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Energie & Management > Europa - Sind Atomkraftwerke grün?
Quelle: Shutterstock / Romolo Tavani
Europa

Sind Atomkraftwerke grün?

Die EU-Kommission will noch vor der Weihnachtspause Vorschläge unterbreiten, welche Investitionen in der EU als nachhaltig gelten sollen.
Ministerrat und Europäisches Parlament haben sich im Grundsatz bereits darauf verständigt, dass private Investitionen in ein nachhaltiges und klimafreundliches Wirtschaften begünstigt werden sollen. Der Teufel liegt aber auch hier im Detail und mit den Details soll sich die EU-Kommission befassen. Das haben ihre Beamten auch in den vergangenen Monaten getan, zu einer Entscheidung über die "Taxonomie-Verordnung" konnten sich die Kommissarinnen und Kommissare aber noch nicht durchringen.

Erwartungen und Befürchtungen verbinden sich mit der Taxonomie vor allem im Hinblick auf die Atomenergie und den Einsatz von Erdgas. Eine Reihe von Ländern unter Führung von Österreich wollen unter allen Umständen verhindern, dass die Atomkraft in die Taxonomie aufgenommen wird. Die Regierung in Paris ist dagegen ebenso entschlossen, ihrer Nuklearindustrie das grüne Etikett aus Brüssel zu verschaffen. Als nachhaltig und klimafreundlich sollen nicht nur die französischen Atomkraftwerke selbst gelten, sondern auch der Abbau von Uran, die Herstellung der Brennstäbe, ihre Wiederaufbereitung sowie die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll.

​Unsauberer Deal zwischen Berlin und Paris?

Unklar ist, ob die Franzosen dabei auf die Unterstützung durch die Bundesregierung zählen können. Die ist zwar öffentlich gegen die Atomkraft. Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat sich deswegen auch der von Österreich angeführten Anti-Atom-Allianz angeschlossen. In Berlin hat man aber auch großes Interesse daran, dass Erdgas in die Taxonomie aufgenommen wird. Ohne den verstärkten Einsatz von Erdgas in der Elektrizitätswirtschaft könnten die deutschen Kohlekraftwerke wahrscheinlich noch nicht einmal 2038 vom Netz gehen, ohne dass hierzulande die Lichter ausgehen, geschweige denn bis 2030, wie es sich die neue Ampel-Regierung vorgenommen hat. In Brüssel hält sich deswegen hartnäckig das Gerücht, dass es hier einen – nach Lesart der Umweltverbände – unsauberen Deal zwischen Berlin und Paris geben könnte.

Möglich wäre das nur, wenn die EU-Kommission einen entsprechenden Vorschlag auch unterbreitet. Dabei kommt es jedoch noch einmal auf die Details an, besonders wenn es um das Erdgas geht. Dem Vernehmen nach will die Kommission die technischen Anforderungen an die Gaskraftwerke so auslegen, dass sie praktisch nur als Back-up-Anlagen für die wenigen Stunden im Jahr betrieben werden könnten, in denen weder die Sonne scheint noch der Wind weht.

Gaskraftwerke, die das Nachhaltigkeits-Label erhalten, dürften dann höchstens 340 Gramm CO2 pro Kilowattstunde ausstoßen und außerdem eine Emissions-Obergrenze pro Jahr nicht überschreiten. Eine andere Variante wäre ein Grenzwert von 100 Gramm pro Kilowattstunde über die gesamte Lebensdauer der Anlage. Praktisch würde das bedeuten, dass nachhaltige Gaskraftwerke nur wenige Stunden im Jahr betrieben werden könnten und damit unwirtschaftlich wären. Der deutsche Europaabgeordnete Markus Pieper (CDU) hält solche Vorgaben für "prohibitiv niedrig". Für Unternehmen sei es unter diesen Umständen zu riskant, in zusätzlich Erdgaskraftwerke zu investieren.

Finanzierung der Klimawende unklar

Neben den Deutschen sind vor allem die osteuropäischen Staaten darauf angewiesen, Erdgas zumindest als Übergangstechnologie einzusetzen, um ihre Klimaziele zu erreichen. Die meisten von ihnen haben auch keine grundsätzlichen Einwände gegen die Atomenergie. Die deutsch-französische Allianz wäre mit dieser Unterstützung stark genug, einen Einspruch des Ministerrates mit qualifizierter Mehrheit gegen den Vorschlag der Kommission zu verhindern.

Ob die Finanzierung der Energiewende damit sichergestellt wäre, steht auf einem anderen Blatt. Die Kommission veranschlagt dafür 350 Mrd. Euro pro Jahr, zusätzlich zum normalen Investitionsbedarf der Unternehmen. Das grüne Etikett aus Brüssel kann dabei behilflich sein, Anlage suchendes Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken, falls die Investoren solche Anlagen suchen. Aber die Taxonomie erzeugt natürlich kein Kapital und sie reduziert auch nicht den Kapitalbedarf für nicht nachhaltige Projekte, die möglicherweise eine höhere Rendite versprechen.

Donnerstag, 2.12.2021, 10:38 Uhr
Tom Weingärtner
Energie & Management > Europa - Sind Atomkraftwerke grün?
Quelle: Shutterstock / Romolo Tavani
Europa
Sind Atomkraftwerke grün?
Die EU-Kommission will noch vor der Weihnachtspause Vorschläge unterbreiten, welche Investitionen in der EU als nachhaltig gelten sollen.
Ministerrat und Europäisches Parlament haben sich im Grundsatz bereits darauf verständigt, dass private Investitionen in ein nachhaltiges und klimafreundliches Wirtschaften begünstigt werden sollen. Der Teufel liegt aber auch hier im Detail und mit den Details soll sich die EU-Kommission befassen. Das haben ihre Beamten auch in den vergangenen Monaten getan, zu einer Entscheidung über die "Taxonomie-Verordnung" konnten sich die Kommissarinnen und Kommissare aber noch nicht durchringen.

Erwartungen und Befürchtungen verbinden sich mit der Taxonomie vor allem im Hinblick auf die Atomenergie und den Einsatz von Erdgas. Eine Reihe von Ländern unter Führung von Österreich wollen unter allen Umständen verhindern, dass die Atomkraft in die Taxonomie aufgenommen wird. Die Regierung in Paris ist dagegen ebenso entschlossen, ihrer Nuklearindustrie das grüne Etikett aus Brüssel zu verschaffen. Als nachhaltig und klimafreundlich sollen nicht nur die französischen Atomkraftwerke selbst gelten, sondern auch der Abbau von Uran, die Herstellung der Brennstäbe, ihre Wiederaufbereitung sowie die Zwischen- und Endlagerung von Atommüll.

​Unsauberer Deal zwischen Berlin und Paris?

Unklar ist, ob die Franzosen dabei auf die Unterstützung durch die Bundesregierung zählen können. Die ist zwar öffentlich gegen die Atomkraft. Die deutsche Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat sich deswegen auch der von Österreich angeführten Anti-Atom-Allianz angeschlossen. In Berlin hat man aber auch großes Interesse daran, dass Erdgas in die Taxonomie aufgenommen wird. Ohne den verstärkten Einsatz von Erdgas in der Elektrizitätswirtschaft könnten die deutschen Kohlekraftwerke wahrscheinlich noch nicht einmal 2038 vom Netz gehen, ohne dass hierzulande die Lichter ausgehen, geschweige denn bis 2030, wie es sich die neue Ampel-Regierung vorgenommen hat. In Brüssel hält sich deswegen hartnäckig das Gerücht, dass es hier einen – nach Lesart der Umweltverbände – unsauberen Deal zwischen Berlin und Paris geben könnte.

Möglich wäre das nur, wenn die EU-Kommission einen entsprechenden Vorschlag auch unterbreitet. Dabei kommt es jedoch noch einmal auf die Details an, besonders wenn es um das Erdgas geht. Dem Vernehmen nach will die Kommission die technischen Anforderungen an die Gaskraftwerke so auslegen, dass sie praktisch nur als Back-up-Anlagen für die wenigen Stunden im Jahr betrieben werden könnten, in denen weder die Sonne scheint noch der Wind weht.

Gaskraftwerke, die das Nachhaltigkeits-Label erhalten, dürften dann höchstens 340 Gramm CO2 pro Kilowattstunde ausstoßen und außerdem eine Emissions-Obergrenze pro Jahr nicht überschreiten. Eine andere Variante wäre ein Grenzwert von 100 Gramm pro Kilowattstunde über die gesamte Lebensdauer der Anlage. Praktisch würde das bedeuten, dass nachhaltige Gaskraftwerke nur wenige Stunden im Jahr betrieben werden könnten und damit unwirtschaftlich wären. Der deutsche Europaabgeordnete Markus Pieper (CDU) hält solche Vorgaben für "prohibitiv niedrig". Für Unternehmen sei es unter diesen Umständen zu riskant, in zusätzlich Erdgaskraftwerke zu investieren.

Finanzierung der Klimawende unklar

Neben den Deutschen sind vor allem die osteuropäischen Staaten darauf angewiesen, Erdgas zumindest als Übergangstechnologie einzusetzen, um ihre Klimaziele zu erreichen. Die meisten von ihnen haben auch keine grundsätzlichen Einwände gegen die Atomenergie. Die deutsch-französische Allianz wäre mit dieser Unterstützung stark genug, einen Einspruch des Ministerrates mit qualifizierter Mehrheit gegen den Vorschlag der Kommission zu verhindern.

Ob die Finanzierung der Energiewende damit sichergestellt wäre, steht auf einem anderen Blatt. Die Kommission veranschlagt dafür 350 Mrd. Euro pro Jahr, zusätzlich zum normalen Investitionsbedarf der Unternehmen. Das grüne Etikett aus Brüssel kann dabei behilflich sein, Anlage suchendes Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken, falls die Investoren solche Anlagen suchen. Aber die Taxonomie erzeugt natürlich kein Kapital und sie reduziert auch nicht den Kapitalbedarf für nicht nachhaltige Projekte, die möglicherweise eine höhere Rendite versprechen.

Donnerstag, 2.12.2021, 10:38 Uhr
Tom Weingärtner

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