Direktvermarktungsportfolio seines Unternehmens in Deutschland. „Wir zählen zu den Playern, die auch PPA-Verträge mit zehnjährigen und noch längeren Laufzeiten mit allen Risiken schultern können“, so Pretel. Seine Prognose: „Der PPA-Markt wird kein Massenmarkt. Deshalb wird auch die Axpo bei diesem Geschäft in Deutschland demnächst eine wichtige Rolle spielen.“ Außerdem werde das Unternehmen versuchen, „paneuropäische“ PPAs zu vermitteln. Bei diesen „Cross-Border-Verträgen“ sind die Stromabnehmer und die grünen Erzeugungsanlagen nicht im gleichen Land ansässig.

„Geplante Größenordnung im ersten Jahr erreicht“

PPAs gehören auch zu dem Dienstleistungsportfolio, das die Priogen Energy seit vergangenem Jahr hierzulande anbietet. Die Deutschland-Dependance des niederländischen Energiehandelsunternehmens zählt zu den ganz wenigen Newcomern, die zuletzt auf dem deutschen Direktvermarktungsmarkt tätig geworden sind. Mit Verträgen über 500 MW fällt die Zwischenbilanz von Wolfgang Krüger nach gut einem Jahr durchaus zufriedenstellend aus: „Diese Größenordnung hatten wir uns in etwa vorgenommen.“ Krüger, der seit September 2019 bei den Niederländern unter Vertrag steht, ist ein „alter Bekannter“ im Kreise der Direktvermarkter. Zu seinen beruflichen Stationen zählen unter anderem die Schweizer Alpiq beziehungsweise eines der Vorgängerunternehmen und Neas Energy aus Dänemark (mittlerweile Centrica Energy Trading).

„Wir sind bei so manchen Kunden mit offenen Armen aufgenommen worden“, lautet Krügers erste Zwischenbilanz, „mitunter hatte ich den Eindruck, dass sich einige Betreiber über uns als neuen Player gefreut haben.“ Zweite überraschende Erkenntnis für ihn: „Wir konnten als Newcomer auf aggressive Preise verzichten und durchaus gute Preise für uns erzielen.“

An dieser Linie will Priogen Energy beim Deutschland-Geschäft festhalten. Die Direktvermarktung zählt nach Krügers Worten zu den „Türöffnern“, um mit Industriebetrieben, Energieversorgern und Betreibern regenerativer Kraftwerke ins Gespräch zu kommen: „Wir sind deshalb mittelfristig mit einem Direktvermarktungsportfolio zwischen 1.500 und 2.000 Megawatt zufrieden.“

Neue Herausforderung Redispatch 2.0

Auch nicht den Ehrgeiz, zu den größten Direktvermarktern hierzulande zu zählen, haben die Stadtwerke Osnabrück. „Mit unserem derzeitigen Bestand von rund 400 Megawatt fühlen wir uns wohl und haben unsere Zielgröße erreicht“, sagt Marcus Bergmann, der bei dem südniedersächsischen Kommunalversorger den Geschäftsbereich Energie leitet. Seit 2012 haben die Osnabrücker Stadtwerke immer mehr Windenergieanlagen unter Vertrag genommen, anfänglich im Landkreis Osnabrück, mittlerweile in ganz Niedersachsen.

Den so kontrahierten Ökostrom nutzen die Osnabrücker seit 2020 für ihre Grünstromtarife und neuerdings seit Jahresbeginn „soweit es irgendwie geht“ auch für das neue Regionalstromangebot. Alle Haushalte in der 160.000-Einwohner-Stadt, die bislang noch kein Grünstromprodukt bei den Stadtwerken bestellt hatten, sind mit Jahresbeginn automatisch auf den Regionalstrom umgestellt worden. „Die Windmüller und Sonnenstromproduzenten begrüßen diese Regiostrom-Variante, weil sie sich so mehr Akzeptanz für ihre Anlagen versprechen“, sagt Bergmann.
Bei der Grünstromvermarktung wird es in Osnabrück künftig neue Schwerpunkte geben, da die Verantwortlichen im Rathaus und bei den Stadtwerken mit Unterstützung der Bürger bis Ende dieser Dekade auf den Dächern der Stadt das Solarpotenzial von rund 1.000 MW „heben“ wollen. „Wie die passenden Produkte dazu aussehen, wissen wir noch nicht im Einzelnen“, sagt Bergmann, „das ist noch ein bisschen Zukunftsmusik.“

Apropos (ziemlich nahe) Zukunft: Beim Blick nach vorn erwartet Ulrich Focken für dieses Jahr bei der Direktvermarktung nicht nur immer wieder Ausschläge bei den Ausgleichs- und Regelenergiepreisen: „Das große Themen bei allen Unternehmen sind die neuen, ab Anfang Oktober geltenden Redispatch-Regelungen, für die in allen Häusern die Vorbereitungen laufen“, weiß der Geschäftsführer des Prognose- und IT-Dienstleisters „energy & meteo systems“ GmbH (Emsys).

Mit dem sogenannten Redispatch 2.0 reagiert die Bundesnetzagentur auf die Ungleichgewichte im Netz, die immer wieder beim Einspeisemanagement in Echtzeit auftreten. Künftig wird deshalb nicht nur auf konventionelle Kraftwerke mit einer Leistung über 10 MW zurückgegriffen, um Netzengpässe zu beseitigen. Auch Erneuerbare-Energien- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ab 100 kW sowie durch einen Netzbetreiber jederzeit fernsteuerbare Anlagen jeder Größe können nun zum Einsatz kommen.

„Das wird beispielsweise die Marktwerte von Windparks in Schleswig-Holstein verschlechtern, die heute dank des Einspeisemanagements gut dastehen“, weiß Focken. Er kann sich vorstellen, dass so mancher Vertrag neu verhandelt werden muss. Das Redispatch 2.0 werde die Direktvermarkter deshalb das gesamte Jahr lang „auf Trab“ halten. Was das für die einzelnen Portfolien heißt, wird die E&M-Umfrage zur Direktvermarktung in gut einem Jahr zeigen.

(Siehe auch "Die Umfrageergebnisse im Ãœberblick") E&M

Montag, 22.02.2021, 08:42 Uhr
Ralf Köpke
Energie & Management > Vertrieb - So einiges im Fluss
Bild: Shutterstock, REDPIXELPL
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So einiges im Fluss
Bei der 13. E&M-Umfrage zur Direktvermarktung überraschen vor allem Baywa Re Clens und Sunnic Lighthouse mit überraschend hohen Zugewinnen bei ihren Portfolios.
Die Begeisterung für Fußball wurde Ulrich Haberland quasi in die Wiege gelegt. Nach seinem gleichnamigen Großvater war lange Zeit das Stadion des Bundesligisten Bayer Leverkusen benannt. Und sogar im beruflichen Umfeld kann sich Haberland, bei Statkraft Markets für das Direktvermarktungsgeschäft in Deutschland verantwortlich, über Parallelen zum Fußball freuen. So wie der FC Bayern München seit Langem die Fußballbundesliga beherrscht, führt Statkraft seit Jahren die Rangliste der Direktvermarkter in Deutschland an.

Auch bei den Entwicklungen zum Jahresbeginn zeigten sich Parallelen: Die Bayern-Kicker schwächelten nach mehreren Niederlagen, die Dominanz aus der Vorsaison ist dahin; und bei der Deutschland-Dependance des norwegischen Energiekonzerns schmolz das Portfolio deutlich ab.

Für den 1. Januar meldeten Haberland und sein Team bei der mittlerweile 13. E&M-Branchenerhebung einen Vertragsbestand von 9.365 MW. Das bedeutet einen Rückgang von 1.311 MW gegenüber Ende Dezember 2020. Gemessen am letzten Dezembertag 2019 startete Statkraft sogar mit einem Minus von 3.302 MW in das Geschäftsjahr 2021.

Was Haberland nicht aus der Ruhe bringt: „An unserer Vorgabe hat sich nichts geändert: Wir schließen nur Verträge ab, die sich für uns rechnen.“ Dass die letzte Verhandlungsperiode für die Skandinavier nicht so wie gewünscht gelaufen ist, begründet Haberland mit einer „fehlerhaften Bepreisung einiger Mitbewerber insbesondere von häufig abgeregelten Anlagen in Verbindung mit einer deutlich höheren Zahl von Tagen mit negativen Strompreisen als geplant“.

Auch die schwarz-rote Bundesregierung ist Statkraft mit der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in die Parade gefahren: Die kurz vor Weihnachten beschlossene Weiterbetriebsregelung für sogenannte Ãœ20-Windturbinen hat das Statkraft-Portfolio um gleich 400 MW reduziert. Den späten Zeitpunkt für die Gesetzesänderung und die vorgesehene zeitweise Förderung der Altanlagen über die Netzbetreiber bewertet der Statkraft-Mann als „Unding“.

Dieser legislativ bedingte Aderlass tut besonders weh angesichts eines ohnehin schrumpfenden Direktvermarktungsvolumens. Die nach wie vor anhaltende Krise beim Ausbau der Windenergie an Land und der Quasi-Ausbaustopp für Offshore-Windkraft haben dazu geführt, dass das Vermarktungspotenzial bundesweit im vergangenen Jahr um lediglich 4.124 MW gewachsen ist. Dieses Plus lag nicht nur unter dem 2019er-Niveau von 4.354 MW, sondern vor allem deutlich unter früheren Spitzenwerten, die 7.000 MW und mehr erreicht hatten.

Für dieses Jahr wird ein leichter Aufwind beim Windkraftausbau erwartet. „Das reicht sicherlich nicht aus, damit wir unser Portfolio wie noch vor Jahren geplant deutlich vergrößern können“, weiß Haberland schon heute. Weiteres Ungemach droht Statkraft Markets von der Konkurrenz: Die Poleposition als größter Direktvermarkter wackelt − kräftig.

Denn kurz vor Weihnachten haben der EWE-Konzern und die Aloys-Wobben-Stiftung, alleinige Eigentümerin des Windturbinenherstellers Enercon, ihr angekündigtes Gemeinschaftsunternehmen endgültig auf den Weg gebracht. Die Direktvermarktungsaktivitäten der Enercon-Tochter Quadra Energy und der EWE Trading sollen darin gebündelt werden. Beide Unternehmen haben es bei der aktuellen E&M-Umfrage gemeinsam auf ein Portfolio von rund 10.800 MW gebracht − deutlich mehr als zuletzt Statkraft.

Hinter dem zweitgrößten Direktvermarkter Quadra Energy hat sich bei der neuen E&M-Umfrage ein Unternehmen auf Platz drei vorgeschoben, das sicherlich nur die wenigsten auf dem Schirm hatten: Baywa Re Clens. Die gemeldete Vertragsleistung von 6.600 MW bedeutet nicht nur ein Plus von 3.100 MW im Vergleich zum Vorjahresstichtag, sie illustriert auch eine Entwicklung, die mit der Textzeile „Auferstanden aus Ruinen“ überschrieben werden könnte.

Dumpingpreise als „No-Go“

Zur Erinnerung: Im Spätherbst 2017 musste die Clean Energy Sourcing GmbH (Clens), damals Teil der italienischen Innowatio-Gruppe, als eines der Pionierunternehmen bei der Direktvermarktung hierzulande Insolvenz anmelden. Kurz darauf übernahm der Baywa-Konzern Clens, was sich als Glücksfall erwiesen haben dürfte. Nach längeren internen Aufräumarbeiten und einer Neupositionierung bei IT-Equipment und Vertrieb steht Baywa Re Clens heute weitaus besser da als die „alte“ Clens.

„Wir haben in den zurückliegenden Herbstmonaten Angebote für insgesamt fast 25.000 Megawatt Leistung abgegeben“, berichtet Baywa-Re-Clens-Geschäftsführer Daniel Hölder, „und zwar alles auf Basis wettbewerbsfähiger Preise.“ Dumpingpreise, um das eigene Portfolio mit zusätzlichen MW aufzublähen, seien bei Baywa Re Clens immer tabu gewesen: „Und jetzt, da Baywa Re seit einigen Wochen einen neuen Gesellschafter aus der Bankenwelt hat, wäre eine solche Strategie ohnehin ein No-Go“, so Hölder.

Darauf, dass Baywa Re Clens Ende des Jahres ihr Portfolio weiter ausbauen kann, will Hölder nicht wetten: „Die Risiken in dem Geschäft sind nach wie vor groß.“ Das fange mit den Preisen für Ausgleichsenergie an, die Anfang Dezember vergangenen Jahres schwindelnde Höhen von etwa 16.000 Euro pro MWh erreicht hatten. Und nicht nur das: Obwohl die Bundesnetzagentur vor wenigen Wochen die Preise auf dem Regelarbeitsmarkt auf 9.999,99 Euro/MWh begrenzt hat, will Hölder nicht von Entspannung reden: „Selbst dieser Deckel bedeutet einen Wahnsinnspreis, der, wenn er aufgerufen wird, die betroffenen Unternehmen ins Minus treibt.“ Nach wie vor, so Hölders Befund, fehle es an ausreichendem Wettbewerb auf den Regelenergiemärkten: „Hier sind der Gesetzgeber und die Bundesnetzagentur gefordert.“

Neben Baywa Re Clens gibt es einen zweiten großen Gewinner bei der jüngsten E&M-Branchenerhebung: die Sunnic Lighthouse GmbH aus Hamburg. Das Tochterunternehmen des Solarprojektierers Enerparc AG konnte sein Portfolio über den Jahreswechsel nicht nur um über 1.000 MW auf 5.750 MW ausbauen, sondern liegt mit einer gemeldeten Leistung von 3.900 MW nur noch knapp hinter dem bundesweit größten Solardirektvermarkter Next Kraftwerke mit einem Vertragsbestand von 4.020 MW. Binnen eines Jahres konnten die Hanseaten rund 70 % mehr Solarleistung für die Direktvermarktung unter Vertrag nehmen.
„Zuletzt haben wir davon profitiert, dass wir einige größere White-Label-Mandate gewonnen haben“, erklärte Geschäftsführer Arved von Harpe gegenüber E&M das erstaunliche Plus. Nach dem BKW-Tochterunternehmen Wind Energy Trading (WET), dessen Geschäftsmodell rein auf White-Label-Verträge setzt, dürfte Sunnic hierzulande der zweitgrößte Anbieter in diesem Segment sein. „Es hat sich rumgesprochen, dass wir Direktvermarktung können“, sagt von Harpe salopp.

Wachstum dank steigendem Eigenbestand

Nicht nur die White-Label-Vereinbarungen erklären die stetige Aufwärtsentwicklung bei Sunnic: Die Muttergesellschaft Enerparc, hierzulande eines der führenden, wenn nicht sogar das führende Unternehmen bei der Entwicklung von größeren Solarkraftwerken, verfügt mittlerweile nach eigenen Angaben über einen Eigenbestand von 2.000 MW − der Vermarkter liegt auf der Hand. „Enerparc nimmt jedes Jahr zwischen 300 und 400 Megawatt selbst entwickelte Solarleistung in die eigenen Bücher, sodass wir bei der Solarvermarktung fast automatisch wachsen“, erklärt von Harpe die für Sunnic befruchtende Symbiose.

Für den weiteren Unternehmenserfolg dürfte das langsam anziehende Geschäft mit den Power Purchase Agreements sorgen. Gerade größere Solarparks, die zum Kerngeschäft von Enerparc zählen, sind bei Interessenten gefragt. So konnte Enerparc sich beispielsweise im vergangenen November mit der Deutschen Bahn auf ein 30-jähriges PPA für die Stromlieferung aus einem neuen 80-MW-Solarpark in Mecklenburg-Vorpommern verständigen: „Klar, haben wir bei den Vertragsverhandlungen mitgewirkt“, lässt von Harpe durchblicken. Dass künftig PPAs die klassische Direktvermarktung weitestgehend ablösen, hält er indes für unwahrscheinlich: „Für Enerparc und Sunnic gehe ich davon aus, dass unser Neubauvolumen zu vielleicht einem Drittel über PPAs gemanagt wird.“

Das dürfte bei Unternehmen wie der Schweizer Axpo demnächst anders aussehen: „Die Direktvermarktung ist längst zur Commodity geworden. Dieser Massenmarkt mit seinen geringen Risikoprämien, der gleichzeitig einen hohen personellen Aufwand fordert, ist für uns nicht besonders interessant“, betonte Johannes Pretel, Head of Origination bei Axpo Deutschland, gegenüber E&M. Was auch erklärt, dass die Eidgenossen hierzulande gerade einmal ein dreistelliges Portfolio bewirtschaften. Davon entfällt ein großer Brocken auf den 400-MW-Offshore-Windpark Global Tech 1 in der deutschen Nordsee, zu dessen Gesellschaftern neben der Axpo unter anderem Entega und die Stadtwerke München zählen.

Pretel macht keinen Hehl daraus, dass Axpo beim Geschäft mit erneuerbaren Energien verstärkt auf die Option PPA setzt: „In diesem Geschäftsfeld haben wir unser Know-how seit 2005, als wir in Skandinavien die ersten Verträge unterzeichnet haben, ständig verbessert.“ Den Origination-Chef beunruhigt deshalb auch nicht das überschaubare Direktvermarktungsportfolio seines Unternehmens in Deutschland. „Wir zählen zu den Playern, die auch PPA-Verträge mit zehnjährigen und noch längeren Laufzeiten mit allen Risiken schultern können“, so Pretel. Seine Prognose: „Der PPA-Markt wird kein Massenmarkt. Deshalb wird auch die Axpo bei diesem Geschäft in Deutschland demnächst eine wichtige Rolle spielen.“ Außerdem werde das Unternehmen versuchen, „paneuropäische“ PPAs zu vermitteln. Bei diesen „Cross-Border-Verträgen“ sind die Stromabnehmer und die grünen Erzeugungsanlagen nicht im gleichen Land ansässig.

„Geplante Größenordnung im ersten Jahr erreicht“

PPAs gehören auch zu dem Dienstleistungsportfolio, das die Priogen Energy seit vergangenem Jahr hierzulande anbietet. Die Deutschland-Dependance des niederländischen Energiehandelsunternehmens zählt zu den ganz wenigen Newcomern, die zuletzt auf dem deutschen Direktvermarktungsmarkt tätig geworden sind. Mit Verträgen über 500 MW fällt die Zwischenbilanz von Wolfgang Krüger nach gut einem Jahr durchaus zufriedenstellend aus: „Diese Größenordnung hatten wir uns in etwa vorgenommen.“ Krüger, der seit September 2019 bei den Niederländern unter Vertrag steht, ist ein „alter Bekannter“ im Kreise der Direktvermarkter. Zu seinen beruflichen Stationen zählen unter anderem die Schweizer Alpiq beziehungsweise eines der Vorgängerunternehmen und Neas Energy aus Dänemark (mittlerweile Centrica Energy Trading).

„Wir sind bei so manchen Kunden mit offenen Armen aufgenommen worden“, lautet Krügers erste Zwischenbilanz, „mitunter hatte ich den Eindruck, dass sich einige Betreiber über uns als neuen Player gefreut haben.“ Zweite überraschende Erkenntnis für ihn: „Wir konnten als Newcomer auf aggressive Preise verzichten und durchaus gute Preise für uns erzielen.“

An dieser Linie will Priogen Energy beim Deutschland-Geschäft festhalten. Die Direktvermarktung zählt nach Krügers Worten zu den „Türöffnern“, um mit Industriebetrieben, Energieversorgern und Betreibern regenerativer Kraftwerke ins Gespräch zu kommen: „Wir sind deshalb mittelfristig mit einem Direktvermarktungsportfolio zwischen 1.500 und 2.000 Megawatt zufrieden.“

Neue Herausforderung Redispatch 2.0

Auch nicht den Ehrgeiz, zu den größten Direktvermarktern hierzulande zu zählen, haben die Stadtwerke Osnabrück. „Mit unserem derzeitigen Bestand von rund 400 Megawatt fühlen wir uns wohl und haben unsere Zielgröße erreicht“, sagt Marcus Bergmann, der bei dem südniedersächsischen Kommunalversorger den Geschäftsbereich Energie leitet. Seit 2012 haben die Osnabrücker Stadtwerke immer mehr Windenergieanlagen unter Vertrag genommen, anfänglich im Landkreis Osnabrück, mittlerweile in ganz Niedersachsen.

Den so kontrahierten Ökostrom nutzen die Osnabrücker seit 2020 für ihre Grünstromtarife und neuerdings seit Jahresbeginn „soweit es irgendwie geht“ auch für das neue Regionalstromangebot. Alle Haushalte in der 160.000-Einwohner-Stadt, die bislang noch kein Grünstromprodukt bei den Stadtwerken bestellt hatten, sind mit Jahresbeginn automatisch auf den Regionalstrom umgestellt worden. „Die Windmüller und Sonnenstromproduzenten begrüßen diese Regiostrom-Variante, weil sie sich so mehr Akzeptanz für ihre Anlagen versprechen“, sagt Bergmann.
Bei der Grünstromvermarktung wird es in Osnabrück künftig neue Schwerpunkte geben, da die Verantwortlichen im Rathaus und bei den Stadtwerken mit Unterstützung der Bürger bis Ende dieser Dekade auf den Dächern der Stadt das Solarpotenzial von rund 1.000 MW „heben“ wollen. „Wie die passenden Produkte dazu aussehen, wissen wir noch nicht im Einzelnen“, sagt Bergmann, „das ist noch ein bisschen Zukunftsmusik.“

Apropos (ziemlich nahe) Zukunft: Beim Blick nach vorn erwartet Ulrich Focken für dieses Jahr bei der Direktvermarktung nicht nur immer wieder Ausschläge bei den Ausgleichs- und Regelenergiepreisen: „Das große Themen bei allen Unternehmen sind die neuen, ab Anfang Oktober geltenden Redispatch-Regelungen, für die in allen Häusern die Vorbereitungen laufen“, weiß der Geschäftsführer des Prognose- und IT-Dienstleisters „energy & meteo systems“ GmbH (Emsys).

Mit dem sogenannten Redispatch 2.0 reagiert die Bundesnetzagentur auf die Ungleichgewichte im Netz, die immer wieder beim Einspeisemanagement in Echtzeit auftreten. Künftig wird deshalb nicht nur auf konventionelle Kraftwerke mit einer Leistung über 10 MW zurückgegriffen, um Netzengpässe zu beseitigen. Auch Erneuerbare-Energien- und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen ab 100 kW sowie durch einen Netzbetreiber jederzeit fernsteuerbare Anlagen jeder Größe können nun zum Einsatz kommen.

„Das wird beispielsweise die Marktwerte von Windparks in Schleswig-Holstein verschlechtern, die heute dank des Einspeisemanagements gut dastehen“, weiß Focken. Er kann sich vorstellen, dass so mancher Vertrag neu verhandelt werden muss. Das Redispatch 2.0 werde die Direktvermarkter deshalb das gesamte Jahr lang „auf Trab“ halten. Was das für die einzelnen Portfolien heißt, wird die E&M-Umfrage zur Direktvermarktung in gut einem Jahr zeigen.

(Siehe auch "Die Umfrageergebnisse im Ãœberblick") E&M

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