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Energie & Management > Europaeische Union - Regulierer sehen funktionierenden Binnenmarkt für Strom
Quelle: Fotolia / kreatik
Europaeische Union

Regulierer sehen funktionierenden Binnenmarkt für Strom

Die Elektrizitätswirtschaft in der EU ist 2020 trotz der pandemiebedingt rückläufigen Nachfrage und fortbestehender Hindernisse weiter zusammengewachsen.
Nach dem jüngsten Bericht der europäischen Regulierungsbehörde Acer und des Rates der Europäischen Regulierer Ceer über den Großhandel mit Strom im Jahr 2020 wurden Fortschritte vor allem bei der Integration des kurzfristigen Handels („Intraday“) erzielt. Weitere Fortschritte seien allerdings möglich und nötig, sowohl beim „Day-ahead“ als auch beim Intraday-Handel. Die Nutzung der Interkonnektoren zwischen den nationalen/regionalen Märkten für den Handel sei noch weit von den anvisierten 70 % entfernt.

Angesichts der aktuellen Preisentwicklung weisen die Regulierer zunächst darauf hin, dass es sich dabei um eine Ausnahmesituation handele. Dazu hätten Faktoren auf der Angebots- und der Nachfrageseite beigetragen. Dem steigenden Strombedarf durch den Aufschwung nach der Coronakrise habe im Sommer eine geringere Leistung der erneuerbaren Energien gegenüber gestanden. Strom aus Gaskraftwerken gebe deswegen das Preisniveau vor und Gas sei im laufenden Jahr um 400 % teurer geworden. Hinzu kämen um 89 % höhere CO2-Preise. Um ein „Marktversagen“ handele es sich aber nicht.

Eine „effiziente Preisbildung“ in der EU werde nach wie vor durch Hindernisse für den Stromhandel erschwert. So fehle es in manchen Mitgliedsstaaten schlicht an den juristischen Voraussetzungen für eine Beteiligung von kleineren Anbietern aus anderen EU-Staaten am Stromhandel. Im Geschäft mit den Endverbrauchern fehlten in vielen EU-Staaten die Anreize, den Anbieter zu wechseln, etwa weil die Preise von den Behörden festgelegt würden.

Die Autoren des Berichtes räumen ein, dass damit in der gegenwärtigen Lage besonders hoher Energiepreise sozial schwache Verbraucher auch geschützt würden. In jedem Fall verschärften regulierte Preise jedoch das „Dilemma“ zwischen sozialer Verträglichkeit und der Notwendigkeit hoher Preise, um anvisierte Verhaltensänderungen auch zu erreichen. 

Die Nachfrage nach Strom in der EU ging 2020 um mehr als 4 Prozent zurück. Trotzdem wurde intraday 32 % mehr Strom gehandelt. Das war nach Ansicht der Regulierer nicht nur gut für das Zusammenwachsen der nationalen Strommärkte. Ein aktiver und kurzfristiger Handel mit Strom erleichtere auch die Integration der erneuerbaren Energien in die Elektrizitätswirtschaft. 

Die Endverbraucher haben nach Ansicht der Autoren davon profitiert, dass die nationalen Märkte enger zusammengewachsen sind. Der Austausch zwischen den Handelszonen am Vortag (Day-ahead) habe mit 87 % der zur Verfügung stehenden Kapazität einen neuen Höchstwert erreicht. Im kurzfristigen Stromhandel (Intraday und Lastenausgleich) war die Auslastung deutlich geringer. Dort bestehe weiter Nachholbedarf. Eine barrierefreie Verbindung der unterschiedlichen Handelszonen in der EU würde nach den Berechnungen der Regulierer zu Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr führen.

Corona hat bestehende Trends verstärkt

Die Coronakrise habe einzelne, schon vorher bestehende Trends in der Branche verstärkt, heißt es in dem Bericht weiter. Das gelte besonders für den Rückgang der Großhandelspreise, die 2020 neue Tiefstände erreichten. Negative Preise wurden doppelt so häufig gemeldet wie 2019. Das sei noch nicht per se ein Hinweis auf Marktversagen, aber schon Grund zu der Annahme, dass es an „effizienter Flexibilität“ fehle, insbesondere einer flexibleren Nachfrage.

Die erneuerbaren Energien setzten ihren Vormarsch im Energiemix fort und erreichten erstmals einen höheren Anteil als die fossilen Energien. Strom aus Wind alleine deckte 15 % der Nachfrage, gegenüber knapp 14 % Kohlestrom. Auch die klimapolitisch erwünschte Elektrifizierung, insbesondere des Verkehrs, habe 2020 Fortschritte gemacht. So habe sich die Zahl der Elektroautos (EV) seit 2016 verzehnfacht, die Zahl der Ladepunkte stieg dagegen im gleichen Zeitraum nur auf das Dreifache. Die EV stellten aufgrund ihres Verbrauchsprofils eine besondere Herausforderung für die Elektrizitätswirtschaft dar.

Ineffiziente Preissignale entstünden auch durch einen falschen Zuschnitt der Handelsregionen. Die Kosten für den Redispatch seien ein klarer Hinweis darauf, wo der Zuschnitt zu Engpässen führe. Von 2018 bis 2020 habe Deutschland die Interkonnektoren zu seinen Nachbarländern am meisten für das Engpassmanagement in Anspruch genommen. Gemeinsam mit Österreich hatte Deutschland auch die höchsten Redispatch-Kosten mit 2,1 Euro/MWh. Ein Neuzuschnitt der Handelszonen in der EU sollte nach Ansicht der Regulierer ernsthaft erwogen werden. 

Der Strommarktbericht kann von der Acer-Webseite heruntergeladen werden.

Donnerstag, 4.11.2021, 15:34 Uhr
Tom Weingärtner
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Regulierer sehen funktionierenden Binnenmarkt für Strom
Die Elektrizitätswirtschaft in der EU ist 2020 trotz der pandemiebedingt rückläufigen Nachfrage und fortbestehender Hindernisse weiter zusammengewachsen.
Nach dem jüngsten Bericht der europäischen Regulierungsbehörde Acer und des Rates der Europäischen Regulierer Ceer über den Großhandel mit Strom im Jahr 2020 wurden Fortschritte vor allem bei der Integration des kurzfristigen Handels („Intraday“) erzielt. Weitere Fortschritte seien allerdings möglich und nötig, sowohl beim „Day-ahead“ als auch beim Intraday-Handel. Die Nutzung der Interkonnektoren zwischen den nationalen/regionalen Märkten für den Handel sei noch weit von den anvisierten 70 % entfernt.

Angesichts der aktuellen Preisentwicklung weisen die Regulierer zunächst darauf hin, dass es sich dabei um eine Ausnahmesituation handele. Dazu hätten Faktoren auf der Angebots- und der Nachfrageseite beigetragen. Dem steigenden Strombedarf durch den Aufschwung nach der Coronakrise habe im Sommer eine geringere Leistung der erneuerbaren Energien gegenüber gestanden. Strom aus Gaskraftwerken gebe deswegen das Preisniveau vor und Gas sei im laufenden Jahr um 400 % teurer geworden. Hinzu kämen um 89 % höhere CO2-Preise. Um ein „Marktversagen“ handele es sich aber nicht.

Eine „effiziente Preisbildung“ in der EU werde nach wie vor durch Hindernisse für den Stromhandel erschwert. So fehle es in manchen Mitgliedsstaaten schlicht an den juristischen Voraussetzungen für eine Beteiligung von kleineren Anbietern aus anderen EU-Staaten am Stromhandel. Im Geschäft mit den Endverbrauchern fehlten in vielen EU-Staaten die Anreize, den Anbieter zu wechseln, etwa weil die Preise von den Behörden festgelegt würden.

Die Autoren des Berichtes räumen ein, dass damit in der gegenwärtigen Lage besonders hoher Energiepreise sozial schwache Verbraucher auch geschützt würden. In jedem Fall verschärften regulierte Preise jedoch das „Dilemma“ zwischen sozialer Verträglichkeit und der Notwendigkeit hoher Preise, um anvisierte Verhaltensänderungen auch zu erreichen. 

Die Nachfrage nach Strom in der EU ging 2020 um mehr als 4 Prozent zurück. Trotzdem wurde intraday 32 % mehr Strom gehandelt. Das war nach Ansicht der Regulierer nicht nur gut für das Zusammenwachsen der nationalen Strommärkte. Ein aktiver und kurzfristiger Handel mit Strom erleichtere auch die Integration der erneuerbaren Energien in die Elektrizitätswirtschaft. 

Die Endverbraucher haben nach Ansicht der Autoren davon profitiert, dass die nationalen Märkte enger zusammengewachsen sind. Der Austausch zwischen den Handelszonen am Vortag (Day-ahead) habe mit 87 % der zur Verfügung stehenden Kapazität einen neuen Höchstwert erreicht. Im kurzfristigen Stromhandel (Intraday und Lastenausgleich) war die Auslastung deutlich geringer. Dort bestehe weiter Nachholbedarf. Eine barrierefreie Verbindung der unterschiedlichen Handelszonen in der EU würde nach den Berechnungen der Regulierer zu Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro pro Jahr führen.

Corona hat bestehende Trends verstärkt

Die Coronakrise habe einzelne, schon vorher bestehende Trends in der Branche verstärkt, heißt es in dem Bericht weiter. Das gelte besonders für den Rückgang der Großhandelspreise, die 2020 neue Tiefstände erreichten. Negative Preise wurden doppelt so häufig gemeldet wie 2019. Das sei noch nicht per se ein Hinweis auf Marktversagen, aber schon Grund zu der Annahme, dass es an „effizienter Flexibilität“ fehle, insbesondere einer flexibleren Nachfrage.

Die erneuerbaren Energien setzten ihren Vormarsch im Energiemix fort und erreichten erstmals einen höheren Anteil als die fossilen Energien. Strom aus Wind alleine deckte 15 % der Nachfrage, gegenüber knapp 14 % Kohlestrom. Auch die klimapolitisch erwünschte Elektrifizierung, insbesondere des Verkehrs, habe 2020 Fortschritte gemacht. So habe sich die Zahl der Elektroautos (EV) seit 2016 verzehnfacht, die Zahl der Ladepunkte stieg dagegen im gleichen Zeitraum nur auf das Dreifache. Die EV stellten aufgrund ihres Verbrauchsprofils eine besondere Herausforderung für die Elektrizitätswirtschaft dar.

Ineffiziente Preissignale entstünden auch durch einen falschen Zuschnitt der Handelsregionen. Die Kosten für den Redispatch seien ein klarer Hinweis darauf, wo der Zuschnitt zu Engpässen führe. Von 2018 bis 2020 habe Deutschland die Interkonnektoren zu seinen Nachbarländern am meisten für das Engpassmanagement in Anspruch genommen. Gemeinsam mit Österreich hatte Deutschland auch die höchsten Redispatch-Kosten mit 2,1 Euro/MWh. Ein Neuzuschnitt der Handelszonen in der EU sollte nach Ansicht der Regulierer ernsthaft erwogen werden. 

Der Strommarktbericht kann von der Acer-Webseite heruntergeladen werden.

Donnerstag, 4.11.2021, 15:34 Uhr
Tom Weingärtner

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