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Energie & Management > Aus Der Zeitung - RechtEck: Eine komplizierte Freundschaft
Quelle: E&M
Aus Der Zeitung

RechtEck: Eine komplizierte Freundschaft

Ulf Jacobshagen und Malaika Ahlers* stellen die beiden Entwürfe zur Wärmeplanung und zum Gebäudeenergiegesetz sowie ihre zuweilen etwas komplizierte Beziehung zueinander kurz vor.
Man sollte meinen, dass Heizungen und Wärme eng miteinander befreundet sind. In den vergangenen Monaten wurde diese Freundschaft jedoch deutlich auf die Probe gestellt. Wie Heizungen in diesem Land in Zukunft ihre Wärme erzeugen sollen, das steht im Entwurf für die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, Freunde nennen ihn GEG-E. Statt wohlige Gedanken an Kaminabende zu verbreiten, erhitzt GEG-E seit Jahresbeginn die deutschen Gemüter. Dann betrat im Sommer auch noch der erste Referentenentwurf für ein Wärmeplanungsgesetz, das WPG-E, die politische Bühne. Er regelt etwa die Planung und Dekarbonisierung von Fernwärmenetzen.

Zeitplan der Novellierungen: WPG-E hinkt hinter GEG-E hinterher

Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 5. Juli 2023 vorerst die Entscheidung des Bundestags über das GEG-E gestoppt hat, soll es nun Anfang September so weit sein. Die Vorgabe zur Nutzung von Wärme, die durch 65 Prozent erneuerbare Energien oder unvermeidbarer Abwärme erzeugt wird, soll dann im Bundestag beschlossen werden und ab dem 1. Januar 2024 gelten. Der WPG-E muss zunächst noch das Bundeskabinett passieren, während der GEG-E schon in die entscheidende letzte Lesung im Bundestag gehen wird. 

Im Grundsatz muss jeder Bauherr oder Gebäudeeigentümer, der ab dem 1. Januar 2024 eine neue Heizung einbaut, diese mit 65 Prozent erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme speisen.

Ursprünglich sollten Gebäudeeigentümer, deren Heizung defekt und nicht mehr reparabel ist, drei Jahre Zeit für die Umsetzung der 65-Prozent-EE-Vorgabe haben. Mit dem angepassten Entwurf hat jeder, der seine Heizung tauscht, fünf Jahre Zeit. Eine Havarie der Heizung wird also nicht mehr vorausgesetzt. 

Erste Annäherung zwischen GEG-E und WPG-E

Das GEG-E wurde im Laufe des Entwicklungsprozesses seit Anfang des Jahres mehrfach überarbeitet. Mit der letzten Überarbeitung, die nun auch im Bundestag beschlossen werden soll, wurde ein Matchmaking mit dem WPG-E vorgenommen.
Die Beziehung zwischen WPG-E und GEG-E besteht jedoch zunächst nur in der Frage, wie viel Raum das GEG in den nächsten Jahren bekommt: Solange kein Wärmeplan gemäß WPG-E für das Gebiet, in dem eine neue Heizung errichtet werden soll, aufgestellt wird, gilt auch die 65-Prozent-EE-Vorgabe des GEG-E nicht. 

Ab dem 30. Juni 2026 (für Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern) beziehungsweise ab dem 30. Juni 2028 (für Gemeinden mit bis zu 100.000 Einwohnern) ist die 65-Prozent-EE-Vorgabe dann unabhängig von einem Wärmeplan anzuwenden. Wenn aber eine Gemeinde schon vor diesen Fristen ein Gebiet auf Grundlage eines Wärmeplans als „Gebiet zum Neu- oder Ausbau eines Wärmenetzes oder als Wasserstoffnetzausbaugebiet“ ausweist, gilt die 65-Prozent-EE-Vorgabe für alle Gebäude in dem Gebiet bereits einen Monat nach Bekanntgabe dieser Entscheidung. Die Ausweisung als Wärmenetz- bzw. Wasserstoffnetzausbaugebiet hat also direkte Auswirkungen auf den Beginn der Pflichten von Bestandsgebäudeeigentümern beim Einbau einer neuen Heizung. Eine frühzeitige Wärmeplanung der Kommunen allein löst die GEG-Pflicht noch nicht unmittelbar aus. 

Wer hingegen ein Gebäude in einem Neubaugebiet neu errichtet, muss die 65-Prozent-EE-Vorgabe bereits ab dem 1. Januar 2024 beachten, unabhängig von der Gebietsausweisung. Hier teilen sich GEG-E und WPG-E schon ab dem kommenden Jahr das Terrain.

Von pauschalen und individuellen Erfüllungsoptionen

Der zentrale § 71 GEG-E sieht zwei Wege vor, wie die 65-Prozent-EE-Vorgabe umgesetzt werden kann: Es kann grundsätzlich jede Technologie zur Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien eingesetzt werden. Es muss jedoch ein individueller, rechnerischer Nachweis erbracht werden, dass tatsächlich die 65-Prozent-EE-Vorgabe eingehalten wird („Innovationsklausel“).

Alternativ können pauschale Erfüllungsoptionen genutzt werden, bei deren Umsetzung kein individueller rechnerischer Nachweis erbracht werden muss.
Pauschale Erfüllungsoptionen sind etwa der Einbau einer Wärmepumpe, Solarthermieanlage, Wasserstoff- oder Biomasseheizung oder eben der Anschluss an ein Wärmenetz. Hier gehen WPG-E und GEG-E Hand in Hand und wir sind schon bei der Ausgestaltung der inzwischen harmonischen Beziehung zwischen den beiden angelangt.

Damit der Anschluss an ein Wärmenetz als pauschale Erfüllungsoption der 65-Prozent-EE-Vorgabe genügt, muss das Wärmenetz die jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen erfüllen, die sich wiederum aus dem WPG-E ergeben. Bestandswärmenetze müssen abgesehen von weiteren Ausnahmeregelungen ab 2030 zu 30 Prozent und ab 2040 zu 80 Prozent mit Wärme aus erneuerbaren Energien und/oder unvermeidbarer Abwärme gespeist sein. Neue Wärmenetze müssen bereits bei ihrer Inbetriebnahme ab 1. Januar 2024 mit mindestens 65 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energien und/oder unvermeidbarer Abwärme gespeist sein. Ab 2045 müssen alle Wärmenetze klimaneutral sein. 

Ohne die 65-Prozent-EE-Vorgabe zu beachten, können Gebäudeeigentümer zudem ausnahmsweise noch eine sogenannte H2-ready-Gasheizung einbauen und mit 100 Prozent Erdgas weiter betreiben, wenn das betroffene Gasnetz laut vorliegendem Wärmeplan bis 2045 auf 100 Prozent Wasserstoff umgerüstet sein soll. Dazu muss der Gasnetzbetreiber einen „Fahrplan“ zur Umstellung der Netzinfrastruktur bis 2029 vorlegen.

Ende gut, alles gut?

Die Beziehung zwischen GEG-E und WPG-E war nicht immer so freundschaftlich. Statt Bezugnahmen aufeinander gab es voneinander abweichende Fristen und Voraussetzungen hinsichtlich des Anteils erneuerbarer Energien − die beiden passten noch nicht so richtig zusammen. Insofern mag es retrospektiv dienlich gewesen sein, dass GEG-E und WPG-E bei den sommerlichen Temperaturen noch ein wenig aneinander wachsen konnten. Ob aus dieser konstruierten auch eine praxis- und wintertaugliche Freundschaft wird, muss sich noch zeigen.

* Ulf Jacobshagen und Malaika Ahlers, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held (BBH), Berlin

Donnerstag, 14.09.2023, 09:02 Uhr
Redaktion
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RechtEck: Eine komplizierte Freundschaft
Ulf Jacobshagen und Malaika Ahlers* stellen die beiden Entwürfe zur Wärmeplanung und zum Gebäudeenergiegesetz sowie ihre zuweilen etwas komplizierte Beziehung zueinander kurz vor.
Man sollte meinen, dass Heizungen und Wärme eng miteinander befreundet sind. In den vergangenen Monaten wurde diese Freundschaft jedoch deutlich auf die Probe gestellt. Wie Heizungen in diesem Land in Zukunft ihre Wärme erzeugen sollen, das steht im Entwurf für die Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, Freunde nennen ihn GEG-E. Statt wohlige Gedanken an Kaminabende zu verbreiten, erhitzt GEG-E seit Jahresbeginn die deutschen Gemüter. Dann betrat im Sommer auch noch der erste Referentenentwurf für ein Wärmeplanungsgesetz, das WPG-E, die politische Bühne. Er regelt etwa die Planung und Dekarbonisierung von Fernwärmenetzen.

Zeitplan der Novellierungen: WPG-E hinkt hinter GEG-E hinterher

Nachdem das Bundesverfassungsgericht am 5. Juli 2023 vorerst die Entscheidung des Bundestags über das GEG-E gestoppt hat, soll es nun Anfang September so weit sein. Die Vorgabe zur Nutzung von Wärme, die durch 65 Prozent erneuerbare Energien oder unvermeidbarer Abwärme erzeugt wird, soll dann im Bundestag beschlossen werden und ab dem 1. Januar 2024 gelten. Der WPG-E muss zunächst noch das Bundeskabinett passieren, während der GEG-E schon in die entscheidende letzte Lesung im Bundestag gehen wird. 

Im Grundsatz muss jeder Bauherr oder Gebäudeeigentümer, der ab dem 1. Januar 2024 eine neue Heizung einbaut, diese mit 65 Prozent erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme speisen.

Ursprünglich sollten Gebäudeeigentümer, deren Heizung defekt und nicht mehr reparabel ist, drei Jahre Zeit für die Umsetzung der 65-Prozent-EE-Vorgabe haben. Mit dem angepassten Entwurf hat jeder, der seine Heizung tauscht, fünf Jahre Zeit. Eine Havarie der Heizung wird also nicht mehr vorausgesetzt. 

Erste Annäherung zwischen GEG-E und WPG-E

Das GEG-E wurde im Laufe des Entwicklungsprozesses seit Anfang des Jahres mehrfach überarbeitet. Mit der letzten Überarbeitung, die nun auch im Bundestag beschlossen werden soll, wurde ein Matchmaking mit dem WPG-E vorgenommen.
Die Beziehung zwischen WPG-E und GEG-E besteht jedoch zunächst nur in der Frage, wie viel Raum das GEG in den nächsten Jahren bekommt: Solange kein Wärmeplan gemäß WPG-E für das Gebiet, in dem eine neue Heizung errichtet werden soll, aufgestellt wird, gilt auch die 65-Prozent-EE-Vorgabe des GEG-E nicht. 

Ab dem 30. Juni 2026 (für Gemeinden mit über 100.000 Einwohnern) beziehungsweise ab dem 30. Juni 2028 (für Gemeinden mit bis zu 100.000 Einwohnern) ist die 65-Prozent-EE-Vorgabe dann unabhängig von einem Wärmeplan anzuwenden. Wenn aber eine Gemeinde schon vor diesen Fristen ein Gebiet auf Grundlage eines Wärmeplans als „Gebiet zum Neu- oder Ausbau eines Wärmenetzes oder als Wasserstoffnetzausbaugebiet“ ausweist, gilt die 65-Prozent-EE-Vorgabe für alle Gebäude in dem Gebiet bereits einen Monat nach Bekanntgabe dieser Entscheidung. Die Ausweisung als Wärmenetz- bzw. Wasserstoffnetzausbaugebiet hat also direkte Auswirkungen auf den Beginn der Pflichten von Bestandsgebäudeeigentümern beim Einbau einer neuen Heizung. Eine frühzeitige Wärmeplanung der Kommunen allein löst die GEG-Pflicht noch nicht unmittelbar aus. 

Wer hingegen ein Gebäude in einem Neubaugebiet neu errichtet, muss die 65-Prozent-EE-Vorgabe bereits ab dem 1. Januar 2024 beachten, unabhängig von der Gebietsausweisung. Hier teilen sich GEG-E und WPG-E schon ab dem kommenden Jahr das Terrain.

Von pauschalen und individuellen Erfüllungsoptionen

Der zentrale § 71 GEG-E sieht zwei Wege vor, wie die 65-Prozent-EE-Vorgabe umgesetzt werden kann: Es kann grundsätzlich jede Technologie zur Erzeugung von Wärme aus erneuerbaren Energien eingesetzt werden. Es muss jedoch ein individueller, rechnerischer Nachweis erbracht werden, dass tatsächlich die 65-Prozent-EE-Vorgabe eingehalten wird („Innovationsklausel“).

Alternativ können pauschale Erfüllungsoptionen genutzt werden, bei deren Umsetzung kein individueller rechnerischer Nachweis erbracht werden muss.
Pauschale Erfüllungsoptionen sind etwa der Einbau einer Wärmepumpe, Solarthermieanlage, Wasserstoff- oder Biomasseheizung oder eben der Anschluss an ein Wärmenetz. Hier gehen WPG-E und GEG-E Hand in Hand und wir sind schon bei der Ausgestaltung der inzwischen harmonischen Beziehung zwischen den beiden angelangt.

Damit der Anschluss an ein Wärmenetz als pauschale Erfüllungsoption der 65-Prozent-EE-Vorgabe genügt, muss das Wärmenetz die jeweils geltenden gesetzlichen Bestimmungen erfüllen, die sich wiederum aus dem WPG-E ergeben. Bestandswärmenetze müssen abgesehen von weiteren Ausnahmeregelungen ab 2030 zu 30 Prozent und ab 2040 zu 80 Prozent mit Wärme aus erneuerbaren Energien und/oder unvermeidbarer Abwärme gespeist sein. Neue Wärmenetze müssen bereits bei ihrer Inbetriebnahme ab 1. Januar 2024 mit mindestens 65 Prozent Wärme aus erneuerbaren Energien und/oder unvermeidbarer Abwärme gespeist sein. Ab 2045 müssen alle Wärmenetze klimaneutral sein. 

Ohne die 65-Prozent-EE-Vorgabe zu beachten, können Gebäudeeigentümer zudem ausnahmsweise noch eine sogenannte H2-ready-Gasheizung einbauen und mit 100 Prozent Erdgas weiter betreiben, wenn das betroffene Gasnetz laut vorliegendem Wärmeplan bis 2045 auf 100 Prozent Wasserstoff umgerüstet sein soll. Dazu muss der Gasnetzbetreiber einen „Fahrplan“ zur Umstellung der Netzinfrastruktur bis 2029 vorlegen.

Ende gut, alles gut?

Die Beziehung zwischen GEG-E und WPG-E war nicht immer so freundschaftlich. Statt Bezugnahmen aufeinander gab es voneinander abweichende Fristen und Voraussetzungen hinsichtlich des Anteils erneuerbarer Energien − die beiden passten noch nicht so richtig zusammen. Insofern mag es retrospektiv dienlich gewesen sein, dass GEG-E und WPG-E bei den sommerlichen Temperaturen noch ein wenig aneinander wachsen konnten. Ob aus dieser konstruierten auch eine praxis- und wintertaugliche Freundschaft wird, muss sich noch zeigen.

* Ulf Jacobshagen und Malaika Ahlers, Rechtsanwälte, Becker Büttner Held (BBH), Berlin

Donnerstag, 14.09.2023, 09:02 Uhr
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