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Energie & Management > Österreich - Regierung wehrt sich bei Gasversorgung gegen Kritik
Quelle: Fotolia / YuI
Österreich

Regierung wehrt sich bei Gasversorgung gegen Kritik

Bei einer Fernsehdiskussion verteidigte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) das Vorgehen der Regierung. Ein Oppositionsvertreter kritisierte deren "Überschriftenpolitik".
Die Debatten um die Gasversorgung Österreichs gehen weiter. Bei einer Fernsehdiskussion am 26. Juni betonte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), es gebe erhebliche Unterschiede zwischen der Lage Österreichs und jener Deutschlands. So hänge die Stromversorgung Deutschlands auch im Sommer wesentlich von Gaskraftwerken ab, jene Österreichs wegen des deutlich höheren Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung dagegen nicht.

Ferner reichten die deutschen Gasspeicherkapazitäten nur für rund zwei Monate, jene Österreichs aber für einen Zeitraum von "über einem Jahr". In diese Rechnung ist jedoch der Speicher Haidach einbezogen, der primär der Versorgung von Kundinnen und Kunden in Deutschland dient. Er umfasst nahezu ein Drittel des Speichervolumens in Österreich. Ebenfalls unberücksichtigt ließ Kogler, dass auch in den anderen österreichischen Speichern Gasmengen unbekannter Größe für die Versorgung von Kundinnen und Kunden im Ausland lagern, etwa in Slowenien.

Zur Kritik an der geplanten Neuaufnahme der Kohleverstromung im Kraftwerk Mellach I nahe der steirischen Landeshauptstadt Graz konstatierte Kogler, die Regierung bringe mit der 250-MW-Anlage "eine zusätzliche Feuerwehr in Stellung". Das Kraftwerk werde "nach wenigen Jahren wieder vom Netz gehen". Und es sei keineswegs sicher, dass es jemals Strom mittels Kohle erzeugen werde.

Vizekanzler Kogler ergänzte: "Wir haben uns vom russischen Gas abhängig gemacht. Die Verträge laufen bis 2040. Das sind schlimme Dinge. Wir müssen kurzfristig die Krise bekämpfen und uns langfristig unabhängig von Erdöl und Erdgas machen." Der österreichische Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV, der für die Erdgasimporte zuständig ist, verhandle über Lieferungen aus Norwegen sowie über LNG-Importe über den Terminal Rotterdam. Als unverständlich bezeichnete Kogler, dass der Konzern OMV seinerzeit "ohne Regulierung" privatisiert worden sei. Dies habe sich als Fehler erwiesen. An dem Unternehmen ist die Republik Österreich mit 31,5 % beteiligt. Der staatlichen Mubadala Petroleum and Petrochemicals Holding Company aus Abu Dhabi gehören 29,4 %, die übrigen 43,6 % sind Streubesitz.

"Überschriftenpolitik ohne Inhalte"

Der stellvertretende Obmann der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Manfred Haimbuchner, verwies auf eine Warnung des Politologen Gerhard Mangott, der als bester österreichischer Kenner Russlands gilt. Mangott hatte argumentiert, die Instrumentalisierung von Erdgas für politische Zwecke sei abzluehnen. Wer aber glaube, Russland werde nicht auf die Sanktionen reagieren, sei naiv. "Und genau das ist der Fall", kritisierte Haimbuchner. Österreichs jährlicher Gasverbrauch belaufe sich auf rund 90 Mrd. kWh, die ohne Importe aus Russland nicht gedeckt werden könnten: "Man hat gewusst, dass auf die Sanktionen Gegenreaktionen kommen werden. Und das müssen unsere Bevölkerung und Wirtschaft jetzt ausbaden."

Die Bundesregierung und die EU regierten auf die Lage mit einer "Überschriftenpolitik ohne Inhalte". Mangels freier Leitungskapazitäten "kommt kein norwegisches Gas nach Österreich". Für ausreichende LNG-Importe, um das von der EU bezogene russische Gas zu ersetzen, fehle es an Tankern. Natürlich müsse die EU die Ukraine unterstützen: "Aber es gibt nicht nur schwarz und weiß. Ein Gasembargo der EU gegenüber Russland würde dazu führen, dass bei uns die Menschen frieren." Und das dürfe nicht geschehen.

Martin Selmayr, der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, konterte, auch bei einem vollständigen Stopp der Gasimporte aus Russland werde "kein einziger Haushalt frieren. Es wird schon Gas da sein, aber nicht aus Russland". Als einen der Lieferanten nannte Selmayr Aserbaidschan. Die Importe aus der Kaukasusrepublik seien in letzter Zeit "um 90 Prozent gestiegen". Unerwähnt ließ Selmayr, dass über die "TANAP-TAP"-Leitung zurzeit jährlich höchstens 10 Mrd. m3 Gas importiert werden können. Auch auf den Überfall Aserbaidschans auf Armenien im Herbst 2020, den Russland und die Türkei beendet hatten, ging der EU-Vertreter nicht ein.

Krisenstab überwacht Entwicklungen

Unterdessen erläuterte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) gegenüber österreichischen Tageszeitungen einmal mehr ihre Vorgehensweise angesichts der derzeitigen Lage. Ein Krisenstab überwache die Entwicklungen. Im äußersten Falle müssten rund 7.500 Unternehmen ihren Gasverbrauch reduzieren. Vorerst seien aber keine Maßnahmen nötig. Die Gaslieferungen überstiegen den Bedarf, die Speicher füllten sich. Wie die Redaktion erfuhr, ist deshalb zurzeit keine weitere Ausschreibung hinsichtlich der staatlichen strategischen Gasreserve geplant. "Die Speicher werden ja offensichtlich von den Marktteilnehmern befüllt", teilte ein Insider mit.

Montag, 27.06.2022, 14:16 Uhr
Klaus Fischer
Energie & Management > Österreich - Regierung wehrt sich bei Gasversorgung gegen Kritik
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Regierung wehrt sich bei Gasversorgung gegen Kritik
Bei einer Fernsehdiskussion verteidigte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) das Vorgehen der Regierung. Ein Oppositionsvertreter kritisierte deren "Überschriftenpolitik".
Die Debatten um die Gasversorgung Österreichs gehen weiter. Bei einer Fernsehdiskussion am 26. Juni betonte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), es gebe erhebliche Unterschiede zwischen der Lage Österreichs und jener Deutschlands. So hänge die Stromversorgung Deutschlands auch im Sommer wesentlich von Gaskraftwerken ab, jene Österreichs wegen des deutlich höheren Anteils erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung dagegen nicht.

Ferner reichten die deutschen Gasspeicherkapazitäten nur für rund zwei Monate, jene Österreichs aber für einen Zeitraum von "über einem Jahr". In diese Rechnung ist jedoch der Speicher Haidach einbezogen, der primär der Versorgung von Kundinnen und Kunden in Deutschland dient. Er umfasst nahezu ein Drittel des Speichervolumens in Österreich. Ebenfalls unberücksichtigt ließ Kogler, dass auch in den anderen österreichischen Speichern Gasmengen unbekannter Größe für die Versorgung von Kundinnen und Kunden im Ausland lagern, etwa in Slowenien.

Zur Kritik an der geplanten Neuaufnahme der Kohleverstromung im Kraftwerk Mellach I nahe der steirischen Landeshauptstadt Graz konstatierte Kogler, die Regierung bringe mit der 250-MW-Anlage "eine zusätzliche Feuerwehr in Stellung". Das Kraftwerk werde "nach wenigen Jahren wieder vom Netz gehen". Und es sei keineswegs sicher, dass es jemals Strom mittels Kohle erzeugen werde.

Vizekanzler Kogler ergänzte: "Wir haben uns vom russischen Gas abhängig gemacht. Die Verträge laufen bis 2040. Das sind schlimme Dinge. Wir müssen kurzfristig die Krise bekämpfen und uns langfristig unabhängig von Erdöl und Erdgas machen." Der österreichische Öl-, Gas- und Chemiekonzern OMV, der für die Erdgasimporte zuständig ist, verhandle über Lieferungen aus Norwegen sowie über LNG-Importe über den Terminal Rotterdam. Als unverständlich bezeichnete Kogler, dass der Konzern OMV seinerzeit "ohne Regulierung" privatisiert worden sei. Dies habe sich als Fehler erwiesen. An dem Unternehmen ist die Republik Österreich mit 31,5 % beteiligt. Der staatlichen Mubadala Petroleum and Petrochemicals Holding Company aus Abu Dhabi gehören 29,4 %, die übrigen 43,6 % sind Streubesitz.

"Überschriftenpolitik ohne Inhalte"

Der stellvertretende Obmann der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), Manfred Haimbuchner, verwies auf eine Warnung des Politologen Gerhard Mangott, der als bester österreichischer Kenner Russlands gilt. Mangott hatte argumentiert, die Instrumentalisierung von Erdgas für politische Zwecke sei abzluehnen. Wer aber glaube, Russland werde nicht auf die Sanktionen reagieren, sei naiv. "Und genau das ist der Fall", kritisierte Haimbuchner. Österreichs jährlicher Gasverbrauch belaufe sich auf rund 90 Mrd. kWh, die ohne Importe aus Russland nicht gedeckt werden könnten: "Man hat gewusst, dass auf die Sanktionen Gegenreaktionen kommen werden. Und das müssen unsere Bevölkerung und Wirtschaft jetzt ausbaden."

Die Bundesregierung und die EU regierten auf die Lage mit einer "Überschriftenpolitik ohne Inhalte". Mangels freier Leitungskapazitäten "kommt kein norwegisches Gas nach Österreich". Für ausreichende LNG-Importe, um das von der EU bezogene russische Gas zu ersetzen, fehle es an Tankern. Natürlich müsse die EU die Ukraine unterstützen: "Aber es gibt nicht nur schwarz und weiß. Ein Gasembargo der EU gegenüber Russland würde dazu führen, dass bei uns die Menschen frieren." Und das dürfe nicht geschehen.

Martin Selmayr, der Leiter der Vertretung der EU-Kommission in Österreich, konterte, auch bei einem vollständigen Stopp der Gasimporte aus Russland werde "kein einziger Haushalt frieren. Es wird schon Gas da sein, aber nicht aus Russland". Als einen der Lieferanten nannte Selmayr Aserbaidschan. Die Importe aus der Kaukasusrepublik seien in letzter Zeit "um 90 Prozent gestiegen". Unerwähnt ließ Selmayr, dass über die "TANAP-TAP"-Leitung zurzeit jährlich höchstens 10 Mrd. m3 Gas importiert werden können. Auch auf den Überfall Aserbaidschans auf Armenien im Herbst 2020, den Russland und die Türkei beendet hatten, ging der EU-Vertreter nicht ein.

Krisenstab überwacht Entwicklungen

Unterdessen erläuterte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) gegenüber österreichischen Tageszeitungen einmal mehr ihre Vorgehensweise angesichts der derzeitigen Lage. Ein Krisenstab überwache die Entwicklungen. Im äußersten Falle müssten rund 7.500 Unternehmen ihren Gasverbrauch reduzieren. Vorerst seien aber keine Maßnahmen nötig. Die Gaslieferungen überstiegen den Bedarf, die Speicher füllten sich. Wie die Redaktion erfuhr, ist deshalb zurzeit keine weitere Ausschreibung hinsichtlich der staatlichen strategischen Gasreserve geplant. "Die Speicher werden ja offensichtlich von den Marktteilnehmern befüllt", teilte ein Insider mit.

Montag, 27.06.2022, 14:16 Uhr
Klaus Fischer

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