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Energie & Management > Gas - Presse: Gazprom plante 2022 Gas-Erpressung
Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
Gas

Presse: Gazprom plante 2022 Gas-Erpressung

Die Bundesregierung hat im April 2022 quasi in letzter Minute ein sofortiges Abdrehen des russischen Gashahns vereitelt. Das enthüllte nun das Handelsblatt.
Dem Handelsblatt zufolge ist Deutschland 2022 knapp einer Gasmangellage entronnen. Zwei Manager der damaligen Gazprom Germania teilten die Erpressungspläne der russischen Gazprom-Zentrale gegen Deutschland der Bundesregierung mit. Ein Krisenstab aus Wirtschaftsministerium (BMWK) und Kanzleramt entschied sich darauf hin binnen kurzer Zeit für die Treuhandlösung. Die Zeitung beruft sich auf Gespräche mit ungenannten und genannten Regierungsvertretern, Managern und weiteren Insidern.

​Die Chronologie

Demnach hatten fünf angebliche Abgesandte aus St. Petersburg, dem Sitz von Gazprom, am 30. März 2022 − der Krieg gegen die Ukraine war gut einen Monat alt, und Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich mit seiner „Zeitenwende“-Rede positioniert − das Management der Gazprom Germania in ein Berliner Hotel zitiert und ihnen dort eröffnet, dass die Tochter jetzt einer Briefkastenfirma mit einem Moskauer Diskjockey als Strohmann an der Spitze gehöre. Und diese Firma habe die Liquidation von Gazprom Germania beschlossen.

Damit wäre fast die Hälfte des deutschen Gasverbrauchs ohne Importeur dagestanden. Gazprom Germania hatte 500 Kunden, je zur Hälfte Industrie und Gasversorger. Ausdrückliches Ziel der Liquidation war laut einer Handelsblatt-Quelle: Die Befürchtung nähren, dass die Gasversorgung im folgenden Winter zusammenbricht, somit Demonstrationen anstacheln und Deutschland zu Verhandlungen mit Russland zwingen.

Am 31. März 2022 berichtete das Handelsblatt zufällig über Planspiele der Bundesregierung, die Gazprom Germania zu verstaatlichen. Hintergrund waren Liquiditätsengpässe, mit denen die Regierung mit dem Management gesprochen hatte. Der Kreml protestierte. Von den Liquiditätsplänen aus Moskau wusste damals in Deutschland noch niemand.

Am 1. April 2022, einem Freitag, packten zwei besorgte Gazprom-Germania-Manager im BMWK gegenüber einigen Ministerialbeamten aus. Es bildete sich ein informeller Krisenstab um Staatssekretär Udo Philipp, Wirtschafts-Abteilungsleiter Philipp Steinberg, den damaligen Unterabteilungsleiter Ulrich Benterbusch, Kanzleramts-Gruppenleiter Frank Wetzel und Kanzlerberater Jörg Kukies.

Bis zum 3. April 2002, einem Sonntag, erarbeiteten sie den Plan, dass das BMWK einen noch nie benötigten Paragrafen aus dem Außenwirtschaftsgesetz nutzt und Gazprom Germania unter treuhänderische Verwaltung stellt. Die Liquiditätsprobleme dienten wie berichtet als offizielle Begründung. Treuhänder wurde bekanntlich Netzagentur-Chef Klaus Müller. Inoffiziell kam hinzu, dass auf diese Weise eine Enteignung und damit Schadenersatzforderungen umgangen wurden. Die Option, die Insolvenz zu beantragen, wurde aus denselben Gründen verworfen. Am Schluss stimmten Minister Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Scholz persönlich zu.

Der Krisenstab hatte befürchtet, dass die Geschäftsführung von Gazprom Germania am 4. April 2022, einem Montag, beginnen würde, die Liquidation umzusetzen; Betriebsvermögen nach Russland zu transferieren und die Lieferverträge zu kündigen. 

Wie es dann weiterging

Der Kreml reagierte erst mit einem polemischen Protest. Am 11. Mai 2022 verbot Wladimir Putin russischen Unternehmen Geschäfte mit Gazprom Germania. Danach drosselte Gazprom die Exporte über die Ostseeröhre Nord Stream 1, und im August 2022 stellte Russland die Gasausfuhr nach Deutschland ganz ein. Im September 2022 zerstörte ein Bombenanschlag mit immer noch nicht geklärter Urheberschaft Nord Stream 1.

Zunächst half der Bund im Juni 2022 Gazprom Germania mit einem Milliardenkredit, nannte sie in Sefe (Securing Energy for Europe) um und setzte den politisch zuverlässigen Energiemanager Egbert Lage als Chef ein. Im November 2022 kam tatsächlich die Verstaatlichung.

Freitag, 1.12.2023, 15:46 Uhr
Georg Eble
Energie & Management > Gas - Presse: Gazprom plante 2022 Gas-Erpressung
Quelle: E&M / Katia Meyer-Tien
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Presse: Gazprom plante 2022 Gas-Erpressung
Die Bundesregierung hat im April 2022 quasi in letzter Minute ein sofortiges Abdrehen des russischen Gashahns vereitelt. Das enthüllte nun das Handelsblatt.
Dem Handelsblatt zufolge ist Deutschland 2022 knapp einer Gasmangellage entronnen. Zwei Manager der damaligen Gazprom Germania teilten die Erpressungspläne der russischen Gazprom-Zentrale gegen Deutschland der Bundesregierung mit. Ein Krisenstab aus Wirtschaftsministerium (BMWK) und Kanzleramt entschied sich darauf hin binnen kurzer Zeit für die Treuhandlösung. Die Zeitung beruft sich auf Gespräche mit ungenannten und genannten Regierungsvertretern, Managern und weiteren Insidern.

​Die Chronologie

Demnach hatten fünf angebliche Abgesandte aus St. Petersburg, dem Sitz von Gazprom, am 30. März 2022 − der Krieg gegen die Ukraine war gut einen Monat alt, und Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte sich mit seiner „Zeitenwende“-Rede positioniert − das Management der Gazprom Germania in ein Berliner Hotel zitiert und ihnen dort eröffnet, dass die Tochter jetzt einer Briefkastenfirma mit einem Moskauer Diskjockey als Strohmann an der Spitze gehöre. Und diese Firma habe die Liquidation von Gazprom Germania beschlossen.

Damit wäre fast die Hälfte des deutschen Gasverbrauchs ohne Importeur dagestanden. Gazprom Germania hatte 500 Kunden, je zur Hälfte Industrie und Gasversorger. Ausdrückliches Ziel der Liquidation war laut einer Handelsblatt-Quelle: Die Befürchtung nähren, dass die Gasversorgung im folgenden Winter zusammenbricht, somit Demonstrationen anstacheln und Deutschland zu Verhandlungen mit Russland zwingen.

Am 31. März 2022 berichtete das Handelsblatt zufällig über Planspiele der Bundesregierung, die Gazprom Germania zu verstaatlichen. Hintergrund waren Liquiditätsengpässe, mit denen die Regierung mit dem Management gesprochen hatte. Der Kreml protestierte. Von den Liquiditätsplänen aus Moskau wusste damals in Deutschland noch niemand.

Am 1. April 2022, einem Freitag, packten zwei besorgte Gazprom-Germania-Manager im BMWK gegenüber einigen Ministerialbeamten aus. Es bildete sich ein informeller Krisenstab um Staatssekretär Udo Philipp, Wirtschafts-Abteilungsleiter Philipp Steinberg, den damaligen Unterabteilungsleiter Ulrich Benterbusch, Kanzleramts-Gruppenleiter Frank Wetzel und Kanzlerberater Jörg Kukies.

Bis zum 3. April 2002, einem Sonntag, erarbeiteten sie den Plan, dass das BMWK einen noch nie benötigten Paragrafen aus dem Außenwirtschaftsgesetz nutzt und Gazprom Germania unter treuhänderische Verwaltung stellt. Die Liquiditätsprobleme dienten wie berichtet als offizielle Begründung. Treuhänder wurde bekanntlich Netzagentur-Chef Klaus Müller. Inoffiziell kam hinzu, dass auf diese Weise eine Enteignung und damit Schadenersatzforderungen umgangen wurden. Die Option, die Insolvenz zu beantragen, wurde aus denselben Gründen verworfen. Am Schluss stimmten Minister Robert Habeck (Grüne) und Kanzler Scholz persönlich zu.

Der Krisenstab hatte befürchtet, dass die Geschäftsführung von Gazprom Germania am 4. April 2022, einem Montag, beginnen würde, die Liquidation umzusetzen; Betriebsvermögen nach Russland zu transferieren und die Lieferverträge zu kündigen. 

Wie es dann weiterging

Der Kreml reagierte erst mit einem polemischen Protest. Am 11. Mai 2022 verbot Wladimir Putin russischen Unternehmen Geschäfte mit Gazprom Germania. Danach drosselte Gazprom die Exporte über die Ostseeröhre Nord Stream 1, und im August 2022 stellte Russland die Gasausfuhr nach Deutschland ganz ein. Im September 2022 zerstörte ein Bombenanschlag mit immer noch nicht geklärter Urheberschaft Nord Stream 1.

Zunächst half der Bund im Juni 2022 Gazprom Germania mit einem Milliardenkredit, nannte sie in Sefe (Securing Energy for Europe) um und setzte den politisch zuverlässigen Energiemanager Egbert Lage als Chef ein. Im November 2022 kam tatsächlich die Verstaatlichung.

Freitag, 1.12.2023, 15:46 Uhr
Georg Eble

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