E&M exklusiv Newsletter:
E&M gratis testen:
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Riesendrohne schaut sich Stromtrassen ganz genau an
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe

Riesendrohne schaut sich Stromtrassen ganz genau an

Sie war der Star des Tages: die Riesendrohne. Auch wenn es in erster Linie um das angedockte Multisensor-Paket ging, mit dem Stromtrassen höchst effizient kontrolliert werden können.
 
Mit Kameras (unten) und Laserscanner (vorne) ausgestattet, fliegt die Drohne der Firma Schiebel eine Stromleitung ab
Quelle: E&M / Günter Drewnitzky

Der Demonstrationstag stieß auf großes Interesse beim Fachpublikum. Vertreter von Stromnetzbetreibern und Energieunternehmen aus dem In- und Ausland waren ins unterfränkische Haßfurt (Bayern) gekommen. Siemens Energy und die Eon-Töchter Bayernwerk und Schleswig-Holstein Netz hatten eingeladen zur Deutschland-Premiere: der erste Drohnenflug außerhalb der Sichtweite einer steuernden Person.

Angetrieben von einem Ottomotor machte sich das Luftfahrzeug mit einer Länge und einem Rotordurchmesser von mehr als drei Metern lautstark auf den Weg, um die Einzelheiten einer neben dem Modellflugplatz verlaufenden Hochspannungsleitung unter die Lupe zu nehmen.

Die Ausmaße des Gefährts lassen sich mit der interessanten Nutzlast erklären, die es mit sich herumschleppt: Kameras, die Masten, Leitungen und die dazugehörigen Betriebsmittel fotografieren, Infrarot-Sensoren zur Temperaturmessung, ein UV-Sensor, der Corona-Entladungen entdecken kann, und ein Laserscanner, der Abstände erfasst und die Daten für ein 3-D-Modell der abgeflogenen Trasse zur Verfügung stellt.

Zeitgleich startete der Hubschrauber zum Inspektionsflug. Er hat noch wesentlich mehr dabei: 19 Kameras und Lasersensoren, darüber hinaus gleich noch ein auf dem Rücksitz angeschnalltes Rechnerpack.

300 Gigabit und 12.000 Fotos pro Kilometer

Das Equipment, das Hubschrauber und Drohne an Bord haben, sowie die dazugehörige Software hat Siemens Energy unter der Bezeichnung SIEAERO entwickelt und bietet es Netzbetreibern für eine effizientere Überprüfung ihrer Stromtrassen an. Die Vorteile des Systems sind vielfältig, vor allem spart es Zeit und Geld: Es sind viel weniger Flüge als bei der herkömmlichen Herangehensweise erforderlich.
 
Das Kamerapack der Drohne liefert auch Wärmedaten der Betriebsmittel
und erkennt Corona-Entladungen an Isolatoren
Quelle: E&M / Günter Drewnitzky

Bisher wurden mit Ferngläsern bewaffnete Techniker im Helikopter an den Leitungen vorbeigeflogen. Jetzt liefern die Sensoren und Kameras pro Kilometer Strecke 300 Gigabit Daten und 12.000 Fotos. Nach dem Flug lässt sich alles in Ruhe am Schreibtisch betrachten und auswerten: Jedes einzelne Betriebsmittel kann auf den Monitor geholt und von allen Seiten unter die Lupe genommen werden, Blitzschäden an Seilen werden sichtbar, Bäume, die den Leitungen zu nahe kommen − ja sogar der Durchhängegrad der Seile kann angezeigt und mit Sollwerten verglichen werden. An dem bei Haßfurt inspizierten Abschnitt hat SIEAERO übrigens zwei kaputte Schwingungsdämpfer und einen defekten Isolator entdeckt sowie ein Vogelnest in der Spitze eines Mastes.

Die Netzbetreiber schätzen, dass mit der neuen Technik dreimal weniger Hubschrauberflüge notwendig sind und sich Umweltbelastung und CO2-Emissionen beim Drohneneinsatz nochmals drastisch reduzieren würden. Aber auch am Boden können die Aktivitäten zurückgefahren werden: Es müssen zum Beispiel nicht mehr alle 50 Mastfundamente einer Trasse abgefahren und überprüft werden, sondern nur das eine, das auf den Fotos Auffälligkeiten zeigt. Das Gleiche gilt für Freileitungsmonteure, auf die weniger Kletterei zukommt, was in der Folge dazu führt, dass der Strom nicht abgeschaltet werden muss.

450 Kilometer Freileitung können pro Woche mit SIEAERO inspiziert werden. Und mit den Daten lassen sich digitale Zwillinge des Leitungsnetzes erstellen, die später zu Vergleichszwecken herangezogen werden können. Auch künstliche Intelligenz kann bei der Auswertung helfen, indem sie abgespeicherte Bilder von Anlagenteilen mit den aufgenommenen Fotos vergleicht und Abweichungen vom Sollzustand identifiziert.

Bürokratie behindert Drohnenflüge

Bayernwerk und SH Netz haben aktuell die Erfassung von SIEAERO-Daten für 4.000 Leitungskilometer bei Siemens in Auftrag gegeben. Für Egon Westphal, Vorsitzender der Bayernwerk AG, gehört der Technik die Zukunft: Sie liefere höchste Datenqualität, vermindere die Lärmbelästigung sowie Inspektionskosten und zeige nicht zuletzt die Innovationsfreude des Unternehmens, erklärte er am Rande der Flugvorführung.

Tino Link, Leiter Transmission Lifecycle Services bei Siemens Energy, kündigte an, das System nach den erfolgreichen Flügen in Deutschland jetzt auch in anderen europäischen Ländern und in Nordamerika anzuwenden.


Auch auf den ersten Einsatz der Langstreckendrohne, die von der österreichischen Firma Schiebel hergestellt wird, ging Link in Haßfurt ein. „Mit den richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen könnten wir durch den Einsatz der Langstreckendrohne die Umweltbilanz der Flüge noch einmal wesentlich verbessern“, erklärte er.

Hintergrund seiner Aussage: Für die Genehmigung solcher Flüge außerhalb der Sichtweite eines Piloten gibt es bis jetzt noch erhebliche bürokratische Hürden. Flugkonzept und Streckenbeschreibung müssen eingereicht werden, die Entscheidung wird auf europäischer Ebene getroffen und dauert Wochen.

Vertreter von Siemens und der Netzbetreiber waren sich einig, dass sich hier schon bald etwas tun muss. Die Tatsache, dass beispielsweise die Anbieter von Drohnentransportflügen auch schon längere Zeit mit den Hufen scharren und Druck auf die Politik ausüben, macht ihnen ein wenig Hoffnung. Bis dahin ist man mit dem Hubschrauber auf der sicheren Seite. Da ist gewährleistet, dass die Flüge jederzeit und wie geplant möglich sind.
 
3-D-Abbild eines Trassenabschnitts von SIEAERO
Quelle: Siemens

Donnerstag, 13.10.2022, 09:00 Uhr
Günter Drewnitzky
Energie & Management > Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe - Riesendrohne schaut sich Stromtrassen ganz genau an
Quelle: E&M
Aus Der Aktuellen Zeitungsausgabe
Riesendrohne schaut sich Stromtrassen ganz genau an
Sie war der Star des Tages: die Riesendrohne. Auch wenn es in erster Linie um das angedockte Multisensor-Paket ging, mit dem Stromtrassen höchst effizient kontrolliert werden können.
 
Mit Kameras (unten) und Laserscanner (vorne) ausgestattet, fliegt die Drohne der Firma Schiebel eine Stromleitung ab
Quelle: E&M / Günter Drewnitzky

Der Demonstrationstag stieß auf großes Interesse beim Fachpublikum. Vertreter von Stromnetzbetreibern und Energieunternehmen aus dem In- und Ausland waren ins unterfränkische Haßfurt (Bayern) gekommen. Siemens Energy und die Eon-Töchter Bayernwerk und Schleswig-Holstein Netz hatten eingeladen zur Deutschland-Premiere: der erste Drohnenflug außerhalb der Sichtweite einer steuernden Person.

Angetrieben von einem Ottomotor machte sich das Luftfahrzeug mit einer Länge und einem Rotordurchmesser von mehr als drei Metern lautstark auf den Weg, um die Einzelheiten einer neben dem Modellflugplatz verlaufenden Hochspannungsleitung unter die Lupe zu nehmen.

Die Ausmaße des Gefährts lassen sich mit der interessanten Nutzlast erklären, die es mit sich herumschleppt: Kameras, die Masten, Leitungen und die dazugehörigen Betriebsmittel fotografieren, Infrarot-Sensoren zur Temperaturmessung, ein UV-Sensor, der Corona-Entladungen entdecken kann, und ein Laserscanner, der Abstände erfasst und die Daten für ein 3-D-Modell der abgeflogenen Trasse zur Verfügung stellt.

Zeitgleich startete der Hubschrauber zum Inspektionsflug. Er hat noch wesentlich mehr dabei: 19 Kameras und Lasersensoren, darüber hinaus gleich noch ein auf dem Rücksitz angeschnalltes Rechnerpack.

300 Gigabit und 12.000 Fotos pro Kilometer

Das Equipment, das Hubschrauber und Drohne an Bord haben, sowie die dazugehörige Software hat Siemens Energy unter der Bezeichnung SIEAERO entwickelt und bietet es Netzbetreibern für eine effizientere Überprüfung ihrer Stromtrassen an. Die Vorteile des Systems sind vielfältig, vor allem spart es Zeit und Geld: Es sind viel weniger Flüge als bei der herkömmlichen Herangehensweise erforderlich.
 
Das Kamerapack der Drohne liefert auch Wärmedaten der Betriebsmittel
und erkennt Corona-Entladungen an Isolatoren
Quelle: E&M / Günter Drewnitzky

Bisher wurden mit Ferngläsern bewaffnete Techniker im Helikopter an den Leitungen vorbeigeflogen. Jetzt liefern die Sensoren und Kameras pro Kilometer Strecke 300 Gigabit Daten und 12.000 Fotos. Nach dem Flug lässt sich alles in Ruhe am Schreibtisch betrachten und auswerten: Jedes einzelne Betriebsmittel kann auf den Monitor geholt und von allen Seiten unter die Lupe genommen werden, Blitzschäden an Seilen werden sichtbar, Bäume, die den Leitungen zu nahe kommen − ja sogar der Durchhängegrad der Seile kann angezeigt und mit Sollwerten verglichen werden. An dem bei Haßfurt inspizierten Abschnitt hat SIEAERO übrigens zwei kaputte Schwingungsdämpfer und einen defekten Isolator entdeckt sowie ein Vogelnest in der Spitze eines Mastes.

Die Netzbetreiber schätzen, dass mit der neuen Technik dreimal weniger Hubschrauberflüge notwendig sind und sich Umweltbelastung und CO2-Emissionen beim Drohneneinsatz nochmals drastisch reduzieren würden. Aber auch am Boden können die Aktivitäten zurückgefahren werden: Es müssen zum Beispiel nicht mehr alle 50 Mastfundamente einer Trasse abgefahren und überprüft werden, sondern nur das eine, das auf den Fotos Auffälligkeiten zeigt. Das Gleiche gilt für Freileitungsmonteure, auf die weniger Kletterei zukommt, was in der Folge dazu führt, dass der Strom nicht abgeschaltet werden muss.

450 Kilometer Freileitung können pro Woche mit SIEAERO inspiziert werden. Und mit den Daten lassen sich digitale Zwillinge des Leitungsnetzes erstellen, die später zu Vergleichszwecken herangezogen werden können. Auch künstliche Intelligenz kann bei der Auswertung helfen, indem sie abgespeicherte Bilder von Anlagenteilen mit den aufgenommenen Fotos vergleicht und Abweichungen vom Sollzustand identifiziert.

Bürokratie behindert Drohnenflüge

Bayernwerk und SH Netz haben aktuell die Erfassung von SIEAERO-Daten für 4.000 Leitungskilometer bei Siemens in Auftrag gegeben. Für Egon Westphal, Vorsitzender der Bayernwerk AG, gehört der Technik die Zukunft: Sie liefere höchste Datenqualität, vermindere die Lärmbelästigung sowie Inspektionskosten und zeige nicht zuletzt die Innovationsfreude des Unternehmens, erklärte er am Rande der Flugvorführung.

Tino Link, Leiter Transmission Lifecycle Services bei Siemens Energy, kündigte an, das System nach den erfolgreichen Flügen in Deutschland jetzt auch in anderen europäischen Ländern und in Nordamerika anzuwenden.


Auch auf den ersten Einsatz der Langstreckendrohne, die von der österreichischen Firma Schiebel hergestellt wird, ging Link in Haßfurt ein. „Mit den richtigen rechtlichen Rahmenbedingungen könnten wir durch den Einsatz der Langstreckendrohne die Umweltbilanz der Flüge noch einmal wesentlich verbessern“, erklärte er.

Hintergrund seiner Aussage: Für die Genehmigung solcher Flüge außerhalb der Sichtweite eines Piloten gibt es bis jetzt noch erhebliche bürokratische Hürden. Flugkonzept und Streckenbeschreibung müssen eingereicht werden, die Entscheidung wird auf europäischer Ebene getroffen und dauert Wochen.

Vertreter von Siemens und der Netzbetreiber waren sich einig, dass sich hier schon bald etwas tun muss. Die Tatsache, dass beispielsweise die Anbieter von Drohnentransportflügen auch schon längere Zeit mit den Hufen scharren und Druck auf die Politik ausüben, macht ihnen ein wenig Hoffnung. Bis dahin ist man mit dem Hubschrauber auf der sicheren Seite. Da ist gewährleistet, dass die Flüge jederzeit und wie geplant möglich sind.
 
3-D-Abbild eines Trassenabschnitts von SIEAERO
Quelle: Siemens

Donnerstag, 13.10.2022, 09:00 Uhr
Günter Drewnitzky

Haben Sie Interesse an Content oder Mehrfachzugängen für Ihr Unternehmen?

Sprechen Sie uns an, wenn Sie Fragen zur Nutzung von E&M-Inhalten oder den verschiedenen Abonnement-Paketen haben.
Das E&M-Vertriebsteam freut sich unter Tel. 08152 / 93 11-77 oder unter vertrieb@energie-und-management.de über Ihre Anfrage.